Literature and Society
Andree
Michaelis-König
Frankfurt/Oder

»Eure Heimat ist unser Albtraum«

(Post-)Migrantische Reflexionen eines umstrittenen ›Heimat‹-Diskurses in der neuesten deutschsprachigen Gegenwartsliteratur

›Heimat‹, ein zurückgekehrter, aber umstrittener Begriff

Belonging. A German Reckons with History and Home – so lautet der Titel der (Post-)Migrantische Reflexionen eines umstrittenen ›Heimat‹-Diskurses in der neuesten deutschsprachigen Gegenwartsliteratur vielfach ausgezeichneten visual memoir von Nora Krug, die im Herbst 2018 erschien und in den Kreisen der internationalen Germanistik Wellen der Begeisterung auslöste.1 Krugs Dokumente, Fotos und Illustrationen collagierende Rekonstruktion ihrer in Teilen nationalsozialistisch verstrickten Familiengeschichte traf den Nerv der Zeit. ›Heimat‹ ist im Text der deutsch-amerikanischen Autorin ein mehrfach wiederkehrender, zumeist in seiner gleichsam schillernden, deutschsprachigen Prägung gebrauchter Begriff. Er wird im Lichte von Nationalsozialismus und Kriegsgeschichte zunächst in Frage gestellt, letztlich aber in durchaus affirmativer Weise wiederangeeignet. Ihre autobiographische Erzählung führt sie zu der abschließenden Erkenntnis, »that HEIMAT can only be found again in memory, that it is something that only begins to exist once you’ve lost it«.2 Inwiefern Krugs visual memoir damit die allgemein-gesellschaftliche Entwicklung der kulturpolitischen Rehabilitierung eines lange verpönten Begriffs mitvollzieht,3 zeigt in sprechender Weise die Publikationsgeschichte. Denn der Band wurde, obgleich Krug für die amerikanische Originalausgabe ganz bewusst den Titel Belonging setzte, nicht nur in der deutschsprachigen Ausgabe, sondern in nahezu allen übersetzten Fassungen, darunter die britische, die französische, die niederländische und die spanische Ausgabe, mit Heimat betitelt.4

›Heimat‹ ist heute ein »Schlüsselwort«5 von ungebrochener Aktualität. Davon zeugt nicht zuletzt die auffällige Omnipräsenz des Begriffs im politischen Diskurs der vergangenen Jahre. Das sich dahinter verbergende Konzept mit seinen emotionalen Konnotationen begleitete den schlagenden Erfolg von Trump, Brexit und AfD, wurde aber ebenso von nahezu allen Parteien im deutschsprachigen Raum zu einem salonfähigen, ja »staatstragenden Begriff«6 gemacht. So haben Parteien im rechten wie im linken Flügel in den letzten zehn Jahren damit geworben und den Begriff in ihr politisches Programm integriert.7 Prägend waren in diesem Zusammenhang vor allem die Ausführungen von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, SPD, in seiner Rede zum Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober 2017,8 aber auch des damaligen Innenministers Horst Seehofer, CSU, anlässlich der von ihm angestoßenen Erweiterung des Innenministeriums um das Ressort »Heimat«,9 das auch im heutigen, SPD-geleiteten Ministerium nach wie vor besteht.10 Die führenden Kultur- und Pressemedien haben hierauf ebenso reagiert wie die Kulturwissenschaften. So sind allein im Laufe des Jahres 2021 nicht weniger als vier Monographien und drei Sammelbände zum Thema erschienen,11 die darum bemüht sind, ›Heimat‹ als einen für die Gegenwart symptomatischen Begriff auszudeuten. Ein nicht geringer Anteil dieser Forschung hebt dabei eine »zukunftsfähige Prägung« des mit dem Begriff nach wie vor eng verknüpften Konzepts hervor.12 Der Gesprächsbedarf zum Thema ›Heimat‹ hat zweifellos seinen bislang höchsten Punkt erreicht.

Auch in Teilen der neuesten deutschsprachigen Gegenwartsliteratur lassen sich hierzu markante, wenngleich in der Schlagrichtung deutlich andere Reaktionen ausmachen: ›Heimat‹ wird hier zumeist mit Skepsis, wenn nicht gar mit entschiedener Ablehnung thematisiert. Hervorgetreten sind in diesem Zusammenhang Stimmen wie die in dem 2019 von Fatma Aydemir und Hengameh Yaghoobifarah herausgegebenen Band Eure Heimat ist unser Albtraum oder in der 2020 von Tamer Düzyol und Taudy Pathmanathan zusammengestellten Lyrik-Anthologie Haymatlos.13 Doch auch Autor*innen wie Daniel Schreiber, Saša Stanišić, Irena Brežná und andere kritisieren und hinterfragen die Rede von ›Heimat‹. Im gleichen Geiste titelte 2019 der 4. Salon des Berliner Gorki-Theaters: »De-heimatize Belonging«.14 Die Autor*innen, die sich hier des Themas kritisch annehmen, konstituieren keine homogene und sicher auch keine repräsentative Gruppe, aber ihnen ist doch gemeinsam, dass für sie die Frage nach Zugehörigkeit ein Schlüsselthema ist. Als (Post-)Migrant*innen, Juden und Jüdinnen, Muslim*innen, schwarze, lesbische, schwule oder nichtbinäre Personen zählen sie zu den »marginalisierten Gruppen«,15 die immer wieder erfahren mussten, dass ihre nationale wie kulturelle Zugehörigkeit im deutschsprachigen Raum aufgrund der Vorherrschaft exklusiver Identitätsdiskurse in Frage gestellt wird. Ihre Romane, Essays und journalistischen Beiträge indes sind heute unmissverständlicher Bestandteil der Gegenwartsliteratur und »vom deutschsprachigen Buchmarkt nicht mehr wegzudenken«.16 Sie prägen mit ihrer spezifischen Perspektive einen Schlüsselbereich im Feld deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Zu jener, nach neuen Anwendungsmöglichkeiten von ›Heimat‹ suchenden Tendenz in Politik, Feuilleton und auch Wissenschaft stehen sie in durchaus kritischer Distanz. Dies ist umso mehr ernst zu nehmen, insofern einige der wissenschaftlichen wie politischen Bemühungen zu einer Neuprägung von ›Heimat‹ gerade das Ziel zu verfolgen meinen, ihnen, die vielfach Diskriminierung und Ausgrenzung erfahren haben, eine neue Perspektive der Zugehörigkeit zu eröffnen. Diese Spannung des offerierten, aber oft, wie sich zeigen wird, zweischneidigen Bedeutungsangebots von ›Heimat‹ und einer entschiedenen Absage dieses Angebots durch junge Literaturschaffende wird im Folgenden untersucht. Dabei geht es im Rahmen der Analyse einer Auswahl prominenter aktueller Beiträge von jungen (post-)migrantischen Autor*innen zum einen um die Strategien eines literarischen Umgangs mit Herkunft und Zugehörigkeit im Schatten des historischen ›Heimat‹-Diskurses. Zum anderen ist herauszuarbeiten, welche Alternativkonzepte bei aller grundsätzlichen Ablehnung der Rede von ›Heimat‹ dennoch erkennbar sind.

Perspektiven auf ›Heimat‹: ein Wort, ein Diskurs, eine Praxis

Es macht einen markanten Unterschied, mit welchem methodischen Zugriff und Erkenntnisinteresse der Signifikant ›Heimat‹ befragt wird. Hierauf ist dessen oft beschworene Vieldeutigkeit in grundlegender Weise zurückzuführen. So wird, je nach methodischem Fokus, ›Heimat‹ als eine Landschaft oder ein Ort, als eine Zeit, eine Emotion, ein historisch spezifisch verorteter Begriff oder aber als ein überhistorisches Konzept verstanden. Gunther Gebhard, Oliver Geisler und Steffen Schröter sprechen daher auch von »Heimat als Assoziationsgenerator«, der »entsprechend eine potentiell unabschließbare Begriffsarbeit einfordert«.17 Gerade deshalb ist eine methodische Reflexion der Herangehensweise an den Gegenstand ratsam, wobei sich drei prägnante Bestimmungsversuche differenzieren lassen. Sie verfolgen eine etymologische, eine diskursgeschichtliche oder eine sozialanthropologische Perspektive, fragen also nach Wortherkunft, Diskursgeschichte oder Praktiken der ›Beheimatung‹, wobei die ersteren beiden Ansätze eher einen Fokus der älteren Forschung ausmachen, während neuere Arbeiten stärker ethnographisch-anthropologisch argumentieren und dabei bestimmte diskursgeschichtliche Aspekte zu entschärfen versuchen.18 Es scheint mir aber zentral, historische Semantiken und sozioanalytische Aspekte nicht voneinander abzukoppeln, um so den Gebrauch des Begriffs in seiner konstitutiven »Dehnbarkeit«19 und Ambivalenz20 angemessen erfassen zu können.

