January 23, 2016 - 17:59

Hallo Tobias,

ich finde die Frage überhaupt nicht naiv - dafür aber sehr komplex und deshalb gar nicht mal so leicht zu beantworten! Ich habe in meinem Aufsatz auch nur einige Dinge anreißen können, die sich auf mögliche autofiktionale Inszenierungen im digitalen Raum beziehen. Würde ich weiterdenken, dann spielt an medienspezifischen Aspekten zuvorderst auch die einfache Tatsache eine Rolle, dass die Inszenierung quasi-live und synchron stattfinden kann (kann, nicht muss, natürlich) - dabei aber zumindest in schriftsprachlich dominierten Formaten aber trotzdem alles manipulierbar ist, denn digitale Texte sind dynamisch, der Autor kann beständig an ihnen weiterarbeiten. Er kann sie umschreiben, weiterschreiben, löschen usw. Und ob das für das Publikum sichtbar wird, entscheidet er darüber hinaus auch. Über die Schriftsprache hinweg bieten sich dann auch weitere Medien wie Fotos, Videos usw. an. Fotos hatte ich in Bezug auf ANH und Regener schon erwähnt. Videos sind natürlich auch hochinteressant, wenn es um Autofiktion geht, schon allein wegen der Frage: Authentizität vs. Manipulation.

Die Kommentare, die Lesende und Autoren schreiben, sehe als den Punkt, an dem der Autor nun auch als Person (als Autor-Person) auftritt. Hier erweitert sich Lejeunes Trias "Autor - Erzähler - Figur". Man könnte aber womöglich auch die beständige Präsenz des Autors in einem online entstehenden Text schon als diesen Punkt ansetzen - er ist dort als Person anwesend, zumindest solange er ihn schreibt und formt.

Dass Hyperlinks neue autofiktionale Inszenierungsmöglichkeiten bieten, habe ich, soweit ich mich erinnere, nicht so gesagt bzw. gemeint. Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass Autoren mittels eines dichtgewebten Link-Netzes durchaus das Verwirrspiel um ihr "Ich" noch besser treiben können also anderswo, besonders, wenn die Links auch andere Medien und Plattformen im Netz miteinbeziehen. Das aber nur als vage These.

Ich hoffe sehr, ich konnte dir damit ein klein wenig weiterhelfen. Wenn etwas nicht verständlich war oder du noch weitere Fragen hast: jederzeit gern!

Schöne Grüße
Theresa Schmidtke