Caroline
Schubert
Berlin

Der klecksende Autor

Gesten der Fiktionalisierung bei E.T.A. Hoffmann

Dieser Aufsatz untersucht das Verhältnis von außertextuellen und innertextuellen Faktoren bei E.T.A. Hoffmann als einen Grenzbereich, der sich am Motiv und gegenständlichen Objekt des Kleckses eröffnet. Im Fokus stehen Hoffmanns Roman Lebens-Ansichten des Katers Murr und handschriftliche Zeugnisse des Autors. Die vorangestellte Reflexion über Performanz, Autorschaft und Fiktion macht den sich hier zeigenden Grenzbereich im Begriff der Geste theoretisch fassbar.

1. Gesten der Liminalität: Performative Autorschaft fiktionaler Literatur

Eine Untersuchung performativer Autorschaft fiktionaler Literatur sieht sich zunächst vor das Problem einer begrifflichen Bestimmung dieses Gegenstands gestellt, der sich wiederum aus den verschiedenen theoretischen Problemkreisen dieser Begriffe und ihres Zusammenspiels ergibt. Um diese Begriffe und ihr Verhältnis für den vorliegenden Aufsatz zu klären, werde ich im Folgenden zunächst das Verständnis der Autorschaft fiktionaler Literatur im Sinne der dekonstruktiven Kritik am Performativitätsbegriff Austins erläutern. Ich rekapituliere anschließend ein diesem korrespondierendes Konzept der Autorschaft, das sich aus dem Akt des Schreibens herleitet. Autorschaft ist hierbei durch die Sprache wie zugleich durch Körperlichkeit und den Gebrauch von Instrumenten geprägt. Ich führe schließlich beide Aspekte – performative Autorschaft fiktionaler Literatur und Autorschaft als Akt des Schreibens – über den Begriff der Geste zusammen.

1.1. Die Referenzproblematik und die Autorschaft fiktionaler Literatur als Akt des Schreibens

Die Auseinandersetzung über die Möglichkeit, den Begriff der Performativität auf fiktionale Literatur zu beziehen, entzündete sich an einem Passus von Austins How to do things with words, in dem er allen künstlerischen Sprachgebrauch aus der Untersuchung der Performativa wegen seines ›uneigentlichen‹ und »parasitären« Wesens ausschloss.1 Austin meint damit die fehlende Wirkungsdimension dieses Sprachgebrauchs, der von seiner Referenz abgekoppelt und insofern dem ›eigentlichen‹, wirkungsorientierten Sprachgebrauch nachgeordnet sei. Gerade aber diese fehlende Referenz wird innerhalb der poststrukturalistischen Kritik an diesem Performativitätsbegriff zum entscheidenden Moment, indem der Literatur gerade die Qualität des Performativen zugeordnet wird.2 Roland Barthes gibt in seinem Aufsatz Der Tod des Autors zu verstehen, dass die literarische Sprache über ihre Selbstreferentialität nur sich selbst ausdrücke, was zugleich ihre performative, ihre Handlungsdimension beschreibe.3 Hierbei betont er bekanntlich die Nivellierung eines urhebenden Subjektes, des Autors, in diesem Akt des Schreibens. Der moderne Schreiber entsteht überhaupt erst mit dem Text:

Er hat überhaupt keine Existenz, die seinem Schreiben voranginge oder es überstiege, er ist in keiner Hinsicht das Subjekt, dessen Prädikat sein Buch wäre. Es gibt nur die Zeit der Äußerung, und jeder Text ist immer hier und jetzt geschrieben. Und zwar deshalb, weil (oder: darauf folgt, daß) Schreiben nicht mehr länger eine Tätigkeit des Registrierens, des Konstatierens, des Repräsentierens [...] bezeichnen kann, sondern vielmehr das, was die Linguisten [...] ein Performativ nennen, eine seltene Verbalform, die auf die erste Person und das Präsens beschränkt ist und in der die Äußerung keinen anderen Inhalt [...] hat als eben den Akt, durch den sie sich hervorbringt [...].4

Insofern als Barthes von dem Erzählen ausgeht, das keinem weiteren Zweck als diesem Erzählen selbst folge, und er diesen Akt im engeren Sinne auf das schriftliche Erzählen bezieht, zielt seine vehemente Betonung des Verschwindens und gleichzeitigen Entstehens des Subjektes im Akt des Schreibens (»[...] stirbt der Autor, beginnt die Schrift«; »Der moderne Schreiber wird hingegen im selben Moment wie sein Text geboren«) auf eine Transgression bisher getrennter Kategorien: Außertextuelles Subjekt/ innertextuelles Subjekt bzw. außertextuelles Subjekt/ Text. Insofern als Barthes’ Argumentation von vornherein auf die Frage des Verständnisses bzw. der Kritik von Literatur bezogen ist, liegt hierin auch die Implikation einer Aufhebung der Grenze von nicht-fiktionalem Autor und fiktionalem Text. Durch den literarischen Akt des Schreibens, der kein Subjekt besitzt, wird dieses als Schreiber – innerhalb dieses selbstbezüglichen Aktes – miterzeugt. Wie auch Derrida geht Barthes davon aus, dass hierbei ein Denken der originellen Autorschöpfung zugunsten eines Schreibens aus und in Zitaten fallengelassen werden sollte.5

1.2 Die Schreibgeste: Sprachliche Selbst-Ausführung, Körper und Instrumentalität

Ein Begriff einer Autorschaft, der sich vor allem aus dem Akt des Schreibens herleitet, fokussiert die Texterzeugung, die dem Begriff der Autorschaft innewohnt, als einen Prozess, der aus einem Zusammenspiel von Körper und Schrifttechnik bzw. ihrer jeweiligen historisch spezifischen Instrumente erfolgt. Während Barthes’ Aufsatz Der Tod des Autors bereits den Akt des Schreibens als modernes Literaturkonzept ohne Subjekt einführt, geht er hier nur an einer Stelle direkt auf die Geste des Schreibens ein:

Statt dessen zeichnet seine [des modernen Schreibers, C.S.] Hand, abgelöst von jeder Stimme und geführt von einer reinen Geste der Einschreibung (nicht des Ausdrucks), ein Feld ohne Ursprung – oder jedenfalls ohne anderen Ursprung als die Sprache selbst, also dasjenige, was unaufhörlich jeden Ursprung in Frage stellt.6

Obwohl der Aufsatz sich der écriture, dem Akt des Schreibens, und dem scripteur, dem Schreiber, seinem »schreibenden Körper« widmet, dessen Identität sich im »Schwarzweiß« der Schrift auflöse,7 wird der Grund dieser Auflösung doch immer wieder im Einfluss der Sprache genannt, der ja nicht spezifisch den Akt des Schreibens, sondern auch den mündlichen Erzählakt beträfe (»Sobald ein Ereignis ohne weitere Absicht erzählt wird, [...] verliert die Stimme ihren Ursprung, stirbt der Autor, beginnt die Schrift«; »Schreiben bedeutet, [...] an den Punkt zu gelangen, an dem nicht ›ich‹, sondern nur die Sprache ›handelt‹ [›performe‹]«).8 In anderen Texten,9 vor allem in den posthum veröffentlichten Variations sur l’écriture, hat Barthes die Geste des Schreibens – seine Körperlichkeit und Instrumentalität – im engeren Sinne in seine Überlegungen einbezogen:10

Heute [...] ist es der manuelle Sinn des Wortes, dessen ich mich bedienen möchte, ist es die »Schreibung« (der muskuläre Akt des Schreibens, der Prägung der Buchstaben), die mich interessiert: dieser Gestus, mit der die Hand ein Werkzeug ergreift (Stichel, Schilfrohr, Feder), es auf eine Oberfläche stützt, darauf, eindrückend oder sanft streichend, fortgleitet, und regelmäßige, rhythmische, wiederkehrende, Formen einprägt [...].11

Barthes’ Kritik der Autorkategorie, innerhalb derer er das Beherrschtsein des Subjektes durch die Sprache betonte, wird hier im Sinne einer Präferenz des »Genusses«12 des Schreibens vor aller geistigen Urheberschaft weitergeführt.13 Es ist der Begriff der Geste, der im Kontext der Überlegungen zur Performativität der Autorschaft hier besonders interessiert.14 Vilém Flussers einschlägiger Aufsatz über die »Geste des Schreibens« lässt in den folgenden vielzitierten Sätzen bewusst die Komplexität der Schreibgeste erahnen:

Um schreiben zu können, benötigen wir – unter anderen – die folgenden Faktoren: eine Oberfläche (Blatt Papier), ein Werkzeug (Füllfeder), Zeichen (Buchstaben), eine Konvention (Bedeutung der Buchstaben), Regeln (Orthographie), ein System (Grammatik), ein durch das System der Sprache bezeichnetes System (semantische Kenntnis der Sprache), eine zu schreibende Botschaft (Ideen) und das Schreiben. Die Komplexität liegt nicht so sehr in der Vielzahl der unerlässlichen Faktoren als in deren Heterogenität. Die Füllfeder liegt auf einer anderen Wirklichkeitsebene als etwa die Grammatik, die Ideen oder das Motiv zum Schreiben.15

Die Heterogenität der Faktoren des Schreibens wird hier schließlich spezifiziert mit der Wirklichkeitsebene ihrer Existenz. Die Geste des Schreibens verbindet diese Faktoren, die auf unterschiedlichen Wirklichkeitsebenen liegen. Das, was haptisch und visuell oder auch olfaktorisch beim instrumentellen Gebrauch des Schreibwerkzeugs erfahren wird, trifft zusammen mit dem, was nie in Gänze sinnlich wird – der Systematik und Semantik der Sprache, ihrer Zeichenkonvention. Der schreibende Mensch erzeugt über den Gebrauch des Werkzeugs visuelle Spuren an der dinglich anwesenden und aisthetisch erfahrenen Welt, die in diesem Prozess aufgrund der von Flusser aufgezählten sprachsystematischen Konventionen Zeichen werden. Mit Barthes wäre hier noch einmal zu betonen, dass es hier nicht um einen bloßen Gebrauch der Instrumente und der aisthetisch erfassten Welt geht, in die der Mensch seine Spuren als Zeichen inskribiert, sondern dass gerade das Zusammenspiel von sinnlich »genüsslich« Erfahrenem und Zeichenerzeugung fokussiert wird, das hier wirksam ist.16

Innerhalb eines Begriffs der Autorschaft, der von einem solchen Akt des Schreibens her gefasst wird, ist die Kategorie des subjektiv schöpferischen Geistes geschwächt zugunsten der selbst mitagierenden Instrumentalität und Operativität sowie der Körperlichkeit des Schreibens.17 Zugleich wird der Fokus auf den Akt des Entstehens eines Textes verschoben, der sich innerhalb eines zeitlichen Prozesses als Zusammenspiel von strenggenommen außertextuellen Faktoren (wie Körper und Stift) und regel- und konventionsgesteuerten sprachlichen und schriftspezifischen Kategorien vollzieht. Der Begriff der Performativität der Autorschaft enthält in diesem Sinne zunächst also die Momente des agierenden Zusammenspiels von medial-körperlichen und geistigen Faktoren und das Moment der Prozessualität, der Unabgeschlossenheit und Offenheit der Erzeugung eines Textes.