So ist denn auch die ursprüngliche, etymologische Bedeutung des auf das althochdeutsche ›heim-Uodil‹ und das gotische ›haim-obli‹ zurückzuführenden Wortes ›Heimat‹ immer noch zu berücksichtigen. Seine Wortbestandteile verweisen auf das heimische Bett, »die ererbte Stelle, wo man sich (im Haus) rechtlich gesichert (zum Schlafen) hinlegen kann«.21 Bezugspunkt ist damit ein nach »den Prinzipien einer stationären Gesellschaft«22 heimatrechtlich zugewiesener »Besitz von Haus und Hof«.23 Gilt als der semantische Gegenbegriff das »Elend« der Fremde,24 so sollte dies indes nicht den Blick darauf verstellen, dass ›Heimat‹ nie für alle Menschen einer Gemeinschaft gleichermaßen galt, sondern immer schon exklusiv war und solche ausschloss, denen kein ›Heimatrecht‹ gewährt wurde.25 Die Identifikation eines ganzen Landes oder einer Nation mit ›der Heimat‹ ist dagegen eine bürgerliche Umdeutung des Begriffs, die erst im 19. Jahrhundert vollzogen wurde.

Damit ist die Diskursgeschichte berührt. Mit ihr lässt sich ›Heimat‹ als ein seit dem 18. Jahrhundert florierender Begriff verfolgen,26 wobei im Laufe der letzten 250 Jahre prägnante Konjunktur-Phasen auszumachen sind. Gebhard, Geisler und Schröter haben nachgezeichnet, dass sich das »Heimatdenken« dabei im Grunde dichotomisch »zwischen zwei Polen bewegt: nämlich zwischen Offenheit und Geschlossenheit oder [] zwischen Öffnung und Schließung«.27 Ein markantes Beispiel eines offenen Verständnisses von ›Heimat‹ stellt so die Zeit um 1800 dar. In den Werken Hölderlins wie auch der Frühromantiker Novalis und Eichendorff wird der Gang in die Fremde als gewinnbringende Auseinandersetzung mit dem zurückgelassenen und schließlich neu angeeigneten Eigenen thematisiert.28 Verhandlungen von ›Heimat‹ und ›Heimatverlust‹ dienen hier der »Weitung des Horizonts«29 und einer diskursgeschichtlich wirksamen positiven Prägung des Begriffs. Im Laufe des 19. Jahrhunderts hat die Thematisierung von ›Heimat‹ dann jedoch vermehrt die »Form der identitätsstiftenden Abgrenzung« angenommen.30 Geprägt in einer diskursiven Gemengelage, in der sich die politische Freiheitsbewegung zunehmend patriotischer und nationalistischer Einheitsvorstellungen bediente und »›Heimat‹ in der Verwendung immer näher an die Begriffe ›Volk‹ und ›Vaterland‹« rückte,31 entstand ein »Heimatdenken, […] das sich antinomisch geriert und das mit Politiken der Exklusion einhergeht«.32 Dieses eher auf Geschlossenheit abzielende Verständnis hat um 1900 im Horizont von »Heimat(kunst)bewegung« und »Heimatfront« seinen ersten Höhepunkt erreicht. ›Heimat‹ wurde ein omnipräsenter Begriff gerade in ihrer Funktion als ein gleichsam »therapeutisches« Gegenprojekt«33 zu der als krisenhaft empfundenen Moderne. Dies war auch das Modell, das im Zusammenspiel mit der »Blut- und Bodengläubigkeit« der Nationalsozialisten seine zweifellos problematischste Ausprägung erfuhr.34 Eine erneute, nun aber wiederum das Verständnis öffnende Konjunktur der Rede von ›Heimat‹ lässt sich dagegen ab den 1970er Jahren beobachten. Auch angesichts eines neuen Bewusstseins von Natur- und Landschaftszerstörung erfuhr ›Heimat‹ nun eine Umdeutung als »selbstgestaltete, aktive Aneignung der unmittelbaren menschlichen Umwelt«.35 Die »Betonung von Offenheit, Kleinräumigkeit, Individualität«36 ist als Reaktion auf Industrialisierung, Modernisierung und Globalisierung zu verstehen.37 In dieser Zeit entstand die Rede von ›Heimat‹ als Modell einer »offenen Gesellschaft«,38 auf das noch die politischen Stimmen von Steinmeier, Seehofer und Habeck rekurrieren, um das Konzept für die politische Mitte zu retten. Und auch eine gattungsgeschichtliche Erneuerung des um 1900 entstandenen »Heimatromans« ist hier zu verorten. So erschienen ab den 1970er Jahren vermehrt Antiheimatromane, etwa von Josef Winkler, Elfriede Jelinek oder Friederike Mayröcker;39 eine Entwicklung, die sich ebenfalls im Film beobachten lässt.40

Vor allem diese letzte, im Grunde bis heute wirksame Konjunktur ging zunehmend einher mit einem Fokus auf sozialanthropologische Zugänge. Angesichts einer sich im Zuge der Globalisierung wandelnden Gesellschaft, in der Migration sowie Phänomene subkultureller Ausdifferenzierung zunehmend an Bedeutung gewinnen, sind in dieser Perspektive »Praktiken der Beheimatung«41 zu beobachten. ›Heimat‹ ist dabei als ein »Geborgenheit-spendender Sehnsuchtsort«42 zu verstehen, der die als ›modern‹ wahrgenommenen Erfahrungen von existentieller und ökonomischer Krise zu lindern verspricht.43 Sie wird folglich in einer sich kulturell diversifizierenden Gesellschaft mithin ahistorisch als eine »Chiffre für den Anspruch auf eine vertraute Welt« aufgefasst,44 der universell sei. Hieraus entwickelte sich der Vorschlag, das Konzept angesichts der postmigrantischen Zugehörigkeitsdebatten auf die »Kompetenz einer mehrheimischen Gesellschaft« zu beziehen.45 ›Heimat‹ wird solcherart als ein »konfliktoffene[r]«46 »Raum menschlicher Solidarität« re-interpretiert und in einer gewissen »Pluralität« gedacht.47 So lässt sich mit Blick auf die migrantisch geprägte Realität der Gegenwartsgesellschaft nicht mehr nur von einer, mit der historischen Semantik der deutschen Geschichte verpflichtend aufgeladenen ›Heimat‹, sondern von pluralen ›Heimaten‹ sprechen.48

Die Positionen der neuesten Gegenwartsliteratur sind zweifellos ebenso vor dem Hintergrund spezifischer Erfahrungen der Autor*innen wie auch mit einem unverkennbaren Bewusstsein von den drei skizzierten theoretischen Perspektiven entstanden. Sie verdeutlichen zugleich, dass man dem diskursiven Streitgegenstand ›Heimat‹ nur in ihrer Zusammenschau gerecht werden kann. So mag zwar evident erscheinen, dass das sozialanthropologische Verständnis mitunter dezidiert im Hinblick auf aktuelle, (post-)migrantische Lebenswirklichkeiten entwickelt wurde.49 Und doch attestieren gerade solche Autor*innen, die hierin mit Recht das Potenzial von Allianzen erkennen,50 eine nicht zu übergehende Präsenz der historischen Semantik von ›Heimat‹ in ihrer exkludierenden Bedeutung. Wie präsent der historische Diskurs nach wie vor ist, verdeutlicht nicht allein der offene Rekurs auf eine exklusive ›Heimat‹ im rechten politischen Lager, sondern bezeugen ebenso all solche Äußerungen von Zeitgenoss*innen, die auf den Aspekt der festen Verortung im Hier und Jetzt nicht verzichten wollen.51 »Mitgestaltung« von ›Heimat‹ bedeutet für sie eher ein Gestalten des eigenen Ortes als »Gegenpol zu den multiplen Kräften« einer globalisierungsbedingten »Entfremdung«.52 Aktualisiert wird damit die Kompensationsfunktion des Konzepts.53 Denn ›Heimat‹ repräsentiert immer auch die unentwegte Selbst-Sorge derer, die »Heimweh [haben], ohne ausgewandert zu sein«.54 Hiermit verbunden ist ein grundsätzliches Problembewusstsein gegenüber dem Ausdruck selbst, das im Zusammenhang dieser Debattenlage wohl nie gänzlich überhistorisch verwendet werden kann.55 Viele der Autor*innen vermeiden es daher ganz und suchen nach Alternativbegriffen für das, was für sie heute die Funktion erfüllt, die das eigentlich überstrapazierte Wort in seiner neuen Umprägung bezeichnen soll. Damit reagieren sie auf den von Dan Diner kürzlich formulierten Befund, dass es sich bei ›Heimat‹ – ebenso wie bei dem Begriff ›Identität‹ – um einen »Schwundbegriff« handele: einen Begriff, dessen Gegenstand »bereits in einem Zustand des Verfalls, des Vergehens, des Verschwindens begriffen ist«.56

