Literature and Society
Daniela
Henke
Gießen

Der Autor ist tot – es lebe die Autorin!

Identitätspolitik als Herausforderung für die Literaturwissenschaft

Die fachinterne Kontroverse in Bezug auf die Frage, inwiefern der Autor/die Autorin als biographische, politische und individuelle Person bei der Literaturanalyse zu berücksichtigen sei oder nicht, ist alt. Ihren Ursprung hat sie in einer um 1900 in der germanistischen Fachdiskussion aufkommenden Kritik an der autorzentrierten und disziplinprägenden Goethe-Philologie.1 Diese ist Brutstätte intentionalistischer sowie biographistischer Ansätze,2 die auf der Idee beruhen, dass ein geniales Autorindividuum seine Ansichten und Gedanken durch seine Texte hindurch einem Lesepublikum mitteilt – eine Vorstellung, die sich bis heute in Modellen literarischer Kommunikation hält.

Aktuell erneuert sich die Brisanz der Frage nach der Autorinstanz durch das Erstarken der sogenannten Identitätspolitik im medial-gesellschaftlichen Diskurs, die sich unter anderem auch auf die Inszenierung und Rezeption von Autorschaft und die Wahrnehmung von Autor*innen im Verhältnis zu ihrem Werk auswirkt. Die Annahme, dass die Sprecher*innenposition, also die (biographische) Identität einer Person, die eine Aussage trifft, diese (ggf. nicht) dazu berechtigt, zu bestimmten identitätsbezogenen Themen wie Rassismus, Misogynie, Ableismus, Antisemitismus, Homophobie, Transphobie etc. Stellung zu beziehen, fordert liebgewonnene Einsichten heraus, die sich ausgehend von (post-)strukturalistischen Theorien seit den späten 1960er-Jahren in der literaturwissenschaftlichen Methodik mehr oder weniger durchgesetzt haben. Die Rede ist von dem prominent unter dem Schlagwort ›Tod des Autors‹ firmierenden Ausschluss oder zumindest der Abwertung biographischer Spekulationen und Tatsachen aus literaturanalytischen Argumentationsweisen. Wiewohl biographische Interessen und das Konzept ›Autor‹ als Ordnungseinheit die Philologien nie verlassen haben, stehen autororientierte Argumente und Interpretationsansätze seither im Hintergrund, werden lediglich als Ergänzung angefügt oder erfordern eine spezifische Rechtfertigung.

Durch Michel Foucault, der das Verschwinden des biographischen Autors als relevante Größe feststellt3 und das Konzept der Autorfunktion (auf diesen Begriff komme ich später zurück) einführt,4 steht die Verabschiedung des Autors in engem Zusammenhang mit der diskursanalytischen beziehungsweise -orientierten Literaturwissenschaft, die den Fokus auf Beziehungen zwischen Text und Kontext richtet und die diskursive Vernetzung und Funktion von Literatur in Anschlag bringt. Die Entwicklung verschiedener Modelle zur Erforschung von Text-Kontext-Beziehungen in der Nachfolge Foucaults ist die praxisfreundlichste methodische Konsequenz aus der Abkehr von einer genieästhetisch geprägten Autorzentrierung. Zu den besagten Modellen gehören etwa der New Historicism nach Stephen Greenblatt und Jürgen Links Interdiskursanalyse – Ansätze, die hier als diskursorientierte Literaturwissenschaft zusammengefasst werden. Ausgehend von der »methodologischen Basisentscheidung«, »dass Literatur ausschließlich im Kontext gesellschaftlicher und soziokultureller Rahmenbedingungen zu analysieren ist«,5 erweist sich die diskursorientierte Literaturwissenschaft als vergleichsweise dynamisch und anpassungsfähig an verschiedene Fragestellungen und Themenkomplexe.

Die Herausforderung, der ich mich in diesem Beitrag annehme, besteht darin, die Kategorie ›Autor*in‹ im Sinne einer biographischen Subjektivität als Diskurselement methodisch zu integrieren, um Bewegungen und Machtverschiebungen sowie Funktionen identitätspolitisch geprägter Literaturen beschreiben zu können, ohne dabei zur biographischen Methode der Goethe-Philologie oder zu einem hermeneutischen Intentionsbegriff zurückzukehren und ohne zu behaupten, dass diese Kategorie für alle literaturwissenschaftlichen Fragestellungen aufschlussreich ist.

Das Erstarken der sogenannten Identitätspolitik stellt einen der dominanten Diskurskontexte der Gegenwartsliteratur dar. Unter der Bezeichnung ist der Bereich gesellschaftlicher, künstlerischer, wissenschaftlicher und politischer Aushandlungsprozesse zu verstehen, der die Sichtbarmachung, die politischen und partizipatorischen Interessen und die Rechte von identitätsdefinierten, meist marginalisierten Kollektiven betrifft. Eine kollektive Identität definiert sich über Merkmale, in denen sich die Mitglieder einer Gruppe gleichen und die diese Gruppe wiederum von anderen unterscheidet. Identitätspolitik als »Kontroverse um die ›Identität‹« wiederum, beginnt dort,

wo aus ihr […] Markierungen für Inklusions- und Exklusionsprozesse abgeleitet werden, wenn also exakt die Merkmale, die Menschen als Individuen bzw. als Angehörige einer Gruppe (angeblich) ›identifizierbar‹ machen, der Ansicht Vorschub leisten, ob sie bestimmte Rechte und Ansprüche erheben können oder aber ob sie ihnen aus dem gleichen Grund verweigert werden […]. Mit einem Wort: Das Problem beginnt, sobald die Identität zum Politikum wird.6

In der literarischen Kultur drückt sich das Platzgreifen der identitätspolitischen Haltung in Form sich häufender entsprechend akzentuierter Diskursereignisse aus. Beispiele hierfür sind die Skandalisierung von kitschig anmutenden Holocaust-Romanen nichtjüdischer Autor*innen,7 die Kritik an der Übertragung eines Gedichts von einer Schwarzen Autorin durch eine weiße Übersetzerin8 und die feministische Kanonkritik. Von Seiten der Literaturproduktion manifestiert sich die Aktualität identitätspolitischer Themen in der Konjunktur eines Genres; dem des autofiktionalen Entwicklungsromans beziehungsweise der Autosoziobiographie. Die Texte dieses Genres partizipieren gleichermaßen an fiktionalen und faktualen Schreibstrategien, sind erkennbar autobiographisch akzentuiert und stellen die sozialen Bedingungen der eigenen Lebensgeschichte ins Zentrum. Auf diese Weise verbinden sie den individuellen Lebensweg mit der Kollektiverfahrung bestimmter Gruppen.

Mit der Begriffsumbildung zur ›Autosoziobiographie‹ geht eine Verlagerung des bekannten autobiographischen Authentizitätsversprechens einher. Die Aussagen der Erzählsubjekte beanspruchen nicht nur Deutungshoheit über das eigene Leben, sondern auch gegenüber der sozialen Gegenwart, an der sie als Akteur:innen aktiv mitwirken und der sie sich gleichermaßen ausgesetzt fühlen.9

Wie das Genre selbst sind auch die Begriffe zu seiner Beschreibung im Werden begriffen. Für die auf die französische Schriftstellerin Annie Ernaux zurückgehende Genrebezeichnung ›Autosoziobiographie‹ spricht, dass sie die thematische Ausrichtung der Texte auf reale sozioökonomische Verhältnisse betont und die Assoziation mit bürgerlich-teleologischen Vorstellungen vermeidet, wie sie der Terminus ›Entwicklungsroman‹ impliziert. Andererseits vernachlässigt sie die fiktionalen Gestaltungslizenzen und Gattungsbezeichnungen, die die Texte beanspruchen. In der deutschsprachigen Literatur finden sich vor allem autosoziobiographische Romane über (post-)migrantische Lebensrealitäten wie Saša Stanišićs Herkunft (2019), Deniz Ohdes Streulicht (2020) und Ronya Othmanns Die Sommer (2020). Aber auch der feministisch perspektivierte Roman Lügen über meine Mutter (2022) von Daniela Dröscher und Blutbuch (2022) von Kim de l’Horizon gehören dazu.

Mit ihrem Fokus auf die Sprecher*innenposition, die Rückkehr zur Größe ›Autor*in‹, stellt die Identitätspolitik – und damit ausgerechnet eine konkrete diskursive Formation, mit der sich die Literatur vernetzt – die Exklusion des biographischen Autors aus der literaturwissenschaftlichen Analyse und damit die Voraussetzung diskursorientierter Literaturwissenschaft in Frage. Gleichzeitig erweist sich der identitätspolitische Diskurs als solcher und in Bezug auf das literarische Feld insofern als überaus anschlussfähig an diskursanalytische Grundüberlegungen, als die Merkmale von Diskursen nach Foucault hier vergleichsweise offensichtlich zu Tage treten. Einerseits zielt Identitätspolitik mit ihrem Anliegen, marginalisierten Erfahrungsinhalten Raum zu verschaffen, auf die Veränderung von diskursiven Machtverhältnissen und eine Erweiterung dessen, was gesagt werden kann. Andererseits definiert ihr formatives Reglement Ausschlusskriterien für die Teilnahme an diesem Diskurs.10 Hinzu kommt die Tatsache, dass viele der genannten und weitere Autor*innen sich zu denselben identitätspolitisch relevanten Themen, die sie in ihren Romanen literarisch bearbeiten, auch in aktuellen Debatten der Öffentlichkeit wie in den sozialen Medien äußern und sie folglich als empirische Personen im Diskurs stehen.

