Digital Journal for Philology
Heimat / Zuhause
1 Heimat. Ein Politikum
Der Begriff ›Heimat‹ ist ein aktuelles Politikum, wie beispielsweise der kontrovers diskutierte Titel einer »Hart aber Fair«-Sendung »Heimat Deutschland. Nur für Deutsche oder offen für alle?«1 gezeigt hat. Der Sammelband Eure Heimat ist unser Albtraum von Fatma Aydemir und Hengameh Yaghoobifarah, der sich auf dem Klappentext als »Manifest gegen Heimat« bezeichnet, begreift Heimat als »völkisch verklärtes Konzept«.2 Darin stellen die Autor*innen eine Kontinuität des Heimat-Konzepts vom sogenannten Dritten Reich bis in die Gegenwart fest und positionieren sich damit gegen eine vermeintlich ›neutrale‹ Nutzung des Begriffs. Dass der politisch rechte Rand bis heute den Begriff besetzt, wird zum Beispiel deutlich durch die rechtsextreme NPD, die sich als »soziale Heimatpartei« bezeichnet oder auch durch den Slogan »Dein Land. Deine Heimat« der AfD. Dies führte unter anderem dazu, dass Daniel Schreiber in der Zeit verlangte, den Begriff den Rechten zu überlassen,3 während Marc Saxer eine linke Profilierung des Begriffs forderte.4 ›Heimat‹ ist also ein politisch heiß umkämpfter Begriff. Dass man mit ihm allerdings durchaus eher in die Mottenkiste des politischen Diskurses greift, hat ausgerechnet »Heimatminister« Horst Seehofer unfreiwillig vorgeführt, als er sein neu eingerichtetes »Heimatministerium« versehentlich als »Heimatmuseum« bezeichnete.5 Wenn ›Heimat‹ somit zunächst nach einem überkommenen Konzept aus dunkler Vergangenheit6 klingt, so gewinnt es dennoch immer wieder an Aktualität für den politischen Diskurs – und das nicht nur wegen Horst Seehofer. Auch Popmusik leistet hierzu einen Beitrag, indem ›Heimat‹ besungen und dadurch diskursiv am Leben gehalten wird. Neben der erfolgreichen Schlager-Pop-Sängerin Helene Fischer, die einen positiven Heimat-Begriff produziert,7 spielen auch Popbands, die sich selbst einem politischen Spektrum zuordnen und stärker als Helene Fischer ein tendenziell jüngeres Publikum im Blick haben, für diesen Aktualisierungsprozess eine Rolle. Um zwei dieser Bands wird es im Folgenden gehen: Feine Sahne Fischfilet und Frei.Wild. Bei aller Unterschiedlichkeit der politischen Ausrichtung ist beiden Bands gemein, dass sie sich auf einen positiv konnotierten Begriff von Herkunft berufen: ›Heimat‹ einerseits bei Frei.Wild und ›Zuhause‹ bei Feine Sahne Fischfilet. Ich möchte im Folgenden untersuchen, wie die beiden Begriffe ›Heimat‹ und ›Zuhause‹ bei den beiden Bands konstruiert werden, wie sie kontextualisiert sind und welche politischen Implikationen damit verbunden sind. Dazu werde ich zunächst die Funktion und Position des Heimat-Begriffs im Pop skizzieren (Abschnitt 2), um danach ausgewählte Songtexte und Videos der beiden Bands mit dem Ziel zu analysieren, die verschiedenen Vorstellungen von Zugehörigkeit und Herkunft, die mit den Konzepten ›Heimat‹ und ›Zuhause‹ entworfen werden, herauszuarbeiten (Abschnitt 3 und 4). Abschließend werde ich dafür argumentieren, ›Heimat‹ und ›Zuhause‹ nicht nur als Konzepte, Begriffe oder Vorstellungen aufzufassen, sondern als zwei Modelle, die mithilfe der gleichen diskursiven Vorlagen ganz unterschiedliche Entwürfe von Herkunft und Zugehörigkeit modellieren und so eine Position im politischen Diskurs behaupten.
2 Heimat. Ein kultureller Code
›Heimat‹ ist begrifflich unscharf und doch stets virulent. Heimatforschende sprechen von Heimat als »ideologischem Polysem«8 oder einem »Assoziationsgenerator«9 und rücken damit die kommunikative Funktion des Begriffs in den Vordergrund statt einer inhaltlichen Schärfung, die nur schwer zu erreichen ist. Christian Schmitt spricht bei solchen Begriffen wie ›Heimat‹ und auch ›Freiheit‹ von »leeren Signifikanten«, die »weniger codiert [sind,] als dass sie dazu aufrufen, sie je individuell aufzufüllen: Sie enthalten das Versprechen von Gemeinschaft […].«10 Die semantische Leere ist also gerade das, was den Heimatbegriff konstituiert, indem er immer wieder neu entworfen werden kann, gefüllt werden kann mit dem, was gerade diskursiv virulent ist. Heimat ist damit kein konkretes Sein, sondern ein diskursiv-performatives Tun – doing Heimat quasi. Zugleich enthält der Heimatbegriff ein politisches »Versprechen«: von Gemeinschaft, Zugehörigkeit. Dabei steht vor allem eine räumliche Verortung im Zentrum, die aber nicht klar begrenzt ist:11 Was ich als Heimat begreife, kann in unterschiedlichen Kontexten anders ausfallen. Bin ich im Ausland, kann meine Antwort auf die Frage nach Heimat mit der Nation zusammenfallen. Spreche ich mit Menschen aus Bayern, werde ich vermutlich die Nordseeregion als ›Heimat‹ nennen. Das Beispiel richtet auch gleich den Blick auf eine weitere Problemstelle des Begriffs, denn auch wenn ich intuitiv die Nordsee als meine Heimat angebe, muss ich doch zugeben, dass ich seit vielen Jahren in Nordrhein-Westfalen lebe. ›Heimat‹ bringt also Herkunft ins Spiel und wenn mit ›Heimat‹ ein »Versprechen von Gemeinschaft« und Zugehörigkeit verbunden ist, dann ist in dieser Gemeinschaft Herkunft zumindest mitangesprochen. Gerade dieser Punkt macht das Heimatkonzept für postmigrantische Persönlichkeiten, wie sie zum Beispiel in dem bereits genannten Sammelband Eure Heimat ist unser Albtraum zu Wort kommen, so problematisch.12 Längst gibt es Versuche, den Heimatbegriff zu modernisieren, ihn »internationalistisch und europäisch« aufzustellen und damit ein progressives Identitätsangebot zu gestalten, das sich von Rassismus und Nationalismus abgrenzt.13 Dies sei erwähnt, um zu zeigen, wie groß der Gestaltungsraum ist, den der ›leere Signifikant‹ bietet.
In dieser Untersuchung möchte ich zeigen, dass dieser Gestaltungsspielraum von Popbands genutzt wird, sich politisch zu positionieren, indem Zukunftsentwürfe modelliert werden. Dies scheint zunächst erstaunlich, da Heimat ja mit einem retrospektiven Blick auf die Herkunft der Person verknüpft zu sein scheint. Mein Argument zielt aber darauf zu zeigen, dass Heimatkonzepte hier als Modelle entworfen werden. Damit ist gemeint, dass ›Heimat‹ diskursive Vorlagen derart zur Anschauung bringt, dass damit etwas Neues entworfen, ›modelliert‹ wird. Wie ich im Folgenden zeigen will, wird das Abstraktum ›Heimat‹ von Feine Sahne Fischfilet und Frei.Wild jeweils ganz unterschiedlich gefüllt, konkretisiert, und als Entwurf für etwas noch zu Realisierendes aufgestellt.
