Anna
Seidel
Innsbruck

(Keine) Manifeste und ein Hot Topic: Popfeminismus

In den Nullerjahren sind wir längst angekommen in einer »post-manifesto era«1. Die historischen und die Neo-Avantgarden haben die Textsorte längst einmal durchgespielt. Sie hat ihren Reiz verloren, ist abgenutzt und angestaubt. Eigentlich dürfte es uns also nicht wundern, dass auch die progressiven Stimmen im Pop sich längst anders Gehör zu verschaffen wissen als es etwa noch bei Ton Steine Scherben mit ihrem Musik ist eine Waffe!-Manifest (1970/1972) der Fall war. Kurz nach der Jahrtausendwende brauchen Pop-Gruppen dafür keine Manifeste mehr. Und doch: Tocotronic schreiben eines, Locas In Love schreiben drei und Ja, Panik schreiben sogar vier. Manifeste, so kann man sagen, erleben im deutschsprachigen Indie-Pop eine gewisse Konjunktur und das, obwohl sie als überholt gelten.2 Die Diskurspopgruppen3 verhandeln in ihren Manifesten Politisches und auch die selbstbewussten Fluchtlinien zu den sogenannten historischen und den Neo-Avantgarden lassen sich nachzeichnen.4 Wenn man sich mit dieser unerwarteten Tatsache – Manifeste im Pop der Nullerjahre, obwohl Pop gerade eben jetzt ist und die Textsorte längst antiquiert wirkt – erstmal angefreundet hat, fallen die Leerstellen umso deutlicher auf: Wo sind eigentlich die popfeministischen Manifeste?

»The ism is a brand, and the manifesto is a marketing tool«5 – es könnte also alles ganz einfach sein. Popfeminismus ist im deutschsprachigen Raum in den Nullerjahren schließlich »Hot Topic«,6 aber es ist nicht nur kompliziert mit ihm; dieser ›ism‹ ist auch vergleichsweise arm an Manifesten. Trotz einer gewissen Konjunktur der Textsorte, die im deutschsprachigen Pop durchaus ihren Ort hat, tun die Popfeministinnen genau das zeitgleich nicht: Manifeste schreiben – jedenfalls zunächst. In der folgenden Spurensuche geht es schlaglichtartig genau darum, um (fehlende) Manifeste, Pop und Feminismus.

Diskursrahmen

»Wir stehen auf dem äußersten Vorgebirge der Jahrhunderte!«,7 verkündet Filippo Tomaso Marinetti im Gründungsmanifest des Futurismus. Er ist es, der die Textsorte Manifest 1909 öffentlichkeitswirksam aus der politischen Rhetorik ins künstlerische Feld herüberholt. Der primäre Publikationsort ist ein Printmedium: die französische Zeitung Le Figaro. Marinetti publiziert sein erstes von zahlreichen Manifesten wohlüberlegt an prominenter Stelle, dem Titelblatt dieser Tageszeitung. Der »Diskursrahmen« ist längst etabliert, weil genau hier »immer wieder programmatische Texte erschienen sind.«8

Manifeste markieren, dass etwas losgeht. Sie sollen eine Bewegung anheizen und bekannt machen, Aufbruch signalisieren. Das ist schon beim Futurismus so, der Bewegung, die sich die Zukunft nicht nur ins Programm, sondern gleich in den Namen schreibt. »At the height of the avant-garde a century ago, writers like Marinetti realized the medium was the message, embracing and pioneering new techniques for advertising.«9 Viele weitere Avantgarden folgen dem futuristischen Beispiel und so wird das Manifest im Laufe der Jahre nicht nur zur »›Königsgattung‹ der historischen Avantgarde«,10 es wird auch von den Neo-Avantgarden intensiv bemüht, wenn der Blick nach vorn geht und emphatisch Neues gefordert wird. 

Bedroom Dancing

»Was man der männlichen Avantgarde als Innovation gutschreibt, als Investition in die Zukunft gar, legt man der weiblichen Avantgarde als Fehler aus«,11 beklagt in einem autobiographischen Text einhundert Jahre nach Marinetti Sandra Grether, Popfeministin der ersten Stunde. Unter dem Titel »Freundinnen müsste man sein!« erzählt sie von ihrem Werden und Sein als Musikerin. Sie reflektiert ihre musikalische (Selbst-)Sozialisation unter anderem anhand eines Posters der Runaways, das ihr als jungem Mädchen viel verspricht, denn »die Runaways hatten Eier« (FMMS, S. 181). Schon hier fällt auf, dass bei aller propagierter Girl Power der Referenzrahmen zunächst einmal ein männlicher ist (»hatten Eier«). Das Teenage-Girl jedenfalls schwärmt in den 1980er-Jahren, wie das Teenage-Girl ebenso schwärmt: Mit einem Poster an der Wand im Jugendzimmer.12 Aber auch das Poster im Privaten hat politisches Potential – abgebildet ist immerhin eine Girl-Band, die ein Emanzipationsversprechen für seine Betrachterin artikuliert:

Dieses Poster […] verpasste mir eine Art utopischen Schlag. […]. Erst später wurde mir klar, es war damals bereits Geschichte, kam es doch aus den 70er Jahren – was ich aber nicht wahrhaben wollte, denn das Gute sollte doch JETZT passieren, in der Gegenwart dieses Augenblicks. (FMMS, S. 180)

Grether formuliert konkret anhand ihrer Biographie, was Eckhard Schumacher abstrakter als das Pop-Versprechen schlechthin auf die Formel des »Gerade Eben Jetzt« zuspitzt.13 Schumacher erklärt aber, dass »›Now-ness‹ […] für Pop immer ein Prinzip [war], das Vergangenheit, Historizität und Referentialität […] nicht ausblendet«.14 Für den Teenager Sandra Grether wird das Runaways-Poster aus der Vergangenheit, das ultimative Nowness verspricht, zu einer »Investition in die Zukunft« (FMMS, S. 192); es verspricht die »Utopie echter gelebter Mädchenfreundschaften« (FMMS, S. 183).