›Heimat‹-Skepsis unter Gegenwartsautor*innen

Wie die Autor*innen der Gegenwart mit ›Heimat‹ umgehen, ist erst im Bewusstsein aller drei methodischer Perspektiven angemessen einzuschätzen. Für Nora Krug etwa, die aus der amerikanischen Emigrant*innenperspektive zurückschaut, ist ›Heimat‹ zweifellos etwas ›typisch Deutsches‹, ein »Zauberwort«57 kultureller Verbundenheit und Ausgangspunkt einer Wiederaneignung. Der in London und Berlin lebende Schriftsteller Daniel Schreiber, der in seinem Essay Zuhause. Die Suche nach dem Ort, an dem wir leben wollen (2018) die Vereinbarkeit seines erwachsenen Lebens als Homosexueller mit seiner Herkunft aus Mecklenburg-Vorpommern durcharbeitet und dabei Konzepte der Zugehörigkeit diskutiert, spricht sich hingegen ganz entschieden gegen das Wort aus. Sein gesamter Text steht zwar im Zeichen des Eingeständnisses, dass der Mensch auf ein »Gefühl des Zuhauseseins«58 angewiesen und es notwendiger Bestandteil der »Selbsterkenntnis« sei, sich mit seiner Herkunft auseinanderzusetzen.59 Doch »der deutsche Heimatbegriff« scheint ihm hierfür schlicht untragbar. Zu sehr sei dieser mit »einer kollektiven Abwehrhaltung«60 verbunden und letztlich in seiner ganzen Irrealität kaum mehr als »eine Chiffre für Ausgrenzung« und »das scheinbar menschliche Gesicht von Alltagsrassismus«.61 Auch Schreiber denkt den Begriff ›Heimat‹ in seiner spezifisch deutschen, nun allerdings gleichsam ›vergifteten‹ Diskurstradition.

Das neueste Werk des im vormaligen Jugoslawien geborenen Saša Stanišić schließt in mancher Hinsicht hieran an: In Herkunft (2019) ringt der Erzähler mit den Möglichkeiten eines autobiographischen Bezugs auf die Menschen und Orte seiner Familiengeschichte. Auch er berührt dabei Fragen, die konzeptionell die Debatte um ›Heimat‹ und Zugehörigkeit berühren. Dass seine Geschichte mit dem wiederholten Versuch einsetzt, einen »handgeschriebenen Lebenslauf«62 für die deutsche Ausländerbehörde zu verfassen, deutet bereits auf den Kern des Dilemmas hin, das sich dreifach differenzieren lässt: Erstens schreibt hier einer, dessen Geburtsland »es heute nicht mehr [gibt]« (H 13): »Wir sind mit Jugoslawien auseinandergebrochen und haben uns nicht mehr zusammensetzen können« (H 66). Auch das Dorf Oskoruša, in dem seine das Gedächtnis verlierende Großmutter bis zuletzt lebte, wird kaum noch bewohnt und »bald verschwunden« (H 29) sein. Was bleibt, sind Grabsteine, Landschaften und Geschichten. Zweitens steht mit dem offiziösen Anspruch des Lebenslaufes der Geist eines jungen Schriftstellers im Widerstreit, der nicht davon lassen kann, zu erfinden.63 »Fiktion«, heißt es einmal, »ist ein offenes System aus Erfindung, Wahrnehmung und Erinnerung, das sich am wirklich Geschehenen reibt« (H 20). Hierin sieht offenbar auch Stanišić seine Poetik begründet und sich folglich der Pflicht einer jeden überprüfbaren Faktualität des Geschilderten entbunden. Allerdings ist diese Haltung für den Erzähler eine durchaus zweischneidige Angelegenheit: Sie eröffnet ihm eine gewisse Freiheit, abzuschweifen und zu fabulieren.64 Doch wird gleichermaßen deutlich, dass sich das Reale in Gestalt von Gerüchen, Begegnungen und Eindrücken dennoch behaupten kann und dem Erzähler Eingeständnisse abfordert. Dies fällt ihm drittens merklich schwer, da er eigentlich grundsätzlich gegen den ›Heimat‹-Diskurs, der sich hier aufdringt, anschreibt: »Wie man es dreht, Herkunft bleibt doch ein Konstrukt!« (H 33) Es erscheine ihm »rückständig, geradezu destruktiv«, Herkunft gerade zu einem Zeitpunkt zu thematisieren, an dem »Ausgrenzung programmatisch und wieder wählbar wurde« (H 63f.). So spricht denn der Erzähler über seine Herkunft in der ganzen »Disparatheit« (H 66), in der er sie wahrnimmt. Dabei spielt – auch darauf verweist die einführende Adresse an die Ausländerbehörde – seine Geschichte als »Geflüchteter« (H 129) und als »Migrant« (H 154) eine ausschlaggebende Bedeutung: Nicht nur die Herkunft seiner Großeltern, nicht allein die erfahrenen »Gräueltaten« (H 197) im Jugoslawien-Krieg,65 sondern ebenso sehr Diskriminierung und Gewalt gegenüber Migrant*innen in Deutschland prägen diese Geschichte. Zugleich lässt er es sich nicht nehmen, auch klassische Topoi eines offenen Heimatdiskurses wie die Lyrik Eichendorffs in sein Narrativ zu integrieren. Daraus entwickelt er ganz dezidiert ein »Selbstbewusstsein gegen Fremdbestimmung«, und zwar auch und gerade »in der Sprache« (H 234), die er sich angeeignet hat. Stanišićs Herkunft führt so zu einem Bruch mit Erwartungen: Die Besinnung auf die Familiengeschichte dient gerade nicht einer Bestärkung des Gefühls, verwurzelt zu sein.66 Vielmehr mündet sie in ein entschiedenes Plädoyer »gegen die Fetischisierung von Herkunft und gegen das Phantasma nationaler Identität« (H 221f.). Im Schreiben wie im Leben seien es »nicht Grenzen«, sondern »Durchlässigkeit« gewesen, nicht Abschottung, sondern ein offenes Zuhören, dem er sein Selbstverständnis verdanke: »Ich war für das Dazugehören. Überall, wo man mich haben und wo ich sein wollte« (H 222). Saša Stanišić ist somit ein Autor, der, indem er seine Herkunft dichterisch rekonstruiert, den Heimatdiskurs – den er begrifflich mit Bedacht zu meiden scheint – behutsam umschreibt. Nicht als etwas Stationäres begreift er das damit Bedeutete, sondern beobachtet an sich selbst die Fähigkeit, sein Bett, die Schlafstätte, auf die ›Heimat‹ etymologisch anspielt, räumlich relativ frei verschieben zu können.

Wesentlich energischer kritisiert den Diskurs dagegen die aus der heutigen Slowakei in die Schweiz emigrierte Autorin Irena Brežná. In ihrem Roman Die undankbare Fremde (2012) entfaltet sie den Blick auf eine engstirnige und herablassende »Kultur der Abgrenzung«67 gegenüber Einwanderer*innen, deren kulturelle und persönliche Eigenständigkeit sie in der Schweiz permanent in Frage gestellt sieht:

Das Volk der Fremden lebte hier ohne hörbare Stimme. Wir hätten endlich sagen sollen: »Wir sind hier! Ihr müsst mit uns rechnen, mit unserer Andersartigkeit […]. Es ist unmöglich, auf Dauer dankbar zu sein. Das ist ein künstliches Leben«.68

