Digitales Journal für Philologie
Textpraxis # 18 (2.2020)
In Ausgabe #18 von Textpraxis diskutieren Tobias Klauk, Niels Klenner und Tilmann Köppe in ihrem Aufsatz „Thematische Kohärenz als interpretationsleitendes Prinzip?“ am Beispiel von E.T.A. Hoffmanns Der Sandmann, ob Charakterisierungen fiktionaler Gehalte in aktuellen literaturwissenschaftlichen Interpretationen Versuche darstellen, einen dem literarischen Werk zugesprochenen thematischen Gehalt zur Geltung kommen zu lassen. In der Rubrik „Literatur und Gesellschaft“ untersucht Vanessa Vollmann unter dem Titel „Founding Mothers of Color“ das ‚Female Founder‘-Narrativ in Lin-Manuel Mirandas Musical Hamilton. Carol Anne Costabile-Heming legt für die Rubrik „Literaturwissenschaft und Praxis“ in ihrem mit „Literary Afterlives. Archives, Literary Museums, and the Visbility of Texts“ betitelten Aufsatz dar, wie die Institutionen des Literaturarchivs und des literarischen Museums an der literarischen Kanonbildung beteiligt sind.
Der Beitrag diskutiert, ob sich Charakterisierungen fiktionaler Gehalte in aktuellen literaturwissenschaftlichen Interpretationen als Versuche verstehen lassen, einen dem literarischen Werk zugesprochenen thematischen Gehalt zur Geltung kommen zu lassen. Wir erläutern zunächst die zugrunde liegende Fiktions- und Interpretationstheorie. Anschließend weisen wir ein der Theorie in wesentlichen Punkten folgendes Vorgehen in zeitgenössischen Interpretationstexten von E.T.A. Hoffmanns Der Sandmann (1816) nach.
Der Beitrag diskutiert unter Rückgriff auf Critical Race Theory und schwarz-feministische Theoriepositionen, wie Lin-Manuel Mirandas Broadway-Musical Hamilton ein alternatives female founder Narrativ entwirft. Dazu wird das Musical aus einem intersektionalen Blickwinkel betrachtet, um aufzuzeigen, wie Hamilton den Mythos der Founding Fathers dekonstruiert, und ihn mittels genderbending und colorbending in der Figur Eliza Hamiltons neu schreibt.
Das Leben von Schriftsteller*innen ist in vielerlei Hinsicht ein unsicheres, denn z. B. die finanzielle Sicherheit hängt maßgeblich vom Erfolg beim breiten Publikum ab. Diesen bilden Bestsellerlisten ab; sie geben Auskunft darüber, welche Bücher sich gut verkaufen lassen, aber sagen noch nichts aus über die Qualität der Literatur. Bücher, die darüber hinaus im kulturellen Bewusstsein bestehen, zählt man gemeinhin zum literarischen Kanon, der nicht unumstritten ist. Der vorliegende Essay geht der Frage nach, in welcher Beziehung Literaturarchive und literarische Museen wie das Deutsche Literaturarchiv und das Literaturmuseum der Moderne in Marbach zu einander stehen und wie sie zur Sichtbarkeit von Autor*innen und Texten beitragen können. Die Ausstellungspraktiken und -entscheidungen der Museen reagieren auf den literarischen Kanon, bestimmen ihn mit und fordern ihn heraus. Dabei werden auch neue Wege der Präsentation eingeschlagen, die Literatur noch einmal materiell aufbereiten und erfahrbar machen. Einerseits dockt der Essay damit an aktuelle Debatten zum literarischen Kanon an, andererseits soll aufgezeigt werden, wie Literaturarchive und -museen den bestehenden Kanon für neue Stimmen und Texte öffnen können.
Anlässlich des 10-jährigen Bestehens von Textpraxis. Digitales Journal für Philologie gibt das Gründungsmitglied Christina Riesenweber einen kurzen Einblick in die Entstehung und Geschichte von Textpraxis.
Philologie lebt nicht von Texten, sondern vom Gespräch über sie. In der Zukunft wird Textpraxis deswegen ein neues Format anbieten, in dessen Mittelpunkt die Diskussion steht. In dem Podcast »Philologie im Gespräch« lädt die Redaktion von Textpraxis Wissenschaftler*innen ein, um über literarische Texte, literaturwissenschaftliche Verfahren und das Selbstverständnis der Philologien zu sprechen.