Digitales Journal für Philologie
Textpraxis # 10 (1.2015)
In der zehnten Ausgabe analysiert Mirjam Bitter das deutsch-jüdische Gespräch in Bernhard Schlinks Die Beschneidung, Theresa Schmidtke untersucht popliterarisches Erzählen in Blogs von Schriftstellern und Gerrit Lembke und Ingo Irsigler stellen ihr innovatives Projekt Vorlesung mal anders vor.
Der Beitrag betrachtet die Möglichkeiten und Grenzen popliterarischen Erzählens in SchriftstellerInnen-Blogs. Am Beispiel der Blog-Projekte Sven Regeners (inzwischen auch als Buch unter dem Titel Logbücher. Meine Jahre mit Hamburg-Heiner erschienen) wird analysiert, wie die beiden Pop-Charakteristika der Autorinszenierung und der Aktualität adaptiert und medienspezifisch eingelöst werden. Es kann gezeigt werden, dass Regeners Blogs zwar durchaus popliterarische Merkmale aufweisen und diese auf innovative Weise im Raum des Internets umsetzen, dabei allerdings immer noch hinter den Potenzialen onlinebasierten Erzählens zurückbleiben.
Schlinks Erzählung stellt anhand zweier Liebender das Scheitern eines deutsch-jüdischen Gesprächs dar und verhandelt die Frage, wie viele Differenzen eine Beziehung aushält. Die titelgebende Beschneidung tritt dabei nicht nur auf der Handlungsebene auf, wo der Protagonist durch Konversion zum Judentum die Differenz zu seiner jüdischen Freundin zu überwinden hofft. Auch auf metaphorischer Ebene problematisiert die Erzählung die ›Selbstbeschneidung‹ des Protagonisten, der aus Angst vor Tadel von jüdischen Figuren viele seiner Gedanken nicht ausspricht. Als Opfer antideutscher Vorurteile ruft er diverse antisemitische Stereotype auf. Der Beitrag geht der Frage nach, inwiefern die Erzählung damit für solch stereotypes Gedankengut sensibilisiert und subtil gegen einen antisemitischen und revisionistischen Diskurs anschreibt oder inwiefern sich der Text vielmehr in einen solchen Diskurs einschreibt.
Innovative Forschung braucht frische Vermittlungsformate, die sich jenseits traditioneller Lehrformen bewegen. Die Kieler Vorlesung mal anders (2011-14), organisiert von Ingo Irsigler und Gerrit Lembke, hat sich darum bemüht, in mancherlei Hinsicht ›anders‹ zu sein und den Studierenden die Bedeutung der Kulturwissenschaften näher zu bringen. Eine Vorlesung ohne Eingangstest und TeilnehmerInnenliste, ohne Credit-Points – aber mit jungen Dozenten und zahlreichen engagierten Studierenden.