Identitätspolitische Debatten, so scheint es, lassen sich ohne einen diskursanalytischen Fokus gar nicht adäquat beschreiben. Gleichzeitig ist die mit diesen Debatten im Zusammenhang stehende Literatur ohne den Einbezug produktionsseitiger biographischer Merkmale nicht angemessen zu erschließen und diskursiv zu verorten. Foucaults Frage »Wen kümmert’s, wer spricht?«11 mutet im Jahr 2022, in dem Blutbuch, der autosoziobiographische Roman einer* nichtbinären Autor*in, der von nichtbinärer Erfahrung handelt, den deutschen Buchpreis erhält, unzeitgemäß an. Die Autorin, die im Titel dieses Aufsatzes den toten Autor beerbt, steht also zum einen für das Exemplum der feministisch ausgerichteten Identitätspolitik. Zum anderen fungiert der Ausdruck als generisches Femininum und meint folglich literarisch schreibende Personae aller Geschlechter (mit), deren Schreiben und Biographie identitätspolitische Relevanz besitzen.12

Der Autor zwischen Geburt, Tod und Wiederbelebung

Die Kritik an der Relevanz des Autors für die Textinterpretation gibt den Blick auf die Historizität des Autorkonzepts frei und bezieht daraus gleichsam eines ihrer wesentlichen Argumente. So konstatiert Foucault: »Der Begriff Autor ist der Angelpunkt für die Individualisierung in der Geistes-, Ideen- und Literaturgeschichte, auch in der Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte«.13 Der Tod des Autors macht also zunächst einmal auf das Faktum seiner Geburt aufmerksam. Der konkrete historische Zeitgeist, auf den Foucault anspielt, ist die Entdeckung des autonomen Subjekts in der Aufklärung und seine Individualisierung um 1800, etwa durch frühromantische Ideen. Die Geburt der modernen Autoridee datiert also ins 18. Jahrhundert.14 Stellvertretend für die Weiterentwicklung des aufklärerischen Subjektbegriffs im Sinne eines ganzheitlichen Individuums sei aus Friedrich Schlegels Gespräch über die Poesie zitiert: »Die Vernunft ist nur eine und in allen dieselbe: wie aber jeder Mensch seine eigene Natur hat und seine eigene Liebe, so trägt auch jeder seine eigene Poesie in sich«.15 Das hier skizzierte Konzept eines einzigartigen Individuums ist also originär mit den literarischen Ideen der Zeit verbunden. Es gehört zur Basis sowohl der frühromantischen Poetik als auch der zeitgenössischen Interpretationstheorie.16 Vor diesem ideengeschichtlichen Hintergrund entstehen außerdem die ersten systematischen Literaturgeschichten der Gebrüder Schlegel, der elaborierte literaturtheoretische Diskurs der Frühromantik sowie die moderne publizistische Literaturkritik. Der Ursprung des Individuums und die Konjunktur der Genieästhetik fallen also mit der Entstehung der modernen Literaturwissenschaft und dem gesellschaftlichen Ausdifferenzierungsprozess der Literatur und Künste zusammen. Als Inkarnation eines Genies gilt um 1800 Johann Wolfgang von Goethe als der Star der zeitgenössischen Literaturszene. Die philologische Disziplin ist in ihrem Ursprung also verbunden mit einem Persönlichkeitskult und einem Personenkult. Vor diesem Hintergrund wird es nachvollziehbar, wie die Goethe-Begeisterung die Literaturwissenschaft auf paradigmatische Weise prägen konnte und warum sich der Autor als zentrale hermeneutische Größe so nachhaltig durchgesetzt hat.

Die ›Tötung‹ des Autors beziehungsweise die Kehrtwende von einer autorzentrierten Philologie zu alternativen Ansätzen wurde im Wesentlichen durch drei zentrale Beiträge angestoßen, die aus ihrer Kritik heraus jeweils auch eigene Interpretationstheorien liefern. Es handelt sich zum Ersten um den Aufsatz »Der intentionalistische Fehlschluss« (orig. »The Intentional Fallacy«) von William Wimsatt und Monroe Beardsley aus dem Jahr 1946; zum Zweiten um den 1968 publizierten Essay »Der Tod des Autors« (orig. »Le mort de l’auteur«) von Roland Barthes; und zum Dritten um Michel Foucaults besagten Aufsatz »Was ist ein Autor?« (orig. »Qu’est-ce qu’un auteur?«) von 1969, der seinerseits aus einem im selben Jahr am Collège de France gehaltenen Vortrag hervorging. Wimsatt und Beardsley basieren ihre Kritik auf die unmittelbar einleuchtende Feststellung, dass die Suche nach der Autorintention ein spekulatives Unterfangen sei, da »die Absicht oder die Intention des Autors weder eindeutig erkennbar« und in der Folge kein »wünschenswerter Maßstab« sei.17 Der interpretative Ansatz, der aus ihren Überlegungen folgt, ist ein werkimmanenter, der auf der Bedeutung der Wörter und ihres Zusammenhangs im Text gründet.18 Auf diese Weise verpflichtet er die wissenschaftliche Literaturbetrachtung auf den Text als ihren genuinen Untersuchungsgegenstand. Jedoch vermag er es nicht, der Tatsache gerecht zu werden, dass Literatur innerhalb von Gesellschaften und im Kontext ihrer Themen und Debatten entsteht und ihre Wirkung entfaltet.

Barthes seinerseits argumentiert, dass der Autor in der Schrift nicht mehr als Individuum ausmachbar sei. Der geschriebene Text erhält seine Bedeutung folglich durch seine Vernetzung mit anderen Texten und sprachlichen Zusammenhängen. Mit Barthes tritt also zur sprachorientierten Literaturinterpretation zumindest der aus anderen Texten bestehende Kontext innerhalb einer universellen – »totalen«19 – Schriftkultur ins Licht. Barthes’ Ansatz ist methodisch weniger konkret als der Wimsatts und Beardsleys, aber er vereint zwei seinerzeit innovative Anstöße jenseits der autorzentrierten Textinterpretation: den der Intertextualität mit dem der Rezeptionsästhetik:

Ein Text ist aus vielfältigen Schriften zusammengesetzt, die verschiedenen Kulturen entstammen und miteinander in Dialog treten, sich parodieren, einander in Frage stellen. Es gibt aber einen Ort, an dem diese Vielfalt zusammentrifft, und dieser Ort ist nicht der Autor (wie man bislang gesagt hat), sondern der Leser.20

Auch Foucault wendet den Blick ab von der Autorin als Subjekt hin zur Sprache und ihren Bedeutungen. Er ersetzt das Konzept des Autorsubjekts mit dem der Autorfunktion, richtet also das Interesse auf die Effekte und Funktionen, die der Bezug auf den Autor ausübt.21 Auf diese Weise revolutioniert er den Umgang mit Autorschaft auf theoretischer Basis. Anders als Wimsatt und Beardsley sowie Barthes bringt Foucault seine Kritik mit einer historisierenden und vergleichenden Analyse in Verbindung. Demnach gibt es Diskurse mit und Diskurse ohne Autorfunktion: »Der Bezug (oder der Nicht-Bezug) zu einem Autor und die verschiedenen Formen dieses Bezugs bilden – recht sichtbar – eines der diskursiven Merkmale«.22 Die Genese des Konzepts ›Autor*in‹ in den ideengeschichtlichen Horizont der Individualisierung verortend, schlussfolgert er für seine eigene Zeit, die im Zeichen einer Subjektkrise stehe, dass die Autorfunktion generell überflüssig werde, und projiziert eine Zukunft, gänzlich befreit von der Frage »wer spricht?«.23

Die Überwindung des Autors macht schließlich den Blick der Interpretation frei für die diskursive Einbindung von Texten. Statt als Kommunikat eines Autors, von dem Erbauliches zu empfangen und dessen Genialität es zu erkennen gilt, versteht Foucault Bedeutung als durch regulative Mechanismen des Diskurses und durch Bedeutungsanreicherungen der Sprache entstehende Positionen und Wertsetzungen. Bekanntermaßen ist es die diskursanalytische Methode, die Foucault einer autorzentrierten Interpretationsweise entgegensetzt. Entsprechend stellt die diskursorientierte Literaturwissenschaft, die sich unter unterschiedlichen Bezugnahmen auf Foucault und in Form von diversen Adaptierungen seiner Gedanken heraus entwickelt und etabliert hat, die Frage, welche Effekte literarische Texte innerhalb ihrer kulturellen Umgebung erzeugen, welche Themen und Ansichten sich in ihnen kristallisieren oder, umgekehrt, welche Sichtweisen und Perspektiven sie hegemonialen Ansichten im Diskurs entgegensetzen. Die Frage, was die originäre und einzig wahre Bedeutung eines Textes ist, ist damit vom Tisch.