Grether schreibt einen anekdotisch-persönlichen Text, der gleichsam politisch lesbar ist, weil er die Sehnsucht nach feministischen (oder auch bloß nicht-männlichen) Momenten im Pop artikuliert. Das ist eines der Hauptanliegen des Popfeminismus, wie er sich im angloamerikanischen Raum etwa seit den frühen 1990er-Jahren beobachten lässt. Die US-amerikanische Riot-Grrrl-Bewegung, eine subkulturelle Bewegung, die sich aus der Punk- und Hardcore-Szene im beschaulichen Olympia, Washington heraus in eine breitere Öffentlichkeit hineinentwickelt,15 ist ein Fluchtpunkt für das, was später mal Popfeminismus genannt wird. Auch Grether leitet ihre Überlegungen in ihrem Text konkret anhand von Bands und Künstlerinnen wie Bikini Kill und Courtney Love, Riot Grrrls also, ab. 

Diese Riot Grrrls, die nicht nur aus einem Punk-, sondern auch aus einem Artschool-Zusammengang emergieren, hatten sich bewusst für Manifeste entschieden, um mit Wucht den Umbruch zu fordern:

BECAUSE us girls crave records and books and fanzines that speak to US that WE feel included in and can understand in our own ways.
BECAUSE we wanna make it easier for girls to see/hear each other’s work so that we can share strategies and criticize-applaud each other.
BECAUSE we must take over the means of production in order to create our own meanings.16

So beginnt »Riot Grrrl Is…«, das erste von vielen Riot-Grrrl-Manifesten, das Kathleen Hanna 1991 im Bikini-Kill-Fanzine, also einem selbstkopierten, zunächst einmal szeneintern vertriebenem Magazin veröffentlicht.17 Was zunächst eine vergleichsweise überschaubare Punkszene durchschüttelt, zieht dann nach und nach seine Kreise und wird retrospektiv zum Erweckungserlebnis vieler Feminist_innen. Das erste Riot-Grrrl-Manifest sorgt für ein Aufruhr, der schließlich – neben anderen Ereignissen und Überlegungen – in das mündet, was wir heute Popfeminismus nennen.

Spätestens ab der Jahrtausendwende manifestiert sich Popfeministisches dank (Musik-)Presse und einschlägiger Anthologien auch im deutschsprachigen Raum – nicht zuletzt dank Sandra Grether und ihrer Schwester Kerstin Grether.18 Es gilt: »Der popfeministische Zugang besteht […] einerseits aus einer entsprechenden Kritik an der Popkultur sowie andererseits aus produktiven Setzungen innerhalb der Popkultur.«19 Zu beidem tragen die Grether-Schwestern als Journalistinnen und Musikerinnen neben anderen maßgeblich bei.

Obwohl es ihr in ihrem Bekenntnis um die Frage nach Avantgardistischem geht, obwohl die Textsorte Konjunktur hat und auch im Zusammenhang mit ihrem Anliegen bereits wirkmächtig geworden ist, entscheidet Sandra Grether sich in »Freundinnen müsste man sein!« nicht dafür, selbst ein Manifest zu formulieren. Stattdessen entscheidet sie sich für ein wenig bestimmtes, suchendes Format mit konjunktivischem Titel und vielen offenen Fragen. Die Avantgarde, die sie hier als anerkennende Beschreibungskategorie für weibliches Schaffen herbeiwünscht, kennen wir eigentlich als einigermaßen kämpferische Angelegenheit – schon der Begriff, der seinen Ursprung im Französischen hat und sich mit Vorhut übersetzen lässt, ist aus dem militärischen Zusammenhang entlehnt.20 Im Textverlauf wird statt mutigem Voranschreiten allerdings eine fast schon naive Ratlosigkeit ausgestellt: »Irgendwie muss das Neue, Innovative, Kaputte auch mal in den Kreislauf musikalischer Verwertung gekommen sein.« (FMMS, S. 192)

Pop und Avantgarde

Es ist bereits angeklungen, die Jungs-Bands – oder vielmehr: die Nicht-Girl-Bands21 – machen zeitgleich vor, wie man sich durchaus als Pop-Avantgarde oder zumindest als Avantgarde-affin stilisieren kann. Ein Mittel der Wahl hierzu ist das Manifest – die Textsorte, die, wie erwähnt, die avantgardistischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts als die ultimative für sich auserkoren hatten. Allgemein gilt: Das prototypische Manifest ist die präzise, kämpferische »Erklärung einer gesellschaftlichen Initiative oder einer künstlerischen Gruppierung«.22 In der Regel wird in ihm dem Alten abgeschworen, um Innovation zu postulieren, gern radikal und aktivierend. Verspielt drückt es etwa Dadaist Tristan Tzara in seinem »Manifest Dada 1918« aus, das nicht unerwähnt bleiben darf, wenn von dieser Textsorte die Rede ist:

Um ein Manifest zu lanzieren, muß man das ABC wollen, gegen 1, 2, 3 wettern. Sich abmühn und die Flügel spitzen, um kleine und große ABCs zu erobern und zu verbreiten. Unterzeichnen, schreien, fluchen, die Prosa in der Gestalt absoluter, unwiderlegbarer Klarheit arrangieren, ihr Non-plus-ultra beweisen.23

Beginnend mit dem ersten futuristischen Manifest im Jahr 1909, in welchem Filippo Tomaso Marinetti, Kopf der Bewegung, unter anderem engagiert fordert: »Legt Feuer an die Regale der Bibliotheken!«,24 über die verschiedenen dadaistischen Manifeste und solche der Neo-Avantgarden, beispielsweise der Münchner Gruppe SPUR, die 1958 proklamiert: »WIR FORDERN DEN KITSCH, DEN DRECK, DEN URSCHLAMM«,25 wird das Manifest im 20. Jahrhundert in unzähligen Varianten erzählt – mal mehr, mal weniger der Tzara’schen Anleitung entsprechend. Es handelt sich um eine »[d]iskursive Textsorte«.26 Rein rhetorisch geht es um Neuanfänge, jeglicher Passatismus – ein Begriff, den die Futurist_innen prägen – wird leidenschaftlich abgelehnt.