Dass sich ausgerechnet zwei Popbands mit dem Heimatkonzept – aus ganz unterschiedlichen Perspektiven freilich – befassen, setzt die Leistung populärer Formate für Heimatkonfigurationen fort. Denn ›Heimat‹ versperrt sich zwar einer semantischen Festlegung und auch Abgrenzung gegen konkurrierende Begriffe wie dem der Nation, da er durch seine konstitutive Leere offen ist für alle möglichen Ausgestaltungen. Man kann allerdings feststellen, dass der Heimat-Begriff von verschiedenen Medien aufgegriffen, kulturell codiert wurde und so im Laufe der Zeit gewisse Topoi etabliert hat. Dazu gehören nicht nur die bereits genannten Schlagworte Identität, Herkunft und Zugehörigkeit, sondern auch ganz konkrete Klischeebilder, die vor allem aus dem Film und der populären Musik stammen, genauer: dem Heimatfilm und den damit verbundenen Schlagern.14 Einer dieser Filme hat dieser Sonderausgabe und der vorangegangenen Tagung als Namenspate gedient: The Sound of Music, ein Musical-Film, basierend auf einer Broadway-Inszenierung der 1960er-Jahre, der hierzulande zwar weniger bekannt ist, der aber das internationale Bild von Österreich und Deutschland geprägt und die Bildwelten vieler, vieler Heimatfilm-Produktionen in Deutschland und für ein deutschsprachiges Publikum aufgreift.15
Abb. 1 u. 2.: Szene aus dem Film The Sound of Music (R: Robert Wise. USA 1965). Die Screenshots stammen aus einem Ausschnitt aus dem Film, der auf YouTube abrufbar ist: https://www.youtube.com/watch?v=6f0T6UV-HiI (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
The hills are alive with the sound of music
With songs they have sung for a thousand years
The hills fill my heart with the sound of music.16
›Heimat‹ ist diesem Genre zufolge irgendwas mit Bergen, einer tausendjährigen Vergangenheit, Musik und viel Gefühl, zumeist platziert in Österreich und Tirol, wie die Screenshots aus The Sound of Music verdeutlichen.17 So könnte auch der folgende Liedtext problemlos in diesen Kontext passen:
Ja unser Heimatland, es ist so wunderschön
Das kann man auch an unsren Bergen sehn
Sie ragen stolz zum Himmel hinauf
Schon unsere Ahnen waren mächtig stolz darauf
Die Wiesen so grün, der Wald ganz dicht
Freu dich über dieses Land, das deine Heimat ist
Darum lasst Schlagzeug und die Gitarren erklingen
Und uns immer wieder dieses Liedchen singen
Es handelt sich hierbei jedoch nicht um einen 50er-Jahre-Schlager, sondern um eine Stelle aus dem Song »Südtirol« der Südtiroler Rockband Frei.Wild.18
3 Heimat als Retrotopie bei Frei.Wild
Wo liegt eigentlich dieses Südtirol? Südtirol ist eine Region in Norditalien, die Musiker von Frei.Wild sind also qua Nationalzugehörigkeit Italiener, singen hier aber auf Deutsch und zwar auf Hochdeutsch und nicht etwa in einem der Südtiroler Regiolekte19 (wobei das in der Südtiroler Literatur, Musik und Populärkultur durchaus nicht unüblich ist20).Heimat wird hier mit Zugehörigkeit verknüpft, indem die Südtiroler Heimat im deutschen Sprachraum verortet wird, was angesichts der anhaltenden politischen Frage nach der Zugehörigkeit Südtirols eine politische Positionierung darstellt.21 Heimat wird so zum Politikum, indem es um Grenzziehungen, um nationale und kulturelle Identität geht.
Der Songtext beinhaltet die Versatzstücke, die die Heimatforschung vielfach herausgearbeitet hat: Heimat als Ort, der uralt ist, an dem schon viele Generationen gelebt haben (»Schon unsere Ahnen waren mächtig stolz darauf«22), die diesen Ort durch harte Arbeit errichtet haben23 (»durch die knochenharte Arbeit unser Väter erbaut«24), der grundsätzlich bedroht ist von hier erst einmal namenlosen Feinden25 (»Südtirol, du bist noch nicht verlor’n / In der Hölle sollen deine Feinde schmorr’n [sic]«26), Heimat als Ort, der mit vielen positiven Gefühlen verbunden ist wie Stolz, Liebe, religiöser Verehrung27 (»Südtirol du bist mein leben [sic]!«28). Mit Blick auf einige andere Frei.Wild-Texte lässt sich die Liste vervollständigen. In »Wahre Werte« heißt es »Wann hört ihr auf eure Heimat zu hassen / Wenn ihr euch Ihrer schämt, dann könnt ihr sie doch verlassen«.29 Hier werden also die Feinde expliziert: Es sind keine Feinde von außen, sondern diejenigen, die ihre Heimat verleugnen. Heimat hat zudem einen heilsamen Charakter, so auch bei Frei.Wild: »Lichter und Schatten […] / Die dein Ich-Gefühl zurückerstatten […] Höhen und Tiefen / Laden ein zum Genießen«30 und in »Heimat« heißt es über Südtirol »Nur hier / nur hier, fühle ich mich wohl«.31 Heimat heilt also das zersplitterte Ich, stellt das Genießen und das Wohlbefinden her, wie kein anderer Ort es vermag. Heilung, die lange Vergangenheit, Verteidigung gegen Feinde, harte Arbeit und innige Liebe sind somit die ›wahren Werte‹, auf denen Heimat beruht. Damit knüpfen Frei.Wild nicht nur an die Heimatfilm-Topik der 50er- und 60er-Jahre an, sondern an ältere, auch an faschistische Heimatentwürfe aus Südtirol. Als Beispiel sei ein Gedicht von 1942 genannt, das sich als gegen die »Italianisierung« Südtirols gerichtet lesen lässt:
Wir lassen nicht viele an uns heran
Uns hält in Recht und Pflicht der Ahn.
Man rückt uns nicht, man stellt uns nicht.
Wir schauen den Vätern ins Angesicht.Viel Not und Sturm hat uns umbraust.
Wir bleiben. Wir haben die Bauernfaust.Von Kampf und Arbeit stumm und schwer,
Sie wächst von hundert Geschlechtern her.32
Wenn Frei.Wild hier an ein gegen die »Italianisierung« Südtirols gerichtetes Heimatbild anknüpfen, macht das deutlich, wie die zunächst ungenannten Feinde der Heimat aussehen: Es handelt sich um den Großteil der Südtiroler Bevölkerung, die sich gegen eine Loslösung Südtirols von Italien aussprechen, sodass Südtirol in der Perspektive von Frei.Wild »deinen Brüdern entrissen«33 bleibt.34 Deutlich erkennbar wird hier also die Kontinuität der Südtiroler Heimattopik über die faschistische Ära und die Nachkriegszeit bis Frei.Wild. Heimatmuseum eben.
Ins Heimatmuseum gehört sicherlich auch das mit diesem Heimatentwurf verbundene Männlichkeitsbild. Die Herren von Frei.Wild inszenieren sich als die ›Stimme des kleinen Mannes‹,35 als diejenigen, die sich trauen zu formulieren, was man ja wohl noch mal sagen dürfen wird. Dieser kleine Mann tut nichts Unrechtes, indem er seine Heimat liebt,36 die entsprechend weiblich konnotiert ist: »Südtirol, sind stolze Söhne von dir […] Und ich sags [sic], ich sags [sic] mit Freude, ich bin dein Sohn«.37 Frei.Wild sind die ›Söhne‹ der Heimat, Heimat ist die Herkunft, »Geburtsort«38, Ort der Kindheit – die Gebärmutter der Identität, wenn man so will.39 Entsprechend ist die »Heimatliebe«,40 die Frei.Wild immer wieder ausdrücken (»ich liebe dich, ich liebe dich, Südtirol«41) heterosexuell konnotiert oder eben, wie oben zitiert, als Liebe des Sohnes zu seiner Mutter.