Nicht um ›Heimat‹ im Sinne von Herkunft geht es Brežná, auch nicht um eine neue ›Heimat‹ in der Schweiz, sondern um den Anspruch, sich ungeachtet einer solchen Zuordnung frei entfalten zu können. Das Lebensmodell, das sie hierbei entwickelt, hat denn auch nichts mit »Mehrheimischsein«69 zu tun, sondern ist aufbegehrende Bejahung ihres »Emigrantenschicksals«:70 »Ich heiße Emigrazia. Meine Heimat ist Ausländerin. Von hier lasse ich mich nicht mehr emigrieren«.71 Dazu wählt sie programmatisch »Fremdsein« als zwar distanzierten, aber intellektuell befriedigenden72 Modus der Existenz: »Ich schärfe den Blick für die Weite, drehe das Leiden am Fremdsein um und fordere mein Recht auf Fremdheit, stilisiere die Fremdheit zur Seinsform, denke mich stets neu, werde heimisch darin«.73 Dieses Modell, das Brežná durchaus für verallgemeinerungsfähig hält,74 findet im Werk der Autorin sechs Jahre später nochmals eine kritische Zuspitzung. In dem eingeforderten »Recht auf Fremdheit«75 ihrer undankbaren Heldin sieht sie nun einen eher hinfälligen Schutzmechanismus: Ein »Heimatorgan« sei ihr im Laufe ihres Emigrantinnendaseins »gewachsen«, das sie dazu verleitet habe, »jahrelang auf der ganzen Welt nach Ersatzheimaten wie nach Goldadern« (WIE 167) zu suchen. All das wird nun verabschiedet. Ohne sich auf die binäre Unterscheidung von »Heimatduselei« (WIE 168) und Fremde überhaupt einzulassen, vertritt sie nun die »Bejahung des undefinierbaren Zustandes« (WIE 168) und will sich den Horizont der »neuen sozialogischen Begriffe […], die dem freien Schweben eine Legitimität verleihen« (ebd.), zu Nutze machen: Die Rede von einer »hybride[n], offene[n], fluide[n] Identität« wird ihr zu einem zwar undifferenzierten, aber eben salonfähigen Ausweg »gegen die Anmaßungen der Eindeutigkeit« (ebd.). Allein die Wiederbelebung »des Konjunkturwortes Heimat« macht sie dabei ganz betont nicht mit, vielmehr sei der Begriff »angesichts dieses Gewinns überflüssig geworden« (ebd.).

Brežná steht mit dieser Haltung keineswegs allein da. In der etwas älteren, sogenannten interkulturellen Literatur zeigt sich Vergleichbares. Wenn hier ›Heimat‹ als Begriff oder Konzept überhaupt thematisiert wird, dann findet dies zumeist ohne den Rekurs auf melancholische Konnotationen des ›Heimatlichen‹ statt. Dabei geht es in den Werken migrantischer Autor*innen der 1990er- und 2000er-Jahre weit eher um die Suche nach einer Beschreibungssprache für eine Moderneerfahrung, die man in Anschluss an Deleuze und Guattari oft als »nomadisch« charakterisiert hat.76 Explizit auf den Zusammenhang von ›Heimat‹ und Migration hat den Begriff des Nomadischen dann Vilém Flusser bezogen, der darin das Potential einer Befreiung aus der unreflektierten, »geheimnisvolle[n] Verwurzelung in der Heimat« sah.77 Als Inbegriff des – freilich keineswegs durchweg positiv konnotierten – Nomadischen begegnen auch die Erfahrungen der kindlichen Erzählerin etwa im Roman Warum das Kind in der Polenta kocht (1999) der aus einer rumänischen Zirkusfamilie stammenden Aglaja Veteranyi. ›Heimat‹ wird hier konzeptionell von seinen räumlichen Komponenten entkoppelt und in der teils kindlich erscheinenden, teils von einer bemerkenswerten existentiellen Tiefe zeugenden Sprache der Erzählerin neu gedacht: An deren Stelle rücken der Wohnwagen und die an Zuhause erinnernden Kochgerüche der Mutter. Am Ende heißt es gar programmatisch, Gott selber sei »Ausländer, der von Land zu Land zieht«.78 Auch im Roman Engelszungen (2003) des 1990 aus Bulgarien nach Österreich geflohenen Dimitré Dinev steht das »Leben als ewiger Gast« der »Menschen ohne Dach, ohne Familie, ohne Verwandte, ohne Freunde, ohne Geld, ohne Papiere, ohne Hoffnung, ohne Ziel und ohne Heimat« im Fokus der Handlung.79 Noch Terézia Moras Antiheld mit dem sprechenden Namen Abel Nema im Roman Alle Tage (2004) umgibt eine geheimnisvolle Aura der Fremdheit.80 Dabei performiert Nema seine eigenartige – doch keineswegs positiv erfahrene – Ortlosigkeit im Sprechen der zahllosen Sprachen, die er sich in wundersamer Weise angeeignet hat: »Deswegen ist alles, was er sagt, so […] ohne Ort, so klar, wie man es noch nie gehört hat, kein Akzent, kein Dialekt, nichts – er spricht wie einer, der nirgends herkommt«.81 Auch bei Autor*innen wie der türkisch-deutschen Emine Sevgi Özdamar82 oder beim Deutsch-Iraner Navid Kermani wird Sprache zu einer Art Heimat-Ersatz.83 Doch hat wohl kaum eine deutschsprachige Schriftstellerin den Topos von einer ›Heimat in der Sprache‹ so kritisch hinterfragt wie Herta Müller.84 Man mag es auf ihre spezifischen Erfahrungen im deutschnationalen Dorfmilieu im rumänischen Banat zurückführen, dass Müller, nachdem sie »von dieser Heimat« selbst zur »Fremden gestempelt«,85 exkludiert und gequält wurde, jeglichen Bezug auf das Konzept rigoros ablehnt: »Ohne Verklärung läßt sich das Wort ›Heimat‹ gar nicht gebrauchen. […] Die ›Heimat‹ ersetzt jedes Schuldgefühl durch Selbstmitleid. Sie ist unauffälliges, weil zugelassenes Mittel der ›guten Menschen‹ zur Verdrängung und Verfälschung«.86 Weil Müller um die täuschende »Macht der Heimat«87 weiß, wird ihr so auch der Satz »Sprache ist Heimat« suspekt.88 Nur weil die Sprache der deutschrumänischen Dörfler ihre eigene Muttersprache war, wurde ihr dieser Ort nicht zur Heimat: »Es war doch, gerade weil ich sie kannte, so weit gekommen, daß wir nie dieselbe Sprache sprechen wollten und konnten. Unsere Inhalte waren schon im kleinsten Satz unvereinbar«.89 Deshalb verweist die Autorin, die aus dieser Erkenntnis in ihrem hoch sprachkritischen Werk weitreichende poetologische Konsequenzen gezogen hat,90 lieber auf einen Satz Jorge Sempruns: »Nicht Sprache ist Heimat, sondern das, was gesprochen wird«.91

Diese Geste einer Ablehnung von ›Heimat‹ als einem vermeintlich unpolitisch, ja: ›natürlich‹ tradierten Orts- und Kulturzusammenhang und mithin als Grundlage einer Gemeinschaft deutet zurück in die unmittelbare Gegenwartsliteratur. Sowohl in dem von Fatma Aydemir und Hengameh Yaghoobifarah herausgegebenen Band Eure Heimat ist unser Albtraum (2019) als auch in der von Tamer Düzyol und Taudy Pathmanathan zusammengestellten Lyrikanthologie Haymatlos (2020) wird das herrschende Konzept von ›Heimat‹ als eine machtgesättigte Täuschungsgeste verstanden. Autor*innen wie Sasha Marianna Salzmann, Mithu Sanyal, Deniz Utlu, Olga Grjasnowa, Max Czollek und andere sind um einen Paradigmenwechsel bemüht, der von jener, im allgemeinen politischen Diskurs zu beobachtenden Normalisierung des Begriffs fortzukommen sucht.92 Dazu reflektieren sie Lebensentwürfe, die das Nomadische anstelle des Verwurzelten, Mehrsprachigkeit anstelle der Muttersprache aufzuwerten gestatten. Ihr Werk ist Widerspruch gegen das Bild einer vermeintlich offenen Gesellschaft, in der sich nur scheinbar alle sicher fühlen können93 und eigentlich immer noch rassistisch motivierte Diskriminierung herrscht.94 Es ist der unhinterfragte Traditionszusammenhang einer »homogenen, christlichen weißen Gesellschaft, in der die Männer das Sagen haben«,95 der ihnen zum »Albtraum« wird. Sie, die aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft und ihrer Sprache als ›anders‹ wahrgenommen werden, leiden unter den »[f]remdbestimmende[n], exotisierende[n]« Blicken,96 denen sie in Deutschland, Österreich und der Schweiz ausgesetzt sind. Prominent zeugt hiervon etwa Düzyols titelgebendes Gedicht »Haymatlos« aus dem gleichnamigen Band, in dem folgende Verse stehen:

Diese eine Heimat, will keine Heimat für mich sein.
Diese Heimat ist keine Heimat.
Weil diese eine Heimat, will eine weiße Heimat sein.
Diese eine Heimat,
Keine Heimat,
Haymatlos.