Obwohl sich die autorkritische Haltung nach Foucaults Historisierung der Autorschaft und den Zweifeln an ihrer Relevanz für die Textinterpretation weitestgehend durchgesetzt hat, fand der Intentionsbegriff durchgehend auch Verteidiger*innen, die aus einer hermeneutischen Tradition heraus an der Autorität des Autors festhielten und -halten. Auf literaturtheoretischer Ebene stehen sich die Positionen frontal und mitunter dogmatisch gegenüber. »Es mangelt«, so die Herausgeber*innen des im Reclam-Verlag erschienenen Kompendiums Texte zur Theorie der Autorschaft (2000), »an einem differenzierten methodologischen Bewusstsein von den vielfältigen Funktionen des Autors.«24 Damit treffen sie einen neuralgischen Punkt – wird doch die Ansicht, der Autor sei unwichtig, meist ohne Ansehen des konkreten Erkenntnisinteresses pauschal im Munde geführt. In der Praxis hingegen gehören Bezugnahmen zu einer angenommenen Intention und biographischen Aspekten zumeist unreflektiert zum literaturwissenschaftlichen Argumentationsrepertoire.25

Der Widerspruch zwischen dem theoretischen Anspruch und der Interpretationspraxis, die fehlende Differenzierung zwischen den Positionen sowie die mangelhafte Theoretisierung des Autorbegriffs an sich veranlassten, dass die Debatte zu Beginn dieses Jahrtausends wieder aufgenommen wurde. Dies vollzog sich im Wesentlichen entlang dreier einschlägiger Publikationen: dem initiierenden Sammelband Die Rückkehr des Autors. Zur Erneuerung eines umstrittenen Begriffs (1999); dem besagten Text-Kompendium, das Positionen zur Autorschaft zwischen 1907 und 1992 zusammenstellt und so die ältere Debatte differenzierter dokumentiert und verständlich macht; und einem weiteren Sammelband, Autorschaft. Positionen und Revisionen (2002), in dessen Beiträgen den angestoßenen Fragen vertiefend nachgegangen wird.

Teilweise zeugen die Stellungnahmen in der neueren Debatte wiederum von der alten Schwierigkeit, Autorschaft aus einer dritten, unvoreingenommenen Perspektive zu thematisieren. So stellt Gerhard Lauer lakonisch fest: »Wir können gar nicht anders, als uns zu einem Text auch einen Autor hinzuzudenken«.26 Nun folgt aus der Existenz einer Urheberin noch nicht, welche Rolle dieser bei der Textinterpretation einzuräumen ist. Auch ist der Verweis darauf, dass sich etwas hartnäckig hält, seinerseits weniger ein Argument für seine Unabdingbarkeit. Vielmehr zeigt er an, wie verwoben das Konzept der Autorschaft mit der methodologischen Grundlegung der modernen Literaturwissenschaft war und ist, und wie zutreffend Foucaults Historisierung folglich ist. Dies wird deutlich, wenn sich Lauer auf die Kommunikation zwischen Autor*in und Leser*innenschaft bezieht und gegen die Kritiker*innen von intentionalistischen und biographistischen Ansätzen einwendet, dass diese literarischer Kommunikation absprächen, was »in Alltagskommunikationen intuitiv funktioniert«.27 Hier wird außer Acht gelassen, dass das Modell literarischer Kommunikation die Zentralität eines intentional kommunizierenden Autors bereits voraussetzt. Das Argument verläuft also innerhalb hermeneutischer Grundannahmen. Dagegen wäre einzuwenden, dass Alltagskommunikation einen situativ fixierten und dialogischen Charakter hat und folglich eine unpassende Analogie für das abgibt, was literarische Texte ›tun‹. 

Insgesamt ist die Neuauflage der Debatte jedoch von dem Bemühen darum getragen, die Versäumnisse aufzuholen und jenseits literaturwissenschaftlicher Dogmen über Autorkonzepte und ihre Relevanz für den Umgang mit literarischen Texten nachzudenken. Fotis Jannidis beispielsweise – und an seinen Ansatz ist hier anzuknüpfen – macht die Foucault’sche Autorfunktion methodologisch fruchtbar, indem er sie als Modellfigur nimmt, mit der sich Zugriffe auf Autorschaft beschreiben und analysieren lassen. Von Foucaults Überlegungen ausgehend schlägt Jannidis vor, die Eigenschaften und Zuschreibungen, die mit dem Bezug auf Autorschaft im jeweiligen Untersuchungskontext verbunden sind, zu reflektieren, statt über Sinn und Unsinn intentionaler Argumentationsmuster und biographistischer Spurensuche zu streiten. Auf diese Weise macht er das Potenzial von Foucaults Ansatz erst zugänglich, das von Letzterem selbst verschüttet wurde, da er seine Analyse mit einer generellen Abkehr vom Autor verknüpft hat. Jannidis argumentiert mit Foucault – also innerhalb diskursanalytischer Grundannahmen – gegen Foucault:

Foucaults Schlußfolgerung aus seiner Analyse der Autorfunktion lautet: Diese Funktionen seien möglich, aber nicht notwendig. Daraus kann jedoch weder geschlossen werden, eine Kultur ohne Autor-Diskurse sei in absehbarer Zeit möglich, noch, daß diese Kultur wünschenswert sei. […]. Foucaults Leistung, die Autorfunktion analysiert und damit bewußt gemacht zu haben, ist ja keineswegs gleichzusetzen mit ihrer Abschaffung, da sich dazu die Regeln der Diskurse ändern müßten. Deren Regeln sind aber wohl nicht von der Einsicht der Beteiligten abhängig, sondern von zahlreichen Faktoren, zu denen auch die Nachbardiskurse und die Gesellschaft zählen, in der sie sich ereignen, wie man wiederum in Anschluß an Foucault feststellen kann, der ja die Abhängigkeit der Autorfunktion vom Rechts- und Staatssystem behauptet.28

Weiter formuliert Jannidis, dass es

nicht um Letztbegründungen gehe[], sondern um die Leistungsfähigkeit von Begriffen innerhalb einer bestimmten Umgangsweise mit Texten. Die Praxis der Textverwendung bedingt eine Reihe von Problemfeldern, in denen sich Begriffe als brauchbar erweisen können – oder eben nicht.29

Hier kommt die Einsicht zum Ausdruck, dass die Frage, ob und wie man die Autorin beim literaturwissenschaftlichen Umgang mit Texten berücksichtigt, vom Gegenstand selbst und vom Erkenntnisinteresse abhängig ist. Die Autorfunktion als strukturale Analysekategorie ermöglicht es, wie Jannidis an mehreren historischen Beispielen vorführt, auf spezifische Zuschreibungskonstellationen in Bezug auf die Autorinstanz einzugehen und ihre unterschiedlichen Funktionen innerhalb literarischer Konzepte und Diskurse zu bestimmen. Im Anschluss an den zitierten anwendungsbezogenen Blick auf literarturwissenschaftliche Begriffe im Allgemeinen und im Anschluss an Jannidis’ Foucault-Lektüre im Besonderen sind die Herausforderungen der Identitätspolitik für den Autorbegriff und den Umgang mit entsprechenden Texten zu diskutieren. Denn selbstverständlich haben wir es bei identitätspolitischen Anliegen mit einem grundlegend anderen Setting zu tun als bei der Genieästhetik. So steht die marginalisierte identitätspolitische Stimme der des Genies, das eo ipso diskursive Autorität und ästhetische Erhabenheit beansprucht, konträr gegenüber. Autorität erwächst in ersterem Fall vielmehr aus einer zunächst unterlegenen Position und realisiert sich durch einen Akt der diskursiven Ermächtigung. Deshalb wäre es angesichts der identitätspolitischen Herausforderung nicht zielführend, den Autor als interpretatorischen Bezugspunkt einfach vorauszusetzen oder zu einem veralteten Autorkonzept zurückzukehren. Der Absage an Spekulationen über die Intention des Autors und der Hinwendung zu den diskursiven Kontexten, in denen Literatur entsteht und wirkt, stimme ich dezidiert zu. Dass ein gesellschaftspolitisches Geschehen jedoch, dass das literarische Geschehen derart tangiert und bestimmt, wie es Identitätspolitiken tun, und das außerliterarisch mitunter von den gleichen Personen bespielt wird wie literarisch, auch nicht mit dem lakonischen Verweis auf den Tod des Autors abzutun ist, liegt mit Blick auf »das gemeinsame Weltwissen«30 der Diskursteilnehmer*innen auf der Hand. Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden die identitätspolitische Autorfunktion beschrieben werden, um daraus die Konsequenzen für die literaturwissenschaftliche Analyse ziehen zu können.