Martha Nussbaum beschreibt Liebe als ein wichtiges Gefühl für Patrioten:
Patriotische Liebe ist in all ihren Ausprägungen auf das Partikulare gerichtet. Sie gleicht der Liebe in der Familie oder der Liebe zwischen Mann und Frau und entsprechend diesem Ursprung oder dieser Parallele ist sie auf spezifische Merkmale fokussiert: auf diese oder jene wunderschöne Landschaft, auf dieses oder jenes historische Ereignis. Je mehr sie mit diesen Besonderheiten angereichert ist, desto inspirierender ist sie.42
Grundsätzlich ist dieses patriotische Gefühl der Liebe positiv zu bewerten, da sie Platz schafft für Identifikation und vor allem für Mitgefühl: Mitgefühl ist eine starke Triebkraft für Altruismus, wurzelt aber auch in konkreten Erzählungen und Bildern. Wenn altruistische nationale43 Gefühle motivierende Kraft haben sollen, müssen sie sich am Konkreten festmachen: an bekannten Einzelpersönlichkeiten (Gründern, Helden), physischen Besonderheiten (Landschaften, lebendigen Bildern und Metaphern) und vor allem an Erzählungen von Kämpfen, die Leiden und Hoffnung beinhalten.44
Das Ideal ist dann eine »Ausweitung des Mitgefühls, […] indem man es an Bilder und Institutionen bindet, die für das Wohlergehen aller Menschen stehen – und am besten auch Menschen außerhalb des eigenen Landes umfaßt. Das leistet eine gute Form von Patriotismus.«45 Die Liebe zur eigenen Nation oder Region schwört also auf ein gemeinsames Narrativ ein,46 das aus der Vergangenheit und der Gegenwart eine Zukunft nach gemeinwohlorientierten Werten erstrebt, das Opferbereitschaft fordert, aber das auch Gefahr läuft, diejenigen auszugrenzen, die die Liebe nicht teilen.47 Im Fall von Frei.Wild sind das diejenigen, die ihre Heimat nicht in dem Sinne verehren, wie es Frei.Wild vorschwebt, oder sie gar hassen. Die Liebe zur Heimat wird also zu einem Ein- und Ausschlussmoment, das sich nicht nur an Herkunft und Identifikation mit einer Region, ihrer Kultur und ihren ›wahren Werten‹ orientiert, sondern auch über die praktische Ausgestaltung der Beziehung zu dieser Region funktioniert. Wenn Heimat, wie oben erläutert, weniger ein konkretes Phänomen meint, sondern vielmehr eine diskursive Handlungsform bezeichnet, dann ist das Pflegen und die Ausgestaltung der Liebe zur Heimat – freilich in der Art und Weise, wie es Frei.Wild vorschwebt – eine wesentliche Praxis im doing Heimat.
Frei.Wilds Heimatliebe ist dabei einerseits regional verankert und begrenzt und richtet sich zum anderen auf eine positive Beziehung zu einer nicht näher konkretisierten Vergangenheit mit den vielfach beschworenen Ahnen und Traditionen, die nicht verloren gehen dürfen:
Dialekte und Umgangssprache
hielten so lange, so viele Jahre
Bräuche, Geschichten, Kunst und Sagen
Sehe schon die Nachwelt klagen und fragen
Warum habt ihr das verkommen lassen
Die Wurzel des Landes, wie kann man die hassen48
Das Schreckensszenario der in der Zeit verlorenen Tradition zeigt, dass Frei.Wild ein konservatives Projekt betreiben, indem sie einen Heimatbegriff entwerfen, der vorsieht, das geliebte Land gegen die Veränderungen der Zeit für die Zukunft zu schützen.49 Progressiv, fortschrittlich ist daran wenig – Heimat als Museum. In diesem Kontext aber verwundert ein Facebook-Eintrag von Frontman Philipp Burger, eine Wuttirade anlässlich einer abgebrochenen Deutschlandfahne an einem Auto:
Ganz ehrlich, das ist die logische Konsequenz dieser ›Wir alle müssen ewig für die Taten unserer Vorfahren büßen‹-Politik!!! Aber man wollte es so, hat Kinder so erzogen und trägt nun die Konsequenz, selber Schuld!!! Ich kann mich nicht erinnern, dass sich Italiener, Russen, Amerikaner oder z. B. Chinesen ihrer Herkunft geschämt hätten, obwohl deren Diktatoren und Regime gleich viele und um viele Millionen Menschen mehr auf dem Gewissen haben als es unter Scheiss-Hitler-Deutschland der Fall gewesen ist. Der Blick geht Richtung Zukunft und verdammt noch mal nicht ewig in Richtung Vergangenheit.50
Der Blick geht in die Zukunft? Abgesehen von den offensichtlichen Relativierungen des Holocausts und der im rechtsradikalen Spektrum gern gehörten Forderung nach dem Ende der Erinnerungskultur, ist das doch angesichts des zuvor Gehörten eine erstaunliche Formulierung. Nimmt man diese Tirade aber ernst und bringt sie in ein Verhältnis zum zuvor skizzierten Heimatbegriff, so ergibt sich eine spezifische Verbindung von Vergangenheit und Zukunft: Der Blick soll in die Zukunft gerichtet werden, allerdings indem man altes Material aus dem Heimatmuseum für diese Zukunft bewahrt. Diese Schleife, die hier gedreht wird, bezeichnet Zygmunt Bauman als »Retrotopie«. In Anlehnung an den Utopie-Begriff meint er damit einen Zukunftsentwurf, der sich aus Nostalgie speist, also auf die Wiederherstellung einer vermeintlich besseren aber in der Vergangenheit verlorengegangenen Welt:
Was ich hier »Retrotopia« nenne, […] hat mit Thomas Morus’ Vermächtnis die Fixiertheit auf die territoriale Souveränität eines topos gemein: auf einen festen Boden, der ein Mindestmaß an Stabilität und infolgedessen Selbstvergewisserung liefern und idealerweise garantieren soll. […] Getreu dem utopischen Geist bezieht die Retrotopie ihren Reiz aus der Hoffnung auf eine endgültige Versöhnung von Freiheit und Sicherheit […].51
Die Retrotopie dient also dazu, eine stabile Identität zu garantieren und als verlässlicher Boden in eine unsichere Zukunft zu führen. Sie verweist damit durchaus wie die Utopie in die Zukunft, aber unter gänzlich anderen Vorzeichen. Frei.Wilds Retrotopie ›Heimat‹ entwirft die Gegenwart als defizitär im Verhältnis zu einer imaginierten Vergangenheit und stellt für die Zukunft die Schreckensvision einer Fortsetzung dieses Trends in Aussicht, also den zunehmenden Verlust von Heimat und den damit verbundenen Werten. Die Retrotopie stellt dem aber einen positiven Entwurf entgegen, der sich vor allem auf die praktizierte Liebe und die Identifikation mit der Herkunftsregion stützt. Frei.Wild modellieren somit in ihren Songs aus diskursivem Material – populäre Heimattopoi, Südtiroler Literatur, Topoi der patriotischen, heterosexuellen und kindlichen Liebe – einen Entwurf für eine zu realisierende Ausgestaltung der Zukunft, wobei diese auf die Wiedereinsetzung einer vermeintlichen Vergangenheit beruht. Dies ist die spezifische retrotopische Struktur der Heimatmodellierung bei Frei.Wild.
Dem stehen utopische Zukunftsentwürfe gegenüber, die die Gegenwart als defizitär im Hinblick auf eine erhoffte, verbesserte Zukunft entwerfen, die es so noch nie gegeben hat. Utopien nehmen also keinen Rückbezug auf eine (fiktive) Vergangenheit und doch rekurrieren auch diese auf diskursives Material, sind also auch Modellierungen, wie im folgenden Abschnitt gezeigt werden soll.
4 ›Zuhause‹ als Heimat-Utopie bei Feine Sahne Fischfilet
Wir sind zurück in unserer Stadt
Mit 2 Promille durch die Nachbarschaft.