1.3 Zusammenführung: Geste der Liminalität

Der Begriff der Geste mag beide ineinandergreifenden Dimensionen der Autorschaft als Akt des Schreibens – die selbstbezügliche und selbstausführende Semiose und die körperlich-mediale Ausführung – zu verbinden. Im Sinne des im Begriff der Performativität angelegten Potentials der Aufhebung einer »Zwei-Welten-Ontologie«18 verfließt hier die Grenze zwischen der sinnlich-medialen Dimension des Schreibens und dem im entstehenden Zeichen Repräsentierten zu einer nicht festzustellenden, zeitlich und räumlich ausgedehnten Schwellenzone. Ohne den Begriff der Performativität zu gebrauchen, beschreibt auch Rüdiger Campe in seinem einschlägigen Aufsatz Die Schreibszene, Schreiben im Anschluss an Barthes und Flusser das Potential einer Fokussierung des Überganges zwischen bisher dichotomisch betrachteten Komponenten über die titelgebenden Kategorien seines Textes:

›Die Schreibszene, Schreiben‹ erinnert an Unterscheidungen – der Körper/ die Sprache, das Gerät/ die Intention –, die sie dann wieder zu übergehen auffordern [...]. Muß man nun jene Unterscheidungen analytisch wieder hervorholen oder gerade die Spur des Übergehens verfolgen? [...] Oder ist es – systematisch oder evolutionär – das Eigene der Literatur, den Autor, den Leser, die Kritiker auf dem Felde des Übergehens zu bewegen, ohne, in einer der Richtungen, zur Grenze und zum Spiel der Unterscheidungen zurückzufinden? Auch und gerade wenn die ›Schreib-Szene‹ keine selbstevidente Rahmung der Szene, sondern ein nichtstabiles Ensemble von Sprache, Instrumentalität und Geste bezeichnet, kann sie dennoch das Unternehmen der Literatur als dieses problematische Ensemble, diese schwierige Rahmung genau kennzeichnen.19

Gerade die Literatur ist also das Feld, auf dem Leser, Autor und Kritiker zwischen Körper und Sprache, zwischen Gerät und Intention dahinbewegt werden. Sie ist zugleich das Feld, das als ›Schreib-Szene‹20 ebendiese Bewegung (»dieses problematische Ensemble, diese schwierige Rahmung«) kennzeichnet, auf sie hinweist. Auch hier sind, wie dem im vorliegenden Aufsatz vorgeschlagenen Verständnis von Performativität der Autorschaft zufolge, eine Selbst-Aufführung und -Erzeugung zwischen Körper, Medium und Sprache in einem Denken des Übergangs vereint.

Der Gedanke eines solchen Übergangsraumes oder einer Übergangsphase, die das Verhältnis von Aisthetischem, vom Zeichen und dem in ihm Repräsentierten bestimmt und sich nicht auf eine Komponente hin auflösen lässt, tritt immer wieder in der Performativitätsdebatte auf. Hier wäre etwa die Erweiterung des Performativitätsbegriffs durch das in der semiotischen Theorie Charles S. Peirce eingeführte Medium (das »Dritte« des Zeichens) zu nennen, wie sie von Uwe Wirth vorgeschlagen wurde.21 Im engeren Sinne findet sich diese ›Schwellenzone‹ jedoch etwa im Begriff des »Schwellenortes«, der in der Theaterwissenschaft zur Beschreibung des Verhältnisses von menschlichem Körper und der in ihm, mit der und durch die Stimme, repräsentierten Bedeutung aufgetreten ist.22 Auch der Ausdruck der »Nahtstelle« als Beschreibung der Verkörperung des Sinns im Nicht-Sinnhaften ist hier zu nennen.23 In Anlehnung an Erika Fischer-Lichte soll hier der Begriff des »Liminalen« aufgegriffen werden, den Fischer-Lichte im Rahmen der Beschreibung der Transformation von Lesenden im Zuge des Aktes zwischen ›Wirklichkeit‹ und ›Imagination‹ einführt. Als weiterer zentraler Aspekt dieses Aktes wird dabei die Einverleibung des Textes durch die Lesenden verstanden.24 Im vorliegenden Aufsatz verstehe ich den Begriff im Sinne der Verbindung von strenggenommen Außertextuellem und Textuellem beim Erzeugen eines fiktionalen Textes. »Liminalität« erfasst hier in diesem Sinne die zwar narratologisch trennbare und analytisch zu trennende, jedoch im Akt des Schreibens performative Verflechtung von außerfiktionaler, sinnlicher und dinglicher Wirklichkeit und der Zeichenebene sowie der Fiktion, die der Text vollzieht, indem er sie bezeichnet. Derart – und gerade mit Blick auf die folgende Analyse der Problemlage bei E.T.A. Hoffmann – soll hier die Performativität der Autorschaft des Fiktionalen im Sinne einer Geste verstanden werden, mit der im Schwellenraum zwischen dem aisthetisch Dinglichen/ dem Körperlichen sowie dem Außertextuellen/ dem Außerfiktionalen und der zeichenhaften und fiktionalen Repräsentation demonstrativ ein Text vollzogen wird.

2. Der klecksende Autor. Kater Murr und E.T.A. Hoffmann

Im Folgenden werde ich erläutern, inwiefern in Hoffmanns Roman Lebens-Ansichten des Katers Murr über die Figur des Herausgebers und des Autors Murr eine Zone der Liminalität zwischen Fiktion und außerhalb ihrer liegender Wirklichkeit erzeugt wird. Eine Beschreibung dieses performativen Aktes über den Begriff der Geste meint also zunächst eine textuelle Erzeugung dieser Zone des Übergangs, in der die Grenzen des Textes und die Grenzen von Fiktion und Wirklichkeit hinterfragt werden. Im nächsten Unterpunkt mache ich deutlich, dass diese performative Geste jedoch unbedingt zugleich in ihrer körperlichen Dimension, im Sinne der Schreibgeste, verstanden werden muss. Schließlich eröffnet sich damit eine Perspektive auf den Roman, die es auch gerade im größeren Kontext von Hoffmanns literarischem Schaffen ermöglicht, die Frage der Rezeption frühromantischer Formkonzepte im Roman Lebens-Ansichten des Katers Murr mit dem Fokus auf die Dimensionen von Performativität und Momenten einer Materialästhetik bei Hoffmann neu zu bewerten.25

2.1 Die textuelle Erzeugung des Autors Murr aus dem Liminalen: Zwischen Wirklichkeit und Fiktion

Hoffmanns Roman Lebens-Ansichten des Katers Murr nebst fragmentarischer Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler in zufälligen Makulatur-Blättern beginnt paratextuell mit dem Titelblatt, das uns (in der Fassung der Erstausgabe) den Titel mit dem Zusatz: »herausgegeben von E.T.A. Hoffmann« präsentiert.26 Anschließend folgt das durch »E.T.A. Hoffmann« unterschriebene »Vorwort des Herausgebers«,27 das für eine fiktionstheoretische Analyse einige harte Brocken bereithält. Im Vorwort beschreibt der Herausgeber die desaströse Durchmischung der beiden durch den Titel des Romans bereits angekündigten Texte: der Autobiographie des Katers (die eigentlich allein abgedruckt werden sollte) und der Biographie des Kapellmeisters Kreisler, eines bereits gedruckten, jedoch unbekannten Werkes, das hier nun also, jedoch fragmentarisch, erneut abgedruckt wurde. Durch seine, des Herausgebers, Nachlässigkeit habe er diese Durchmischung erst nach der Absprache mit dem Verleger Dümmler und dem späteren Erhalt der Druckfahnen bemerkt und für die zukünftigen Leser des Textes die Kürzel »Mak.bl« (für »Makulaturblatt«) und »M.f.f.« (»Murr fährt fort«) zur Trennung der beiden Teile eingefügt. Den Autor Murr habe er persönlich »als einen Mann von angenehmen milden Sitten« kennengelernt und er sei zudem auf dem Bild, das den Umschlag ziert, »frappant getroffen«.28 Durch Nachforschung habe er herausgefunden, dass der Kater die bereits gedruckte Kreisler-Biographie zerrissen und als Unterlage und Löschpapier für seinen eigenen Text gebraucht haben musste. Obwohl die schlussendliche Verwirrung der beiden Teile im Roman auf die Nachlässigkeit des Herausgebers zurückzuführen ist, der seiner Lesepflicht zunächst nicht nachkam, fügt der Herausgeber noch einige Hiebe an die Setzer im Allgemeinen, und im Speziellen den Setzer dieses Romans an, dessen 14 Druckfehler von ihm aufgelistet werden. Diese Setzer- bzw. Druckerschelte setzt sich über die empörte Anmerkung des Herausgebers zu dem mitabgedruckten zweiten Vorwort Murrs fort, das eigentlich wegen seines unangemessenen prahlerischen Tons unterdrückt werden sollte.29

Der Herausgeber präsentiert sich hier nicht nur als unzuverlässig, sondern stellt zugleich durch seine spätere minuziöse Sichtung des Murr-Teils, in den er nachträglich einige spöttische Anmerkungen (sowie natürlich seine oben genannten Kürzel zur Trennung der Teile) eingefügt hat, gerade seine ursprünglich nicht erfüllte »Funktion als erster Leser« heraus.30 Diese sich selbst dementierende Setzung des Herausgebers, der seiner Rahmungsfunktion, indem er sie ausführt, zugleich nicht gerecht wird,31 werde ich im Folgenden jedoch eher als Hintergrund für die hinzutretende Frage nach der Fiktionalität von Herausgeber- und Autorschaft des Romans betrachten. Uwe Wirth beschreibt das Herausgebervorwort des Romans als eine »Zone intermédiaire«,32 in der »Realitätsversatzstücke« (die Nennung des realen und tatsächlichen Verlegers des Romans Dümmler, das Verzeichnis der tatsächlich im Roman zu findenden Druckfehler, die Unterschrift mit dem Namen des realen Autors, der Verweis auf die Umschlagzeichnung von Murr) und scheinbar eindeutig fiktionale Bezüge (die Autorschaft des dem Herausgeber bekannten Katers und die Geschichte von der Entstehung der Verwirrung von Murr- und Kreisler-Teil) Anteil an einer Bewegung »performativer Überblendungen« hätten.33 In dieser »Zone des Übergangs« werde der »Name des realen Autors in den Namen des fiktiven Herausgebers ›transfiguriert‹«,34 die fingierte Herausgeberschaft des realen Autors Hoffmann werde hier also in eine fiktive Herausgeberschaft verschoben.35 Eben dieses Verhältnis des ›Übergangs‹, der Schwelle, auf der eine Grenze zwischen realem Autor, fingiertem und fiktivem Herausgeber schwierig und vielleicht nicht widerspruchsfrei zu ziehen ist (worauf die sich widersprechenden Meinungen der Hoffmann-Forschung hindeuten),36 kennzeichnet den performativen Akt der Herausgeberschaft, mit dessen widersprüchlicher Existenz zwischen Fingiertheit und Fiktivität auch die Existenzebene des Autors – E.T.A. Hoffmanns wie Murrs – uneindeutig wird. Der Akt, in dem die fiktive Herausgeberschaft des Romans auch die Autorschaft des Kater Murrs erzeugt, fiktionalisiert zugleich den Autor E.T.A. Hoffmann zum Herausgeber.

Dieser Akt hat jedoch noch eine weitere Dimension als es allein aus dem Vorwort und der weiteren Lektüre des Romans hervorgeht, bei der man dem Kater den Status eines fiktionalen Autors zuschreibt – natürlich weil er eben ein Tier ist, aber auch unter der Bedingung, dass man die Herausgeberfiktion im Rahmen der literarischen Praxis um 1800 nicht als einen tatsächlichen Versuch der Authentifizierung des Erzählten, sondern gerade als einen spielerischen Hinweis auf den Versuch der Authentifizierung des Fiktionalen versteht.37 Diese Zuschreibung der eindeutigen Fiktionalität an den Autor Murr wird jedoch durch verschiedene Momente verkompliziert, bzw. ebenso uneindeutig, wie es bereits die Konfusion zwischen fiktivem Herausgeber Hoffmann und wirklichem Autor Hoffmann und die daraus erfolgende Erschaffung der Autorfigur Murr impliziert.