Autor*innenschaft und Identitätspolitik

Die skizzierte gegenwärtige Konjunktur identitätspolitisch gefärbter Stimmen und Ereignisse in der literarischen Debatte stellt die Frage nach der Relevanz von Autorschaft erneut und erfordert eine Konzeptualisierung, die dem Charakter des Phänomens gerecht wird. Damit lässt sich unmittelbar an das Anliegen der neueren, um die letzte Jahrtausendwende geführten Debatte innerhalb der Literaturwissenschaft anschließen, Autorschaft funktional zu verstehen und anwendungsbezogen zu diskutieren. Für diesen Zweck muss in Augenschein genommen werden, wie das identitätspolitische Subjekt – etwa im Vergleich zum genieästhetischen – zu denken ist und welche Schlussfolgerungen daraus für die Textanalyse gezogen werden können.

Wesentlich für die identitätspolitische Haltung ist die Ansicht, dass die Analyse von Diskriminierung und die Agitation gegen Unterdrückungsstrukturen aus der identitätsmarkierten Position selbst heraus, also aus der Betroffenheitsperspektive, zu erfolgen habe.31 Diese Grundannahme findet sich so bereits in dem »Combahee River Collective Statement« von 1977, dem Manifest einer Gruppe Schwarzer, lesbischer Feministinnen, das sowohl den Begriff Identitätspolitik geprägt als auch erste Gedanken zu dem Phänomen der Intersektionalität formuliert hat:

This focusing upon our own oppression is embodied in the concept of identity politics. We believe that the most profound and potentially most radical politics come directly out of our own identity, as opposed to working to end somebody else’s oppression.32

Die Probleme, die aus identitätspolitischen Diskursen resultieren können, liegen auf der Hand und wurden oft benannt: Zum Ersten tendieren sie dazu, Nicht-Betroffene zu delegitimieren, sich zu bestimmten Themen zu äußern, was eine offene Debatte bis zu ihrer Verunmöglichung erschwert. Zum Zweiten münden identitätspolitische Ansichten mitunter in einer Essenzialisierung identitätsbezogener Merkmale. Indem das, was eigentlich zur Disposition gestellt werden soll, zum Politikum sowie »zum Dreh- und Angelpunkt [der] Welterkenntnis« wird,33 wird Betroffenheit allein durch diese Merkmale abgesteckt. Lea Susemichel und Jens Kastner führen aus:

Der selbstbewusst getragene Afro gehört dann ebenso unauflöslich zu Blackness wie die gefeierte Gebärmutter zum Frausein. Das bedeutet im Umkehrschluss: Wer nicht über die nötige Haarstruktur oder wie trans Frauen nicht über das geforderte Organ verfügt, bleibt ausgeschlossen. Die angenommene kollektive Identität ist dann auch kein letztlich aus Notwehr entstandenes Hilfskonstrukt mehr. Sondern sie postuliert und manifestiert erneut Wesensunterschiede, wo eigentlich keine sind.34

Hier wird eine dritte Schwierigkeit angesprochen. Diese besteht in einem grundsätzlichen Problem, das die Konstruktion einer kollektiven Identität mit sich bringt. So führt die kollektive Ausrichtung identitätspolitisch gerahmter Aussagen zu dem fehlgehenden Eindruck, Äußerungen Betroffener gelten für alle entsprechend identifizierten Angehörigen des jeweiligen Kollektivs. Dadurch können identitätspolitische Erzählungen Hierarchisierungen in Bezug auf die Deutungshoheit innerhalb dieser Kollektive Vorschub leisten und Pauschalisierungen erzeugen. Hierarchisierung und Pauschalisierung wiederum sind strukturelle Elemente jener Diskriminierungsformen, gegen die sich die identitätspolitische Kritik ursprünglich richtet. Identitätspolitik tendiert also dazu, »dass sie faktisch vorhandene Unterschiede zwischen individuellen und kollektiven Identitätsbildungsprozessen sehr leicht verwischen lässt«.35 Allerdings ist in Anschlag zu bringen, dass die kollektiven Identitäten, um die es hier geht, a) auf tendenziell entsubjektivierenden Fremdzuschreibungen beruhen und b) nur aufgrund ihrer Marginalisierung markiert sind. In Kontexten, die von unmarkierten Erfahrungszusammenhängen handeln, käme dieser Vorwurf gar nicht erst auf.36 Christian Kracht etwa spricht nur für sich – niemand würde erwarten, dass Eurotrash (2021) alle deutschen weißen cis Männer mittleren Alters repräsentiert. Weiter lässt sich auf der einen Seite eine Entwicklung der Identitätspolitik von einer (gesellschafts-)politischen, auf Protest und Agitation zielenden Stoßrichtung hin zu einer weltanschaulichen Haltung und ideologisch gefärbten Diskussionskultur beobachten, die Gegenstand einer immer lauter werdenden Kritik ist.37 Auf der anderen Seite entgeht den Kritiker*innen mitunter die prozessuale Struktur und die transformative Zielsetzung, aus denen identitätspolitische Agitation ihre Berechtigung zieht. Eine Kritik an bestehenden Ungleichheiten ist eben nicht möglich ohne die Bezugnahme auf die Zuschreibungen, aus denen sich diese Ungleichheiten ableiten.38

Hier ist nicht der Ort, um diese Kontroversen zu vertiefen oder identitätspolitische Ansichten abschließend zu bewerten. Vielmehr ist zunächst einmal hinzunehmen, dass Identitätspolitik als diskursives Phänomen Einzug in die literarische Kultur hält. Ausgehend von diesem Befund werde ich im Folgenden erörtern, welche Auswirkungen das für die Funktion von Autorschaft hat und welche Konsequenzen daraus für die literaturwissenschaftliche Beschäftigung mit dem Phänomen und der zugehörigen Literatur gezogen werden können. Darauf möchte ich mich im Folgenden konzentrieren, obgleich die Zentralität der Sprecher*innenposition und die Logik von Exklusion und Inklusion im identitätspolitischen Denken nicht nur Autor*innen, sondern auch andere Akteur*innen im literarischen Feld wie Kritiker*innen und Übersetzer*innen betrifft.

Die Debatte um Autor*innenschaft und die Anliegen von Identitätspolitiken korrelieren strukturbedingt miteinander, denn herrschaftsförmige Strukturen und die aus ihnen resultierenden Diskriminierungen basieren auf identitätsbezogenen Fremdzuschreibungen und rücken damit die Träger*innen dieser Zuschreibungen in den Vordergrund. Anders formuliert wird Angehörigen diskriminierter Gruppen, die ja stets auf die jeweiligen Zuschreibungen festgelegt und zurückgeworfen werden, die poststrukturalistische Befreiung von subjektiver Identität diskursiv gar nicht zugestanden. Umgekehrt bezieht ein identitätspolitischer Text seine Legitimation aus der Identität der Sprecherin und ist auf diese Weise tatsächlich nicht ohne Autor*in denkbar.

Konsequenterweise wurde in theoretischen Positionen sowohl der älteren als auch der neueren Debatte angesichts identitätsbezogen markierter Sprecher*innen bzw. Autor*innen ein Unbehagen gegenüber der Proklamation des Autortods formuliert. Es ist bemerkenswert, wie Nancy K. Miller in ihrem Aufsatz »Wechseln wir das Thema/Subjekt. Die Autorschaft, das Schreiben und der Leser« (orig. »Subject to Change. Reading Feminist Writing«), der auf einem 1985 gehaltenen Vortrag basiert, die identitätspolitische Aporie in Form einer ambivalenten Bezugnahme auf Barthes vorwegnimmt. Zunächst stellt sie fest:

In dem Maße, in dem der Autor innerhalb dieses Diskurses als eine Art Kürzel für eine ganze Reihe von Annahmen über die Funktion des Kunstwerks als sein (väterlich autorisiertes) Monument in unserer Kultur steht, hätte sich die feministische Literaturtheorie, die sich ihrerseits mit den vorherrschenden Hegemonien auseinander setzt, in ihrem Standpunkt durch die Sprache jener Forderungen unterstützt finden können. Es ist schließlich der Autor, der – in Anthologien aufgenommen und institutionalisiert – durch seine (kanonische) Präsenz die weniger bekannten Werke von Frauen und Minderheiten-Schriftstellern ausschließt und der durch seine Autorität deren Ausschluss rechtfertigt.39