Diese andere Heimat will nicht ganz meine Heimat sein.
Dort bin ich manchmal der Deutschländer und hier bleibe ich für
immer der Ausländer.97

Der Begriff »Haymatlos« ist hier selbst als migrantische Neuprägung zu deuten. In ihn hat sich beides, deutsche Vertreibungsgeschichte und türkische Migrationserfahrung, eingeschrieben. Dabei spricht das Gedicht den Begriff ›Heimat‹ nahezu in jedem Vers an; in manchem gar mehrfach. Das lyrische Ich erhebt darin Einspruch gegen eine spezifisches, nämlich ein »weißes«, exklusives Konzept von ›Heimat‹, und doch ist eine gewisse Sehnsucht nach dem, was damit auch gemeint sein könnte – nämlich eine andere ›Heimat‹ oder, wie es in einem anderen Vers heißt, das Denken von ›[z]wei Heimat[en]‹98 –, nicht zu verkennen. Entsprechend ist bei der sprachlichen Umprägung gerade die Verlusterfahrung markiert: nicht ›Haymat‹ wird angestrebt, sondern eben ›Haymatlosigkeit‹ beklagt, und zwar ein ganz spezifischer Erfahrungshorizont der verwehrten oder verlorenen ›Heimat‹. »Haymatlos« charakterisiert dabei »das Gefühl von geflüchteten Menschen jüdischen Glaubens in die Türkei in den 1930er Jahren« und wurde, ehe der Begriff nun in die deutschsprachige Literatur zurückkehrte, Teil der türkischen Sprache.99 Er ist also ebenso historisch vorgeprägt und schwer übersetzbar wie das deutsche Wort ›Heimat‹ – und verfügt doch über hinreichende Überschneidungen in seiner emotional aufgeladenen Bedeutung. Zudem ist er entschieden kritisch und ermöglicht so eine Rede über die Funktion von ›Heimat‹ bei gleichzeitiger Infragestellung des Konzepts. Hierin liegt die Brillanz der lyrischen Umschreibung durch Tamer Düzyol, die auf dem Weg einer Verfremdung des Begriffs ›Heimat‹ zugleich einer kritischen Neuprägung des damit verbundenen konzeptionellen Horizonts den Weg bahnt.

Die geheime »Kraft von Allianzen« und die Heimat der Zukunft

Diese im Grundtenor einer Desillusionierung gehaltenen literarischen Beiträge markieren ein deutliches Gegenwort zu der Inbesitznahme eines nur vermeintlich von seinem Diskursballast abzulösenden ›Heimat‹-Konzepts in der politischen Gegenwartskultur. Die oben genannten Autor*innen führen vor Augen, wie die ›Heimat‹ in Deutschland für sie wirklich erscheint, nämlich unheimlich,100 unwirtlich und auch verlogen. Konstruktiv sind in diesem Zusammenhang nicht zuletzt die Beiträge des*der nicht-binären jüdischen Autor*in Sasha Marianna Salzmann. Auch Salzmanns neuester Roman Im Menschen muss alles herrlich sein (2021) erzählt eine Geschichte der Ernüchterung. Darin stehen die Verhältnisse, die eine Reihe aus der Ukraine emigrierter Kinder mit ihren Müttern haben, im Zentrum der Handlung. Unter ihnen ist es vor allem Edi*ta, das nicht-binäre Kind der Ukrainerin Lena, deren Lebensstationen ausführlich rekonstruiert werden. Auch Edi*ta hat ein distanziertes Verhältnis nicht nur zur eigenen Herkunft. Edi*ta will sich nicht festlegen lassen – weder auf ein bestimmtes Geschlecht oder einen bestimmten Lebensstil noch auf die vermeintlich naheliegenden Themen, die Gegenstand der eigenen journalistischen Arbeiten werden. Vor allem aber bedeutet die Leidens- und Migrationsgeschichte der Mutter für Edit*ta mitnichten eine unumstößliche Nähe zur Familie. Schließlich heißt es: »Heimat, das ist nicht nur der Ort, wo du geboren bist, die wahre Heimat, das ist die Erde, die dich auch über Entfernung hinweg zu töten vermag […]«.101 Gemeint ist damit auch die destruktive Wirkung einer auf Missverständnissen gegründeten Familiengeschichte und folglich eine Ablehnung des Topos, Migrant*innen würden doch schließlich ihren eigenen, positiv auf ihr Herkunftsland gerichteten Heimatbezug mit sich führen.

An anderer Stelle macht Salzmann demgegenüber aber auch einen Vorschlag, wie Zugehörigkeit und soziale Geborgenheit losgelöst von einem auf Verlust, Vergangenheit und Territorium basierten ›Heimat‹-Diskurs gedacht werden könnte. Salzmann gehört zu denjenigen Autor*innen, deren kritische Stoßrichtung dazu führt, dass sie schon das Wort ›Heimat‹ zumeist meiden, konzeptionell aber den Bezug darauf bewahren. Angesichts der Selbstwahrnehmung als unfreiwillig zugehörige Person zu einer mit besonderer Sichtbarkeit markierten und marginalisierten »Minderheit[]«102 schlägt Salzmann daher vor, auf »die Kraft der Allianzen« zu setzen.103 Um dies zu veranschaulichen, erzählt Salzmann von einer Szene, in der er*sie aufgrund ihrer*seiner vermeintlich sichtbaren Homosexualität beschimpft und physisch bedroht wurde. In dieser Situation seien es zwei »phänotypisch unter das Raster ›Moslem‹« fallende Männer gewesen, die zur Hilfe gekommen seien:

Diese beiden Männer […] sind Teil einer großen, sind Teil meiner Community. Sie formiert sich nicht nach sexuellen Präferenzen, Geschlechtsidentitäten oder Religionszugehörigkeit. Wir sind die anderen, die wissen, dass normal uns nichts zu sagen hat. […] Wir werden füreinander da sein, wenn die Mehrheitsgesellschaft zuschaut und nicht eingreift. Wir müssen uns nicht in allem einig sein, wir müssen uns nicht einmal mögen.104

Angesichts der Erfahrung, dass die »offene Gesellschaft« sie marginalisiert, sehen junge Autor*innen die Notwendigkeit, eigene »Bündnisse [zu] schließen« und so »die Vision einer offenen Gesellschaft«105 ausgehend von ihrer, der Erfahrung der Migration und der Fremdheit neu zu entwerfen. Sie greifen damit das ›Heimat‹-Angebot neuerer sozialanthropologischer Forschung auf, doch tun sie dies im Bewusstsein der wort- und diskursgeschichtlichen Semantik des Begriffs, den viele von ihnen gleich ganz meiden. Bestandteil dieser Semantik ist die vielfach zitierte, doch eben diskriminatorische Ausrichtung des in vermeintlich fixierte nationale Traditionsbestände zurückschauenden Blicks. Da aber diese Tradition im deutschen Geschichtszusammenhang immer auch Gewalt, Ausgrenzung und Vertreibung impliziert, lässt sich für viele Autor*innen das Wort ›Heimat‹ nie zur Gänze positiv umdeuten. Die von ihnen entworfenen Praktiken der Gemeinschaftsbildung sind daher eher auf die Zukunft gerichtet. Diese Praktiken gehen nicht in der Realisierung jener »geheimnisvolle[n] Verkettung« auf, welche die ›Heimat‹ diktiert, sondern im »Flechten« neuer, eigenständiger »Verbindungen« der »Zusammenarbeit«.106 Derart eröffnet sich für sie eine genuine, vom Diskursballast des Wortes ›Heimat‹ womöglich befreite Perspektive auf »das Geheimnis des Mitseins mit anderen«.107 Diese ›heimatlose Heimat‹ indes existiert noch nicht. Sie muss als zukünftige noch erstritten und im gesellschaftlichen Bewusstsein etabliert werden.

