Eva
Stubenrauch
Berlin

Vom Street Battle zum Endkampf

Politische Ambiguität bei Kollegah

»Mein Körper definierter als von Ausschwitz-Insassen«1 – Angestoßen von dieser Textzeile aus 0815, einem Song der Gangsta-Rapper Kollegah und Farid Bang, entflammt seit deren Echo-Gewinn und der Abschaffung des Preises 2018 die Diskussion um Antisemitismus im deutschsprachigen Rap in Feuilleton und Forschung. Das Hauptargument der entschiedenen Abwehr dieser und vergleichbarer Liedinhalte ist ein wirkungsästhetisches: Der immense Einfluss des Rap auf Jugendliche dürfe nicht zu einer genregeschützten Normalisierung menschenverachtender Haltungen führen. Problematisch sei vor allem die Rap-konstitutive Mischung aus ›Spiel‹ und ›Ernst‹, ›Pose‹ und ›Realness‹,2 die antisemitische Inhalte unter dem Deckmantel des Als-ob in die reale Nachahmung jugendlicher Hörer*innen transportieren und fatale Folgen für deren Umgang mit Rap-rhetorisch denunzierten Menschengruppen haben könne. Die Gut/Böse-Dichotomie, die das Genre des Battle-Rap ausmacht, rücke die als israel-, kapitalismus- oder modernekritische Äußerungen maskierten antisemitischen Elemente außerdem in gefährliche Nähe zu Verschwörungstheorien:3 Wenn zum Beispiel Haftbefehl die ›Rothschild-Theorie‹ auf seinem Album Unzensiert in gleich mehreren der Tracks nennt, könne das mit dem Rapper verbundene Faszinations- und Identifikationspotenzial zu einer Verbreitung des Konspirationismus unter jungen Rezipient*innen führen.4 Weiterhin wird als hochproblematisch wahrgenommen, dass sich die den Rap prägende Provokationsgeste auf Diskurszusammenhänge wie den Nahost-Konflikt stützt, die erinnerungspolitisch und diplomatisch wenig Spielraum für Grenzübertretungen dulden.5 Der Skandalautomatismus des Themas ›Holocaust‹ wirke für Rapper und ihre Fans somit oftmals eher attraktiv als abschreckend.6 

Dass sich der Echo-Skandal und mit ihm die Debatte um politisch fragwürdige Haltungen im deutschsprachigen Rap um eine einzelne Textzeile anordnet, die noch dazu auf einer Bonus-CD des Musikalbums ausgelagert publiziert wurde, und an ihr die rote Linie menschenverachtender und antisemitischer – und in zweiter Reihe dann auch frauenfeindlicher und homophober – Inhalte sichtbar macht und diskutiert, verweist auf zwei grundsätzliche Schwierigkeiten der Denormalisierung von Rap-Texten. Erstens ist der Vergleich von zwei verschiedenen semantischen Feldern – wie Bodybuilding und Holocaust – unter Einsatz gewaltverherrlichender Elemente eine typische Strategie in der Poetik des Rap. Deren Funktionsprinzip folgt notwendigerweise dem Erwartungsbruch, der sich einstellt, wenn pointiert verglichen wird.7 Unter welchen Bedingungen wird dieses rhetorische Prinzip problematisch, kippt also die genre-etablierte Grenzüberschreitung in ein skandalöses Ausmaß der Pietätsverletzung, sodass sich Gangsta-Rapper sogar motiviert fühlen, öffentlich Reue zu zeigen und Besserung zu geloben?8 Dass hier die Grenzen fließend sind und sich sowohl an den aufgerufenen Inhalten als auch an den poetischen Strategien der denormalisierten Songs orientieren, wird dieser Beitrag an einer Genealogie der Poetik Kollegahs diskutieren. Zweitens treten inakzeptable Aussagen selten so offen und verdichtet zutage wie die Holocaust-Verharmlosung der zitierten Zeile. Ein großes Problem der Aufklärung über und Indizierung von zum Beispiel antisemitische(n) Inhalte(n) im deutschsprachigen Rap stellt gerade die strukturelle und verdeckte Aussagelogik der Liedtexte dar. Dass die Texte in den (erinnerungs-)politischen Diskurs eingreifen, wird oftmals gar nicht erst erkannt. Viel häufiger balancieren die Provokationen des Gangsta-Rap »an der Grenze entlang«,9 als dass sie sie für alle sichtbar überschreiten. Auch die Rap-Persona tut aufmerksamen Kritiker*innen selten den Gefallen, sich eindeutig als Antisemit*in zu positionieren. Stattdessen finden sich intertextuell reproduzierte kulturelle Stereotype und obskurantistische Verdachtsmomente »in der Sprachfarbe des Raps«,10 die aufgrund der schnellen Abfolge der Semantiken in der Regel gar nicht bewusst gehört wird. Wiederholt ist im Feuilleton daher die Aufforderung zu lesen, Jugendliche in der Decodierung antisemitischer Codes zu trainieren und sie durch Sprachsensibilität zum ›genauen Hinhören‹ zu bringen.11 Das Argument zielt darauf, dass die Ambiguität der Rap-Texte ihre politischen Statements gefährlich werden lasse. Unerkannt und unkritisch über Rhythmen und Rhymes aufgenommen, könnten sich die konspirationistischen Aussagen eines Kollegah zu einer »metaideologische[n] Konstante« der Identifikation entwickeln,12 die gerade im Verdeckten verstärkte Wirkkraft entfalte. Die zynische Schlussfolgerung lautet, dass die Verdichtung der Menschenverachtung in einer leicht identifizierbaren Textzeile der medialen Skandalisierung sehr willkommen ist, kann man sie doch immer wieder zitieren und auf ihren selbstevidenten No go-Status zurückgreifen, um ein übergreifendes strukturelles Problem anzusprechen. 