Dennoch wendet sich Miller gegen die »Beseitigung des Autors« in den Philologien, da sie »die Diskussion um jede schreibende Identität unterdrückt und gehemmt [habe] zugunsten der (neuen) monolithischen Gestalt anonymer Textualität«.40 An dieser Stelle bringt die Überwindung des Autors die Anliegen feministischer Literaturwissenschaft wie die Revision des Kanons und die Analyse patriarchaler und misogyner Strukturen in den Bereichen Literaturproduktion und Literaturkritik in Gefahr, für die eine Idee weiblicher Autorschaft zentral ist. Der schreibenden Autorin wurde, so ließe sich formulieren, mit dem Tod des Autors die Subjektivität abgesprochen, bevor sie ihr überhaupt zugestanden wurde.41 Hier zeigt sich der identitätspolitische Widerspruch, der darin besteht, dass Kategorien identitätsbezogener Zuschreibungen »zum Dreh- und Angelpunkt«42 der Argumentation gemacht werden müssen, um sie zu überwinden. Gleichzeitig legt Miller, indem sie den Tod des Autors in Bezug auf die Autorin zurückweist, einen differenzierten, funktionalen Begriff von Autor*innenschaft an. Dabei fällt Miller eine wichtige Unterscheidung, ohne sie fruchtbar zu machen. Während die männliche Autorfunktion mit der Autorität über das Kunstwerk und seinem Stellenwert in der Kultur verbunden ist, wird die weibliche Autorfunktion durch »soziale und symbolische Kontext[e]« determiniert.43 Diese kategorial unterschiedlichen Bestimmungen lassen sich von literaturwissenschaftlicher Warte aus mit der Differenz zwischen Intentionalismus und Biographismus engführen, die in den meisten Beiträgen zur wiederkehrenden Autordebatte sträflich vernachlässigt wird. Der Unterschied besteht darin, dass ersterer die Einsicht in die kommunikativen Absichten der Autorin beim Schreiben zum Erkenntnisziel der Textinterpretation erklärt und zweiterer biographische Aspekte wie etwa Lebensstationen und intellektuelle Einflüsse in den Mittelpunkt stellt, auf deren Grundlage ein Text zu verstehen sei. Millers Analyse zeigt, dass die Tradition unmarkierter, männlicher Autorschaft ohne Referenz auf die Kategorie ›Geschlecht‹ als Norm vorausgesetzt wird und historisch mit der Vorstellung eines intentional literarisch kommunizierenden Genies assoziiert ist, während die marginalisierte weibliche Autorschaft über ebendiese Kategorie und damit über biographische Merkmale markiert ist und in der Folge nur vor diesem Hintergrund in den Blick genommen werden kann. Ich werde auf diese Unterscheidung zurückkommen, da sie mir wichtig erscheint, um die identitätspolitische Autorin zu beschreiben und mit ihr umgehen zu können, ohne selbst zwingend eine identitätspolitische Haltung einzunehmen oder in spekulative Sackgassen zu geraten.

Die gleiche Ambivalenz, die Miller formuliert, legt Sigrid Nieberle in einem Beitrag zu dem Initialband zur neueren Debatte Rückkehr des Autors dar, indem sie die Gründe erörtert, warum die »Frage nach dem Tod der Autorin nicht abschließend beantwortet werden [kann]«:

Die Funktion der Autorin für irrelevant zu erklären und sich nicht darum zu kümmern, wer spricht, würde bedeuten, auch die Kategorie Geschlecht für die Autorfunktion zu ignorieren, und dies genau ist sowohl Chance (für vermeintlich geschlechtsneutrale Wertung von Literatur) als auch Gefahr (die immer im Vergessen der Autorinnen liegt) zugleich.44

In identitätspolitischen Zusammenhängen bestimmen also »Biographeme«45 wie das Geschlecht das Autorkonzept, die folglich als Elemente einer Funktionsbestimmung gelten müssen. Ausgehend von den bisherigen Überlegungen soll im Folgenden die identitätspolitische Autorfunktion charakterisiert werden, um sie dann aus Perspektive einer diskursorientierten Literaturwissenschaft zu integrieren und handhabbar zu machen. Dabei werde ich noch einmal auf die Aporien der Debatte(n) zurückkommen und aufzeigen, welche Schlussfolgerungen die Diskussion um die Identitätspolitik für das Autorproblem bereithält.

Die identitätspolitische Autorfunktion

Foucault bestimmt das Schreiben als einen Akt, mit dem ein Individuum »die Funktion des Autors in Anspruch nimmt. Was es schreibt und was es nicht schreibt, […] ist von der Autor-Funktion vorgeschrieben, die es von seiner Epoche übernimmt oder die es seinerseits modifiziert«.46 Dabei ist die Intentionalität dieser Inanspruchnahme zweitrangig. Wenn eine Person schreibt, übt sie automatisch die Funktionen aus und kommen ihr automatisch die Rechte zu (Urheberrecht), mit denen die Autorfunktion in der jeweiligen Kultur belegt wird. Gleiches gilt für die spezifischere Autorfunktion innerhalb konkreter Diskurse. Sobald jemand anschlussfähig an identitätspolitisch akzentuierte Rahmungen schreibt, übt diese Person automatisch auch die spezifischen Funktionen aus, mit denen Autorschaft innerhalb des identitätspolitischen Diskurses belegt wird. Wenn im Folgenden die identitätspolitische Autorfunktion bestimmt wird, sagt das folglich noch nichts über die Absichten aus, die die einzelne Autorin beim Schreiben verfolgte.

Dass der identitätspolitische Diskurs ein gegenwärtiges, in seiner Emergenz nicht abgeschlossenes Ereignis darstellt, erschwert eine abschließende Bestimmung der in ihm wirksamen Autorfunktionen. Seine Begriffe sind ebenso umstritten wie seine politischen Implikationen und Handlungsappelle. Darüber hinaus ist seine Bezugsqualität fragil: Die Tatsache, dass sich identitätspolitisch geäußert wird, korreliert nicht notwendigerweise damit, dass die jeweilige Sprecherin selbst den Begriff positiv besetzt und affirmativ beansprucht. Die Kritik an Identitätspolitiken mag selbige mit Beschreibungen versehen, die diejenigen, die sich positiv auf den Begriff beziehen, ablehnen würden.47 Im Bewusstsein dieser Schwierigkeiten ist hier davon auszugehen, wie der Begriff in dem bereits zitierten »Combahee River Collective Statement« belegt ist und wie sich die identitätspolitische Haltung in einschlägigen Debatten offenbart, von denen einige eingangs benannt wurden.

Wie bereits deutlich geworden sein dürfte, ist der identitätspolitische Diskurs – mit Foucault und Jannidis gesprochen – ein Diskurs mit Autorfunktion; die Literaturproduktion im Radius dieses Diskurses trägt das Signum markierter Autorschaft. Aus der zentralen Bedeutung der Betroffenheitsperspektive ergibt sich zunächst, dass der identitätspolitische Autor ein identifizierbares Individuum ist, das a) bestimmte (Diskriminierungs-)Erfahrungen selbst gemacht hat (Frausein in einer patriarchalen Gesellschaft, Queersein in einer heteronormativen Gesellschaft, Schwarzsein in einer rassistischen Gesellschaft, etc.), das b) durch seine Erfahrungen einem Kollektiv zuzurechnen ist, welches diese Erfahrungen teilt, und das c) über ebendiese Erfahrungen und die damit verbundenen Themen schreibt. 

Aus dieser Bestimmung ergeben sich die Funktionen, die mit der identitätspolitischen Autorkonzeption verbunden sind. Die identitätspolitische Autorfunktion basiert in kategorischer Weise auf Biographemen. Das Vorhandensein dieser Biographeme generiert eine Legitimation, zu sprechen, welche ohne entsprechende biographische Merkmale des Texturhebers nicht vorausgesetzt würde. Sie regelt also die »Prozeduren der Ausschließung«48 und der Legitimation49 an der Schnittstelle von Literatur und Identitätspolitik. Auf diese Weise verleiht die identitätspolitische Autorfunktion dem Text und seiner Darstellung Autorität im Sinne einer Definitionsmacht über das verhandelte Thema. Weiter verbindet sie den literarischen Text mit einer politischen Zielsetzung, konkret mit der der Sichtbarmachung marginalisierter Lebensrealitäten, der Einforderung von Rechten oder der Partizipation. Dass diese politische Zielsetzung durch literarische Mittel und die konkrete Darstellungsweise verhandelt und zur Disposition gestellt werden kann, widerspricht dem zunächst nicht.50 Ein weiterer Funktionsaspekt des identitätspolitischen Autors ist sein Verweischarakter. Dieser bildet jene spezifische Konstellation identitätspolitischer Themen ab, die darin besteht, dass der Autor als empirische Person und sein Text im selben Diskurs figurieren. Die formative Relation zwischen empirischem Autor, Autorfunktion, Text und Diskurs wird durch den Eigennamen hergestellt. Durch diesen Verweischarakter auf der einen Seite und durch ihren konstitutiven Bezug zu identitätsbezogenen Kollektiven auf der anderen Seite steht die identitätspolitische Autorfunktion in einem ebenso problematischen wie produktiven Spannungsverhältnis zwischen Subjektivität und Repräsentativität.