Wir sind zurück in unserer Stadt
und scheißen vor eure Burschenschaft.52
»Zurück in unserer Stadt« ist das wohl bekannteste Lied von Feine Sahne Fischfilet. Der hier zitierte Refrain greift gleich mehrere Aspekte auf, die bereits bei Frei.Wild genannt wurden: Die Männlichkeitsinszenierung insbesondere im Video als harte Typen und Saufkumpanen,53 die starke Ihr-und-Wir-Abgrenzung, wobei hier explizit die Burschenschaften als Feindbild genannt werden, und die Rückkehr nach Hause als Topos des Heimatdiskurses54 – hier allerdings nicht in die Berge, sondern in die Stadt, also einem Raum, der zumindest in den klassischen Schlagern aus Heimatfilmen eine eher untergeordnete Rolle spielt. Feine Sahne Fischfilet erzeugen ebenfalls ein Bild von ihrer Herkunftsregion aus geographischen Versatzstücken, die eine regionale Zuordnung ermöglichen, wie zum Beispiel in »Wo niemals Ebbe ist«55:
Ich lieb’ die Wellen und das Meer
Viel zu selten komme ich hierher
Zu viel Maloche macht uns dumm
Ich zieh’ lieber mit meinen Freunden rum
Überall steht ›zu vermieten‹ drauf
Gegenüber macht ’ne Spielo auf
Ein großes Maul tut immer gut
Tot sind wir noch lang genug[Hook]
Wir leben da, wo niemals Ebbe ist
Ein naher Freund – zu weit entfernt
Wir leben da, wo niemals Ebbe ist
Du fehlst mir – doch so sehr[Part 2]
Ich lieb’ die Ruhe und wenn‘s knallt
Sollt’ ich alt werden, werde ich hier alt
Mein Zuhause ist der Strand
Denn dort hab’ ich keinen Empfang
Mit Lebenslust sollst du protzen
Scheißegal, lass die anderen kotzen
3. Liga – Nichtabstiegsplatz
Wir feiern’s wie die Meisterschaft[Hook]
Wir leben da, wo niemals Ebbe ist
Ein naher Freund – zu weit entfernt
Wir leben da, wo niemals Ebbe ist
Du fehlst mir – doch so sehr56
Hier steht dann neben der Stadt wieder stärker der Naturraum, der Strand, im Fokus. Die Stadt wird aber nicht ausgeblendet, sondern bleibt durch die Referenz auf den Fußballverein Hansa Rostock57 präsent, wodurch zugleich der Regionalbezug weiter konkretisiert wird. In der Live-Performance wird das Stück am Ende gespielt. Sänger Monchi ruft die Zuhörer*innen dabei zum Schunkeln auf: »Jetzt könnt ihr endlich mal Schunkeln, ihr Punks, ohne euch zu schämen«.58 Das Schunkeln als eine kollektive Bewegungsform erzeugt ein harmonisches Gemeinschaftsgefüge, anders als das sonst bei Punkkonzerten übliche Pogotanzen, und ist gemeinhin eher mit den Bereichen der Volksmusik und des volkstümlichen Schlagers verbunden, worauf hier ironisch Bezug genommen wird. Im Liedtext wird weniger ironisch die Liebe zur Region (»ich lieb die Wellen und das Meer«), die Heimat als Verlust (»Viel zu selten komm ich hierher« und »ein naher Freund – zu weit entfernt«, »du fehlst mir – doch so sehr«) und die von der Außenwelt abgegrenzte Region (»Mein Zuhause ist der Strand denn dort hab ich keinen Empfang«) thematisiert. Es wird durchaus auch auf weniger schöne Aspekte hingewiesen (»Überall steht ›zu vermieten‹ drauf / Gegenüber macht ’ne Spielo auf«), aber es wird dabei nicht Bezug genommen auf eine vermeintlich bessere Zeit in der Vergangenheit. Und anders als bei Frei.Wild fällt das Wort ›Heimat‹ niemals. Der angestaubte Begriff aus der politischen Mottenkiste wird hier ersetzt durch »Zuhause«: »Mein Zuhause ist der Strand«, ein Begriff, der aber durchaus an den Heimat-Topoi partizipiert. So gibt es auch ein Lied, das »Zuhause« heißt und in dem noch weitere bekannte Motive des Heimat-Diskurses auftauchen, vor allem Heimat als Heilung. Im Refrain heißt es: »Zuhause heißt – wenn dein Herz nicht mehr so schreit / Zuhause heißt – wenn die Angst der Freundschaft weicht / Zuhause heißt – wir schützen uns, sind alle gleich / Zuhause heißt – wenn dein Herz nicht mehr so schreit.«59 Die Heilung des Herzens, das Ersetzen negativer Gefühle (Angst), die man offenbar außerhalb des Zuhauses empfindet, das »wir«, das sich gegenseitig gegen etwas Ungenanntes schützt, also potenziell bedroht ist, all das sind, wie gesehen, Motive des Heimatdiskurses.
Dennoch unterschiedet sich das ›Zuhause‹, das bei Feine Sahne Fischfilet gezeichnet wird, drastisch von dem Heimatbild, das Frei.Wild entwerfen. Vor allem im Video zum Song »Zuhause« wird das sehr deutlich.60 Während die Band die erste Strophe singt,
Reiß ihre Mauern ein.
Reiß alle Mauern ein.
Und lässt dein ganzes Leben zurück.
Reiß ihre Mauern ein.
Reiß alle Mauern ein.
Du riskierst jetzt alles für das Glück[,]
sieht man im Video zunächst eine Familie (eine männlich und eine weiblich gelesene Person mit zwei Kindern) auf einem Sofa, dann eine einzelne junge Frau, die unhörbar über die Kamera hinweg zu nicht sichtbaren Gesprächspartner*innen spricht. Unten im Bild wird Text eingeblendet, der wie Untertitel erscheint und vermutlich wiedergibt, was die Frau im Bild spricht: »Ich kann mich überall Zuhause fühlen«.61 Es folgen weitere Personen, die auf die gleiche Weise über die Kamera hinweg sprechen und untertitelt werden oder die gar nicht sprechen und deren Aussage nur über den Text unten im Bild dargestellt wird. Obdachlose, Personen, die in Bauwagen leben, Geflüchtete, Gefängnisinsass*innen, Menschen, die ihr Haus verloren haben, und viele mehr. Das häufig wiederholte, im Chor von den Bandmitgliedern gesungene »Zuhause heißt« begleitet die Aussagen der Personen im Video, denen allen gemeinsam ist, dass sie das Konzept »Zuhause« von einem konkreten Ort, einer Region oder einer Adresse lösen: »Für viele ist Heimat das Zuhause. Aber bei mir ist das nicht so! Mich hat es schon immer raus in die Welt gezogen!«, wird eine dargestellte Person untertitelt.62
Dieser Heimatbegriff ist also kein regional verwurzelter, sondern ein translokaler. Mit dem Begriff ›Translokalisierung‹ wird in den Postcolonial und Diasporic Studies eine Form des In-der-Welt-Seins adressiert, das nicht mehr an eine Heimat als verlorenem oder von Verlust bedrohtem Paradies gebunden ist oder dorthin zurück möchte. Es ist vielmehr eine Lebensform, die sich in dauerhafter grenzüberschreitender Bewegung befindet und auf diese Weise neue Formen von Identität, Kultur und Wissen hervorbringt.63 Das Zuhause, das Feine Sahne Fischfilet hier in Zusammenarbeit mit dem Regisseur Aron Krause entwerfen, ist entsprechend nicht mehr regional gebunden, sondern eine Heimat in der Ortlosigkeit, eine Identifikation in der Bewegung, in der Migration möglich ist als eine Bewegungsform, die nicht nur von gegenwärtig als ›Migrant*innen‹ bezeichneten Personen vollzogen wird. Auch im Text wird keine Herkunft mehr gesucht, sie wird sogar zurückgelassen (»Reiß alle Mauern ein / Und lässt dein ganzes Leben zurück«) und das »Zuhause« im Translokalen verortet, indem zum einen eine grenzüberschreitende Bewegung möglich ist (»Für eine grenzenlose Welt«), durch Frieden (»und wenn die Bomben nicht mehr knallen«), aber auch durch die aktive Tätigkeit der angesprochenen Zuhörer*innen: »Reiß ihre Mauern ein / Reiß alle Mauern ein«. Deutlich wird aber auch, dass es sich bei diesem translokalen Heimatbild um eine Utopie handelt: »In dieser Welt – scheint das alles nur ein Traum«64. Der utopische Charakter des im Songtext vorgelegten Entwurfs translokaler Heimat wird jedoch durch den dokumentarischen Charakter des Videos unterlaufen: Am Ende des Clips danken Feine Sahne Fischfilet »allen Menschen, die uns einen Einblick in ihr ›Zuhause‹ geboten haben«65 und markieren dadurch, dass das Zuhause, das im Text als Traumbild bezeichnet wird, doch kein u-topos, Nicht-Ort, sondern gelebte Wirklichkeit ist. Dieses Spannungsverhältnis von Text und Video stellt aus, dass die Utopie schon in der Gegenwart angelegt ist. Sie ›scheint auf‹ im Sinne von Ernst Blochs konkreter Utopie: Ein Noch-Nicht-Sein, das aber als Möglichkeit im Sein zum Vorschein kommt, bzw. durch das »antizipierende Bewußtsein«66 gebracht werden kann. Dieser Vorschein, so Bloch, manifestiere sich vor allem in der Kunst, der Religion und explizit in der Musik. Das Versinken in der Musik bezeichnet Bloch als »Hellhören«,67 als ein »unruhig-kritisches, scharfsichtiges, auf Zukunft gerichtetes«68 Zuhören. Grundlage hierfür ist ein Kunstverständnis, das »nicht bloß kontemplierend[ ]«69 ist, sondern den utopischen »Vor-Schein«70 des Kunstwerks erfasst. Nötig ist anscheinend also sowohl eine bestimmte Rezeptionshaltung als auch ein Kunstwerk, das statt bloßem »Schein« einen konkret-utopischen »Vor-Schein« entwirft.71 Diesen Vor-Schein auf eine bessere Welt bezeichnet Bloch im Schlussakkord von Prinzip Hoffnung auch als Heimat:
Die Wurzel der Geschichte aber ist der arbeitende, schaffende, die Gegebenheiten umbildende und überholende Mensch. Hat er sich erfaßt und das Seine ohne Entäußerung und Entfremdung in realer Demokratie begründet, so entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat.72
Heimat ist bei Bloch also kein Ort der Ahnen, keine Herkunftsgeschichte, sondern eine »Verheißung«,73 die man sich für die Zukunft aus der Gegenwart herausarbeiten muss. Für Bloch ist der Mensch stets auf Zukunft ausgerichtet, Gegenwart und Vergangenheit verblassen hiervor und erklären sich nur aus dem Blick in die Zukunft.74 Und so ist auch der utopische Heimatentwurf bei Feine Sahne Fischfilet keine Rückschau, keine Restitution von Verlorenem oder Festhalten an Gegenwärtigem, sondern »Welt als Prozeß«,75 mit Bloch gesprochen, das heißt eine dauerhafte Bearbeitung des Materials geleitet durch das Gefühl der Hoffnung, gerichtet auf die konkrete, durchdachte76 Utopie, die im Möglichen vorscheint.