Zum Ende des Jahrhunderts sind es längst nicht mehr nur im engen Sinne avantgardistische Bewegungen, die ihre Aktionen mit Manifesten flankieren oder ihre Manifeste als autonome Texte publizieren. Auch an Kunsthochschulen, in Marketingkampagnen und Agenturen, überall wird die Textsorte Manifest bemüht, die Avantgarde entsprechend reklamiert. Martin Büsser veröffentlicht 2001 in Anbetracht dieser Konjunktur »Das futuristische Manifest der Promozettel« in der Pop-Zeitschrift testcard. In ihm heißt es unter anderem:

 

  • Nur die Leuchtdioden des Computers flackern, es macht Sinn, nachts hier zu arbeiten, sich vor dem Tag zu verschließen – die Gegensätze einzufangen. Wer braucht schon Schlaf?
  • Willst du drei Minuten Songs, bei denen dir die Kinnlade sprachlos vor Begeisterung auf den Schreibtisch fällt?
  • Er springt wild vom verführerischen Samba zu stählern schleifenden, futuristischen Krachern.
  • […]
  • Kein Knacksen ist wie das andere.
  • […] 
  • Umfassend, programmatisch, geschlossen.27

Büsser kompiliert aus wenig originellem Pressematerial, wie es in der Regel zum Erscheinen eines neuen Tonträgers von einer Band oder ihrer Vertretung an die entsprechenden Redaktionen versendet wird, eine vor Buzzwords nur so strotzende Manifest-Persiflage. Das vermeintlich Zukunftsgewandte – im Titel ist das Manifest ja als ›futuristisch‹ attribuiert, der Text erscheint außerdem in der testcard-Ausgabe mit dem Dossier-Thema »Zukunftsmusik« – rekrutiert sich hier allerdings bereits aus der Public-Relations-Mottenkiste.

Als also Tocotronic und Ja, Panik 2007 jeweils ein Manifest als Promozettel zu ihren jeweils in diesem Jahr erscheinenden Alben veröffentlichen, sind sie längst nicht die ersten, die die Textsorte im deutschsprachigen Pop bemühen.28 Aber auf die ersten Manifeste der Gruppen zu ihren Alben Kapitulation (Tocotronic) und The Taste and the Money (Ja, Panik) folgt eine ganze Reihe von Pop-Manifesten, die schwerlich bloß als typisch avantgardistisch-kämpferisch beschrieben werden können, sondern auch als ›sich verweigernd‹ beschrieben werden müssen. Sie stehen sowohl für Innovation wie auch für eine gewisse Retromanie. Sie sind sowohl kapitalismuskritisch, als auch Teil des kulturindustriellen Verwertungskreislaufs. It is complicated!

Was die Manifeste der Pop-Gruppen gemeinsam haben, ist, neben der paratextuellen Selbstbezeichnung als Manifest, die relative Kürze und die gattungstypische Ansprache an eine In-Group. Der Duktus ist, anders als man es für die Textsorte antizipieren würde, eher ein vorsichtiger. So opponiert zum Beispiel 2007 die Hamburger-Schule-Gruppe Tocotronic in ihrem Manifest (Kapitulation) schon qua Titel gegen jeglichen Kampf und propagiert lieber die antifaschistische Hingabe:29

Kapitulation. Das schönste Wort in deutscher Sprache.
Ka-pi-tu-la-ti-on. Wie Töne die Tonleiter hinauf, so gleiten die
Silben die Zunge hinab.30

Ähnlich zahm artikuliert sich die Kölner Indie-Band Locas In Love in Manifest (2011):

Doch es kommt nicht darauf an, daß wir lieben, sondern was wir lieben und warum wir es tun. Nicht aus Angst vorm Alleinsein, nicht als Flucht und nicht weil wir nicht wissen wohin mit uns.31

Es gibt sie also durchaus, die Manifeste im deutschsprachigen Pop der Nullerjahre. Pop und Avantgarde verbinden sich hier. Diese Pop-Manifeste funktionieren allerdings anders als noch die vorwiegend kämpferischen Texte der historischen und der Neo-Avantgarden – und sie funktionieren auch anders als etwa die agitatorischen Manifeste der Riot Grrrls. Die Verfasser_innen eignen sich die Gattung paratextuell selbstbewusst-verspielt an, subvertieren sie, »auch weil das so schön überzogen ist«, wie Tocotronic-Sänger, -Gitarrist und -Texter Dirk von Lowtzow einmal in einem Interview sagt.32

In diesen Manifesten geht es nicht vorrangig um die Platzierung von Innovationen, vielmehr wird poptypisch zitiert und archiviert, was das Zeug hält. (Emanzipatorische) Ideen und Konzepte aus der Vergangenheit werden für eine potentielle Zukunft montiert und so neu in Stellung gebracht: »Die Pop-Manifeste der Gruppen Tocotronic, Locas In Love und Ja, Panik sind [entsprechend] als Scharnierstellen zu beschreiben zwischen einer Vergangenheit mit Zukunftspotential und einer Gegenwart, die diese Zukunft nicht (mehr) emanzipatorisch wirksam imaginieren kann.«33 Das ist es – in aller Kürze – was ich an anderer Stelle ausführlich als retroaktive Avantgarde diskutiere.

»[S]chneidet die Penisse aus der Popkultur!«

Es ist schon auffällig, dass das Korpus an deutschsprachigen Pop-Manifesten in den Nullerjahren ein männlich anmutendes ist. Das könnte der Tatsache geschuldet sein, dass sowohl die Avantgarden als auch der Diskurspop eher männlich geprägt sind – auf Letzteres kommt ja nicht erst Sandra Grether zu sprechen.34 

Allerdings wäre es zu simpel, nun zu sagen, dass das Manifest eine historisch eher männlich konnotierte Textsorte sei. Es ist richtig, dass das in der Breite wohl bekannteste Manifest von zwei Männern verfasst wurde (Karl Marx und Friedrich Engels) und auch, dass die Nutzung des Manifests durch avantgardistische Bewegungen seinen Anfang öffentlichkeitswirksam mit Marinetti und seinen »deliberately macho-male«35 Manifesten nimmt, ist unbestritten. Allerdings hat es in der Zwischenzeit unzählige Frauen gegeben, die in allen möglichen Bereichen Manifeste veröffentlicht haben.36 Die feministische (Bewegungs-)Geschichte ist reich an Manifesten, wie etwa Gudrun Ankele nachzeichnet und analysiert. Sie diskutiert bereits Olympe de Gouges’ »Deklaration der Rechte der Frau und Bürgerin« aus dem Jahr 1791 als Manifest.37