Debatten um das »narrative Eigentum« bestimmter Erzählstoffe, deren sich »nur Mitglieder einer kollektiven Identität« anzunehmen befugt seien, da die entsprechenden Geschichten »mit dieser Identität befasst sind«,51 sind keinesfalls neu. Im Zusammenhang mit dem Holocaust etwa kommen in regelmäßigen Abständen Diskussionen darüber auf, wer unter welchen Umständen dazu berechtigt ist, ihn auf welche Weise innerhalb fiktionaler Geschichten zu thematisieren.52 Eine radikal identitätspolitische Haltung dazu müsste lauten, dass auf derartige Themen Besitzansprüche erhoben werden können und sie nicht unter die künstlerische Gestaltungsfreiheit fallen.

Neu ist eine weit verbreitete und medial kolportierte Haltung in politischen Debatten, die kollektive Identitäten und das Betroffenheitsparadigma in den Mittelpunkt stellt und aus der heraus die Idee des narrativen Eigentumsrechts an die Literatur herangetragen wird, wie es sich etwa in der Debatte um die Übersetzung des Gedichts »The Hill We Climb« der Schwarzen U.S. Amerikanerin Amanda Gorman ereignet hat. Die Gleichzeitigkeit von literarischem Ereignis und politischer Debatte sowie das Phänomen der Personalunion von Autor*innen und Protagonist*innen im öffentlichen Diskurs zwingen eine diskursorientierte Forschung zur Gegenwartsliteratur, sich zu dem identitätspolitischen Paradigma zu verhalten und seine Autorfunktion zu reflektieren.

Autor*innenzentrierter Diskurs und diskursorientierte Literaturwissenschaft

Einer diskursorientierten Literaturwissenschaft geht es im Wesentlichen darum, literarische Texte in den Kontext der Themen, mit denen sie sich auseinandersetzen, zu stellen. Auf diese Weise kann sichtbar gemacht werden, wie der gesellschaftliche Kontext sich in Literaturen einschreibt und welche Funktion sie umgekehrt in ihrem Diskurskontext einnehmen. Um Diskurse literaturwissenschaftlich analysierbar zu machen, konzeptualisiert Greenblatt den Begriff des Archivs, den schon Foucault einführt. Moritz Baßler fasst zusammen:

Das kulturelle Wissen muss dadurch nicht länger mentalistisch einem Subjekt zugeschrieben werden – ein Ort, an dem es ohnehin nicht analysierbar wäre – sondern es wird in einem positiv vorhandenen, analysierbaren, lesbaren Archiv lokalisiert. Das Archiv ist die Sammlung der Texte einer Kultur, ein Diskurs ist eine Äquivalenzstruktur in diesem Archiv.53

Die Beschreibung eines Diskurses bildet zudem die Basis dafür, Texte diskursorientiert zu analysieren. Die Identitätspolitik ist als ein solcher Diskurszusammenhang zu verstehen. Entsprechend ist es möglich, sie auf Basis eines gedachten Archivs in Form einer Sammlung aller Texte, Stellungnahmen und dokumentierten Aussagen zu ihren Themen zu untersuchen.54

Zwar kommt eine diskursorientierte Analyse literarischer Texte mit identitätspolitischer Thematik und Relevanz nicht ohne Berücksichtigung der oben beschriebenen Autorfunktion aus, gleichwohl muss sie den entsprechenden identitätspolitischen Annahmen nicht folgen. So wird eine Analyse des Romans Blutbuch mit Blick auf seine sinnhaften und ereignishaften Bedeutungen innerhalb des Diskurses um non-binäre Geschlechtsidentität die legitimatorische Bedeutung, die Kim de l’Horizons Autorschaft, die das Betroffenheitsparadigma erfüllt, in diesem Diskurs innehat, in Anschlag bringen. Dazu gehört auch, dass der Roman durch die mit ihm einhergehende Autorfunktion potenziell als Äußerungsakt gelesen wird, der stellvertretend für ein Kollektiv, das der non-binären Geschlechtsidentität, vollzogen wird. Die beschriebene Autorfunktion in eine diskursorientierte Interpretationspraxis einzubeziehen, zwingt hingegen nicht dazu, die postulierte Deutungsmacht als Ausgangspunkt für die Interpretationstätigkeit zu akzeptieren. Vielmehr ermöglicht die doppelte Position des Autors als Träger einer Autorfunktion auf der einen Seite und als empirisches Individuum, das sich in gesellschaftliche Debatten einbringt, auf der anderen Seite eine Differenzierung.

Wenn Lauer gegen das »Dogma vom intentionalistischen Fehlschluss« mit der Feststellung argumentiert, dass sich, wenn auch keine inneren Beweggründe, so doch »rekonstruieren [lässt], welches Selbstverständnis [Johann Sebastian] Bach geleitet hat, welche Prozesse seinem Kompositionsstil eigentümlich waren und in welchem Kontext seine Kompositionen ihren Ort hatten«,55 so spricht das nicht dafür, einen kommunizierenden Autor zu veranschlagen, sondern dafür, Autorschaft selbst diskursiv zu denken und zu untersuchen. Dem wurde unter Bezugnahme auf den Begriff der Autorfunktion Rechnung getragen. Die empirische Autorin hingegen sei, so schlage ich vor, in den Kontext ihrer (und anderer) Texte zu verorten. Dafür spricht die Tatsache, dass die entsprechenden außerliterarischen Äußerungen zu identitätspolitischen Themen oder gar etwaige Aussagen über produktionsseitige Intentionen ja im kontextuellen Diskurs stattfinden und folglich nur epitextuell zu ermitteln sind. In Bezug auf den Roman Blutbuch bedeutet dies, dass der referenzielle Verweischarakter der autofiktional akzentuierten Figur Kim auf das empirische Individuum Kim de l’Horizon als deren Vorlage verweist und ausschließlich in Bezug auf diese Figur auch auf dessen außerliterarisch übermittelte Ansichten. Das bedeutet aber nicht, dass diese Ansichten identisch mit dem Bedeutungshorizont des Romans sind oder dieser nur mit vollständiger Kenntnis dieser Ansichten zu erkennen sei. Vielmehr sind sie wie andere Ereignisse, Positionen und Aussagen Teil des Diskurses, innerhalb dessen der Roman zu verorten ist.

Eine Differenzierung zwischen Autorfunktion und der empirischen Person des Autors vermittelt auf pragmatische Weise zwischen einem holistischen Autorkonzept im Sinne Johann Gottfried Herders als »einer lebendigen Menschenseele«56 und dem Foucault’schen Ausspruch »Wen kümmert’s, wer spricht«. Auf diese Weise bleibt auch die interpretationspragmatische Unbefangenheit der Literaturwissenschaftlerin gegenüber ihrem Objekt gewahrt. Die Funktion, die die Betroffenheitsperspektive einnimmt, zugestanden, kann (wie bei anderen kontextuell-diskursiven Elementen) abhängig von dem Erkenntnisinteresse beschieden werden, ob der empirische Autor als Größe in die Analyse einzubeziehen ist oder nicht – und hinsichtlich welcher Gesichtspunkte (und/oder welcher Epitexte). 

Wie gezeigt wurde, folgt aus der Trennung von Autorfunktion und empirischem Autor auch eine Ablehnung intentionalistischer Argumentationen. Angesichts der Debatten um Autorschaft im Allgemeinen und angesichts der spezifischen Autorfunktion im identitätspolitischen Kontext scheint es geboten, zwischen einer biographistischen – oder, um es wertfreier auszudrücken: einer biographiefokussierten – und einer intentionalistischen Bezugnahme zur Autorin zu unterscheiden. Sowohl in der alten als auch in der neuen Diskussion um Charakter und Nutzen von Autorschaft wird diese Unterscheidung zumeist nicht getroffen.57 Mit Barthes und Foucault wären zwar beide Stoßrichtungen zu verwerfen, jedoch hat Jannidis überzeugend darauf hingewiesen, dass eine vollständige Verabschiedung von Autorschaft gar kein zwingender Schluss aus ihrer Historisierung und Funktionalisierung ist. Denn nicht nur mit Blick auf die Möglichkeit valider Aussagen besteht ein großer Unterschied zwischen der Praxis, biographische Merkmale für die textanalytische Argumentation heranzuziehen, und dem Fehlschluss, die Rekonstruktion der Absichten einer Person beim Schreiben zum Zielergebnis der Interpretationspraxis zu erklären. Wie sich gezeigt hat, ist die Kategorie ›Biographeme‹ konstitutiv für die identitätspolitische Autorfunktion. Produktionsästhetische Aspekte hingegen sind für die Funktionsbestimmung von Autorschaft grundsätzlich zweitranging bis irrelevant. Die Konfrontation literarischer Texte mit Diskursen ist Teil der Interpretationsleistung und bedarf keiner intentionalen Rechtfertigung. Lesen lässt sich vielmehr »als eine Zuschreibung von Bedeutung definieren, die über Vergleichsoperationen erfolgt«.58 Je nach Fragestellung kann Literatur in die expliziten Debatten ihrer Zeit eingeordnet oder aber auch mit Ideen späterer Zeiten abgeglichen werden. Ein Beispiel für Zweiteres ist die Untersuchung von Texten vergangener Epochen auf ihre Genderdiskurse.