Am Ende des zweiten Teils des Romans, der 1820 und 1822 in zwei Teilen erschien, findet sich die »Nachschrift des Herausgebers«, in der dieser vom Tod des Autors Murr berichtet:

Am Schluß des zweiten Bandes ist der Herausgeber genötigt, den geneigten Lesern eine sehr betrübliche Nachricht mitzuteilen. – Den klugen, wohlunterrichteten, philosophischen dichterischen Kater Murr hat der bittre Tod dahingerafft mitten in seiner schönen Laufbahn. Er schied in der Nacht vom neunundzwanzigsten zum dreißigsten November nach kurzen, aber schweren Leiden mit der Ruhe und Fassung eines Weisen dahin. – So gibt es wieder einen Beweis, daß es mit den frühreifen Genies immer nicht recht fort will: entweder sie steigen in einem Antiklimax hinab zur charakter- und geistlosen Gleichgültigkeit und verlieren sich in der Masse, oder sie bringen es in Jahren nicht hoch. – Armer Murr! der Tod deines Freundes Muzius war der Vorbote deines eignen, und sollt ich dir den Trauersermon halten, er würde mir ganz anders aus dem Herzen kommen als dem teilnahmelosen Hinzmann; denn ich habe dich liebgehabt und lieber als manchen – Nun – schlafe wohl! – Friede deiner Asche! –38

Diese Todesanzeige, die – wie mehrmals in der Forschung bemerkt –39 nicht mehr den distanziert-höflichen Ton des Vorwortes und auch nicht den überheblich-spottenden Ton der Kommentare zu Murrs literarischen Ergüssen im Text aufweist, sondern mit eher liebevoll-zärtlichem Tonfall des verstorbenen ›Literaten‹ gedenkt, scheint einen anderen Herausgeber als zu Beginn einzuführen. Zumindest stellt sich das Verhältnis von Herausgeber und Autor Murr hier anders, ungleich intimer und sympathiegeprägter dar als zu Beginn. Diese Diskrepanz ist auch denjenigen Lesenden bemerkbar, die einen gewissen Hintergrund über das durch den wirklichen – briefeschreibenden, signierenden, im Kreise seiner Freunde sprechenden – Hoffmann inszenierte Verhältnis zu seinem Kater(-Autor) Murr nicht kennen. Auf dieses Verhältnis muss hier jedoch eingegangen werden, um deutlich zu machen, inwiefern die Frage von Faktualität und Fiktionalität und ihre performativ erzeugte Überblendung gerade über die Autorfigur Murr im und um den Roman herum aufgeworfen wird.

Es finden sich verschiedene Zeugnisse, die dieses interessante Verhältnis belegen. Da ist einmal der Brief, den Hoffmann am 1. Mai 1820 an seinen Freund Dr. Friedrich Speyer nach Bamberg schickte, in dem er diesem den Kater Murr als Autor und wirklichen Kameraden Hoffmanns ans Herz legt:

Ich empfehle Ihnen den höchst weisen und tiefsinnigen Kater Murr, der in diesem Augenblick neben mir auf einem kleinen Polsterstuhl liegt und sich den außerordentlichsten Gedanken und Fantasien zu überlassen scheint, denn er spinnt erkleklich! – Ein wirklicher Kater von großer Schönheit (er ist auf dem Umschlage des Buches frappant getroffen) und noch größerem Verstande, den ich auferzogen, gab mir nehmlich Anlaß zu dem skurrilen Scherz, der das eigentlich sehr ernste Buch durchflicht.40

In diesem Brief stellt Hoffmann sein ebenfalls »wirkliches« Haustier Murr als Vorbild bzw. Ideengeber für den Roman dar, auf dessen Umschlag er »frappant getroffen« sei.41 Man kann davon ausgehen, dass hier nicht zufällig dieselben Worte wie in dem Herausgebervorwort des Romans gewählt werden. Hoffmann betreibt hier – als künstlerischer Urheber der Vignetten – nicht nur Selbstlob, sondern nimmt spielerisch erneut die Rolle des Herausgebers des Romans ein, indem dem schnurrenden Kater Tiefsinnigkeit, Weisheit sowie außergewöhnliche Fantasien unterstellt werden, die ihn zum Romanautor befähigten. Freilich wird diese Einnahme der Herausgeberrolle und Schaffung der Autorfigur Murr hier als »skurriler Scherz, der das eigentlich sehr ernste Buch durchflicht«, bezeichnet. Dies trennt den Brief als Zeugnis der Verflechtung der Herausgeberrolle Hoffmanns und der Autorrolle Murrs von dem Herausgebervorwort, das sich ja nicht selbst als solchen Scherz bezeichnet. Aber hier wird deutlich: Über das Herausgebervorwort wird Hoffmann nicht nur zum Herausgeber fiktionalisiert, hier wird auch eine Fiktionalisierung des Haustiers Murr zum Autor Kater Murr vollzogen. Zudem wird diese Fiktion von Hoffmann auch außerhalb des Romans benannt und gar – auf eben diese scherzhafte, spielerische Weise – zu verwirklichen versucht.

Dies zeigt uns auch die textuelle Vorgeschichte der oben erwähnten Todesanzeige in der »Nachschrift des Herausgebers« an, die den Roman abschließt. Denn ihrer Einbindung in den zweiten Teil des Romans ging der wirkliche Tod von Hoffmanns Haustier Murr voran – und die Versendung dreier Varianten von Todesanzeigen an einige Freunde Hoffmanns. Bereits über die textuellen Veränderungen der zweiten Fassung der Anzeige zur dritten Fassung mit vorgedrucktem schwarzem Rahmen lässt sich ein »Vorgang der Literarisierung« herauslesen.42 Vor allem wird dieser deutlich über die Änderung im Satz »Wer den verewigten Jüngling kannte, wird meinen tiefen Schmerz gerecht finden [...]«. Dieser wird geändert zu: »Wer den verewigten Jüngling kannte, wer ihn wandeln sah auf der Bahn der Tugend und des Rechts, wird meinen Schmerz gerecht finden [...]«.43 Der neue Einschub, der sich auf die Romanlektüre bezieht, verbindet den Anlass des Todes von Hoffmanns Haustier, das ihm vielleicht zur Inspiration für den fiktiven Autor Murr gedient hatte, nun wirklich mit der Erinnerung an die erzählten Taten im Roman, als hätten diese die wirklichen Taten und das Leben des Haustiers Murr dargestellt und wären also von diesem verfasst worden.

Über einen weiteren Bearbeitungsschritt ist diese Todesanzeige dann in den Roman gelangt, innerhalb dessen sie dann nicht mehr so deutlich vom Schmerz des Herausgebers spricht, sondern diesen im Vergleich zur intimeren Äußerung der Todesanzeigen über Hoffmanns Schmerz eher erahnen lässt (»[...] ich habe dich lieb gehabt und lieber als manchen [...]«). Ohne auf diesen Vorgang, den Wulf Segebrecht als Ironisierung im Zuge der Literarisierung der Todesanzeige über den Tod des Haustiers Hoffmanns auffasst,44 hier weiter eingehen zu können, soll an dieser Stelle nur noch einmal betont werden: Wie der fiktive Herausgeber E.T.A. Hoffmann besitzt auch der Kater Murr einen fragwürdigen Status, der zwischen wirklichem Kater und fiktivem Autor über Texte performativ erzeugt wird. Murr muss als die Figur angesehen werden, über die Hoffmann die liminale Zone zwischen Fiktion und Realität spielerisch textuell austestet, in der er selbst mal zum Herausgeber der von Murr verfassten Autobiographie wird, mal andere Texte mit dem Namen Murr unterschreibt.45 Über die Todesanzeigen und den oben zitierten Brief an Speyer muss  geschlossen werden, dass dieser Vorgang nicht nur von einer scheinbar außerliterarischen Wirklichkeit aus in Richtung auf den literarischen Text als Fiktionalisierung vor sich geht, sondern auch vor dem Hintergrund der bereits geschehenen Fiktionalisierung im Sinne einer spielerischen ›Verwirklichung‹ angesehen werden kann.

Hier entsteht über die Aussagen zur Herausgeberschaft bzw. Autorschaft des Katers Murr und die Existenz des Haustiers Hoffmanns, zu dem dieser ein liebevolles Verhältnis hatte, eine liminale Zone zwischen einer ermeintlichen Ebene des Wirklichen (auf der Hoffmann Briefe und Todesanzeigen über den faktischen Tod seines Haustiers schreibt) und einer Ebene des Fiktionalen (auf der der Kater – und nicht Hoffmann, der zu seinem Herausgeber wird – eine Autobiographie schreibt).

Uwe Wirth zieht aus den geschilderten »performativen Überblendungen« zwischen Hoffmanns Autorschaft und fiktiver Herausgeberschaft, die die Autorfigur Murr erschaffen, den Schluss, dass hier »eine Konfusion von Rahmen und damit eine erhöhte Aufmerksamkeit für Rahmungen« entstehe,46 also eine Aufmerksamkeit für die Performativität des fiktionalen Textes, innerhalb dessen die Grenze zwischen seinem Außen und seinem Innen zur Schwelle wird. Im Sinne des oben eingeführten Begriffs der Performativität ist dies als Geste der fiktionalen sprachlichen Selbst-Erzeugung zu verstehen, innerhalb derer der Autor nicht mehr als vom textuellen Vollzug zu trennender, außertextueller und außerfiktionaler Urheber, begriffen werden kann. Eben darauf weisen die an Hoffmanns Texten festzustellenden Grenzüberschreitungen zwischen Fiktionalität und Faktualität hin. Dies muss gerade im vorliegenden Fall jedoch auch explizit als körperliche Schreibgeste verstanden werden, wie im Folgenden an verschiedenen handschriftlichen Zeugnissen, aber nicht zuletzt am Roman selbst gezeigt wird. Diese besondere körperliche Dimension der performativen Autorschaft bei Hoffmann ist bislang in der Forschung noch nicht hervorgehoben oder untersucht worden und steht in unmittelbarem Zusammenhang mit seinem zentralen poetologischen Konzept der Duplizität, wie ich abschließend erläutern werde.

2.2 Hoffmanns Kleckse – Murrs Kleckse. Die körperliche Geste des Liminalen

2.2.1 Murrs letzte Schriftzüge – das Quartblatt zur Todesanzeige

Der dritten, also bereits deutlich in den Schwellenraum zwischen Wirklichkeit und Fiktion
einführenden Todesanzeige über das Ableben seines Haustiers Murr an seinen Freund
Theodor Gottlieb von Hippel legte Hoffmann vermutlich ein Quartblatt bei, das einige ungestalte,
klecksartige Tintenverwischungen aufweist, unter denen die Worte »Kater Murr«
zu lesen sind (Abb. 1 + 2).