5 ›Heimat‹ / ›Zuhause‹ als politische Modelle
Es hat sich also gezeigt, dass Frei.Wild und Feine Sahne Fischfilet aus vorhandenem diskursiven Material, in diesem Fall den Heimattopoi, ganz unterschiedliche Projekte entwerfen. Während es Frei.Wild um das Bewahren bzw. Wiederherstellen von regional verwurzelten Werten und Vorstellungen von Zugehörigkeit geht, dezentrieren Feine Sahne Fischfilet das Heimatkonzept zu einer translokalen Vision von »Zuhause«. Beiden Entwürfen ist ein zukunftsgerichteter Charakter eigen, jedoch in ganz unterschiedlicher Blickrichtung: Bei Frei.Wild wird aus Imaginationen einer Vergangenheit und Genealogie ein positives Zukunftsbild entsponnen, das auf Identifikation und Liebe zur Herkunftsregion fußt. Auch Feine Sahne Fischfilet lieben ihre Herkunftsregion, es fehlt aber der Bezug auf eine vermeintlich verlorene, bessere Vergangenheit, die es zu restituieren gilt. Stattdessen wird ein Ideal von Frieden und (Bewegungs-)Freiheit in die Zukunft projiziert, dessen Vorzeichen in der Gegenwart erkennbar sind, bzw. durch das künstlerische Werk erkennbar werden. Beide Bands sprechen in den Liedtexten ihr Publikum an, häufig in Imperativen (»Reißt die Mauern ein«77/ »Freu dich über dieses Land, das deine Heimat ist«78) oder mit rhetorischen Fragen (»Wo soll das hinführen, wie weit mit uns gehen«79), was darauf schließen lässt, dass beide ihr Publikum zu einer Tat oder einer Haltung motivieren möchten. Politisch, könnte man sagen, sind also beide Bands in dem Sinne, dass sie ihr Publikum zur Gestaltung und Bearbeitung der gegenwärtigen Wirklichkeit anhalten und aus den jeweiligen Perspektiven auf Missstände deuten. Doch wie genau lassen sich diese politische Motivierung und die spezifischen Entwürfe des Zukünftigen als eine Poetik beschreiben? Ich habe versucht zu zeigen, dass sowohl Feine Sahne Fischfilet als auch Frei.Wild modellierend tätig sind, also aus diskursiven Vorlagen etwas Neues entwerfen. Ausgehend hiervon möchte ich als Schlussthese vorschlagen, dass sowohl Feine Sahne Fischfilet als auch Frei.Wild in ihren Songs, Videos und Performances Modelle des Politischen entwerfen.
Ein Modell ist immer zugleich ein Modell von etwas und ein Modell für etwas, das heißt ein literarisches Modell nimmt Bezug auf eine Vorlage (»Matrix«) und bringt diese zur Darstellung. Dabei werden diese Vorlagen reduziert, verdichtet und zu anschaulichen Bildern konkretisiert. Zugleich aber entwirft das Modell etwas Neues aus diesem Material (»Applikat«). Insofern operiert es nicht nur mimetisch, sondern auch konstruktiv. Dabei dynamisiert es die Grenzen von Fakt und Fiktion, indem es die Vorlage als faktual oder zumindest als diskursiv real entwirft, selbst aber fiktional ist und Fiktionen oder Hypothesen als Applikate entwirft.80 »Modelle sind, wenn man so will, als ontologische Agenten tätig, welche das Reale und das Ideale immer schon im Hinblick auf die faktische Veränderung des Wirklichen betreiben.«81 Und damit ist die politische Funktion bereits umrissen, denn es geht in politischen Texten mindestens um die kritische Kommentierung, bestenfalls um die Veränderung der als defizitär entworfenen Gegenwart im Hinblick auf ein angestrebtes Ideal. Und zugleich lässt sich hier das Potenzial des Modells als Poetik des Utopischen erkennen: Aus der defizitären Wirklichkeit der Gegenwart wird mithilfe fiktionaler Modelle ein positiver Entwurf für die Zukunft modelliert.82
Feine Sahne Fischfilet und Frei.Wild modellieren also beide aus der gleichen diskursiven Vorlage der Heimattopik unterschiedliche Modelle. Das Modell »Heimat« bei Frei.Wild entwirft die Retrotopie der Wiederherstellung einer vermeintlich besseren Vergangenheit, mit dem Ziel, eine stabile Identität zu garantieren. Das Modell »Zuhause« bei Feine Sahne Fischfilet hingegen entwirft aus dem vorgefundenen diskursiven Material die konkrete Utopie einer dynamischen, translokalen Identität in der migrantischen Bewegung. Beide Bands kreieren damit aus dem gleichen Material mithilfe einer Modellpoetik relativ konkrete Bilder von »Heimat« und »Zuhause« und entwerfen daraus Ideale, zu deren Verwirklichung sie ihr Publikum auffordern.
Literatur
ANZ, Thomas: »Heimatgefühle. Literarische Techniken der Emotionalisierung in der Repräsentation prototypischer Räume und Szenarien«. In: Carme Bescansa et al. (Hg.): Raum – Gefühl – Heimat. Literarische Repräsentationen nach 1945. Marburg 2017, S. 17–36.
AYDEMIR, Fatma u. Hengameh Yaghoobifarah (Hg.): Eure Heimat ist unser Albtraum. Berlin 2019.
BAUMAN, Zygmunt: Retrotopia. Übers. v. Frank Jakubzik. Berlin 2017.
BEALS, Kurt: »High-Tech Heimat: Mountains and Mediation in Literature, Film, and Digital Art«. In: The German Quarterly 92.2 (2019), S. 166–186.
BEUTNER, Eduard u. Karlheinz Rossbacher: »Einleitung«. In: Dies. (Hg.): Ferne Heimat – Nahe Fremde. Bei Dichtern und Nachdenkern. Würzburg 2008, S. 7–14.
BLOCH, Ernst: Das Prinzip Hoffnung. Erster Band. 6. Aufl. Frankfurt / M. 1979.
BÜCHNER, Timo: Der Begriff »Heimat« in rechter Musik. Analysen – Hintergründe – Zusammenhänge. Frankfurt / M. 2020.
COSTADURA, Edoardo, Klaus Ries u. Christiane Wiesenfeld: »Heimat global: Einleitung«. In: Dies. (Hg.): Heimat global. Modelle, Praxen und Medien der Heimatkonstruktion. Bielefeld 2019, S. 11–42.
ERDBEER, Robert Matthias: »Poetik der Modelle«. In: Textpraxis 11.2 (2015), S. 1-35. DOI: 10.17879/57289683848.