Literaturverzeichnis

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  • 1. Nora Krug: Belonging. A German Reckons with History and Home. New York 2018.
  • 2. Ebd., S. 261.
  • 3. Vgl. Christoph Türcke: Heimat. Eine Rehabilitierung. Springe 2006 und Verena Schmitt-Roschmann: Heimat. Neuentdeckung eines verpönten Gefühls. Gütersloh u. a. 2010. Vgl. ferner Bernd Hüppfauf: »Heimat – Die Wiederkehr eines verpönten Wortes. Ein Populärmythos im Zeitalter der Globalisierung«. In: Gunther Gebhard u. a. (Hg.): Heimat. Konturen und Konjunkturen eines umstrittenen Konzepts. Bielefeld 2007, S. 109–140. Wolfgang Straub spricht von einem gar »schillernden Begriff«. Vgl. Wolfgang Straub: »Besichtigung eines schillernden Begriffs. Zur Einleitung«. In: Ders. (Hg.): Alpensagas und Modelldörfer: Heimatbesichtigungen in Literatur und Film. Wien 2020, S. 9–15.
  • 4. Heimat. A German Family Album (London 2018) lautet der britische, Heimat. Ein deutsches Familienalbum (München 2018) der deutsche Titel. Die Verlage gaben dem Buch darüber hinaus zumeist auch einen veränderten Untertitel. So lautet der Untertitel der französischen Ausgabe Loin de mon pays (Paris 2018), die niederländische Ausgabe dagegen Terug naar het land van herkomst (Amsterdam 2018). Obwohl die Titelauswahl teils auch anderen Faktoren unterliegt, wird hiermit bereits ein sehr verschiedenes, von kulturellen Kontexten abhängiges Verständnis dessen deutlich, was ›Heimat‹ bedeuten kann.
  • 5. Susanne Scharnowski: Heimat. Geschichte eines Missverständnisses. Darmstadt 2019, S. 12.
  • 6. Anja Oesterhelt: Geschichte der Heimat. Zur Genese ihrer Semantik in Literatur, Religion, Recht und Wissenschaft. Berlin 2021, S. 4. Vgl. ebenfalls Beate Binder: »Politiken der Heimat, Praktiken der Beheimatung, oder: warum das Nachdenken über Heimat zwar ermattet, aber dennoch notwendig ist«. In: Dana Bönisch, Jil Runia u. Hanna Zehschnetzler (Hg.): Heimat Revisited. Kulturwissenschaftliche Perspektiven auf einen umstrittenen Begriff. Berlin u. a. 2020, S. 85–106, hier S. 89.
  • 7. Vgl. dazu etwa die von Anja Oesterhelt zusammengetragenen Wahlplakate (Oesterhelt: Geschichte der Heimat, S. 5f.) sowie die Ausführungen zur politischen Inanspruchnahme des Begriffs bei Edoardo Costadura, Klaus Ries u. Christiane Wiesenfeldt: »Heimat global: Einleitung«. In: Dies. (Hg.): Heimat global. Modelle, Praxen und Medien der Heimatkonstruktion. Bielefeld 2019, S. 11–42, hier S. 12. – Auch Die Grünen und Die Linke haben »Heimat« als diskursfähigen Begriff für sich entdeckt. Vgl. etwa Winfried Kretschmann u. Robert Habeck: »Ein Pakt für Umwelt und Heimat«, 15. Januar 2021. https://www.gruene.de/artikel/ein-pakt-fuer-heimat-und-umwelt (zuletzt eingesehen am 11. Mai 2022) oder Alexander Fischer u. Benjamin-Immanuel Hoff: »Links ist da, wo Menschen eine sichere Heimat haben«. In: Die Welt vom 10. Oktober 2017.
  • 8. Frank-Walter Steinmeier: »Rede anlässlich des Festaktes zum Tag der Deutschen Einheit«, 3. Oktober 2017. https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Frank-Walter-Steinmeier/Reden/2017/10/171003-TdDE-Rede-Mainz.hmtl (zuletzt eingesehen am 11. Mai 2022).
  • 9. Vgl. Horst Seehofer: »Warum Heimatverlust die Menschen so umtreibt«. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29. April 2018. Vgl. dazu auch Costadura u. a.: »Heimat global«, S. 24f. sowie Binder: »Politiken der Heimat«, S. 89–91.
  • 10. Nach der Ausgliederung des Ressorts »Bau« heißt das Ministerium unter der Leitung von Ministerin Nancy Faeser heute noch immer »Ministerium des Innern und für Heimat«.
  • 11. Svenja Kück: Heimat und Migration. Ein transdisziplinärer Ansatz anhand biographischer Interviews mit geflüchteten Menschen in Deutschland. Bielefeld 2021; Erol Yildiz u. Wolfgang Meixner: Nach der Heimat. Neue Ideen für eine mehrheimische Gesellschaft. Stuttgart 2021; Oesterhelt: Geschichte der Heimat; Wittheit zu Bremen u. Hans Kloft (Hg.): Heimat und Identität: Beiträge und Dokumentation zum Bremer Heimatpreis. Bremen 2021; Özcan Mutlu (Hg.): Wie Deutschland zur Heimat wurde: 60 Jahre Deutsch-Türkisches Anwerbeabkommen. Essen 2021. Garbiñe Iztueta u. a. (Hg.): Heimat und Gedächtnis heute: Internationale Tagung Heimat und Gedächtnis heute. Literarische Repräsentationen von Heimat in der aktuellen deutschsprachigen Literatur. Bern u. a. 2021; Hanna Zehschnetzler: Dimensionen der Heimat bei Herta Müller. Berlin u. a. 2021.
  • 12. Yildiz u. Meixner: Nach der Heimat, S. 9. – Womit nicht ausgeschlossen ist, dass es auch kritische Stimmen in der Forschung gibt, wie etwa die angeführten Beiträge von Zehschnetzler und Oesterhelt.
  • 13. Fatma Aydemir u. Hengameh Yaghoobifarah (Hg.): Eure Heimat ist unser Albtraum. Berlin 2019; Tamer Düzyol u. Taudy Pathmanathan (Hg.): Haymatlos. Gedichte. Münster 2020.
  • 14. Vgl. die Website zum 4. Berliner Herbstsalon des Gorki-Theaters. https://www.gorki.de/de-heimatize-belonging-konferenz/2019-10-25-1900 (zuletzt eingesehen am 11. Mai 2022); vgl. auch den gedruckten Beitrag der Keynote-Speakerin der Konferenz: Bilgin Ayata: »De-heimatize It!«. In: Norbert Sievers u. a. (Hg.): Jahrbuch für Kulturpolitik 2019/20: Kultur. Macht. Heimaten. Heimat als kulturpolitische Herausforderung. Bielefeld 2020, S. 39–43.
  • 15. Vgl. Aydemir u. Yaghoobifarah (Hg.): Eure Heimat ist unser Albtraum, S. 10: »Nicht umsonst ist diese ›Heimat‹ ein Albtraum vor allem für marginalisierte Gruppen, aber nicht nur.«
  • 16. Olga Hog: »Exklusion erzählen. Fremdheit und Identitäten in Sasha Marianna Salzmanns ›Außer Sich‹«. In: Annette Bühler-Dietrich (Hg.): Feminist Circulations between East and West. Feministische Zirkulationen zwischen Ost und West. Berlin 2019, S. 297–325, hier S. 297.
  • 17. Gunther Gebhard, Oliver Geißler u. Steffen Schröter: »Heimatdenken: Konjunkturen und Konturen. Statt einer Einleitung«. In: Dies. (Hg.): Heimat. Konturen und Konjunkturen eines umstrittenen Konzepts. Bielefeld 2007, S. 9–56, hier S. 9. Vgl. in diesem Sinne auch Oesterhelt: Geschichte der Heimat, S. 3.
  • 18. Vgl. Dana Bönisch, Jil Runia u. Hanna Zehschnetzler: »Einleitung: Revisiting ›Heimat‹«. In: Dies.: (Hg.): Heimat Revisited. Kulturwissenschaftliche Perspektiven auf einen umstrittenen Begriff. Berlin u. a. 2020, S. 1–19, hier S. 8.
  • 19. Oesterhelt: Geschichte der Heimat, S. 8.
  • 20. Vgl. Martina Hülz u. a. (Hg.): Heimat. Ein vielfältiges Konstrukt. Wiesbaden 2019, S. 6.
  • 21. Gundolf Keil: »Heimat – heimisch – unheimlich. Frühe Beobachtungen zur urheimischen Bedingtheit von Gesundheit«. In: Fachprosaforschung – Grenzüberschreitungen 10 (2014), S. 165–176, hier S. 172.