Überhaupt lassen sich auch einige der Manifeste der Diskurspopgruppen, die ich als retroaktive Avantgarde diskutiere, nicht ohne Weiteres in das einfache Binärschema von vermeintlich männlicher und vermeintlich weiblicher Avantgarde einordnen. Eine Feier dominanter Männlichkeit lässt sich jedenfalls nicht entdecken, wenn es bei Ja, Panik in »The Taste and the Money – ein Programm in 6 Punkten« unter anderem heißt:

Auf blutigen Knien flehen wir euch an:
schneidet die Penisse aus der Pop-Kultur!
Zerfleischt sie!
Reißt sie aus allen Künsten!
Speit jeden Tag auf den Altar eurer Männlichkeit!
Defragmentiert euer Geschlecht, 
stülpt es nach innen!38

In wenigen Versen versammeln sich hier die Verweise auf feministische Vorgänger_innen, etwa auf VALIE EXPORT, die in ihrem Woman’s Art-Manifest (1972) unter anderem statuiert: »die frau muß sich aller medien als mittel des sozialen kampfes und als mittel für den gesellschaftlichen fortschritt bedienen, um die kultur von den männlichen werten zu befreien.«39 Auch an das noch etwas ältere S.C.U.M. Manifesto (1967) von Valerie Solanas ist zu denken. In ihm artikuliert die spätere Warhol-Attentäterin ihre Kastrationsfantasien synekdochisch-brutal:

Das Leben in dieser Gesellschaft ist ein einziger Stumpfsinn, kein Aspekt der Gesellschaft vermag die Frau zu interessieren, daher bleibt den aufgeklärten, verantwortungsbewußten und sensationsgierigen Frauen nichts anderes übrig, als die Regierung zu stürzen, das Geldsystem abzuschaffen, die umfassende Automation einzuführen und das männliche Geschlecht zu vernichten.40

Irgendwie klingt auch Donna Haraways Cyborg Manifesto (1985) an, wenn im Ja, Panik-Manifest zur ›Defragmentierung‹ des Geschlechts aufgefordert wird. Haraway stellt in ihrem Manifest die binäre Geschlechterordnung produktiv in Frage und auch die Grenzen zwischen Mensch, Tier und Maschine werden diskutiert. Die Forderung einer Neuordnung zur verbesserten Funktion, Defragmentierung eben, mag ein Ausweg sein?

Das erste Manifest der Gruppe Ja, Panik ist vor feministischem Hintergrund lesbar und kann als Ausdruck einer kritischen Männlichkeit verstanden werden, die ihre eigene Hegemonie reflektiert und zu deren Abbau beitragen will. Die – zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch – reine ›Jungsband‹ ist sich über die männliche Dominanz im Musiksektor sowie die unterschiedlichen Bewertungsmaßstäbe für ›männliches‹ und ›weibliches‹ Schaffen durchaus bewusst – ihr Call to Action ist entsprechend explizit.

Das alte Lied

Polemisch beschreibt Sandra Grether die Gemengelage auch in ihrem »Freundinnen«-Text: »Und […] warum gelten immer die Frauenbands als besonders dilettantisch, die die kompliziertesten Songstrukturen und die meisten Akkordwechsel haben? Eben deshalb! Ist doch klar. Sie wissen nicht, wie man Popsongs schreibt, die die Massen kicken.« (FMMS, S. 192) Ihr Fluchtpunkt ist an dieser Stelle, wie bereits erwähnt, die Avantgarde. Die scheint für Frauen schlicht keine Option zu sein – das Zwischenkapitel, in dem sie als Herausgeberin ihren Bekenntnis-Text platziert, heißt gar Pop versus Avantgarde.41 Frauen in der Musik sind nicht ganz Pop, weil sie nicht »die Massen kicken«, nicht ganz Avantgarde, weil »dilettantisch« wirkt, was sie tun – zumindest dann, wenn das Männliche als der Standard gilt. Es ist das alte Lied, das auch die Riot Grrrls 1991 schon in ihrem Gründungsmanifest beschäftigt: »BECAUSE we don’t wanna assimilate to someone else’s (boy) standards of what is or isn’t.«42

Statt nun aber selbst so ein Manifest zu schreiben in einer Zeit, in der die Diskurspopbands um sie herum genau das tun, entscheidet sich Sandra Grether an dieser Stelle dafür, einen autobiographisch-anekdotischen Text entlang eines Manifests zu schreiben. Alle Punkte, die sie nicht nur anspricht, sondern blumig beschreibt, sind in Schlagworten und Parolen bereits in Hannas Riot-Grrrl-Manifest angelegt. Die hier identifizierte, internalisierte Misogynie, die »girl/girl jealousies«,43 die es sich abzugewöhnen gilt, sind fast zwei Dekaden später bei Grether immer noch ein Thema; etwa hier:

Mädchen! Wisst ihr eigentlich, wie viel Spaß diese Jungs haben, während ihr darüber nachgrübelt, ob eure beste Freundin euch nicht womöglich doch den Freund wegschnappt? Oder ist ihre Nase eventuell einen Millimeter kleiner als eure? Sind die Brüste größer? Trägt sie immer schöne Kleider, die nicht jede tragen kann? (FMMS, S. 184)

Wie für Manifeste nicht untypisch wählt Grether die direkte Ansprache und ein Ausrufezeichen. Statt aber bestimmt eine Losung zu formulieren, entscheidet sie sich anschließend für eine fragende Form, die an die frauenverachtenden Slogans auf den Titeln von Frauenmagazinen erinnert,44 aber nichts in einem durch und durch empowernden Manifest zu suchen hätten.