FEINE SAHNE FISCHFILET: »Zurück in unsere Stadt«, YouTube, 10. November 2017. https://www.youtube.com/watch?v=4bw86Gj-j2M (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
FEINE SAHNE FISCHFILET: »Zurück in unserer Stadt«. Auf: Sturm & Dreck. Audiolith 2018. https://genius.com/Feine-sahne-fischfilet-zuruck-in-unserer-stadt-annotated (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
FEINE SAHNE FISCHFILET: »Wo niemals Ebbe ist«, YouTube, 11. Juli 2018. https://www.youtube.com/watch?v=HPoc4KYAYik (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
FEINE SAHNE FISCHFILET: »Zuhause«. Auf: Sturm & Dreck. Audiolith 2018. Der Songtext ist verfügbar unter: https://genius.com/Feine-sahne-fischfilet-zuhause-annotated (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
FEINE SAHNE FISCHFILET: »Zuhause«, YouTube, 08. Januar 2018. https://www.youtube.com/watch?v=QmHTcxY0S8Y (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
FREI.WILD: »Südtirol«. Auf: Wo die Sonne wieder lacht. Razorwire Records 2003. https://www.frei-wild.net/releases/wo-die-sonne-wieder-lacht-14/cd-17/su... (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
FREI.WIlD.Wild: »Wahre Werte«. Auf: Gegengift. Rookies & Kings 2010. Text und Song sind hier abrufbar: https://www.frei-wild.net/releases/gegengift-10-jahre-jubilaeumsedition-... (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
FREI.WILD: Heimat. Auf: Mensch oder Gott. Rookies & Kings 2010. https://www.frei-wild.net/releases/mensch-oder-gott-13/cd-16/heimat-70#s... (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
GEBHARD, Günther, Oliver Geisler u. Steffen Schröter: »Heimatdenken: Konjunkturen und Konturen. Statt einer Einleitung«. In: Dies. (Hg.): Heimat. Konturen und Konjunkturen eines umstrittenen Konzepts. Bielefeld 2007, S. 9–56.
HART ABER FAIR: »Heimat Deutschland – nur für Deutsche oder offen für alle«, YouTube, 26. Februar 2019 https://www.youtube.com/watch?v=rGw3SKVDfZ0 (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
HEIZMANN, Jürgen: Filmgenres: Heimatfilm international. Stuttgart 2016.
HINDRICHS, Thorsten: »Heimattreue Patrioten und das ›Land der Vollidioten‹. Frei.Wild und die ›neue‹ Deutschrockszene«. In: Dietrich Helms u. Thomas Phleps (Hg.): (Eigen-)Sichten auf populäre Musik in diesem unserem Land. Bielefeld 2014, S. 153–183.
HÖFIG, Willi: Der deutsche Heimatfilm 1947–1960. Stuttgart 1973.
HOLZNER, Johann: »Heimat und Fremde in der Südtiroler Literatur«. In: Eduard Beutner u. Karlheinz Rossbacher (Hg.): Ferne Heimat - Nahe Fremde bei Dichtern und Nachdenkern. Würzburg 2008, S. 121–131.
KASCHUBA, Wolfgang (Hg.): Der deutsche Heimatfilm. Bildwelten und Weltbilder. Tübingen 1989.
LUCCHESI, Joachim: »Musik als intensivste Form der Überschreitung. 5. Teil, Nr. 51«. In: Rainer E. Zimmermann (Hg.): Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung. Berlin u.a. 2017, S. 301–323.
MARTIN, Silke: Berg und Film. Kultur und Ästhetik von Höhenlandschaft im deutschsprachigen Film der Gegenwart. Marburg 2017.
MOLTKE, Johannes von: No place like home. Locations of Heimat in German Cinema. Berkeley 2005.
MÜLLER-SCHÖLL, Ulrich u. Francesca Vidal: »Sein wie Hoffnung. Näherungen an Gelungenheit. 5. Teil, Nr. 54, 55«. In: Rainer E. Zimmermann (Hg.): Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung. Berlin u.a. 2017, S. 359–384.
MUNKELT, Marga et al.: »Introduction: Directions of Translocations. Towards a Critical Spacial Thinking in Postcolonial Studies«. In: Dies. (Hg.): Postcolonial Translocations. Cultural Representation and Critical Spacial Thinking. Amsterdam / New York 2013, S. xiii–ixxix.
NUSSBAUM, Martha: Politische Emotionen. Warum Liebe für Gerechtigkeit wichtig ist. Übers. v. Ilse Utz. Frankfurt / M. 2014.
OESTERHELD, Anja: »Topographien des Imaginären. Thesen zum Konzept der Heimat in der deutschsprachigen Literatur des 19. Jahrhunderts«. In: Edoardo Costadura u. Klaus Ries (Hg.): Heimat gestern und heute. Interdisziplinäre Perspektiven. Bielefeld 2016, S. 201–211.
SANYAL, Mithu: »Zuhause«. In: Fatma Aydemir u. Hengameh Yaghoobifarah (Hg.): Eure Heimat ist unser Albtraum. Berlin 2019, S. 101–121.
SAXER, Marc: »Linke Heimat«. In: IPG-Journal 5. März 2018.
SCHARNOWSKI, Susanne: Heimat. Geschichte eines Missverständnisses. Darmstadt: WBG 2019.
SCHMITT, Christian: »Deutsches Waidwerk. Jägermeister und Jagdgemeinschaft im Heimatfilm der 1950er Jahre«. In: Katharina Grabbe, Sigrid G. Köhler u. Martina Wagner-Egelhaaf (Hg.): Das Imaginäre der Nation. Zur Persistenz einer politischen Kategorie in Literatur und Film. Bielefeld 2012, S. 131–162.
SCHOENEBECK, Mechthild von: »Heimat und Helene. Über ein aktuelles Erfolgsrezept«. In: Samples 16 (2018).
SCHREIBER, Daniel: »Deutschland soll werden, wie es niemals war«. In: Zeit Online vom 10. Februar 2018. https://www.zeit.de/kultur/2018-02/heimatministerium-heimat-rechtspopuli... (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
SCHULZ, Daniela: Wenn die Musik spielt… Der deutsche Schlagerfilm der 1950er bis 1970er Jahre. Bielefeld 2012.
STUBENRAUCH, Eva: »Zugleich Chronist und Utopiker«: Auto(r)fiktionale Selbstentwürfe in Milo Raus »Kongo Tribunal«. In: Yvonne Delhey et al. (Hg.): Autofiktion als Utopie / Autofiction as Utopia. Paderborn 2019, S. 181–199.
THE SOUND OF MUSIC: »Soundtrack«, YouTube, 15. März 2011. https://www.youtube.com/watch?v=I4Rhe1XViYg&list=PLC653A709446B9114&index=1 (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
TRIMBORN, Jürgen: Der deutsche Heimatfilm der fünfziger Jahre. Motive, Symbole und Handlungsmuster. Köln 1998.
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1 u. 2: Szene aus dem Film The Sound of Music (R: Robert Wise. USA 1965). Die Screenshots stammen aus einem Ausschnitt aus dem Film, der auf YouTube abrufbar ist: https://www.youtube.com/watch?v=6f0T6UV-HiI (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
- 1. Die Sendung kann bei YouTube abgerufen werden: Hart aber fair: »Heimat Deutschland – nur für Deutsche oder offen für alle«, YouTube, 26. Februar 2019 https://www.youtube.com/watch?v=rGw3SKVDfZ0 (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
- 2. Fatma Aydemir u. Hengameh Yaghoobifarah (Hg.): Eure Heimat ist unser Albtraum. Berlin: Ullstein 2019. Der Klappentext kann auch auf der Verlagsseite abgerufen werden: https://www.ullstein-buchverlage.de/nc/buch/details/eure-heimat-ist-unse... (zuletzt eingesehen am 30. April 2021). Vgl. Susanne Scharnowski: Heimat. Geschichte eines Missverständnisses. Darmstadt 2019, S. 9f.
- 3. Daniel Schreiber: »Deutschland soll werden, wie es niemals war«. In: Zeit Online vom 10. Februar 2018, https://www.zeit.de/kultur/2018-02/heimatministerium-heimat-rechtspopuli... (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
- 4. Marc Saxer: »Linke Heimat«. In: IPG-Journal, 05. März 2018, https://www.ipg-journal.de/schwerpunkt-des-monats/heimat/artikel/linke-h... (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
- 5. Auch dieser Lacher kann auf YouTube abgerufen werden: https://www.youtube.com/watch?v=tYmWmxl5f68 (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
- 6. Eine kurze Darstellung des Heimatbegriffs der Nationalsozialist*innen liefert Scharnowski: Heimat (Anm. 2), S. 93–102.