Abb. 1: Todesanzeige für den Kater Murr (dritte Fassung, Original)

Abb. 2: Quartblatt mit den Schriftzügen des Katers Murr

Vermutlich hat das Quartblatt als Umschlag für die Todesanzeige gedient. Dietmar Jürgen Ponert macht hier zudem tatsächlich die Angabe, Hoffmann habe die Kleckse mit der Pfote des Katers – entweder noch vor oder nach dessen Ableben – hergestellt, indem er sie in die Tinte steckte und über das Papier zog!47 Aber ob Hoffmann nun tatsächlich so weit ging, die Katzenpfote – lebendig oder tot – mit Tinte zu benetzen und über das Papier zu ziehen, ist letztlich nicht von Belang (im Übrigen sind auf dem Blatt Spuren von Fingerabdrücken zu sehen, die Ponerts These doch relativ deutlich widerlegen). Wichtig ist hier: Hoffmann erzeugt den Eindruck, die Tintenspuren könnten mit einer oder durch eine Katzenpfote entstanden sein, so wild, wie sie über das Blatt verteilt sind – wie eine Spur, die nur von der Bewegung eines Körpers zu zeugen vermag, der seine Hinterlassenschaft auf dem Papier weder auf bestimmte Weise geformt hat geschweige denn ihr einen bestimmten Sinn beigeben sollte. Zumindest lässt sich in diesen Spuren keine Schriftähnlichkeit erkennen, lassen sie keinerlei Absicht in der Art ihres ungeformten Erscheinens vermuten, die auf Zeichenhaftigkeit deuten würde. Und doch werden die Tintenkleckse, diese Spuren einer über das Blatt geführten Bewegung der Pfote oder Hand, als Signatur der Todesanzeige beigegeben. So zumindest wird ihre Bedeutung durch den lesbaren Zusatz »Kater Murr« nahegelegt, der auf widersprüchliche Weise ihre Existenz als bloße Kleckserei durch die eigene lesbare Schriftlichkeit zugleich bestätigt und ihnen eben die Qualität als Kater-Schrift attestiert. In diesem Sinne wirkt der Zusatz »Kater Murr« wie eine Übersetzung der Tintenkleckse in eine dem Menschen lesbare Schrift, können die Tintenspuren als Manifestierung einer kätzischen Handschrift verstanden werden. Dem Betrachter werden sie nicht lesbar durch den Zusatz »Kater Murr«, doch sie erhalten eine Bedeutung durch die Zuordnung zu ihrem Urheber, der in der Todesanzeige sowohl mit dem verstorbenen Haustier Hoffmanns wie auch mit dem fiktiven Verfasser der Lebens-Ansichten identifiziert wird. Den offensichtlichen Klecksspuren wird so eine Qualität als Schriftzeichen zugeeignet, die sie aufgrund der genannten vermeintlichen Ungeformtheit eigentlich vermissen lassen. Hier stellt sich erneut die Frage der Urheberschaft: Lässt man sich auf die Fiktion ein, so wäre zu fragen, welche Instanz den schriftlichen Zusatz »Kater Murr« eingefügt und uns damit eine Perspektive auf die Kleckse eröffnet hat, über die wir in diesen eine dem ungeübten menschlichen Auge unkenntliche Katerschrift erkennen oder zumindest erahnen können? Das Verhältnis von Kleckserei und schriftlichem Zusatz erinnert an das Verhältnis von fiktivem Herausgeber und Kater-Autor. Dem fiktiven Herausgeber der Lebens-Ansichten Hoffmann ist ebenfalls die Katerschrift lesbar geworden, er muss sie uns jedoch vermitteln – sie rahmen. Auf der anderen Seite ist gleichzeitig mit der fiktionalen Rezeptionsebene, die hier nahegelegt wird, auf lustige Weise offensichtlich: Es ist Hoffmann, der hier im wahrsten Sinne seine Hand im Spiel hat, die den Kater-Autor Murr inszeniert und ihn selbst zum Herausgeber seiner Schriften macht.

Hier findet nicht nur eine textuelle Überlagerung als performative Schichtung von Fiktion und Wirklichkeit statt: Einerseits bringt bereits der Zusatz der Tintenkleckserei des Quartblatts zur Todesanzeige die Wirklichkeit des verstorbenen Haustiers und die Fiktion des schreibenden Katers textuell zusammen. Zugleich wird ein Schriftzug hinzugefügt, der aus Tintenkleckserei wieder (Kater-)Schrift, aus dem toten Haustier den Autor Murr und aus Hoffmann den Herausgeber Hoffmann macht. Überdies liegt uns in den Tintenklecksen auch die explizite Spur einer Geste vor, die von der körperlichen und medialen Ausführung der textuellen Überlagerung von Fiktion und Wirklichkeit zeugt. Zu einer performativen Dimension, die von der Todesanzeige her zunächst im Sinne des selbst-ausführenden textuellen Spiels verstanden wird, innerhalb dessen ein urhebendes Subjekt und dessen außertextuelle Existenz im Text, in der Fiktion ›verschwimmen‹, tritt damit die Performativität der Verkörperung. Es ist die Körperlichkeit und Instrumentalität des Schreibens, die uns die Kleckse als a-semische und zugleich deutbare Phänomene an der Grenze zur Zeichenhaftigkeit vorführen. Es ist dies eine liminale Zone zwischen Ding und Zeichen, zwischen Realität und Fiktion, die am Klecks als Manifest ihrer gestischen Verkörperung im Sinne des »skurrilen Scherzes« Hoffmanns eröffnet wird. 

Trotz der Schemenhaftigkeit ihrer Zeichnung muss hier auch die Rückseite des Blattes einbezogen werden (Abb. 3, nächste Seite): Hier finden wir eine mit Bleistift angedeutete (Unter-)Schrift mit dem für Hoffmann typischen ausgreifenden Vollzugsstrich, der manchmal auch in einen Schreibmeisterschnörkel ausgeführt wurde. Zudem ist ein Profil angedeutet, ähnlich einem der vielen Hoffmannschen Selbstporträts, die er auch oft neben seine oder anstatt seiner Unterschrift setzte.48 In der Räumlichkeit des Blattes, über dessen Umkehr (denn wahrlich muss man das Blatt nicht nur wenden, sondern auch auf den Kopf stellen, um Porträt und Unterschrift von der richtigen Seite zu betrachten) wird wiederum das Verfahren des Romans aufgenommen: Murrs Klecks-Manuskript birgt auf der anderen Seite die Schrift Hoffmanns bzw. die Schrift des Biographen Kreislers. Murrs Kleckse treten keck hervor, während die Künstler-Unterschrift, bzw. die Künstler-Biographie nur als blasse Nebensache präsentiert wird. Beide ›Unterschriften‹ sind Seiten ein- und desselben Blattes – die Verknüpfung von Murr und Kreisler, innerhalb derer Murr als Ausgeburt des Humors eine karnevaleske Spiegelung der romantischen Künstlerfigur darstellt,49 scheint hier auf materialästhetische Weise aufgenommen zu werden.

Abb. 3: Quartblatt mit den Schriftzügen Murrs (Rückseite)

Abb. 4: Widmung E.T.A. Hoffmanns für Heinrich Meyer

2.2.2 Murrs Signatur – die Widmung

Ein weiteres Zeugnis stellt in diesem Zusammenhang ein Exemplar einer Erstausgabe des Romans dar, das Hoffmann seinem Arzt und Freund Dr. Heinrich Meyer mit einer eingeklebten Widmung schenkte (Abb. 4 oben).

Wir lesen hier die Widmung »Seinem verehrtesten Freunde Herrn Doktor H. Meier – der Verfasser«. Unterschrieben hat Hoffmann jedoch nicht – anstelle des Namens sehen wir einen Tintenfleck. Wieder scheint sich hier die ›Unterschrift‹ des Autors Murr zu zeigen. Indem Hoffmann nicht selbst als Autor des Romans unterschreibt, sondern einen Klecks in den Schreibschnörkel platziert, wo eigentlich seine Unterschrift Platz gehabt hätte, schließt er sich wie im vorigen Beispiel an die Fiktion des tintenklecksenden Katerautors an und erweitert die Herausgeberfiktion humorvoll in die Realität.

Der Tintenfleck, der anstelle der Unterschrift in den Bogen des weitläufigen Schreibschnörkels platziert wurde, ist jedoch im Vergleich zu den ›letzten Schriftzügen Murrs‹ geformter und stellt gerade diesen Anschein eines bearbeiteten Artefaktes aus: Denn er wurde selbst durch Elemente der Schrift, durch Pünktchen und Striche versehen. Indem dem Fleck Schriftelemente zugeordnet werden, erfährt er in gewisser Hinsicht eine Individualisierung, derentwegen er einer näheren Betrachtung wert erscheint und dieser Betrachtung Gewichtigkeit heischend entgegentritt. Auch hier liegt der Scherz in der offensichtlichen Tatsache, dass wir einen Fleck vor uns haben, der aber der Schrift zugeordnet und im vorliegenden Fall sogar ähnlich gemacht wird. Die Setzung eines solchen ›Fleck-Individuums‹ anstelle einer Unterschrift scheint man insofern einerseits – weil es eben ein Fleck ist – als Subvertierung der Aneignung des Geschriebenen durch ein Autorsubjekt ansehen zu müssen. Zugleich ist dies eine Geste, die das Geschriebene doch als der eigenen Autorschaft zugehörig ausweist und authentifiziert, weil der Fleck ja eindeutig ›individualisiert‹ wurde. Der ›individualisierte Fleck‹ Murrs weist damit also auch auf die Individualität der Signatur hin, mit der sich ein Individuum vor dem Hintergrund des »Aufstieg[s] der Unterschrift zum Distinktionskriterium eigener Persönlichkeit und Identität« authentisch äußert und ausdrückt.50 Dem vorliegenden Fleck, so scheint es, sollte der Anschein einer solchen unverwechselbaren Eigenheit und Authentizität gegeben werden – und doch ist und bleibt er ein Fleck.

Sieht man ihn aber als solchen an – als beabsichtigten Abdruck, der durch die Benetzung einer Extremität wie der Hand oder im vorliegenden Fall der Pfote mit Farbe und ihr Auflegen auf einem Untergrund entstanden ist: dann weist der Fleck, der hier die Unterschrift ersetzt, gerade auf deren Ursprünge hin, auf die sie über das »Dispositiv des Abdrucks« zurückweist.51 Der Ursprung der Unterschrift kann innerhalb einer Geschichte der Urheberzeichen auf die Erzeugung von Körperspuren – als Aufdruck oder Eindruck – zurückgeführt werden.52 Die Unterschrift als Urherberzeichen lässt sich insofern als ein substituierender Abdruck einer Person auf einem Schriftstück verstehen, womit entweder ein Beschluss vollzogen oder ein Text angeeignet wird. Die Unterschrift ist ein Körperzeichen, das zugleich über seine Unverwechselbarkeit Individualität ausdrücken soll. Dies erlangt im 18. Jahrhundert noch einmal eine spezifischere Bedeutung im Kontext der physiognomischen Fragmente Johann Caspar Lavaters und der sich entwickelnden Graphologie, die in der Handschrift Persönlichkeitsmerkmale zu entdecken sucht.53 In derselben Zeit entsteht der moderne Autorbegriff, der, wie die oben erwähnte Studie Uwe Wirths zeigt, sich jedoch gerade über die fiktive Herausgeberschaft herausbildet.54 Hoffmanns Klecks-Signatur scheint dies noch einmal zu spiegeln: Hoffmann schreibt als er selbst die Widmung an seinen Freund Meyer, unterschreibt jedoch mit dem Klecks, der dem fiktiven Autor Murr zugeordnet werden kann. Er subvertiert sowohl die Autorsignatur, die das Verfasste seiner geistigen Urheberschaft zuordnet, als auch den Gedanken der authentischen Spiegelung seiner Individualität in dieser Unterschrift. Im ›individualisierten‹ Fleck erinnert er sowohl an die instrumentelle Verfeinerung des Körperabdrucks in der Handschrift, als auch an den Körperabdruck selbst. Damit wird hier das Faktum der Inkorporation aller geistiger Ausdrucksabsicht im Schreibakt thematisiert. Was aus dem Quartblatt mit ›Murrs letzten Schriftzügen‹ geschlossen wurde, gilt hier vielleicht noch deutlicher: Der Klecks markiert die Schwellenzone, in der Ding und Körper mit dem Zeichen, in der außertextuelles und -fiktionales Subjekt und fiktionaler Text über die Geste des Schreibens verfließen.

2.2.3 Murrs Autorschaft: Lust am Papier, Kleckserei, Materia peccans

a) Kleckserei versus (Druck-)Schrift, versus Typographie

Der Klecks, dessen poetologische Relevanz im Kontext des Romans über die hier gezeigten handschriftlichen Zeugnisse Hoffmanns deutlich wird, ist nicht zuletzt im Roman selbst das zentrale schöpferische Motiv. Im Begriff der Makulatur wird es uns zunächst über den Titel des Romans präsentiert und über das Herausgebervorwort in die Entstehungsfiktion des vorliegenden Doppelromans eingebunden. Der in jener Zeit im Buch- und Papierhandel bereits gängige Begriff bezeichnet Papierabfall, der etwa in befleckten, unleserlichen Druckexemplaren oder unverkäuflicher, das heißt entweder schlechter oder aus anderen Gründen unbeliebter Literatur besteht, die als Verpackungsmaterial, für Papiertapeten oder anderweitig verwendet wird. ›Makulatur‹ ist abgeleitet von lat. macula, dem Fleck.55 Die ›Makulaturblätter‹ des vorliegenden Romans sind Papierabfall, den der Kater als solchen deklarierte: Er bemächtigte sich des fremden Textes und verwendete ihn schlicht als Makulatur, die er zerriss, bekleckste, und mit seinem eigenen Text überschrieb.