Anstatt deutlich ein Ziel zu erklären, wie es Hanna tut: »fostering and supporting girl scenes«,45 beschreibt Grether die Unmöglichkeit der Erfüllung dieses Ziels anhand ihrer eigenen Biographie. Es geht darum, wie schwierig es für sie gewesen ist, das Selbstverständnis von sich als Musikerin zu entwickeln – »[es] dauerte […] viele Jahre, bis ich begriff, dass auch ich ein Recht darauf habe, eine Rockmusikerin auf einer Rockbühne zu sein.« (FMMS, S. 187). Sie unterzieht die kurze, der Textsorte entsprechend Einfachheit suggerierende Parole des Manifests einer Überprüfung entlang ihres eigenen Erlebens und bringt, bei aller Feier der Ideen ihrer Vorgängerinnen, den Zweifel in ihren Text. Im Grunde unterfüttert Grether konkret, was die Riot Grrrls als schwierige Umstände für die persönliche Entfaltung beschreiben, »meant to keep us simply dreaming instead of becoming our dreams«.46

Im Jahr 2008 beschäftigt sich Sandra Grether, wie schon in den Jahren davor und wie noch in den Jahren danach, mit ihrem Herzensthema: Popfeminismus. Ihr konkretes Anliegen ist die Selbstverständlichkeit von Frauen im Pop. Sie kennt die Manifeste der Riot Grrrls und sie kennt auch die Diskurspop-Manifeste ihrer Zeitgenossen.47 Und trotzdem schreibt sie 2008 kein Manifest, um ihre Forderungen und Wünsche zu formulieren. Stattdessen greift sie die Aspekte, die Hanna im ersten Riot-Grrrl-Manifest in aller Kürze artikuliert, auf und führt sie in ihrem kursorisch-anekdotischen Text mit ihrer eigenen Biographie eng, reichert sie an. Es geht um internalisierte Misogynie und vor allem um deren Überwindung, um »die Utopie echter gelebter Mädchenfreundschaften« (FMMS, S. 183).

Es ist nicht das historisch eher männlich konnotierte Manifest, das ihr hier als Format geeignet scheint. Stattdessen stärkt sie historisch eher Weibliches, indem sie etwa auf Tagebücher und Jugendzimmer referiert, und das Private als Politisches setzt.

Fast Forward

Dieser Text könnte nun zu Ende sein, allerdings schreibt Sandra Grether 2019 gemeinsam mit ihrer Schwester Kerstin doch noch ein Manifest: Der Stoehrfaktor. Anders, als man vermuten würde, wenn man um das Werbepotential, das in ihnen artikulierte Innovationsbegehren und die historische Platzierung markanter Manifeste weiß – Marinettis Manifest auf der Titelseite von Le Figaro, Hannas Manifest im allerersten Bikini-Kill-Zine –, sorgt es für Verwunderung, dass dieses Manifest nicht dort publiziert wird, wo etwas seinen Anfang nimmt, sondern als Teil eines Schwanengesangs:

Pop-Kultur ist doch nicht nur etwas Spannendes, das es aus der Ferne zu konsumieren gilt! Wir fordern, dass uns, unseren Freund_innen und »Geschlechtsgenoss_innen« die gleichen Ausdrucksformen, Gesten und Sätze zugestanden werden[,]48

Der Stoehrfaktor, ein Text zu »Frauen, Queers und trans Menschen in der deutschen Musikszene«, erscheint in der allerletzten Print-Ausgabe der diskursprägenden Musikzeitschrift Spex. Das ist bekanntermaßen für lange Zeit die »wichtigste Instanz des deutschen Pop-Journalismus.«49

Die Spex, ein durchaus »polarisierendes, häufig politisches und streitbares Magazin«,50 war einst explizit ohne sowas – ein Manifest zur Standortbestimmung – angetreten. Zum einjährigen Jubiläum 1981 schreibt die damalige Mitgründerin und Chefredakteurin Clara Drechsler: »Es gibt kein Redaktionsstatut, kein Spex-Manifest, in dem wir der etablierten Musikpresse den Kampf ansagen[.]«51 Nun, zum Schluss der Spex, kommt sie doch noch, die ›Kampfansage‹ in Form eines Manifests und sie kommt in der Spex gegen die Spex selbst, ist sie doch inzwischen längst selbst Teil der »etablierten Musikpresse«. Die Grethers publizieren ihre Forderungen ausgerechnet in der Ausgabe der alten Tante Spex, die irgendwie auch Nekrolog ist. Diese Timeline irritiert.

Kerstin und Sandra Grether monieren die männliche Dominanz in der deutschsprachigen Musiklandschaft – das Herzthema ist quasi auf Wiedervorlage, so hatte Sandra Grether den »Kreislauf musikalischer Verwertung« (FMMS, S. 192) vermutlich nicht imaginiert. Paratextuell ist der zweiseitige Text angekündigt als »ihr letztes SPEX-Manifest.«52 Sie tun hier etwas für die Textsorte Typisches: Sie fordern – und zwar Raum und Aufmerksamkeit. Allerdings fordern sie das, wo zukünftig weder Raum noch Aufmerksamkeit zu holen ist, schließlich ist der Publikationsort Spex »mittlerweile historisch geworden«53 und seit dieser letzten Ausgabe eingestellt.

Vieles funktioniert hier ähnlich, wie in Grethers Bekenntnis-Text elf Jahre zuvor: Es handelt sich wiederum um einen autobiographisch gefärbten Text, der Negativbeispiele sammelt, die das Fehlen oder Übergehen weiblicher Stimmen in der deutschsprachigen Musiklandschaft aufzeigen. Es werden wieder Musikerinnen aufgelistet, die Vorbildcharakter haben können – dieses Mal kann die Liste gelesen werden als würden all die Genannten das Manifest mitzeichnen. Auch binäre Strukturen werden nun, dem vorangeschrittenen Diskurs entsprechend, infrage gestellt.

