Digitales Journal für Philologie
Textpraxis #17 (2.2019)
In Textpraxis #17 erarbeitet Doris Pichler einen praxeologischen Textbegriff, der auf eine interdisziplinäre Anwendbarkeit abzielt. Carolin Mueller untersucht den Zusammenhang zwischen der Mobilität narrativer Subjekte und deren Identitätskonstruktion anhand zweier Romane von Abbas Khider. Jana Maria Weiß erklärt die Mechanismen eines Literaturskandals am Beispiel von Eugen Gomringers avenidas aus affekttheoretischer Perspektive.
Ausgehend von interdisziplinären Forschungsfeldern wie »Recht und Literatur« und »Literatur und Wirtschaft«, bestehend aus Disziplinen, die sich alle, bis zu einem gewissen Grad, als textbasierte Wissenschaften verstehen, geht der Beitrag der Frage nach, wie ein literaturwissenschaftlich inspirierter und interdisziplinär transferierbarer Textbegriff aussehen kann. Dabei wird zuerst allgemein auf den Textbegriff in seiner Multi- und Interdisziplinarität eingegangen, um dann die Spezifika des literarischen Textbegriffs herauszuarbeiten, der in einem letzten Schritt dazu dient, literarische Verfahren auch in nicht-literarischen Texten (im konkreten Fall in einem wirtschaftswissenschaftlichen Text) aufzuzeigen.
In diesem Artikel werden Abbas Khiders Romane Der falsche Inder (2008) und Brief in die Auberginenrepublik (2013) mit Rückgriff auf Victor Turners Verständnis von »Liminalität« und »Communitas« analysiert, um verschiedenen Formen von Mobilität in diesen Khiders Werk nachzuverfolgen. Diese dienen einerseits als Indikatoren der Destabilisierung von Identitäten sowie der Entwurzelung eines Zugehörigkeitsgefühls, andererseits können sie aufzeigen, welche Möglichkeiten sich zur Anerkennung von Handlungspotentialen ergeben.
Im Sommer 2017 entbrannte an der Alice Salomon Hochschule Berlin ein Streit um Eugen Gomringers Gedicht avenidas, der sich zu einer bundesweiten Debatte über Kunstfreiheit und Sexismus ausweitete. Studierende hatten die Entfernung des Textes von der Fassade der Hochschule gefordert: Das Gedicht reproduziere nach Ansicht der Studierenden eine patriarchale Kunsttradition und rufe Erinnerungen an sexuelle Belästigung wach. Der Entschluss der Hochschule, dieser Forderung nachzukommen, löste eine gesellschaftliche Kontroverse aus. Dieser Beitrag untersucht die Debatte um avenidas aus affekttheoretischer Perspektive. Im Mittelpunkt steht die Frage, welche emotionalen Rhetoriken von den verschiedenen Parteien verwendet werden und wie diese zur Konstruktion diskursiver Gruppen in der Kontroverse beitragen.