  • 22. Hermann Bausinger: »Heimat in einer offenen Gesellschaft. Begriffsgeschichte als Problemgeschichte«. In: Will Cremer u. Ansgar Klein (Hg.): Heimat, Themen, Perspektiven. Bonn 1990, S. 76–90, hier S. 78; Hervorh. im Original.
  • 23. Ebd., S. 77.
  • 24. Ebd. sowie vgl. gleichermaßen Keil: »Heimat – heimisch – unheimlich«, S. 172.
  • 25. Vgl. hierzu ausführlich Oesterhelt: Geschichte der Heimat, Kap. 2, bes. S. 311–344.
  • 26. Vgl. u. a. ebd., S. 25 sowie Zehschnetzler: Dimensionen der Heimat bei Herta Müller, S. 12–50.
  • 27. Gebhard, Geisler u. Schröter: »Heimatdenken«, S. 44.
  • 28. Vgl. in diesem Sinne ebd., S. 13–18 sowie Scharnowski: Heimat, S. 25–33.
  • 29. Gebhard, Geisler u. Schröter: »Heimatdenken«, S. 18; auch Oesterhelt: Geschichte der Heimat, S. 66–102.
  • 30. Ebd., S. 21.
  • 31. Zehschnetzler: Dimensionen der Heimat bei Herta Müller, S. 17.
  • 32. Gebhard, Geisler u. Schröter: »Heimatdenken«, S. 22.
  • 33. Ebd., S. 37.
  • 34. Bausinger: »Heimat in einer offenen Gesellschaft«, S. 85. Vgl. auch ebd. zur keineswegs so eindeutigen Rolle des Heimat-Diskurses während der NS-Zeit. Die weitreichende, auch sprachpolitische Inanspruchnahme von ›Heimat‹ durch die Nationalsozialisten zeichnet sehr anschaulich nach Zehschnetzler: Dimensionen der Heimat bei Herta Müller, S. 28f.
  • 35. Ebd., S. 40.
  • 36. Ebd., S. 41. Vgl. zu den sozial- und kulturgeschichtlichen Hintergründen dieser neuen Konjunktur in den 1970er Jahren auch den auf Österreich fokussierten Beitrag: Evelyne Polt-Heinzl: »Heimat-Besichtigungen der 1970er Jahre. Oder: Der Kampf um gesellschaftspolitische Deutungshoheit«. In: Wolfgang Straub (Hg.): Alpensagas und Modelldörfer: Heimatbesichtigungen in Literatur und Film. Wien 2020, S. 17–33.
  • 37. Vgl. Gebhard, Geisler u. Schröter: »Heimatdenken«, S. 40.
  • 38. Vgl. Bausinger: »Heimat in einer offenen Gesellschaft«, S. 88; siehe dazu auch Zehschnetzler: Dimensionen der Heimat bei Herta Müller, S. 41.
  • 39. Vgl. Helmut Neundlinger: »›Schreiben als einziges, was noch verbleibt‹. Hermann Obermüllers negativer Bildungsroman ›Ein verlorener Sohn‹ (1982)«. In: Wolfgang Straub (Hg.): Alpensagas und Modelldörfer: Heimatbesichtigungen in Literatur und Film. Wien 2020, S. 65–79 sowie Yildiz u. Meixner: Nach der Heimat, S. 20.
  • 40. Vgl. zur Filmgeschichte Zehschnetzler: Dimensionen der Heimat bei Herta Müller, S. 30f.; Sylka Scholz: »Plurale Heimatentwürfe im ›German Heimat Film‹. Identitätsangebote in ›Sushi in Suhl‹, ›Sommer in Orange‹ und ›Soul Kitchen‹«. In: Edoardo Costadura u. a. (Hg.): Heimat global. Modelle, Praxen und Medien der Heimatkonstruktion, Bielefeld 2019, S. 399–427, sowie Tobias Heinrich: »Too close to home. Heimatkonzepte im österreichischen Migrantenfilm«. In: Wolfgang Straub (Hg.): Alpensagas und Modelldörfer: Heimatbesichtigungen in Literatur und Film. Wien 2020. S. 203–214 u. Jürgen Heizmann: »Strategien der Verfremdung im kritischen Heimatfilm: Volker Schlöndorff – Uwe Brandner – Michael Verhoeven«. A. a. O., S. 215–230.
  • 41. Vgl. grundlegend Binder: »Politiken der Heimat, Praktiken der Beheimatung«.
  • 42. Costadura, Ries u. Wiesenfeldt: »Heimat global«, S. 19.
  • 43. Auf dieser Prämisse basiert auch die grundlegende Prämisse des Buches von Susanne Scharnowski, das als Plädoyer einer positiven Anerkennung der Bedeutung von ›Heimat‹ zu verstehen ist. Vgl. u. a. Scharnowski: Heimat, S. 15f. Vgl. hieran anknüpfend auch Wolfgang Straub: »Besichtigung eines schillernden Begriffs«, S. 10f.
  • 44. Will Cremer u. Ansgar Klein: »Heimat in der Moderne«. In: Dies. (Hg.): Heimat, Themen, Perspektiven. Bonn 1990, S. 33–55, hier S. 34.
  • 45. Yildiz u. Meixner: Nach der Heimat, S. 52.
  • 46. Ebd., S. 9.
  • 47. Vgl. Cremer u. Klein: »Heimat in der Moderne«, S. 37.
  • 48. Tobias J. Knoblich: »Zur Evolution von Heimat. Heimaten als kulturpolitische Herausforderung«. In: Norbert Sievers u. a. (Hg.): Jahrbuch für Kulturpolitik 2019/20: Kultur. Macht. Heimaten. Heimat als kulturpolitische Herausforderung. Bielefeld 2020, S. 45–49, hier S. 46: »Wir suchen das Gespräch über Heimat als kulturelles Konstrukt, als Aneignungsprozess und gelingende gesellschaftliche Klammer, die Vielfalt, Diversität und Multiperspektivität respektiert und fruchtbar zu machen versteht.« Vgl. ferner Cremer u. Klein: »Heimat in der Moderne«, S. 37.
  • 49. So trat Bausinger schon vor vielen Jahren dafür ein, als das zentrale »Kriterium« für die gelungene Aktualisierung von ›Heimat‹ den »Umgang mit den ausländischen Arbeitsimmigranten« anzusehen, damals vor allem mit den sogenannten »Gastarbeiter*innen«: »Ein Heimatbegriff, der ihnen keinen Platz einräumt, greift zu kurz […]« (Bausinger: »Heimat in einer offenen Gesellschaft«, S. 89; Hervorh. im Original).
  • 50. Inbegriff einer solchen realisierten Allianz ist der erwähnte 4. Salon des Berliner Gorki-Theaters, dessen Titel »De-heimatize Belonging« aus dem Dialog mit sozialwissenschaftlichen Positionen, vertreten etwa durch die Beiträge Bilgin Ayatas, heraus entstand.
  • 51. So auch Straub: »Besichtigung eines schillernden Begriffs«, S. 10f.
  • 52. Scharnowski: Heimat, S. 235.
  • 53. Vgl. Bausinger: »Heimat in einer offenen Gesellschaft«, S. 80–83; Zehschnetzler: Dimensionen der Heimat bei Herta Müller, S. 15–17; Heinrich: »Too close to home«, S. 203.
  • 54. Bruno Latour: »Heimat: Der Planet rebelliert. Der Boden unter unseren Füßen schwindet«. In: Dana Bönisch, Jil Runia u. Hanna Zehschnetzler (Hg.): Heimat Revisited. Kulturwissenschaftliche Perspektiven auf einen umstrittenen Begriff. Berlin u. a. 2020, S. 273–278, hier S. 273. Latour stellt hier einen Bezug auf den von Glenn Albrecht geprägten Begriff der »Solastalgie« her.
  • 55. Vgl. Oesterhelt: Geschichte der Heimat, S. 8.
  • 56. Dan Diner: »›Identität‹ und Zugehörigkeit«. In: Carl Friedrich Gethmann u. Friedrich Wilhelm Graf (Hg.): Identität – Hass – Kultur. Göttingen 2019, S. 56–73, hier S. 57.
  • 57. Gemeint ist die oft zitierte Schlüsselmetapher in Joseph Freiherr von Eichendorffs Gedicht »Wünschelrute« von 1835. Die lyrischen Werke Eichendorffs werden im Kontext einer ›Heimat‹-Besinnung immer wieder zitiert. Vgl. dazu kritisch Scharnowski: Heimat, S. 28–31.
  • 58. Daniel Schreiber: Zuhause. Die Suche nach dem Ort, an dem wir leben wollen. Berlin 2018, S. 14.
  • 59. Ebd., S. 132.
  • 60. Ebd., S. 32.
  • 61. Daniel Schreiber: »Deutschland soll werden, wie es nie war«. In: Die Zeit vom 10. Februar 2018.
  • 62. Saša Stanišić: Herkunft. München 2019 (im Folgenden zitiert als H), S. 7.