Es wird zudem konstruktiv: »Indie war für uns immer der Inbegriff von Selbstorganisation. Das hat sich bis heute nicht geändert. […] Wir überlegen uns, was in unseren eigenen Strukturen möglich ist. Wir machen es selbst. Und wollen es für andere möglich machen.«54 Bei allem Wissen um etwaige Gatekeeper beschwören Kerstin und Sandra Grether ein Do-It-Yourself-Ethos, das nicht in der Kritik an »Deutschlands Musikbranche« verharrt, sondern ganz praktisch werden kann und ein Wir in Stellung bringt, wenn dies auch nicht mit derselben agitatorischen Verve geschieht, die die Riot Grrrls an den Tag gelegt haben. Fast 30 Jahre nach deren Manifest ist man des Kampfes vielleicht auch einfach müde.55

Timeline und Publikationsort für das popfeministische Manifest mögen auf den ersten Blick irritieren, allerdings präsentieren die Grether-Schwestern ihre Gedanken hier zum einen, wie 110 Jahre zuvor schon Marinetti, in einem etablierten Diskursrahmen, wie es Magnus Wieland ausgedrückt hatte. Zum anderen regt die Spex-Redaktion selbst ja den Blick in die Zukunft an, wenn es im Untertitel der Ausgabe heißt, es handele sich um »[e]in letztes Heft über die Zukunft«.56 Hannah Zipfel und Philipp Pabst halten entsprechend fest, es erweise sich »der mögliche Neubeginn im Moment der Krise, der Zukunftsgerichtetheit, als integraler Bestandteil der pop-journalistischen Erzählung vom eigenen Ende.«57 Hier schließt Sandra Grether mit ihrer »Investition in die Zukunft« (FFMS, S. 1992), mit der um Queers und trans Menschen aktualisierten »Utopie echter gelebter Mädchenfreundschaften« (FMMS, S. 183) quasi nahtlos an.

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SEIDEL, Anna: »Grrrl Zines und Agency: ›We’re Bikini Kill and we want Revolution Girl Style Now!‹«. In: Sabina Fazli und Oliver Scheiding (Hg.): Zeitschriftenforschung – Disziplinäre Perspektiven und empirische Sondierungen. Eine Einführung. Bielefeld 2022. [i. Vorb.]

SEIDEL, Anna: »›Kapitulation ist alles und wir alle müssen kapitulieren‹ – Tocotronics Manifest zu Re-Politisierung in Pop II«. In: Christine Lubkoll u. a. (Hg.): Politische Literatur. Begriffe – Debatten – Aktualität. Stuttgart 2018. S. 169–182.

SEIDEL, Anna: »Pop-Archiv Oktober 2016: Riot Grrrls in Spiegel und Spex«, In: Pop Zeitschrift, 11. Oktober 2016. https://pop-zeitschrift.de/2016/10/11/pop-archiv-oktobervon-anna-seidel1... (zuletzt eingesehen am 29. April 2021).

SEIDEL, Anna: »Pop-Feminusmus/Geschlechterverhältnisse im Pop«. In: Moritz Baßler und Eckhard Schumacher (Hg.): Handbuch Literatur & Pop. Berlin / New York 2019. S. 119–129.

SEIDEL, Anna: Retroaktive Avantgarde. Manifeste des Diskurspop. Göttingen 2022.

SOLANAS, Valerie: Manifest der Gesellschaft zur Vernichtung der Männer: SCUM [1967]. Hamburg 2010, S. 25.

SPÖRL, Uwe: »Manifest«. In: Harald Fricke (Hg.): Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Bd. 2: H–O. Berlin / New York 2000, S. 535–537.

TOCOTRONIC: »Kapitulation (Manifest)«. In: Unveröffentlichte Pressemappe zum Album Kapitulation. Hamburg 2007, S. 2.

TZARA, Tristan: »Manifest Dada 1918«. In: Asholt u. Fähnders (Hg.): Manifeste und Proklamationen, S. 149–155.

WIELAND, Magnus: »Der Geist der Avantgarde. Eine Einleitung«. In: Andreas Mauz u. a. (Hg.): Avantgarden und Avantgardismus. Programme und Praktiken emphatischer kultureller Innovation. Göttingen 2018, S. 9–28.

ZIPFEL, Hannah u. Philipp Pabst: »›Bye SPEX! What’s next?‹ Zur Historisierung einer Pop-Kulturzeitschrift«. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur (IASL), Band 45.1, Berlin / Boston 2020, S. 135–149.

Diskographie:

LE TIGRE: „Hot Topic“, Auf: LP Le Tigre, Mr. Lady 1999.

LOCAS IN LOVE: »Manifest«. Auf: Lemming. Staatsakt 2011.

PAROLE TRIXI: »Seid gegrüßt« Auf: Die Definition von süß. What’s So Funny About. 2002.
 