Durch die Abspaltung der biographisch determinierten Autorfunktion von der empirischen Autorin lassen sich literarische Texte auch jenseits von der möglicherweise intendierten Verhandlung identitätspolitischer Themen in ihrer ästhetischen Eigenlogik betrachten und bewerten.

Ausblick

Die Diskussion identitätspolitischer Annahmen vor dem Hintergrund der literaturwissenschaftlichen Diskussion um den Autor hat gezeigt, dass es keine kontextunabhängige Klärung der Relevanz von Autorschaft geben kann. Unter Rückgriff auf das Konzept der Autorfunktion konnte die Bedeutung, die Autorschaft im identitätspolitischen Diskurs einnimmt, beschrieben und gleichsam ein pragmatischer Zugang zum identitätspolitischen Autorsubjekt geschaffen werden.

Die Autorin geht unter dem identitätspolitischen Paradigma ein neues Verhältnis mit dem Text ein. Ausgehend von den aufgestellten Beobachtungen ließe sich die identitätspolitische Autorfunktion weiter ausdifferenzieren, etwa mit Blick auf einzelne Genres wie das der Übersetzung oder das der Autosoziobiographie. Insbesondere der Blick auf Letztere mit ihren Möglichkeiten, das Problemfeld zwischen individueller Repräsentanz und kollektiver Projektion künstlerisch zu gestalten und den Raum zwischen fiktionalem Darstellungsmodus und faktualer Darstellung auszuloten, dürfte das analytische Potenzial der Funktionsbestimmung weiter schärfen. Da sie nicht zu Tatsachenbehauptungen verpflichtet ist, vermag semifiktionale Literatur es, die aporetischen Voraussetzungen der Identitätspolitik zur Disposition zu stellen, ihre Aporien zu dynamisieren und die ›Schizophrenie‹ des Autorsubjekts zu reflektieren, die darin besteht, dass ein exponiertes Individuum für ein identitätsbezogen definiertes Kollektiv sprechen soll.

Abschließend sei ein Impuls aus de l’Horizons Blutbuch aufgegriffen. Das Fiktions-Ich des Romans reflektiert in einem Brief an seine Großmutter metanarrativ die Funktion autofiktionalen Schreibens:

Maybe this is, what is inherently queer about autofiction: to start writing from a reality that isn’t real to us, that puts us in the realm of fiction. To produce ourselves through writing, to invent literary spaces that are other, hyperreal, utterly needed realities. Maybe this is, why so many of us write ›autofiction‹: because we are still stories, because we aren’t real bodies yet. [Engl. im Original]59

Hier wird das autofiktionale Schreiben als Akt der diskursiven Ermächtigung gegen die Prozeduren der Ausschließung in Stellung gebracht. Liest man das Zitat vor dem Hintergrund der feministischen Kritik Millers und Nieberles, so lässt sich die These aufstellen, dass die explizite Inanspruchnahme einer identitätspolitisch akzentuierten Autorfunktion als Antwort auf den voreiligen Tod des Autors verstanden werden kann, der die Subjektwerdung jener marginalisierten Identitäten verhindert, auf welche markierte Autorschaft verweist.

Literaturverzeichnis

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WÜRGER, Takis: Stella. München 2019.