Diese Schreib-Szene, in der der Kater sich des Papiers bemächtigt, mit ihm in einer gewaltsamen Geste verfährt, es mit Tinte benetzt, wird so von vornherein über Titel und Herausgebervorwort als Schöpfungsszene des vorliegenden Textes ins Bewusstsein des Lesers gehoben. Damit wird gerade die Materialität des Textes betont – ein Stück Makulatur ist eigentlich wertloses Papier, bloßes Material, das gerade keinen geistigen Wert mehr besitzt. In der Fiktion von Hoffmanns Roman wird dieses Material, das zerfetzte Papier, wieder Teil des Textes. Innerhalb dieser Fiktion ist der Text damit nicht mehr rein inhaltlich bestimmt, er wird zugleich als papiernes Material ins Bewusstsein gehoben. Derart erhält die Makulatur, der unlesbar gewordene Klecks, einen ästhetischen Wert in Hoffmanns Roman, wird strukturell und inhaltlich bestimmend. Die Kleckserei – etymologisch auch als lautmalerischer Begriff des Vorgangs des Zerreißens und Zerteilens identifizierbar –56 erzeugt die Vermischung der beiden Romanteile, die die Einschübe des Herausgebers (»Mak.bl.« und »M.f.f.«) noch einmal betonen anstatt sie aufzuheben.57 Mit diesen Einschüben des Herausgebers gibt sich dieser überdies als Bevollmächtigter über den letztendlichen Text – den Drucktext, seine ideale Form – zu erkennen.58 Diese Position ist freilich nicht nur durch die ursprüngliche Unzuverlässigkeit des Herausgebers, sondern noch einmal durch den unzuverlässigen Drucker gebrochen, der weitere Fehler in den Text gestreut und auch das zweite Vorwort Murrs mitabgedruckt hat. Vor allem jedoch wird die ideale druckschriftliche Form, die der Verantwortung der Zusammenarbeit von Herausgeber und Drucker unterliegt, durch die vorangegangene Kleckserei und Reißerei des Katers gebrochen, dessen Klecks-Schrift sich in die Druckfassung des Romans fortsetzt.59 In der Druckschrift müssen diese Bruchstellen typographisch wiedergegeben werden, müssen die Einschübe des Herausgebers sie bestätigen.

Interessanterweise haben spätere wirkliche Herausgeber es dem fiktiven Herausgeber des Romans, der die Bruchstellen durch seine Einschübe zu glätten versucht, unreflektiert nachgetan! Beim Einsetzen des ersten ›Makulaturblattes‹, das die Lesenden unmittelbar in ein Gespräch zwischen Meister Abraham und Johannes Kreisler hineinwirft, finden sich in heutigen Ausgaben (mit Ausnahme der Sämtlichen Werke der Herausgeber Wulf Segebrecht und Hartmut Steinecke)60 und ebenso in der sich selbst als ›historisch-kritische Ausgabe‹ bezeichnenden Edition von Carl Georg von Maassen zunächst die doppelten Anführungsstriche und zusätzlich ein einfacher Anführungsstrich, die als typographische Lesehilfe dienen:

(Mak. Bl.) »›– – und erinnern Sie sich, gnädigster Herr, denn nicht des großen Sturms, der dem Advokaten, als er zur Nachtzeit über den Pontneuf wandelte, den Hut vom Kopfe herunter in die Seine warf? – Ähnliches steht im Rabelais, doch war es eigentlich nicht der Sturm, der dem Advokaten den Hut raubte [...].61

Nur durch diese typographische Kennzeichnung können wir direkt verstehen, dass wir hier das Zitat eines Gespräches innerhalb eines Gesprächs zu lesen beginnen (was wir sonst erst im weiteren Verlauf des Textes erkennen könnten). Derart hat hier ein pfiffiger Herausgeber eine typographische Rahmung vorgenommen, die ursprünglich keinesfalls beabsichtigt war. Denn in der Erstausgabe finden sich diese Anführungsstriche nicht.62 Dies hat den einfachen Grund, dass solche Anführungsstriche die Fiktion der sich im vorliegenden Kater-Manuskript unvermittelt durchbrechenden Texte stören – das Fragment des durch den Meister Abraham erzählten Gesprächs mit dem Fürsten, von dem er wiederum Kreisler berichtet, würden natürlich keine vorangestellten doppelten und einfachen Anführungsstriche einleiten. Die raffinierte Schachtelung dieses ersten Makulatur-Blattes führt zudem eine weitere Zitatebene über eine (versteckt) zitierte Textstelle aus Sternes Sentimental Journey through France and Italy ein, in der ein François Rabelais zugeschriebenes Makulatur-Blatt auftaucht.63 Damit wird hier auf die durchgehende, mal explizite, mal implizite Intertextualität des Romans (sowohl im Murr- als auch im Kreisler-Teil) verwiesen.64

Diese wiederum selbstreferentiell auf das Verfahren und auf das Materialbewusstsein des Textes zielende Einführung des Kreisler-Teils wird durch die eingefügten Anführungsstriche typographisch zu tilgen versucht. Gerade durch die Unreflektiertheit dieser Entscheidung späterer Herausgeber zeigt sich hier eine höchst komische Fortführung der Poetik des Romans, innerhalb derer sich diese Versuche als vergeblicher druckschriftlicher bzw. typographischer Vereinheitlichungsdrang darstellen, durch den die Gebrochenheit des vom Kater zerrissenen und beklecksten Textes hindurchdringt. Über diese unreflektierten Eingriffe, mit denen spätere Herausgeber unbewusst ihren Vereinheitlichungsdrang am Katertext offenbaren, bestätigt sich noch einmal die These Sarah Kofmans, der Roman stelle die Schrift als eine Praxis aus, mit der sich der Mensch paranoisch zu veredeln suche (›Aufpfropfung‹).65Eben diese Veredelungspraxis spiegelt Murrs Aneignung der Schrift, die ihm wiederum das paranoische Misstrauen der Menschen einbringt (wie mehrmals im Roman erzählt). Gerade dieses Eindringen der animalischen Schrift in die menschliche Schrift, die die Struktur des Romans bestimmt, weist auf die immer schon sich in der Schrift entziehende Urheberschaft und damit auf die Ursache der menschlichen Paranoia im Angesicht des schreibenden Katers hin. Insofern ist die Kleckserei, die Spaltung der Schrift, als die Schreibgeste des Tieres zu betrachten, die die Verschiebung eines vermeintlichen ›schöpferischen Geistes‹ über Sprache, Körperlichkeit und Instrumentalität im Akt des Schreibens vorführt.

b) Murrs Schreiblust

Dies ist zudem ein sinnlich genießerischer Akt, und das betont der Kater Murr schon lange vor Roland Barthes in seinen Variations sur l’écriture. So erklärt uns Murr seinen Drang zum Schreiben gerade aus seiner ›Materiallust‹ heraus. Auch hier wird diese als ein subversives Eindringen des Tieres in die Aura der Bedeutsamkeit eingeführt, die die Schrift innerhalb der Identitätskonstruktion des Menschen erhält. Diese Bedeutsamkeit übt gerade aber eine körperliche Anziehungskraft auf Murr aus:

Nichts zog mich in des Meisters Zimmer mehr an, als der mit Büchern, Schriften und allerlei seltsamen Instrumenten bepackte Schreibtisch. Ich kann sagen, dass der Tisch ein Zauberkreis war, in dem ich mich gebannt fühlte, und doch empfand ich eine gewisse heilige Scheu, die mich abhielt, meinem Triebe ganz mich hinzugeben. Endlich eines Tages, als eben der Meister abwesend war, überwand ich meine Furcht und sprang herauf auf den Tisch. Welche Wollust, als ich nun mitten unter den Schriften und Büchern saß, und darin wühlte. Nicht Mutwille, nein nur Begier, wissenschaftlicher Heißhunger war es, dass ich mit den Pfoten ein Manuskript erfasste, und so lange hin und her zauste, bis es in kleinen Stücken zerrissen vor mir lag.66

Etwas später, und nach der Bestrafung durch seinen Herrn Meister Abraham, kann es der Kater nicht lassen und wiederholt das Wagnis:

Kaum war der Meister fort, so sprang ich mit einem Satz auf den Schreibtisch und legte mich hinein in die Schriften, welches mir ein unbeschreibliches Wohlgefallen verursachte.67

Die Aura von Schrift und Gelehrsamkeit lässt den Kater sich dem Schreibtisch immer wieder nähern und zwischen einem körperlichen Drang nach dem Kontakt mit der Schrift und einem ehrfürchtigen Zaudern schwanken. Schließlich siegt die körperliche Anziehungskraft, er springt mitten hinein in die Schriften, wirbelt sie umher, zerreißt sie gar in seiner Lust. Beim nächsten Mal ist er schon gebändigter und liegt nur wohlgefällig im Papier, wie es sich andere Kater vielleicht zwischen Sträuchern und Gräsern bequem machen. Das körperliche Gefallen am Kontakt mit dem Papier wird der Kater bald in seinen Schreibübungen vertiefen. Dieser körperliche Genuss ist das Initiationserlebnis, das den Kater zur Feder greifen lässt; bald beschreibt er, welche Strapazen ihm das Schreiben mit Feder und Tinte zu Beginn bereitet:

Ich mußte eine andere dem Bau meines rechten Pfötchens angemessene Schreibart erfinden. [...] Eine zweite böse Schwierigkeit fand ich in dem Eintunken der Feder in das Tintenfaß. Nicht glücken wollt es mir nämlich, bei dem Eintunken das Pfötchen zu schonen, immer kam es mit hinein in die Tinte, und so konnte es nicht fehlen, daß die ersten Schriftzüge, mehr mit der Pfote, als mit der Feder gezeichnet, etwas groß und breit gerieten. Unverständige mochten daher meine ersten Manuskripte beinahe nur für mit Tinte beflecktes Papier ansehen. Genies werden den genialen Kater in seinen ersten Werken leicht erraten, und über die Tiefe, die Fülle des Geistes[...] erstaunen [...].68

Die Körperlichkeit der Schreibgeste wird uns hier in verfremdeter Form als Schreiben mit der Pfote vorgeführt. Es ist ein anstrengender Versuch, das angepasste Schreibgerät durch die Tinte und diese dem Willen nach in feinen Linien über das Papier zu führen, den Körper gleichsam über das Instrument zu verlängern und selbst zu instrumentalisieren, was dem Kater nicht gleich gelingen will – die Schrift bleibt eine Katerschrift, sie besteht aus dicken Strichen, die den Einfluss des Körpers auf diesen Willensakt verraten. Etwas geübter, drückt der Kater doch später durchaus auch beim Schreiben seine körperliche Lust aus. Dies erfahren wir über den Bericht des Professors für Ästhetik Lothario, der den Kater eben in einem solchen Moment der Inspiration gesehen haben will:

Ich […] nahm einige Dachziegel herab, so daß ich mir die freie Aussicht in Eure Dachluke verschaffte. Was gewahrte ich! […] In dem einsamsten Winkel des Bodens sitzt Euer Kater! – sitzt aufgerichtet vor einem kleinen Tische, auf dem Schreibzeug und Papier befindlich, sitzt und reibt sich bald mit der Pfote Stirn und Nacken, fährt sich übers Gesicht, tunkt bald die Feder ein, schreibt, hört wieder auf, schreibt von neuem, überliest das Geschriebene, knurrt (ich konnte es hören), knurrt und spinnt vor Wohlbehagen. – Und um ihn her liegen verschiedene Bücher, die, nach ihrem Einband, aus Eurer Bibliothek entnommen.69

Als Leser vollziehen wir über den empörten Bericht des Professors für Ästhetik gerade den Genuss des Katers im Kontakt mit Papier, Schreibgerät und Tinte nach. Es wird hier, so könnte man mit Roland Barthes schließen, der Akt des Lesens als Nachvollzug des genussvollen Schreibakts über die Perspektive des Katers evoziert. Wir werden darauf gestoßen, dass sich unser Akt des Lesens »auf den Spuren dessen, der schreibt« bewegt: »vom geschriebenen Wort kann ich zurückgreifen auf die Hand, den Muskel, das Blut, den Trieb, die Kultur des Körpers, seinen Genuss.«70 Wir werden aufmerksam auf die, hier animalische, Körperlichkeit, den Einfluss von Material und Instrument, die Kulturalität der Schreibgeste, die jedem Schreibakt eignet – und die der Kater sich erst an-eignet und seiner Anatomie gemäß modifiziert. Der Schreibakt des Katers zeigt vor allem das Entstehen des Textes aus diesem performativen Zusammenspiel von Körper, Instrument und Material heraus, das von Anfang an einen sinnlichen Genuss bedeutet.