  • 1. Natalie Alvarez und Jenn Stephenson: »A Manifesto for Manifestos«. In: Canadian Theatre Review 150.1 (2012), S. 3–7, hier: S. 5.
  • 2. Darüber habe ich in aller Ausführlichkeit an anderer Stelle geschrieben: Anna Seidel: Retroaktive Avantgarde. Manifeste des Diskurspop. Göttingen 2022. [i. Vorb.]
  • 3. Diskurspop beschreibt keineswegs eine musikästhetische Einordnung, sondern meint deutschsprachigen Pop, der via sozialer, politischer und verfahrenstechnischer Kontexte zu einer Kategorie wird. Gründlich aufgearbeitet bei: Till Huber: Blumfeld und die Hamburger Schule. Sekundarität – Intertextualität – Diskurspop. Göttingen 2016.
  • 4. Vgl. Seidel: Retroaktive Avantgarde (Anm. 2). [i. Vorb.]
  • 5. Julian Hanna: The Manifesto Handbook. 95 Theses on an Incendiary Form. Winchester, Washington 2019, S. 45.
  • 6. So heißt nicht nur ein Song der prototypisch-popfeministischen Band Le Tigre (Le Tigre: »Hot Topic« Auf: Le Tigre. Mr. Lady 1999), sondern auch die einschlägige Anthologie, die Sonja Eismann 2007 zum Thema veröffentlicht: Hot Topic. Popfeminismus heute. Mainz 2007. Ein Jahr später wird sie gemeinsam mit Stefanie Lohaus und Chris Köver das diskursprägende Missy Magazine gründen.
  • 7. Filippo Tomaso Marinetti: »Gründung und Manifest des Futurismus« [1909]. In: Wolfgang Asholt und Walter Fähnders (Hg.): Manifeste und Proklamationen der europäischen Avantgarde (1909–1938). Stuttgart 1995, S. 3–7, hier: S. 5
  • 8. Magnus Wieland: »Der Geist der Avantgarde. Eine Einleitung«. In: Andreas Mauz u. a. (Hg.): Avantgarden und Avantgardismus. Programme und Praktiken emphatischer kultureller Innovation. Göttingen 2018, S. 9–28, hier: S. 14.
  • 9. Hanna: Manifesto Handbook (Anm. 5), S. 45; Kursivierung im Original.
  • 10. Benedikt Hjartarson: Visionen des Neuen Eine diskurshistorische Analyse des frühen avantgardistischen Manifests. Heidelberg 2013, S. 54.
  • 11. Sandra Grether: »Freundinnen müsste man sein! Warum die Welt daran zugrunde geht, dass sie Mädchenbands regelmäßig auf den Mond schießt«. In: Dies. u. Kerstin Grether: Madonna und wir – Bekenntnisse. Frankfurt / M. 2008, S. 179-193 (im Folgenden im Fließtext mit der Sigle FMMS zitiert), hier: S. 192.
  • 12. Ein Topos, das die Sphäre des Privaten als weiblich und Mädchen als passiv codiert, wie es Angela McRobbie und Jenny Garber schon mit Blick auf die früheste Jugendkultur beschreiben »It might be suggested that girls‘ culture of the time operated within the vicinity of the home, or the friends’ home. There was room for a great deal of the new teenager consumer culture within the confines of the girls’ bedrooms. Teenage girls did participate in the new public sphere afforded by the growth of the leisure industries, but they could also consume at home, upstairs in their bedrooms.« (Angela McRobbie und Jenny Garber: »Girls and Subcultures« [1978]. In: Angela McRobbie: Feminism and Youth Culture. From Jackie to Just Seventeen. Houndsmills u. a. 1991, S. 1–15, hier: S. 6).
  • 13. Vgl. Eckhard Schumacher: Gerade Eben Jetzt. Schreibweisen der Gegenwart. Frankfurt / M. 2011 [2003].
  • 14. Eckhard Schumacher: »Vergangene Zukunft: Repetition, Rekonstruktion, Retrospektion«. In: Merkur 69.788 (2015), S. 58–64, hier: S. 60.
  • 15. Zur Geschichte der Riot Grrrl-Bewegung siehe etwa: Jonas Engelmann u. Katja Peglow: Riot Grrrl Revisited. Geschichte und Gegenwart einer feministischen Bewegung. Mainz 2013.
  • 16. Kathleen Hanna: »Riot Grrrl Is…« [1991]. In: Lisa Darms (Hg.) The Riot Grrrl Collection. New York 2013, S. 143.
  • 17. Ausführlicher zum Bikini Kill-Zine siehe: Anna Seidel: »Grrrl Zines und Agency: ›We’re Bikini Kill and we want Revolution Girl Style Now!‹«. In: Sabina Fazli und Oliver Scheiding (Hg.): Zeitschriftenforschung – Disziplinäre Perspektiven und empirische Sondierungen. Eine Einführung. Bielefeld 2022. [i. Vorb.]
  • 18. Zur frühen Berichterstattung zur Riot Grrrl-Bewegung in Deutschland, unter anderem durch Kerstin Grether, siehe: Anna Seidel: »Pop-Archiv Oktober 2016: Riot Grrrls in Spiegel und Spex«, 11. Oktober 2016. https://pop-zeitschrift.de/2016/10/11/pop-archiv-oktobervon-anna-seidel1... (zuletzt eingesehen am 29. April 2021).
  • 19. Anna Seidel: »Pop-Feminusmus/Geschlechterverhältnisse im Pop«. In: Moritz Baßler und Eckhard Schumacher (Hg.): Handbuch Literatur & Pop. Berlin / New York 2019. S. 119–129, hier: S. 119. Zu den einschlägigen Anthologien zählt früh: Anette Baldauf und Katharina Weingartner (Hg.): Lips. Tits. Hits. Power? Popkultur und Feminismus. Wien / Bozen 1998 und später: Sonja Eismann (Hg.): Hot Topic (Anm. 6).
  • 20. Zur Wortgeschichte siehe: Hannes Böhringer: »Avantgarde – Geschichten einer Metapher«. In: Archiv für Begriffsgeschichte 22 (1978), S. 90–114.
  • 21. Wenn auch an dieser Stelle längst nicht von reinen »Mädchenfreundschaften« (Grether) die Rede sein kann, so gibt es in einigen der Bands durchaus Frauen. Locas In Love wären ohne Gründungsmitglied Stefanie Schrank wohl kaum denkbar und auch bei der Gruppe Ja, Panik spielt ab 2014 eine Frau, die Gitarristin und Keyboarderin Laura Landergott, mit.
  • 22. Cristina Jarillot Rodal: »Manifest«. In: Hubert van den Berg u. Walter Fähnders (Hg.): Metzler Lexikon Avantgarde. Stuttgart 2009, S. 202f., hier S. 202.
  • 23. Tristan Tzara: »Manifest Dada 1918«. In: Asholt u. Fähnders (Hg.): Manifeste und Proklamationen (Anm. 8), S. 149–155, hier S. 149.