- 7. Vgl. Mechthild von Schoenebeck: »Heimat und Helene. Über ein aktuelles Erfolgsrezept«. In: Samples 16 (2018), http://www.aspm-samples.de/Samples%2016/vonschoenebeck.pdf (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
- 8. Eduard Beutner u. Karlheinz Rossbacher: »Einleitung«. In: Dies. (Hg.): Ferne Heimat – Nahe Fremde. Bei Dichtern und Nachdenkern. Würzburg 2008, S. 7–14, hier S. 7.
- 9. Günther Gebhard, Oliver Geisler u. Steffen Schröter: »Heimatdenken: Konjunkturen und Konturen. Statt einer Einleitung«. In: Dies. (Hg.): Heimat. Konturen und Konjunkturen eines umstrittenen Konzepts. Bielefeld 2007, S. 9–56, hier S. 9.
- 10. Christian Schmitt: »Deutsches Waidwerk. Jägermeister und Jagdgemeinschaft im Heimatfilm der 1950er Jahre«. In: Katharina Grabbe, Sigrid G. Köhler u. Martina Wagner-Egelhaaf (Hg.): Das Imaginäre der Nation. Zur Persistenz einer politischen Kategorie in Literatur und Film. Bielefeld 2012, S. 131–162, hier S. 135.
- 11. Forschungsbeiträge zum Thema Heimat als Raum gibt es viele, sodass ich in dieser Fußnote keinen umfassenden Forschungsbericht liefern kann. Es sei aber auf einen neueren Beitrag hingewiesen, der die regionale Bezogenheit des Heimatbegriffs problematisiert: Edoardo Costadura, Klaus Ries u. Christiane Wiesenfeld: »Heimat global: Einleitung«. In: Dies. (Hg.): Heimat global. Modelle, Praxen und Medien der Heimatkonstruktion. Bielefeld 2019, S. 11–42.
- 12. Vgl. Mithu Sanyal: »Zuhause«. In: Fatma Aydemir u. Hengameh Yaghoobifarah (Hg.): Eure Heimat ist unser Albtraum. Berlin 2019, S. 101–121, hier S. 101f.
- 13. Saxer: »Linke Heimat« (Anm. 4).
- 14. Zum Verhältnis von Heimat- und Schlagerfilm vgl. Daniela Schulz: Wenn die Musik spielt… Der deutsche Schlagerfilm der 1950er bis 1970er Jahre. Bielefeld 2012.
- 15. Zum deutschsprachigen Heimatfilm vgl. u.a.: Willi Höfig: Der deutsche Heimatfilm 1947–1960. Stuttgart 1973; Wolfgang Kaschuba (Hg.): Der deutsche Heimatfilm. Bildwelten und Weltbilder. Tübingen: TVV 1989; Jürgen Trimborn: Der deutsche Heimatfilm der fünfziger Jahre. Motive, Symbole und Handlungsmuster. Köln 1998; Jürgen Heizmann: Filmgenres: Heimatfilm international. Stuttgart 2016.
- 16. Der Soundtrack kann auf YouTube angehört werden: The Sound of Music: »Soundtrack«, YouTube, 15. März 2011.https://www.youtube.com/watch?v=I4Rhe1XViYg&list=PLC653A709446B9114&index=1 (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
- 17. Zum Raum im Heimatfilm vgl. Johannes von Moltke: No place like home. Locations of Heimat in German Cinema. Berkeley 2005. Zum Verhältnis von Heimat- und Bergfilm vgl. Silke Martin: Berg und Film. Kultur und Ästhetik von Höhenlandschaft im deutschsprachigen Film der Gegenwart. Marburg: Schüren 2017. Zur medialen Konstruktion von speziell alpinen Heimatbildern vgl. Kurt Beals: »High-Tech Heimat: Mountains and Mediation in Literature, Film, and Digital Art«. In: The German Quarterly 92.2 (2019), S. 166–186.
- 18. Frei.Wild: »Südtirol«. Auf: Wo die Sonne wieder lacht. Razorwire Records 2003. Der vollständige Songtext, ebenso wie der Song zum Anhören lassen sich hier finden: https://www.frei-wild.net/releases/wo-die-sonne-wieder-lacht-14/cd-17/su... (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
- 19. Das gesamte Tirol gehörte bis 1918 zu Österreich-Ungarn, wurde aber nach dem ersten Weltkrieg geteilt. Der südliche Teil fiel an Italien, wurde dann zunächst Teil des Mussolini-Regimes bevor es von den deutschen Nazis annektiert wurde. Heute gehört es wieder zu Italien, genießt aber weitgehenden Autonomiestatus. Zu den offiziellen Amtssprachen gehören neben Italienisch auch Deutsch und Lardisch. Vgl. Timo Büchner: Der Begriff »Heimat« in rechter Musik. Analysen – Hintergründe – Zusammenhänge. Frankfurt / M. 2020, S. 122f.
- 20. Beispiele hierfür finden sich bei Johann Holzner: »Heimat und Fremde in der Südtiroler Literatur«. In: Eduard Beutner u. Karlheinz Rossbacher (Hg.): Ferne Heimat – Nahe Fremde bei Dichtern und Nachdenkern. Würzburg 2008, S. 121–131.
- 21. Vgl. Büchner: »Heimat« in rechter Musik (Anm. 19), S. 122.
- 22. Frei.Wild: »Südtirol« (Anm. 18)
- 23. Thorsten Hindrichs: »Heimattreue Patrioten und das ›Land der Vollidioten‹. Frei.Wild und die ›neue‹ Deutschrockszene«. In: Dietrich Helms u. Thomas Phleps (Hg.): (Eigen-)Sichten auf populäre Musik in diesem unserem Land. Bielefeld 2014. S. 153–183, hier S. 165f.; Dieses Motiv findet sich auch im rechtsradikalen Rap wieder. Vgl. Büchner: »Heimat« in rechter Musik (Anm. 19), S. 113.
- 24. Frei.Wild: »Südtirol« (Anm. 18)
- 25. Vgl. Beals: »High-Tech Heimat« (Anm. 17), S. 167.
- 26. Frei.Wild: »Südtirol« (Anm. 18)
- 27. Vgl. zum Beispiel Thomas Anz: »Heimatgefühle. Literarische Techniken der Emotionalisierung in der Repräsentation prototypischer Räume und Szenarien«. In: Carme Bescansa et al. (Hg.): Raum – Gefühl – Heimat. Literarische Repräsentationen nach 1945. Marburg 2017, S. 17–36; Scharnowski: Heimat (Anm. 2), S. 172–194.
- 28. Frei.Wild: »Südtirol« (Anm. 18)
- 29. Frei.Wild: »Wahre Werte«. Auf: Gegengift. Rookies & Kings 2010. Text und Song sind hier abrufbar:
https://www.frei-wild.net/releases/gegengift-10-jahre-jubilaeumsedition-... (zuletzt eingesehen am 30. April 2021). - 30. Ebd.
- 31. Frei.Wild: »Heimat«. Auf: Mensch oder Gott. Rookies & Kings 2010. Text und Song sind hier abrufbar:
https://www.frei-wild.net/releases/mensch-oder-gott-13/cd-16/heimat-70#s... (zuletzt eingesehen am 30. April 2021). - 32. Joseph Georg Oberkofler: Die Grenzlandbauern, zit. n. Holzner: »Heimat und Fremde in der Südtiroler Literatur« (Anm. 20), S. 123.
- 33. Frei.Wild: »Südtirol« (Anm. 18)
- 34. Vgl. Büchner: »Heimat« in rechter Musik (Anm. 19), S. 122.
- 35. Vgl. Hindrichs: »Heimattreue Patrioten«, S. 173, S. 178 (Anm. 23); Büchner: »Heimat« in rechter Musik (Anm. 19), S. 113.
- 36. Hindrichs: »Heimattreue Patrioten« (Anm. 23), S. 153.
- 37. Frei.Wild: »Südtirol« (Anm. 18)
- 38. Ebd.
- 39. »Hinsichtlich des Frauenbilds wird in der ›neuen‹ Deutschrockszene in aller Regel der uralte Topos der heiligen Hure bemüht«, stellt Hindrichs fest, eine Beobachtung, die sich (auch) aus der Untersuchung von Texten der Band Frei.Wild ergibt. Vgl. Hindrichs: »Heimattreue Patrioten« (Anm. 23), S. 162.