Murr selbst beschreibt seinen Schreibdrang als das Drängen einer Materia peccans, die er mit seinen erhabenen Ergüssen aus dem Körper entlassen muss:

Ich kehre zurück an den Schreibtisch, mir ist besser. – Aber wovon das Herz voll ist, davon geht der Mund über und auch wohl der Federkiel des Dichters! – Ich hört einmal den Meister Abraham erzählen, in einem alten Buche stände etwas von einem kuriosen Menschen, dem eine besondere Materia peccans im Leibe rumorte, die nicht anders abging als durch die Finger. Er legte aber hübsches weißes Papier unter die Hand und fing so alles, was nur von dem bösen rumorenden Wesen abgehen wollte, auf und nannte diesen schnöden Abgang Gedichte, die er aus dem Innern geschaffen. Ich halte das Ganze für eine boshafte Satire, aber wahr ist es, zuweilen fährt mir ein eignes Gefühl, beinahe möcht ich’s geistiges Leibkneifen nennen, bis in die Pfoten, die alles hinschreiben müssen, was ich denke. – Eben jetzt geht’s mir so –71

Hier haben wir einen sehr deutlichen Verweis auf die satirische Dimension dieser humoralpathologischen Begründung der kätzischen Schriftstellerei – und letztlich hat ja auch die satirische Dimension der Katerfigur Anlass zu den meisten ihrer Deutungen gegeben, die im Kater den unverständigen und zudem plagiierenden (eben klecksenden!)72 Philister oder den lachhaften Burschenschaftler erkannten.73 Murr selbst erkennt hier bereits den satirischen Impetus der Geschichte über die Materia peccans, die einen Tintenstrom in Gedichte münden lässt – und lässt sie dennoch stehen. Murrs »geistiges Leibkneifen« ist durchaus als poetologisches Gründungsmoment des Romans zu sehen, das innerhalb von Hoffmanns Poetik einen festen Ort hat.

3. Fazit und Ausblick: Die Geste des Liminalen (Duplizität), Tintenklecks und Hieroglyphe

Das Schreiben, das als Geste des Liminalen Körper und Geistiges über die Instrumentalität gerade zu einem »Ensemble« verbindet, versetzt Außertextuelles und Textuelles, Außerfiktionales und Fiktionales in einen unauflösbaren Austausch. Es ist die unauflösbare Interdependenz von Fiktion und Realität, von ›Innerem‹ und ›Äußerem‹, deren humorvolle künstlerische Bearbeitung Hoffmann auch oftmals in seinem Begriff der Duplizität zu fassen versuchte.74 Die Geste des Schreibens erzeugt aktiv dieses Zusammenspiel und thematisiert es zugleich. Hoffmanns Erzählungen – von den Aufzeichnungen eines »reisenden Enthusiasten« über die Nachtstücke, die Erzählungen der Serapions-Brüder (die den Begriff der Duplizität explizit einführen) und viele mehr – betreiben und reflektieren dieses Ineinander von fiktionaler und außerfiktionaler Welt immer wieder. Wie auch die Analyse in diesem Aufsatz zeigte, ist es gerade der Humor, durch den diese Interdependenz literarisch bearbeitet wird. Die körperliche Performativität dieses poietischen Vorgangs wird nicht nur im literarischen Text über die Schreib-Szenen des Katers Murr und die Rahmung des Herausgebervorworts nahegelegt, sie zeigt sich auch an Hoffmanns handschriftlichen Zeugnissen, die diese materialästhetisch ausagieren.

Damit legt die Untersuchung des Romans Lebens-Ansichten des Katers Murr und der genannten handschriftlichen Zeugnisse Hoffmanns nahe, dass hier ein Begriff der Autorschaft erzeugt wird, der nicht nur in der Selbst-Ausführung des fiktionalen Textes aufgeht und hier die Grenze zwischen außertextuell und innertextuell zu fassendem Subjekt verschiebt. Hier wird ein dieses textuelle Spiel fokussierender prozessualer Textbegriff, wie er bereits in der Frühromantik entstanden ist, verarbeitet. Dabei wird gerade die Körperlichkeit und Medialität dieses Aktes sowohl im Roman thematisiert als auch in auf diesen bezugnehmenden handschriftlichen Zeugnissen Hoffmanns materialästhetisch aufgeführt.

Dieser Konflikt – die Diskrepanz und gleichzeitige Zusammenkunft – von frühromantischen Begriffen der poetischen textuellen Form und einer über die textuelle Form hinausgehenden Materialästhetik stellt das zentrale poetologische Moment des Romans Lebens-Ansichten des Katers Murr dar. Die romantische Arabeske – eine verschlungene, nicht »idealisch schöne, aber doch eine Form«75 – trifft auf den Tintenklecks, die Unform, die bloße Materialität, die sich gestaltlos den Sinnen darbietet. Erinnern wir uns an Murrs Stolz über seine ersten Schriftzeichen:

Unverständige mochten daher meine ersten Manuskripte beinahe nur für mit Tinte beflecktes Papier ansehen. Genies werden den genialen Kater in seinen ersten Werken leicht erraten, und über die Tiefe, die Fülle des Geistes [...] erstaunen [...].76

Wird also nicht doch der Klecks auf gewisse Art und Weise lesbar, bildet eine Schrift, einen Text? Sind Murrs Kleckse nicht doch Hieroglyphen, Ausdruck eines schöpferischen Prinzips, das hinter ungeformt anmutenden, aber doch organisch gewachsenen Gestalten zu erahnen ist? Und lässt sich nicht doch der ganze Roman im Sinne einer »künstlich geordneten Verwirrung« begreifen,77 indem man aus ihm eine komplexe zeitliche Ordnung herausliest, die Murr- und Kreisler-Teil vereint?78

Der Drang, hier eine ursprüngliche Ordnung im Sinne eines progressiven, arabesken poetischen Textes nach Friedrich Schlegel zu erkennen und die Motivik der Kleckserei dabei als deren Vehikel anzusehen, erscheint aufgrund der narrativen Ordnung des Romans als der ›richtige Pfad‹ und doch zugleich verfehlt. Man muss hier letztlich den Schluss ziehen, dass über Tintenklecks und Arabeske zwei Formfiktionen enggeführt werden, die sich zugleich gegenseitig ausschließen. Der Tintenklecks impliziert in einem negativen Verständnis Unlesbarkeit, vollkommene Ungestalt, bloße Materialität – die Arabeske aber gerade als Unlesbares ›höhere Lesbarkeit‹, geformte Ungeformtheit, reflektierte Form. Hoffmann nimmt dieses Formverständnis auf, das Ordnung an der Grenze zur Unordnung gerade als eine tiefere Ordnungsstruktur einführt und textuelle Form als Progression begreift. Zugleich zeigt er die Tendenz dieses Formverständnisses zum Ordnungsverlust auf, indem er mit dem Tintenklecks eine ›Unformfiktion‹ einführt, die sich nicht mehr nur am Rande der Unordnung, sondern geradewegs in diese hineinbewegt. Hier wird das textuelle, das Subjekt vor sich herschiebende Formspiel zum Materialspiel im wahrsten Sinne: Zum performativen Akt mit Tinte, Feder, Papier und – Pfote. Die Grenzbewegung zwischen Ordnung und Unordnung wird sinnlich (un-)fassbar, vollzieht sich im Akt des Schreibens zwischen Körper, Medium und Zeichen.

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Todesanzeige für den Kater Murr (dritte Fassung, Original).
http://www.nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:22-dtl-0000027211; zuletzt abgerufen am 16.01.2018. Staatsbibliothek Bamberg, Sign.: EvS.G H 4/2

Abbildung 2: Quartblatt mit den Schriftzügen des Katers Murr.
http://www.nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:22-dtl-0000027202; zuletzt abgerufen am 16.01.2018. Staatsbibliothek Bamberg, Sign.: EvS.G H 4/1

Abbildung 3: Quartblatt mit den Schriftzügen des Katers Murr (Rückseite).
http://www.nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:22-dtl-0000027202; zuletzt abgerufen am 16.01.2018. Staatsbibliothek Bamberg, Sign.: EvS.G H 4/1

Abbildung 4: Widmung E.T.A. Hoffmanns für Heinrich Meyer.
http://www.nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:22-dtl-0000027502; zuletzt abgerufen am 16.01.2018. Staatsbibliothek Bamberg, Sign.: Sel.229-c(1#enthalten der Verfasser; [Adressat:] Herrn Doctor H. Meier)