  • 1. Vgl. Tom Kindt u. Hans-Harald Müller: »Was war eigentlich der Biographismus – und was ist aus ihm geworden? Eine Untersuchung«. In: Heinrich Detering (Hg.): Autorschaft. Positionen und Revisionen. Stuttgart 2002, S. 355–375, hier S. 358–372.
  • 2. Vgl. ebd., S. 364–366.
  • 3. Vgl. Michel Foucault: »Was ist ein Autor?«. In: Fotis Jannidis u. a. (Hg.): Texte zur Theorie der Autorschaft. Stuttgart 2000, S. 198–229, hier S. 207.
  • 4. Vgl. ebd., S. 229.
  • 5. Sabina Becker: Literatur- und Kulturwissenschaften. Ihre Methoden und Theorien. Reinbek bei Hamburg 2007, S. 159.
  • 6. Oliver Hidalgo: »Kritik der Identitätspolitik in der Demokratie«. In: Ethik und Gesellschaft 14.1 (2020), S. 1–35, hier S. 4f. DOI: 10.18156/eug-1-2020-art-6.
  • 7. Vgl. dazu etwa die Feuilleton-Debatte um Takis Würgers Roman Stella (2019). Die Autorisierungsfrage wird u. a. in folgenden Beiträgen gestellt: Jan Süselbeck: »Schuldig, jeder auf seine Art«, Zeit online vom 12. Januar 2019, https://www.zeit.de/kultur/literatur/2019-01/takis-wuerger-stella-roman-... (zuletzt eingesehen am 12.12.2022); Johannes Franzen: »Der Maßstab der Wirklichkeit – Zur Kontroverse um Takis Würgers Roman Stella«, merkur-zeitschrift.de vom 15. Januar 2019, https://www.merkur-zeitschrift.de/2019/01/15/der-massstab-der-wirklichke... (zuletzt eingesehen am 12.12.2022).
  • 8. So gab es 2021 in mehreren europäischen Ländern (Niederlande, Spanien) Kritik daran, dass für die Übertragung des Gedichts »The Hill We Climb« von Amanda Gorman, das sie 2021 bei der Inauguration des US-amerikanischen Präsidenten Joe Biden vorgetragen hatte, jeweils nicht-Schwarze Übersetzer*innen ausgewählt wurden. Nach kontrovers geführten Debatten wurden die entsprechenden Aufträge zurückgezogen. Bereits vor Beginn dieser Debatten beauftragte der Verlag Hoffmann und Campe mit Kübra Gümüşay, Hadija Haruna-Oelker und Uda Strätling ein Team aus drei Übersetzerinnen für die Übertragung ins Deutsche.
  • 9. Eva Blome, Philipp Lammers u. Sarah Seidel: »Zur Poetik und Politik der Autosoziobiographie. Eine Einführung«. In: Dies. (Hg.): Autosoziobiographie. Poetik und Politik. Heidelberg 2022, S. 1–14, hier S. 3.
  • 10. Vgl. Michel Foucault: Die Ordnung des Diskurses. München 1991, S. 11.
  • 11. Vgl. Foucault: »Was ist ein Autor?«, S. 227.
  • 12. Im Folgenden wird an Stellen, an denen es ökonomisch möglich ist, diversitätssensibel gegendert. Wenn die Grammatik des Satzes das Gendern verkompliziert, wird entweder das generische Maskulinum oder das generische Femininum verwendet.
  • 13. Foucault: »Was ist ein Autor?«, S. 202.
  • 14. Zum Konzept der Autorschaft in der Romantik vgl. bspw. Boris Tomaševskij: »Literatur und Biographie«. In: Fotis Jannidis u. a. (Hg.): Texte zur Theorie der Autorschaft. Stuttgart 2000, S. 49–61.
  • 15. Friedrich Schlegel: »Gespräch über die Poesie«. In: Friedrich Schlegel: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Hg. v. Hans Eichner. Bd. 2: Charakteristiken und Kritiken I. Paderborn 1967, S. 284–362, hier S. 284.
  • 16. Für einen Überblick vgl. Fotis Jannidis u. a.: »Rede über den Autor an die Gebildeten unter seinen Verächtern. Historische Modelle und systematische Perspektiven«. In: Dies. (Hg.): Rückkehr des Autors. Zur Erneuerung eines umstrittenen Begriffs. Tübingen 1999, S. 3–35, hier S. 7; Kindt u. Müller: »Was war eigentlich der Biographismus «, S. 358.
  • 17. William K. Wimsatt u. Monroe C. Beardsley: »Der intentionale Fehlschluss«. In: Fotis Jannidis u. a. (Hg.): Texte zur Theorie der Autorschaft. Stuttgart 2000, S. 84–101, hier S. 84.
  • 18. Vgl. ebd., S. 89.
  • 19. Roland Barthes: »Der Tod des Autors«. In: Fotis Jannidis u. a. (Hg.): Texte zur Theorie der Autorschaft. Stuttgart 2000, S. 185–193, S. 192.
  • 20. Ebd.
  • 21. Vgl. Foucault: »Was ist ein Autor?«, S. 199; S. 208.
  • 22. Ebd., S. 226.
  • 23. Ebd., S. 229.
  • 24. Fotis Jannidis u. a.: »Autor und Interpretation« (Einleitung). In: Dies. (Hg.): Texte zur Theorie der Autorschaft. Stuttgart 2000, S. 7–29, hier S. 9.
  • 25. Dies weist Simone Winko anhand eines Korpus von 229 Interpretationstexten, die zwischen 1997 und 2001 in der Deutschen Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte publiziert wurden, nach. Vgl. Dies.: »Autor-Funktionen. Zur argumentativen Verwendung von Autorkonzepten in der gegenwärtigen literaturwissenschaftlichen Interpretationspraxis«. In: Heinrich Detering (Hg.): Autorschaft. Positionen und Revisionen. Stuttgart 2002, S. 335–354.
  • 26. Gerhard Lauer: »Einführung: Autorkonzepte in der Literaturwissenschaft«. In: Fotis Jannidis u. a. (Hg.): Rückkehr des Autors. Zur Erneuerung eines umstrittenen Begriffs. Tübingen 1999, S. 159–166, hier S. 164.
  • 27. Ebd., S. 160.
  • 28. Fotis Jannidis: »Der nützliche Autor. Möglichkeiten eines Begriffs zwischen Text und historischem Kontext«. In: Ders. u. a. (Hg.): Rückkehr des Autors. Zur Erneuerung eines umstrittenen Begriffs. Tübingen 1999, S. 353–389, hier S. 357.
  • 29. Ebd., S. 389.
  • 30. Ebd., S. 357.
  • 31. Vgl. Lea Susemichel u. Jens Kastner: Identitätspolitiken. Konzepte & Kritiken in Geschichte & Gegenwart der Linken. Münster 2018, S. 7.
  • 32. Combahee River Collective: »The Combahee River Collective Statement«. In: Keeanga-Yamahtta Taylor (Hg.): How We Get Free. Black Feminism and The Combahee River Collective. Chicago 2017, S. 15–27, hier S. 19.
  • 33. Jan Feddersen u. Philipp Gessler: Kampf der Identitäten. Für eine Rückbesinnung auf linke Ideale. Berlin 2021, S. 106.
  • 34. Susemichel u. Kastner: Identitätspolitiken, S. 9.
  • 35. Hidalgo: »Kritik der Identitätspolitik in der Demokratie«, S. 7.
  • 36. Vgl. etwa Eva Berendsen u. Saba-Nur Cheema: »›Wir machen Identitätspolitik aus Notwehr‹. Auf eine Lemonade beim Missi Magazine« (Interview mit Stefanie Lohaus und Hengameh Yaghoobifarah). In: Dies. u. a.: Trigger Warnung. Identitätspolitik zwischen Abwehr, Abschottung und Allianzen, S. 191–205, hier S. 194.
  • 37. Ausführliche kritische Auseinandersetzungen der letzten Jahre sind bspw.: Feddersen u. Gessler: Kampf der Identitäten; sowie Caroline Fourest: Generation Beleidigt. Von der Sprachpolizei zur Gedankenpolizei – Über den wachsenden Einfluss linker Identitärer. Berlin 2020.
  • 38. Vgl. Emmanuel Renault: The Experience of Injustice. New York 2019., S. 166–167.
  • 39. Nancy K. Miller: »Wechseln wir das Thema/Subjekt. Die Autorschaft, das Schreiben und der Leser«. In: Fotis Jannidis u. a. (Hg.): Texte zur Theorie der Autorschaft. Stuttgart 2000, S. 251–274, hier S. 252.
  • 40. Ebd., S. 252.
  • 41. Vgl. ebd., S. 255.
  • 42. Feddersen u. Gessler: Kampf der Identitäten, S. 109.
  • 43. Miller: »Wechseln wir das Thema/Subjekt«, S. 253.
  • 44. Sigrid Nieberle: »Rückkehr einer Scheinleiche? Ein erneuter Versuch über die Autorin«. In: Fotis Jannidis u. a. (Hg.): Rückkehr des Autors. Zur Erneuerung eines umstrittenen Begriffs. Tübingen 1999, S. 255–272, hier S. 257.
  • 45. Roland Barthes: Sade, Fourier, Loyola. Frankfurt a. M. 1986, S. 13.
  • 46. Foucault: Die Ordnung des Diskurses, S. 21.
  • 47. Die Autorin Mithu Sanyal ist ein Beispiel für eine öffentliche Person, die sich sowohl für Identitätspolitik als auch für ihre Verschränkung mit Literatur ausspricht und gleichzeitig ihre Defizite und Aporien benennt. Vgl. exemplarisch folgendes Interview: Jörg Scheller: »›Identitätspolitik bringt uns dazu, in Mustern zu sprechen, die wir eigentlich sprengen wollen‹: Mithu Sanyal befreit ein Reizthema von Tabus«. In: Neue Zürcher Zeitung vom 11. März 2021, https://www.nzz.ch/feuilleton/identitaetspolitik-mithu-sanyal-befreit-di... (zuletzt eingesehen am 24.02.2023).
  • 48. Foucault: Die Ordnung des Diskurses, S. 11.
  • 49. Vgl. ebd., S. 26.
  • 50. So wirft der Roman Identitti (2021) von Mithu Sanyal durch die Betrugsgeschichte einer deutschen Professorin ohne Migrationshintergrund, die sich als Inderin ausgibt, die Frage auf, warum es analog zu ›transgender‹ keine ›transrace‹-Identität geben kann, wenn ›race‹ doch ein Konstrukt sei. Der Text transportiert so über die Identitätsfragen der Protagonistin Nivedita auf der einen Seite das identitätspolitische Anliegen, ›mixed-race‹ Lebensrealitäten sichtbar zu machen, während er auf der anderen Seite (scheinbare) Aporien identitätspolitischer Grundannahmen thematisiert – letzteres auf eine Weise, die das Bewusstsein für Differenzen zwischen verschiedenen Identitätsstrukturen und ihre Verflechtungen schärfen kann.
  • 51. Johannes Franzen: »Erleben legitimiert Erzählen. Zum Problem individueller und kultureller narrativer Enteignung in fiktionalen Welten«. In: Mathis Lessau u. Nora Zügel (Hg.): Rückkehr des Erlebnisses in die Geisteswissenschaften? Philosophische und literaturwissenschaftliche Perspektiven. Baden-Baden 2019, S. 172–188, hier S. 175.
  • 52. Vgl. Daniela Henke: Zerborstene Texte und Wirklichkeiten in der Schwebe. Experimentelles Erzählen über den Nationalsozialismus (1990–2010). Berlin 2023, S. 301–306. Anhand dieser Debatte zeigt sich wiederum die Divergenz der Betroffenheitsperspektive. Die Ansichten von Holocaust-Überlebenden zu der Idee narrativer Eigentumsrechte unterscheiden sich stark: Für Jean Améry ist die Legitimation, über den Holocaust zu sprechen, auf die faktisch individuelle und leibhaftige Erfahrung beschränkt, während Ruth Klüger zufolge Realismus und vergleichende Empathie als Legitimationsstrategien ausreichen.
  • 53. Moritz Baßler: »Texte und Kontexte«. In: Thomas Anz (Hg.): Handbuch Literaturwissenschaft. Bd. 1: Gegenstände und Grundbegriffe. Stuttgart u. a. 2013, S. 355–370, hier S. 369.
  • 54. Ein interessantes Phänomen in diesem Zusammenhang ist, dass manche literarische Texte, die identitätspolitische Ideen und Themen behandeln, diesen Diskurszusammenhang selbst mitliefern. So ist sowohl Kim de l’Horizons Blutbuch als auch Mithu Sanyals Identitti mit einem Literaturverzeichnis versehen. De l’Horizons Text führt auch Literatur von Annie Ernaux an, auf die, wie oben erwähnt, der Terminus ›Autosoziobiographie‹ zurückgeht, wodurch das Genre intertextuell markiert wird.
  • 55. Lauer: »Einführung: Autorkonzepte in der Literaturwissenschaft«, S. 166.
  • 56. Johann Gottfried Herder: »Vom Erkennen und Empfinden der menschlichen Seele. Bemerkungen und Träume«. In: Johann Gottfried Herder: Sämmtliche Werke. Hg. v. Bernhard Suphan. Bd. 8. Berlin 1892, S. 165–333, hier S. 208.
  • 57. Eine Ausnahme ist der Aufsatz von Kindt u. Müller: »Was war eigentlich der Biographismus – und was ist aus ihm geworden?«. Die Autoren fordern, »die Gleichsetzung des ›Biographismus‹ mit einer intentionalistischen Konzeption der Textinterpretation unter strenge Strafe zu stellen«, S. 374.
  • 58. Baßler: »Texte und Kontexte«, S. 357.
  • 59. De l’Horizon: Blutbuch, S. 270.

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