  • 63. Vgl. ebd., S. 7: »[E]s kam mir jedoch vor, als hätte das nichts mit mir zu tun. Ich wusste, die Angaben waren korrekt, konnte sie aber unmöglich stehen lassen. Ich vertraute so einem Leben nicht«.
  • 64. Vgl. ebd., S. 36f.: »Man will gelegentlich von mir wissen, ob ich in Deutschland zu Hause sei. Ich sage abwechselnd ja und nein. […] Wenn sich der Gesprächspartner umsieht, verwandle ich mich in einen deutschen Schmetterling und fächle davon«. Ferner explizit ebd., S. 37: »Ohne Abschweifung wären meine Geschichten überhaupt nicht meine. Die Abschweifung ist Modus meines Schreibens«.
  • 65. Vgl. ferner ebd., S. 197: »Ich brauche niemanden zu erklären, warum ich dort, wo ich herkomme, nicht mehr bin. Es kommt mir vor, als würde ich genau das aber immerfort tun«.
  • 66. Vgl. ebd., S. 296: »Als ich zum ersten Mal auf dem Friedhof von Oskoruša stand, nahm ich an, dass Großmutter und Gavrilo mir den Ort hatten zeigen wollen, um mich für dessen Geschichte zu begeistern, für meine Vorfahren, für meine Herkunft. […] Ich hatte mich geirrt. Nichts war von mir erwartet worden. […] Nichts davon war meins und sollte es auch nicht werden. Ich war bloß zufälliger Zeuge ihrer gemeinsamen Inventur […]«.
  • 67. Irena Brežná: Die undankbare Fremde. Berlin 2021, S. 121.
  • 68. Ebd., S. 103.
  • 69. Vgl. Yildiz u. Meixner: Nach der Heimat, S. 9.
  • 70. Brežná: Die undankbare Fremde, S. 140.
  • 71. Ebd., S. 104.
  • 72. Vgl. die Passage ebd., S. 131: »Das reine Fremdsein, das ich dann erreichte, wurde vertraute Zuflucht, mehr als das, es wurde zur Wahl. Diesen Denkbeschleuniger wollte ich nie mehr missen«.
  • 73. Ebd., S. 136.
  • 74. Vgl. ebd., S. 137: »Die Fremdheit ist wie der Wunderbrei, der über das Land, über ganze Kontingente schwappt. Aber schaue ich genau hin, ist jede Fremdheit anders. Wir werden dafür neue Begriffe und Bilder finden müssen«.
  • 75. Irena Brežná: Wie ich auf die Welt kam. In der Sprache zuhause. Zürich 2018 (im Folgenden zitiert als WIE), S. 152.
  • 76. Vgl. Gilles Deleuze u. Félix Guattari: Mille Plateaux. Capitalisme et Schizophrénie. Paris 1980, S. 434–527. Vgl. hierzu auch Anna Lipphardt: »Der Nomade als Theoriefigur, empirische Anrufung und Lifestyle-Emblem. Auf Spurensuche im Globalen Norden«. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 65.26 (2015) S. 32–38, sowie Rosi Braidotti: Nomadic Subjects. Embodiment and Sexual Difference in Contemporary Feminist Theory. New York 1994.
  • 77. Vilém Flusser: »Wohnung beziehen in der Heimatlosigkeit«. In: Ders.: Von der Freiheit des Migranten. Einsprüche gegen den Nationalismus. Hamburg 2021, S. 15–30, hier S. 18.
  • 78. Algaja Veteranyi: Warum das Kind in der Polenta kocht. Stuttgart 1999, S. 188.
  • 79. Dimitré Dinev: Engelszungen. Wien 2003, S. 9 u. 23.
  • 80. Vgl. Terézia Mora: Alle Tage. München 2004, S. 17: »Sie roch Fremdheit an ihm«.
  • 81. Ebd., S. 13.
  • 82. In ihrer Dankrede zur Verleihung des Adelbert-von-Chamisso-Preises (1999) antwortet Özdamar auf die Frage »Warum schreiben Sie in Deutsch?«: »Meine deutschen Wörter haben keine Kindheit, aber meine Erfahrung mit deutschen Wörtern ist ganz körperlich. Die deutschen Wörter haben Körper für mich. Ich bin ihnen im wunderbaren deutschen Theater begegnet«. Der Text endet mit dem Satz: »Vielleicht schreibst du in Deutsch, weil du in der deutschen Sprache glücklich geworden bist« (Emine Sevgi Özdamar: »Meine deutschen Wörter haben keine Kindheit«. In: Dies.: Der Hof im Spiegel. Erzählungen. Köln 2001, S. 131f.).
  • 83. Vgl. Navid Kermani: Wer ist Wir? Deutschland und seine Muslime. München 2009, S. 125–132, hier S. 131: »Meine Heimat ist das gesprochene Persisch und das geschriebene Deutsch«.
  • 84. Vgl. zum Umgang Herta Müllers mit ›Heimat‹ die lesenswerte Studie Zehschnetzler: Dimensionen der Heimat bei Herta Müller.
  • 85. Herta Müller: »Man will sehen, was nach einem greift. Zu Canettis ›Masse‹ und Canettis ›Macht‹«. In: Dies.: Immer derselbe Schnee und immer derselbe Onkel. München 2011, S. 172.
  • 86. Herta Müller: »Heimat oder Der Betrug der Dinge«. In: Gisela Ecker (Hg.): Kein Land in Sicht. Heimat – weiblich? München 1997, S. 213–219, hier S. 214.
  • 87. Müller: »Man will sehen, was nach einem greift«, S. 172.
  • 88. Herta Müller: »In jeder Sprache sitzen andere Augen«. In: Dies.: Der König verneigt sich und tötet. Frankfurt a. M. 2010, S. 7–47, hier S. 33.
  • 89. Ebd., S. 36.
  • 90. Vgl. dazu Zehschnetzler: Dimensionen der Heimat bei Herta Müller, S. 4f. sowie ausführlich S. 74–101.
  • 91. Herta Müller: »In jeder Sprache sitzen andere Augen«, S. 36. Der Satz steht ursprünglich in Jorge Semprun: Federico Sánchez verabschiedet sich. Frankfurt  a. M. 1994, S. 13.
  • 92. Vgl. Aydemir u. Yaghoobifarah (Hg.): Eure Heimat ist unser Albtraum, S. 10 sowie Mithu Sanyal: »Zuhause«. In: Fatma Aydemir u. Hengameh Yaghoobifarah (Hg.): Eure Heimat ist unser Albtraum, S. 104 u. 119f.
  • 93. Vgl. Daniz Utlu: »Vertrauen«. In: Fatma Aydemir u. Hengameh Yaghoobifarah (Hg.): Eure Heimat ist unser Albtraum, S. 41f.
  • 94. Vgl. Fatma Aydemir: »Arbeit«. In: Dies. u. Hengameh Yaghoobifarah (Hg.): Eure Heimat ist unser Albtraum, S. 33–35.
  • 95. Fatma Aydemir u. Hengameh Yaghoobifarah: »Vorwort«. In: Dies. (Hg.): Eure Heimat ist unser Albtraum, S. 9–12, hier S. 9.
  • 96. Hengameh Yaghoobifarah: »Blicke«. In: Fatma Aydemir u. Hengameh Yaghoobifarah (Hg.): Eure Heimat ist unser Albtraum, S. 79.
  • 97. Düzyol u. Pathmanathan: Haymatlos, S. 138.
  • 98. Ebd.
  • 99. Ebd., S. 10.
  • 100. Vgl. dazu den Rekurs auf den berühmten Text Sigmund Freuds über Das Unheimliche (1919) bei Hüppfauf, der die »unerkannte Anwesenheit des Unheimlichen« im Heimlichen explizit auf Weltkrieg, Gewalt und Moderne bezieht (Hüppfauf: »Heimat – Die Wiederkehr eines verpönten Wortes«, S. 123f.).
  • 101. Sasha Marianna Salzmann: Im Menschen muss alles herrlich sein. Berlin 2021, S. 219.
  • 102. Sasha Marianna Salzmann: »Sichtbar«. In: Aydemir u. Yaghoobifarah (Hg.): Eure Heimat ist unser Albtraum, S. 13–26, hier S. 13.
  • 103. Ebd., S. 26.
  • 104. Ebd.; Hervorh. im Original.
  • 105. Max Czollek: »Gegenwartsbewältigung«. In: Aydemir u. Yaghoobifarah (Hg.): Eure Heimat ist unser Albtraum, S. 167–181, hier S. 179.
  • 106. Flusser: »Wohnung beziehen in der Heimatlosigkeit«, S. 20.
  • 107. Ebd., S. 30. Vgl. auch Cremer u. Klein: »Heimat in der Moderne«, S. 37. Vgl. in diesem Sinne auch schon die von Bausinger im Zusammenhang der Arbeiterbewegung identifizierte »Heimat als Ausdruck nicht vorgegebener, sondern gewollter Solidarität« (Bausinger: »Heimat in einer offenen Gesellschaft«, S. 81f.).

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