  • 24. Marinetti: »Gründung und Manifest des Futurismus« (Anm. 7), S. 6.
  • 25. Gruppe SPUR: »Manifest« [1958]. In: Matthias Mühling u. a. (Hg.): Gruppe Spur Manifeste. München 2015, S. 52.
  • 26. Uwe Spörl: »Manifest«. In: Harald Fricke (Hg.): Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Bd. 2: H–O. Berlin / New York 2000, S. 535–537, hier: S. 535
  • 27. Martin Büsser: »Das futuristische Manifest der Promozettel«. In: Testcard 10 (2001), S. 30f.
  • 28. Von Ton Steine Scherben war bereits die Rede; ausführlich dazu: Seidel: Retroaktive Avantgarde (Anm. 2), S. 55–84. [i. Vorb.]
  • 29. Ein kulturpoetisch informiertes Close Reading zum Tocotronic-Manifest »Kapitulation« leiste ich hier: Anna Seidel: »›Kapitulation ist alles und wir alle müssen kapitulieren‹ – Tocotronics Manifest zu Re-Politisierung in Pop II«. In: Christine Lubkoll u. a. (Hg.): Politische Literatur. Begriffe – Debatten – Aktualität. Stuttgart 2018. S. 169–182) sowie noch ausführlicher in: Seidel: Retroaktive Avantgarde (Anm. 2), S. 84–144. [i. Vorb.]
  • 30. Tocotronic: »Kapitulation (Manifest)«. In: Unveröffentlichte Pressemappe zum Album Kapitulation. Hamburg 2007, S. 2.
  • 31. Locas In Love: »Manifest«. Auf: Lemming. Staatsakt 2011.
  • 32. Kirsten Riesselmann u. Thomas Winkler: »Tocotronic: ›Dieses ganze scheiß Harmlosistan‹«, 2. Februar 2007. http://www.taz.de/!5198588/ (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
  • 33. Seidel: Retroaktive Avantgarde (Anm. 2), S. 313. [i. Vorb.]
  • 34. Als Gegengeschichte zur eher männlichen, diskurspopprägenden Hamburger Schule siehe: Jochen Bonz u. a. (Hg.): Lass uns von der Hamburger Schule reden. Eine Kulturgeschichte aus der Perspektive beteiligter Frauen. Mainz 2011.
  • 35. Mary Ann Caws: »The Poetics of the Manifesto. Nowness and Newness«. In: Dies. (Hg.): Manifesto. A Century os Isms. Nebraska 2001. S. XIX–XXXI, hier: S. IXX.
  • 36. Das gilt auch schon für die historischen Avantgarden. Wenn der Text auch als Ausnahme gelten und noch dazu eher dem antifeministischen Lager zugeordnet werden muss, so ist als frühes, von einer Frau verfasstes Manifest das »Manifest der futuristischen Frau« [1912] von Valentine de Saint-Point zu nennen, in: Asholt u. Fähnders (Hg.): Manifeste und Proklamationen (Anm. 8), S. 21–23.
  • 37. Die Dissertation von Gudrun Ankele († 2012), Versuchsweise extrem. Radikale feministische Manifeste als Provokation des Politischen. Wien 2008, ist bislang leider unveröffentlicht geblieben. Von ihr veröffentlicht ist allerdings eine kommentierte Anthologie, in der sie einsetzend mit Olympe de Gouges’ »Die Rechte der Frau« [1791], einschlägige Beispiele versammelt und diskutiert: Gudrun Ankele (Hg.): absolute Feminismus. Freiburg / Breisgau 2010.
  • 38. Ja, Panik: »The Taste and the Money – ein Programm in 6 Punkten« [2007]. In: Dies.: Schriften. Erster Band. Wien 2014, S. 9–14, hier: S. 12.
  • 39. VALIE EXPORT: »Woman’s Art« [1972]. In: Kunsttheorie im 20. Jahrhundert. Hg. v. Charles Harrison u. Sebastian Zeidler. Bd. 2: 1941–1991. Ostfildern 1998. S. 1114–1116, hier: S. 1114.
  • 40. Valerie Solanas: Manifest der Gesellschaft zur Vernichtung der Männer: SCUM [1967]. Hamburg 2010, S. 25.
  • 41. Kerstin Grether und Sandra Grether (Hg.): Madonna und wir (Anm. 11), S. 175; Hervorhebung AS.
  • 42. Hanna: »Riot Grrrl is…« (Anm. 16), S. 143.
  • 43. Ebd.
  • 44. Und auch an die Lyrics zum Parole-Trixi-Song »Seid gegrüßt« ist zu denken, der komprimierter fasst, was Grether hier in einer gewissen Ausführlichkeit ausbreitet: »Seid gegrüßt junge Frauen von heute / Ich hoffe irgendwann bereut ihrs / Wenn alles was ihr seht / Nur noch aus Klischees besteht« (Parole Trixi: »Seid gegrüßt« Auf: Die Definition von süß. What’s So Funny About.. 2002).
  • 45. Hanna: »Riot Grrrl is…« (Anm. 16), S. 143.
  • 46. Ebd.
  • 47. Gemeinsam mit ihrer Schwester Kerstin führt sie etwa das Interview mit Tocotronic zum Album Kapitulation, das ja von dem Manifest begleitet wurde, für die Musikzeitschrift Intro (Kerstin u. Sandra Grether: »Verschwör dich gegen dich und deine Wunden öffnen sich! Tocotronic«. In: Intro 150 (2007), S. 22–25).
  • 48. Kerstin und Sandra Grether: »Der Stoehrfaktor, Frauen, Queers und trans Menschen in der deutschen Musikszene«. In: Spex 384 (2019), S. 52–54, hier: S. 54.
  • 49. Hannah Zipfel u. Philipp Pabst: »›Bye SPEX! What’s next?‹ Zur Historisierung einer Pop-Kulturzeitschrift« In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur (IASL), Band 45.1, Berlin / Boston 2020, S. 135–149, hier: S. 135.
  • 50. Ebd., S. 135f.
  • 51. Clara Drechsler: »1 Jahr SPEX«. In: Spex 9 (1981), S. 26–27, hier: S. 27.
  • 52. Grether: »Der Stoehrfaktor« (Anm. 48), S. 53.
  • 53. Zipfel u. Pabst: »Bye SPEX!« (Anm. 49), S. 136.
  • 54. Grether: »Der Stoehrfaktor« (Anm. 48), S. 52–54, hier: S. 54.
  • 55. An anderer Stelle sind die Grether-Schwestern anlässlich des Endes der Spex noch ein wenig wütender: Kerstin und Sandra Grether: »Fremd im eigenen Haus. Kerstin und Sandra Grether über 38 Jahre Spex und die Frauen*«, 28. November 2018, https://www.textezurkunst.de/articles/fremd-im-eigenen-haus/ (zuletzt eingesehen am 20. Mai 2021).
  • 56. Spex 384 (2019), Titel.
  • 57. Zipfel und Pabst: »Bye SPEX! What’s next?« (Anm. 49), S. 136f.

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