  • 1. John Langshaw Austin: How to do things with words. Oxford 1962, S. 22.
  • 2. Vgl. zu den sprachphilosophischen und im engeren Sinne literaturtheoretischen sowie kulturwissenschaftlichen und medientheoretischen Debatten um den Performativitätsbegriff die genaue und differenzierte Darstellung bei Uwe Wirth: »Der Performanzbegriff im Spannungsfeld von Illokution, Iteration und Indexikalität«. In: Ders. (Hg.): Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften. Frankfurt / M. 2002, S. 9–62.
  • 3. Roland Barthes: »Der Tod des Autors«, aus dem Französischen von Matías Martínez. In: Uwe Wirth (Hg.): Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften. Frankfurt / M. 2002, S. 104–110, hier S. 105.
  • 4. Ebd., S. 107.
  • 5. Ebd., S. 108; Jacques Derrida: »Signatur Ereignis Kontext«. In: Ders.: Limited Inc. Wien 2001, S. 15–45, hier S. 32.
  • 6. Barthes: »Der Tod des Autors« (Anm. 3), S. 107
  • 7. Ebd., S. 104.
  • 8. Ebd., S. 104, S. 105.
  • 9. Vgl. hierzu auch Barthes’ Aufsatz Schriftsteller und Schreiber, in dem er die Intransitivität des Schreibaktes betont. Barthes: »Schriftsteller und Schreiber«, in: Ders.: Literatur oder Geschichte. Übers. von Helmut Scheffel. Frankfurt / M. 1969, S. 44–53, hier S. 50.
  • 10. Vgl. zu dieser Kontextualisierung der verschiedenen Schriften Barthes’ das Kapitel »Der Herausgeber im Kontext der Debatte um den Tod des Autors« in Uwe Wirths Studie Die Geburt des Autors aus dem Geist der Herausgeberfiktion, an das ich mich hier anlehne, dessen Perspektive ich jedoch im Folgenden über den Begriff der Geste erweitere. Wirth bringt in seinem Kapitel diese verschiedenen Texte Barthes’ zum Akt des Schreibens im Sinne einer Kontextualisierung der Debatte um den Tod des Autors mit der Frage nach dem Herausgeber und dem Performativitätsbegriff argumentativ zusammen. Uwe Wirth: Die Geburt des Autors aus dem Geist der Herausgeberfiktion. Editoriale Rahmung im Roman um 1800 (Wieland, Goethe, Jean Paul, E.T.A. Hoffmann). München 2008, S. 19–27.
  • 11. Roland Barthes: Variations sur l’écriture/Variationen über die Schrift. Französisch – Deutsch. Übersetzt von Hanns-Horst Henschen. Mit einem Nachwort von Hanns-Josef Ortheil. Mainz 2006, S. 7.
  • 12. Ebd., S. 157.
  • 13. Vgl. die Ausführungen hierzu bei Wirth: Die Geburt des Autors aus dem Geist der Herausgeberfiktion (Anm. 10).
  • 14. Bei seiner mit dem Konzept des »Gestus des Schreibens« verbundenen Ablehnung eines Schriftbegriffs, der diese als Transkription mündlicher Sprache fasst, bezieht sich Barthes indirekt, aber relativ deutlich auf André Leroi-Gourhans Werk La geste et la parole, in dem Leroi-Gourhan die Entstehung des Graphismus aus der visuellen Sprache der Hand annimmt, sodass seine Entstehung aus dem Laut angezweifelt wird. Vgl. André Leroi-Gourhan: La Geste et la parole. Paris 1964, S. 270. Vgl. die entsprechende Stelle bei Barthes und die Anmerkung des Übersetzers Hanns-Horst Henschen: Barthes: Variations sur l’écriture/Variationen über die Schrift, S. 50f.
  • 15. Vilém Flusser: »Die Geste des Schreibens«. In: Sandro Zanetti (Hg.): Schreiben als Kulturtechnik. Grundlagentexte. 2. Auflage. Frankfurt / M. 2015, S.261–268, hier S. 261f.
  • 16. Vgl. zum weiteren Forschungskontext dieses Nachdenkens über Schrift nach Roland Barthes die Einleitung bei Jutta Müller-Tamm, Caroline Schubert u. Klaus Ulrich Werner (Hg.): Schreiben als Ereignis. Künste und Kulturen der Schrift. Paderborn 2018, S. 1–16.
  • 17. Vgl. Sybille Krämer, Eva Cancik-Kirschbaum u. Rainer Totzke (Hg.): Schriftbildlichkeit. Wahrnehmbarkeit, Materialität und Operativität von Notationen. Berlin 2012; Sybille Krämer: »Aisthesis und Operativität der Schrift. Über ›Schriftbildlichkeit‹«. In: Jutta Müller-Tamm, Caroline Schubert u. Klaus Ulrich Werner (Hg.): Schreiben als Ereignis. Künste und Kulturen der Schrift. Paderborn 2018, S. 17–34; Sybille Krämer: »›Schriftbildlichkeit‹ oder: Über eine (fast) vergessene Dimension der Schrift«. In: Dies. u. Horst Bredekamp (Hg.): Schrift, Bild, Zahl. München 2003, S. 157–176.
  • 18. Sybille Krämer: »Sprache – Stimme – Schrift: Sieben Gedanken über Performativität als Medialität«. In: Uwe Wirth (Hg.): Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften. Frankfurt / M. 2002, S. 323–346, hier S. 323ff; vgl. hierzu auch Sybille Krämer: »Was haben Performativität und Medialität miteinander zu tun? Plädoyer für eine in der ›Aisthetisierung‹ gründende Konzeption des Performativen. Zur Einführung in diesen Band«. In: Dies. (Hg.): Performativität und Medialität. München 2004, S. 1332.
  • 19. Rüdiger Campe: »Die Schreibszene, Schreiben«. In: Sandro Zanetti (Hg.): Schreiben als Kulturtechnik. Grundlagentexte. 2. Auflage. Frankfurt / M. 2015.S. 269 – 282, hier S. 270f.
  • 20. Vgl. zur Unterscheidung »Schreibszene« (die allgemeine Bestimmtheit der Literatur durch die Rahmung von Körper, Instrumentalität, Geste, die Campe beschreibt) und »Schreib-Szene« (die Problematisierung des Akts des Schreibens im literarischen Text selbst): Martin Stingelin: »Schreiben«. Einleitung. In: Ders. (Hg.): »Mir ekelt vor diesem tintenklecksenden Säkulum«. Schreibszenen im Zeitalter der Manuskripte. München 2004, S. 7–21, hier S. 15.
  • 21. Wirth: Die Geburt des Autors aus dem Geist der Herausgeberfiktion (Anm. 10), S. 65.
  • 22. Hajo Kurzenberger: »Die theatrale Funktion szenischer Texte«. In: Ders. (Hg.): Praktische Theaterwissenschaft. Spiel – Inszenierung – Text. Hildesheim 1998, S. 234–249, hier S. 244.
  • 23. Krämer: »Sprache – Stimme – Schrift« (Anm. 18), S. 345.
  • 24. Erika Fischer-Lichte: Performativität. Eine Einführung. Bielefeld 2012, S. 138.
  • 25. Ich verwende den Begriff der »Materialästhetik« im Sinne von Klaus Müller-Wille, der diesen Begriff vor dem Hintergrund der in den letzten Jahrzehnten erfolgten Untersuchungen und theoretischen Reflexionen über die »Wider- und Eigenständigkeit singulärer Materialien« verwendet. Klaus Müller-Wille: Sezierte Bücher. Hans Christian Andersens Materialästhetik. Paderborn 2017, S. 17f.; vgl. Müller-Tamm, Schubert, Werner: Einleitung, in: Dies.: Schreiben als Ereignis (Anm. 16), S. 1–16.
  • 26. Lebens-Ansichten des Katers Murr nebst fragmentarischer Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler in zufälligen Makulaturblättern. Herausgegeben von E.T.A. Hoffmann. Berlin 1820, Titelblatt.
  • 27. E.T.A. Hoffmann: Sämtliche Werke. 6 Bde. Hg. v. Wulf Segebrecht u. Hartmut Steinecke. Bd. 5: Lebens-Ansichten des Katers Murr. Werke 1820-1821: Lebens-Ansichten des Katers Murr nebst Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler in zufälligen Makulatur-Blättern. Herausgegeben von E.T.A. Hoffmann. Erster Band. Frankfurt / M. 1992 (im Folgenden KM), S. 1114.
  • 28. Ebd., S. 14.
  • 29. Vgl. die Aufschlüsselung dieses Verhältnisses von Herausgeber und Drucker bei Wirth: Die Geburt des Autors aus dem Geist der Herausgeberfiktion (Anm. 10), S. 386f.
  • 30. Ebd., S. 381.
  • 31. Ebd., S. 380f.
  • 32. Wirth bezieht sich hier auf Antoine Compagnon: La seconde main ou le Travail de la citation. Paris 1970, S. 382. Wirth: Die Geburt des Autors aus dem Geist der Herausgeberfiktion (Anm. 10), S. 389.
  • 33. Ebd.
  • 34. Wirth zitiert hier die einschlägige Arbeit Sarah Kofmans: Schreiben wie eine Katze… Zu E.T.A. Hoffmanns »Lebens-Ansichten des Katers Murr«. Wien 1984. Kofman geht eng von Derridas Konzept der Aufpfropfung, der greffe citationelle, aus, das die Beschreibung der unaufhörlichen Intertextualität eines Textes ermöglicht und von Kofman als Schlüsselmotiv und Formbeschreibung für das ›zerteilende‹ Schreiben des Katers (»Autobiogriffure«) untersucht wird. Wirth: Die Geburt des Autors aus dem Geist der Herausgeberfiktion (Anm. 10), S. 391.
  • 35. Bei der Unterscheidung von »Fingiert« und »Fiktiv« bezieht sich Wirth auf Searles Definition des Fiktiven als »Vorgeben ohne Täuschungsabsicht« und des Fingierten als »Vorgeben mit Täuschungsabsicht«, das sich mit der Differenzierung bei Käthe Hamburger decke. Wirth: Die Geburt des Autors aus dem Geist der Herausgeberfiktion (Anm. 10), S. 122f.
  • 36. Vgl. die auch bei Wirth zusammengetragenen, sich widersprechenden Positionen in den folgenden Studien, die eine durch das Vorwort erzeugte, analytisch nicht eindeutig zu erfassende Konfusion des Verhältnisses von Fiktion und außerfiktionaler Ebene bestätigen: Wulf Segebrecht: Autobiographie und Dichtung. Stuttgart 1967, S. 215; Wolfgang Preisendanz: Humor als dichterische Einbildungskraft. Studien zur Erzählkunst des poetischen Realismus. München 1963, S. 82f.; Hartmut  Steinecke: »Kommentar: Lebens-Ansichten des Katers Murr«. In: E.T.A. Hoffmann: Sämtliche Werke. 6 Bde. Hg. v. Wulf Segebrecht u. Hartmut Steinecke. Bd. 5: Lebens-Ansichten des Katers Murr. Werke 1820-1821. Frankfurt / M. 1992, S. 9031051, hier S. 954; Sabine Laußmann: Das Gespräch der Zeichen. Studien zur Intertextualität im Werk E.T.A. Hoffmanns. München 1992, S. 175; Bettina Schäfer: Ohne Anfang – ohne Ende. Arabeske Darstellungsformen in E.T.A. Hoffmanns Roman ›Lebens-Ansichten des Katers Murr‹. Bielefeld 2001, S. 69.
  • 37. Vgl. hierzu Wirths einleitende Überlegungen zum Verhältnis von Autorschaft und Herausgeberfiktion um 1800 nach Christian Berthold: Fiktion und Vieldeutigkeit, Zur Entstehung moderner Kulturtechniken des Lesens im 18. Jahrhundert. Tübingen 1993, S. 123. Wirth: Die Geburt des Autors aus dem Geist der Herausgeberfiktion (Anm. 10), S. 15f.
  • 38. KM (Anm. 27), S. 457
  • 39. Vgl. Robert S. Rosen: E.T.A. Hoffmanns ›Kater Murr‹. Aufbauformen und Erzählsituationen. Bonn 1970, S. 14; Wirth: Die Geburt des Autors aus dem Geist der Herausgeberfiktion (Anm. 10), S. 414f.
  • 40. E.T.A. Hoffmann: Briefwechsel. Gesammelt u. erläutert v. Hans von Müller u. Friedrich Schnapp. Hg. v. Friedrich Schnapp. Band 2. München 1968, S. 247.
  • 41. Vgl. hierzu ebd., S. 416.
  • 42. Vgl. Segebrecht: Autobiographie und Dichtung (Anm. 36), S. 207f.
  • 43. Vgl. den Text der zweiten Fassung der Todesanzeige an Julius Eduard Hitzig unter http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:22-dtl-0000026862 (Staatsbibliothek Bamberg, Sign.: Autogr. H 40); zuletzt eingesehen am 17.01.2018; vgl. den Text der dritten Fassung der Todesanzeige an Theodor Gottlieb von Hippel unter http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:22-dtl-0000027211 (Staatsbibliothek Bamberg, Sign.: EvS.G H 4/2); zuletzt eingesehen am 17.01.2018.