- 40. Frei.Wild: »Wahre Werte« (Anm. 29)
- 41. Frei.Wild: »Heimat« (Anm. 31)
- 42. Martha Nussbaum: Politische Emotionen. Warum Liebe für Gerechtigkeit wichtig ist. Aus dem Englischen übers. v. Ilse Utz. Frankfurt / M. 2014, S. 317.
- 43. Es geht in Nussbaums Abhandlung vor allem um die Nation, sie erwähnt aber auch konkret andere Formen regionaler Identifikation: »Unser Schwerpunkt liegt zwar auf der Nation, aber wir sollten nicht vergessen, daß andere Formen der patriotischen Liebe – die dem Bundesstaat, der Stadt oder der Region gelten – mit der Liebe zur Nation koexistieren und sie verstärken können.« (Ebd., S. 318) Wichtig ist aber vor allem die Konkretisierung der Liebe, die in Begriffen wie Nation und Heimat angelegt ist, denn auf sie muss sich das Mitgefühl beziehen: »Aber um eine starke Motivationskraft zu haben, darf dieses Gefühl [das Mitgefühl, K.W.] nicht einen rein abstrakten Gegenstand haben wie etwa ›die Menschheit‹, sondern muß konkreter sein. Die Idee der Nation; dachte er [Guiseppe Mazzini, K.W.], käme dafür in Frage: hinreichend lokal, hinreichend ›unsere‹, hinreichend konkret oder zumindest so konkretisierbar, daß sie uns stark motivieren könnte, unser Herz an etwas zu hängen, das über Gier und Egoismus hinausgeht. Unser Konzept von Mitgefühl zeigt, daß Mazzini recht hat.« (Ebd., S. 319)
- 44. Ebd., S. 319
- 45. Ebd., S. 319.
- 46. Vgl. ebd., S. 319f.
- 47. Vgl. ebd., S. 315. Nussbaum sieht natürlich auch die Gefahren des patriotischen Gefühls, es bedarf daher »ständig der kritischen Überprüfung« (ebd., S. 319). Vor allem aber führt sie aus, was schlechter Patriotismus ist: Ein ausgrenzender Patriotismus, der es nicht schafft, das Mitgefühl auf alle Menschen auszuweiten, sondern mit Abscheu auf jene reagiert, die nicht ›wie wir‹ sind (vgl. ebd., S. 212).
- 48. Frei.Wild: »Wahre Werte« (Anm. 29)
- 49. Auch dies ist freilich ein Heimattopos. Vgl. Scharnowski: Heimat (Anm. 2), S. 143–171.
- 50. Zitiert nach Hindrichs: »Heimattreue Patrioten« (Anm. 23), S. 174.
- 51. Zygmunt Bauman: Retrotopia. Aus dem Englischen übers. v. Frank Jakubzik. Berlin 2017, S. 17.
- 52. Feine Sahne Fischfilet: »Zurück in unserer Stadt«. Auf: Sturm & Dreck. Audiolith 2018. Songtext abrufbar unter: https://genius.com/Feine-sahne-fischfilet-zuruck-in-unserer-stadt-annotated (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
- 53. Das Video ist abrufbar unter: Feine Sahne Fischfilet: »Zurück in unsere Stadt«, YouTube, 10. November 2017. https://www.youtube.com/watch?v=4bw86Gj-j2M (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
- 54. Indem dem Heimatbegriff ein »Ursprungsmodell« zugrunde liegt, sind in ihm Bilder von »Fernweh, Abschied, Wanderschaft, Heimweh und Heimkehr« verknüpft, sodass ›Heimat‹ ab dem 19. Jahrhundert zur »Sehnsuchtstopographie« gebildet wird. Anja Oesterheld: »Topographien des Imaginären. Thesen zum Konzept der Heimat in der deutschsprachigen Literatur des 19. Jahrhunderts«. In: Edoardo Costadura u. Klaus Ries (Hg.): Heimat gestern und heute. Interdisziplinäre Perspektiven. Bielefeld 2016, S. 201–211, hier S. 204–205.
- 55. Feine Sahne Fischfilet: »Wo niemals Ebbe ist«. Auf: Sturm & Dreck. Audiolith 2018. YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=WOIRBVj9EuE (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
- 56. Der Songtext ist verfügbar unter: https://genius.com/Feine-sahne-fischfilet-wo-niemals-ebbe-ist-annotated (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
- 57. Sänger Jan Gorkow alias Monchi ist Hansa Rostock-Fan, vgl. https://www.ox-fanzine.de/interview/feine-sahne-fischfilet-5055 (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
- 58. Grundlage dieser Ausführungen ist ein Mitschnitt einer Live Performance, die auf YouTube verfügbar ist: Feine Sahne Fischfilet: »Wo niemals Ebbe ist«, YouTube, 11. Juli 2018. https://www.youtube.com/watch?v=HPoc4KYAYik (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
- 59. Feine Sahne Fischfilet: »Zuhause«. Auf: Sturm & Dreck. Audiolith 2018. Der Songtext ist verfügbar unter: https://genius.com/Feine-sahne-fischfilet-zuhause-annotated (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
- 60. Feine Sahne Fischfilet: »Zuhause«. Das Video, bei dem Aron Krause Regie führte, ist bei YouTube verfügbar: Feine Sahne Fischfilet: »Zuhause«, YouTube, 08. Januar 2018. https://www.youtube.com/watch?v=QmHTcxY0S8Y (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
- 61. Ebd., Min. 0:19.
- 62. Ebd., Min. 1:30–1:35.
- 63. Vgl. Marga Munkelt et al.: »Introduction: Directions of Translocations. Towards a Critical Spacial Thinking in Postcolonial Studies«. In: Dies. (Hg.): Postcolonial Translocations. Cultural Representation and Critical Spatial Thinking. Amsterdam, New York 2013, S. xiii–ixxix.
- 64. Feine Sahne Fischfilet: »Zuhause« (Anm. 59)
- 65. Feine Sahne Fischfilet: »Zuhause« (Anm. 60), Min. 3:46.
- 66. Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung. Erster Band. 6. Aufl. Frankfurt / M. 1979, S. 47.
- 67. Ebd., Dritter Band, S. 1280.
- 68. Joachim Lucchesi: »Musik als intensivste Form der Überschreitung. 5. Teil, Nr. 51«. In: Rainer E. Zimmermann (Hg.): Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung. Berlin u.a. 2017, S. 301–323, hier S. 303.
- 69. Ernst Bloch: Experimentum Mundi. Frage, Kategorien des Herausbringens, Praxis. Gesamtausgabe Band 15, Frankfurt / M.1985, S. 197.
- 70. Ebd.
- 71. Ebd.; vgl. Lucchesi: »Musik als Überschreitung« (Anm. 68), S. 306f.
- 72. Bloch: Prinzip Hoffnung. Dritter Band (Anm. 66), S. 1628.
- 73. Ulrich Müller-Schöll u. Francesca Vidal: »Sein wie Hoffnung. Näherungen an Gelungenheit. 5. Teil, Nr. 54, 55«. In: Rainer E. Zimmermann (Hg.): Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung. Berlin u.a. 2017, S. 359–384, hier S. 380.
- 74. Vgl. Bloch: Prinzip Hoffnung. Erster Band (Anm. 65), S. 2.
- 75. Ebd., S. 358.
- 76. Vgl. Müller-Schöll, Vidal: »Sein wie Hoffnung« (Anm. 73), S. 380.
- 77. Feine Sahne Fischfilet: »Zuhause« (Anm. 59)
- 78. Frei.Wild: »Südtirol« (Anm. 18)
- 79. Frei.Wild: »Wahre Werte« (Anm. 29)
- 80. Vgl. Robert Matthias Erdbeer: »Poetik der Modelle«. In: Textpraxis 11 (2.2015), http://www.uni-muenster.de/Textpraxis/sites/default/files/beitraege/robe..., S. 6f. (zuletzt eingesehen am 30. April 2021).
- 81. Ebd., S. 7.
- 82. Zur utopischen Funktion von Modellen vgl. Eva Stubenrauch: »›Zugleich Chronist und Utopiker‹: Auto(r)fiktionale Selbstentwürfe in Milo Raus Kongo Tribunal«. In: Yvonne Delhey et al. (Hg.): Autofiktion als Utopie / Autofiction as Utopia. Paderborn 2019, S. 181–199.
Add comment