Auch mein Beitrag sitzt dieser Pfadabhängigkeit auf und untersucht ausgehend von den Antisemitismusvorwürfen die Dynamik von Offenlegung und Arkanisierung bei Kollegah. Er folgt der These, dass das politische Potenzial der Rap-Texte in der genre-topischen Ambiguität und die politische Problematik in deren Auftreten als konspirationistische Lyric-, Laut- und Bild-Elemente zu identifizieren ist. Um diese These zu stützen, werde ich zunächst diskutieren, inwiefern ambige Formen historisch und systematisch in der Nähe politischer Aussagezusammenhänge zu verorten sind. Darauf aufbauend wird die ästhetische Transformation der poetischen Strategien Kollegahs vorgestellt, die von den weitgehend unverdächtigen und durch den Rap-Kontext ›normalisierten‹ Songs der Hoodtales-Serie (ab 2009) bis hin zu den umstrittenen Musik(video-)produktionen Armageddon (2013) und Apokalypse (2016) reicht. Hier steht neben den rhetorischen Kniffen der mehrdeutigen Vergleiche und Punchlines vor allem die Komplizenschaft zwischen der Rap-Poetik und der Funktionsweise der humoristischen Pointe im Vordergrund. Da die Pointe eine zentrale Rolle bei der Normalisierung selbst tabuisierter Statements spielt, wird Kollegahs Poetik auch dort zum Problem, wo die Pointe an ihre Grenze stößt. Eine kurze Forschungsdiskussion, die das ›Politische‹ des Rap problematisiert, wird die Reichweite der Ambiguitätsperspektive für die Rap-Forschung ausloten und meinen Beitrag abschließen.

1. Das Politische der Ambiguität

Raptexte arbeiten sehr häufig mit verschiedenen Formen der Verunklarung, die von lexikalischer Uneindeutigkeit, der Homonymie oder Polysemie, über semantische, syntaktische bis hin zu phonetischer Ambiguität reichen. Auf auditives Verstehen angewiesen, sind sprachliche Gleichklänge oder kontraintuitive semantische Bezüge in schneller Abfolge bevorzugtes Stilmittel des primär mündlichen Sprechens im Rapgenre. Das sei an wenigen Beispielen kurz verdeutlicht: In Spam, einem Song des Albums Advanced Chemistry von 2016, üben die Beginner Kritik an der Informationsflut im digitalen Zeitalter. Die Zeile »Wir teilen höchstens den Link und spenden dann ein Like«13 weist eine lexikalische Mehrdeutigkeit auf, die den Transfer sprachlicher Zeichen von der Benennung zwischenmenschlicher Hilfeleistung – ›teilen‹, ›spenden‹ – in den Kontext von ›Handlungen‹ im Internet verschiebt, die der Verbreitung weiterer Nachrichten und eben nicht der humanitären Fürsorge dienen. Dieser Transfer der Beschreibungssprache, so zumindest legt es die semiotische Verknüpfung nahe, suspendiert gleichzeitig die zwischenmenschliche Hilfeleistung, die damit in zweierlei Hinsicht bedeutungslos wird. Der Sinntransfer muss beim Zuhören erst aufgelöst werden; hinter der scheinbar marginalen Doppeldeutigkeit von Lexemen wird dann eine düstere Zeitdiagnose offenbar. 