  • 44. Ebd., S. 208.
  • 45. Etwa unterschreibt er das Sonett An Johanna am 2t März 1820 mit »Murr. Etudiant en belles lettres et chanteur très renommé« (Hoffmann: Werke 1820-1821 (Anm. 27), S. 817). Hier besteht ein interessantes Wechselspiel mit der Kreisler-Figur, die wiederholt als Hoffmanns alter ego bezeichnet wurde. Auch mit Kreislers Namen hat Hoffmann wiederholt Texte unterschrieben. Vgl. Steine»Kommentar: Lebens-Ansichten des Katers Murr« (Anm. 36), S. 927. Auch diese Parallele der fiktiven Schreiberidentität Hoffmanns einmal als parodistischer Katerautor, einmal als idealer romantischer Künstler deutet auf den Zusammenhang von Murr- und Kreislerfigur hin, den man als karnevaleske Spiegelung lesen kann, innerhalb derer die romantische Künstlerfigur ihre eigene Parodie auf- und herbeiruft. Diese Zusammenhänge untersuche ich in meiner Dissertation unter dem Arbeitstitel »Defiguration der Schrift. Von Klecksen, Fetzen und Fehlern bei E.T.A. Hoffmann und Nikolaj Gogol«.
  • 46. Wirth: Die Geburt des Autors aus dem Geist der Herausgeberfiktion (Anm. 10), S. 416.
  • 47. »Die Maße sowie die Knick-, Falt- und leichten Verschmutzungsspuren des Originals lassen darauf schließen, dass E.T.A. Hoffmann den Zettel zum treuen Andenken oder sympathischen Zeugnis herstellte, indem er offenbar die Pfote des Katers in die Tinte steckte und über den Papierbogen führte - entweder erst nach dessen Tode oder auch schon zu dessen Lebzeiten, wenn dieser es denn zuließ -, und dass er ihn nahm, um darin die an Theodor Gottlieb von Hippel versandte Todesanzeige für den Kater Murr zu verschließen.« Dietmar Jürgen Ponert: E.T.A. Hoffmann - Das bildkünstlerische Werk: ein kritisches Gesamtverzeichnis. Hg. v. der Staatsbibliothek Bamberg. Band 1: Text. Petersberg 2012, S. 373, Nr. A 4; Band 2: Abbildungen. Petersberg 2012, S. 174175, Abbildungen 197-198. Die Angabe, dass das Quartblatt als »Kater Murrs letzte Schriftzüge« zu bezeichnen sei und vermutlich der Todesanzeige beigegeben war, stammt von Friedrich Schnapp, der sich hierbei auf Hippels Biographen (und Enkel) Theodor Bach bezieht. Dieser druckte auch den Text dieser Fassung der Todesanzeige zum ersten Mal ab. Bis in die nächste Generation befand sich offenbar auch das Quartblatt im Besitz der Familie Bach, da Schnapp es bedauert, diese hätte eine Faksimile-Herstellung für seinen Band über Hoffmanns Briefwechsel verweigert. E.T.A. Hoffmann: Briefwechsel. Band 2 (Anm. 40), S. 330, Nummer 992, Anm. 1.
  • 48. Vgl. zu Hoffmanns Unterschriftpraktiken etwa den Brief von E.T.A. Hoffmann an Georg Andreas Reimer vom 24. Juni 1818 (Staatsbibliothek Bamberg, Sign.: L.g.o.1121-a (1/2#enthalten: http://www.nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:22-dtl-0000027321, zuletzt eingesehen am 16.01.2018) sowie den Brief von E.T.A. Hoffmann an Friedrich Wilmans vom 08. September 1821 mit den jeweils ausladenden Schnörkeln, die in die Unterschrift führen (Staatsbibliothek Bamberg, Sign: Autogr. H 76: urn:nbn:de:bvb:22-dtl-0000027062, zuletzt abgerufen am 23.02.2018). Vgl. das Selbstbildnis Hoffmanns in einem Brief an Theodor Gottlieb von Hippel vom 22. Mai 1821, das die Unterschrift ersetzt (Ponert: E.T.A. Hoffmann: das bildkünstlerische Werk (Anm. 47), Kat. 226 (Band 1: Text, S. 226f.; Band 2: Abbildungen, Abb. 183, S. 159)) sowie die Unterschrift mit »J. K.« für »Johannes Kreisler« in einem Brief an Friedrich de la Motte Fouqué vom 14. Mai 1815 mit Zusatz des Porträts (Ebd., Kat 175 (Band 1: Text, S. 274, Band 2: Abbildungen: Abb.123, S. 101). Vgl. den Brief an J.G. Keller vom 24. Januar 1814 mit dem Selbstbildnis mit langer Pfeife statt der Unterschrift, in dem der Rauch der Pfeife zur arabesken Umrahmung des Textes wird (Ebd. Kat. 142 (Band 1: Text: S. 215f.; Band 2: Abbildungen: Abb. 93, S. 76).
  • 49. Vgl. hierzu Anm. 45. Wulf Segebrecht deutet in seiner Ausführung über den Zusammenhang von Kreisler und Murr bereits auf diese Schlüsse hin: Segebrecht: Autobiographie und Dichtung (Anm. 36), S. 217f.
  • 50. Thomas Macho: »Handschrift – Schriftbild. Anmerkungen zu einer Geschichte der Unterschrift«. In: Werner Grube (Hg.): Schrift. Kulturtechnik zwischen Auge, Hand und Maschine. München 2005, S. 413–422, hier S. 419.
  • 51. Ebd., S. 415.
  • 52. Ebd., S. 414
  • 53. Ebd., S. 419.
  • 54. Wirth: Die Geburt des Autors aus dem Geist der Herausgeberfiktion (Anm. 10), S. 15f.
  • 55. Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste, welche bishero durch menschlichen Verstand und Witz erfunden und verbessert worden. Bd. 19 (M-Ma). Halle und Leipzig 1732-1754, S. 81: Mackeltur/ Maculatura:. »In der Druckerey bedrucktes Papier, so entweder verdorben, oder keinen Abgang findet und anders nicht, als zum einwickeln, oder einpacken dienet.«
  • 56. Vgl. die Einträge in: Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. 5. Bd. Bearb. v. Dr. Rudolf Hildebrand. Leipzig 1873: »Klecks« (S. 1058), »klecksen« (S. 1059) mit dem Verweis auf »Kleck« (S. 1053),»klecken« (S. 1054).
  • 57. Hier wäre noch einmal Sarah Kofmans These über die Geste des Zerreißens zuzustimmen, die die Kater-Schrift kennzeichnet – hier hat Kofman den Begriff der Autobiogriffure eingeführt (siehe Anm. 34)
  • 58. Christian Benne: Die Erfindung des Manuskripts. Zur Theorie und Geschichte literarischer Gegenständlichkeit. Berlin 2016, S. 166f.
  • 59. Vgl. die Ausführungen zur impliziten Druck-Szene des Romans, die eine »implizite Schreib-Szene ergänzt« bei Wirth: Die Geburt des Autors aus dem Geist der Herausgeberfiktion (Anm. 10), S. 413.
  • 60. In dieser Ausgabe wird auf die Anführungsstriche am Anfang des Fragments verzichtet; auch im späteren Verlauf von Meister Abrahams Bericht sind hier keine einfachen oder doppelten Anführungsstriche eingefügt worden: KM (Anm. 27), S. 23f. Dies entspricht dem Vorlagetext in der Erstausgabe des Romans, die hier ebenso verfährt (siehe die folgende Anm. 62). Lebens-Ansichten des Katers Murr nebst fragmentarischer Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler in zufälligen Makulaturblättern. Herausgegeben von E.T.A. Hoffmann. Berlin 1820, S. 10f.
  • 61. E.T.A. Hoffmann: Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Mit Einleitungen, Anmerkungen und Lesarten von Carl Georg von Maassen. Neunter und zehnter Band: Lebens-Ansichten des Katers Murr nebst fragmentarischer Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler in zufälligen Makulaturblättern. München 1928, S. 14.
  • 62. Lebens-Ansichten des Katers Murr nebst fragmentarischer Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler in zufälligen Makulaturblättern. Herausgegeben von E.T.A. Hoffmann. Berlin 1820, S. 10f.
  • 63. Claudia Liebrand: »Lebens-Ansichten des Katers Murr nebst fragmentarischer Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler in zufälligen Makulaturblättern. ›Literarischer Vandalismus‹«. In: Günter Saße (Hg.): Interpretationen. E.T.A. Hoffmann. Romane und Erzählungen. Stuttgart 2004, S. 212–237, hier S. 219.
  • 64. Hier setzen denn auch Analysen des Romans, die sich stark auf Derridas Theorie der Iteration als Aufpfropfung beziehen, an – siehe etwa Sarah Kofmans Analyse (Anm. 34).
  • 65. Kofman: Schreiben wie eine Katze (Anm. 34), S. 28.
  • 66. KM (Anm. 27), S. 40.
  • 67. Ebd., S. 41.
  • 68. Ebd., S. 43f.
  • 69. KM (Anm. 27), S. 93.
  • 70. Barthes: Variations sur l’écriture/ Variationen über die Schrift (Anm. 11), S. 157.
  • 71. KM (Anm. 27), S. 195f.
  • 72. Der Zusammenhang von Literaturkritik und Gesellschaftskritik mit dem Motiv des Tintenkleckses ist über die Ästhetik der Klassik und auch die Frühromantik vermittelt worden, deutet um 1800 jedoch auch auf einen weiten satirischen Horizont. Diese Zusammenhänge untersuche ich in meiner Dissertation (siehe Anm. 45). Am deutlichsten zeigt sich der diskursive Zusammenhang des Motivs des Tintenkleckses in Brentanos Philistersatire »Der Philister vor, in und nach der Geschichte«, in der der Philister als Tintenklecks bezeichnet wird. Clemens Brentano: Der Philister vor, in und nach der Geschichte (1811), in: Ders.: Werke. Hg. v. Friedhelm Kemp. Darmstadt 1963, S.982f.
  • 73. Vgl. etwa die Arbeiten von Hans von Müller: Das künstlerische Schaffen E.T.A. Hoffmanns in Umrissen angedeutet. Leipzig 1926, 35.; Walther Harich: E.T.A. Hoffmann. Das Leben eines Künstlers. 2 Bde. Berlin 1920; Hermann August Korff: Geist der Goethezeit. Tl. 4. Leipzig 1953 (bes. S. 543–639), aber auch etwa Christa-Maria Beardsley: E.T.A. Hoffmanns Tierfiguren im Kontext der Romantik. Bonn 1985. Vgl. zu dieser Tendenz der älteren Hoffmann-Forschung Hartmut Steinecke: »Nachwort«. In: E.T.A. Hoffmann: Lebens-Ansichten des Katers Murr nebst fragmentarischer Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler in zufälligen Makulaturblättern. Mit Anhang und Nachwort hg. v. Hartmut Steinecke. Stuttgart 1972, S. 493–516, hier S. 503f.
  • 74. Vgl. Segebrecht: Autobiographie und Dichtung (Anm. 36), S. 185f.
  • 75. Friedrich Schlegel: Kritische Ausgabe. Hg. v. Ernst Behler unter Mitwirkung v. Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner. Zweiter Band. Erste Abteilung. Charakteristiken und Kritiken I (1796-1801). Hg. und eingeleitet v. Hans Eichner: Gespräch über die Poesie, S. 285351; hier S. 330.
  • 76. KM (Anm. 27), S. 44.
  • 77. Friedrich Schlegel: Gespräch über die Poesie (Anm. 75), S. 312: »Da finde ich nun eine große Ähnlichkeit mit jenem großen Witz der romantischen Poesie, der nicht in einzelnen Einfällen, sondern in der Konstruktion des Ganzen sich zeigt, und den unser Freund uns schon so oft an den Werken des Cervantes und des Shakespeare entwickelt hat. Ja diese künstlich geordnete Verwirrung, diese reizende Symmetrie von Widersprüchen, dieser wunderbare ewige Wechsel von Enthusiasmus und Ironie, der selbst in den kleinsten Gliedern des Ganzen lebt [...].«
  • 78. Vgl. zur Deutung des Romans im Sinne des literarischen Gattungskonzeptes der Arabeske nach Friedrich Schlegel die Arbeit von Bettina Schäfer: Ohne Anfang – ohne Ende. Arabeske Darstellungsformen in E.T.A. Hoffmanns Roman »Lebens-Ansichten des Katers Murr«. Bielefeld 2001; zur zirkulären Erzählstruktur des Romans v.a. 119f.

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