Ergänzt wird diese Art der lexikalischen Mehrdeutigkeit im selben Song um eine phonetische Äquivokation, einen Gleichklang, im Refrain: »Spam/Wo ich geh, oder steh, oder hinguck/Spam/Zu viel Input, vor mir die Sintflut«.14 Durch die nur leicht abgewandelte kotextuelle Formulierung des bekannten Sprichworts »nach mir die Sintflut« referiert das Wort ›Sintflut‹ auf die biblische Katastrophe. Was schriftsprachlich klar als ›Sintflut‹ erkennbar ist, ist in seiner sprachlichen Realisation nicht vom Lexem ›Sinnflut‹ zu unterscheiden. Da es sich bei Spam um eine Kritik an der digitalisierten Gegenwart handelt und der phonetisch identische Neologismus ›Sinnflut‹ mit ›Spam‹, ›Input‹ und, verbunden durch den unreinen Reim, mit ›hinguck‹ assoziiert wird, ist die Bedeutung uneindeutig. Das sprachliche Zeichen trägt in seiner Ambiguität beide Bedeutungen gleichzeitig und leistet damit eine Engführung von Digitalisierung und biblischer Katastrophe. Die phonetische Uneindeutigkeit verweist auf die Relevanz der Kontextinformationen, die Aussprache und Songtext bereithalten, um gewohnte Sinnbezüge zu destabilisieren und neue zu öffnen.  

Genau umgekehrt, als kotextuelle Stabilisierung durch Vereindeutigung, funktioniert die Codierung und Decodierung von Semantik im titelgebenden Refrainopener »Du bist schön, aber dafür kannst Du nichts« aus Alligatoahs bekanntem Hit Du bist schön von 2015.15 Hier liegt eine lexikalisch-syntaktische Ambiguität vor, die daher rührt, dass die Proposition ›dafür kannst Du nichts‹ eine Person gleichermaßen zum einen als kompetenzlos darstellen, zum anderen aus der Verantwortlichkeit für eine Situation nehmen kann. Im Unterschied zu dem Beginner-Song folgen der äquivoken Zeile hier sie erläuternde Sprachhandlungen des Spiegels als Sprechinstanz, welche die Unbestimmtheit zumindest temporär zugunsten von Eindeutigkeit aushebeln. So wird die Rezipientin mit der Erläuterung »Weder lesen, noch schreiben noch was anderes« deutlich zur Bedeutungszuschreibung ›Inkompetenz‹ verleitet. Der Kotext befördert an dieser Stelle im Unterschied zur phonetischen Äquivokation in Spam eine Entscheidungshandlung der Rezeption. Im weiteren Verlauf des Refrains veranlasst die syntaktische Umkehrung der ambigen Wortfolge »dafür kannst Du nichts« in »Du kannst nicht mal was dafür, dafür kannst Du nichts« allerdings, dass diese Entscheidungshandlung durch eine zweite konterkariert wird. Die zur ersten Entscheidung konträre zweite Entscheidung für die ›Entlastung von Verantwortung‹ eröffnet nicht nur erneut die Mehrdeutigkeit beider Bedeutungsangebote, sondern fügt streng genommen ein drittes Angebot hinzu: Denn das »Dafür« ist im zweiten Teil des Refrains semantisch unterbestimmt, sodass nicht klar ist, wofür das adressierte Du nichts kann – ob für seine Schönheit oder aber für seine Inkompetenz trotz seiner Schönheit, für die sich ja im Vorhinein entschieden wurde. Die Ambiguität wird demnach bei Alligatoah über Entscheidungshandlungen fortgetragen und macht sich das semiotische ›Defizit‹ lexikalischer und syntaktischer Wortformen zunutze, um semantischen Überschuss zu produzieren.

Solche Phänomene semantischen Überschusses fordern das alltagssprachliche Verständlichkeitsparadigma heraus, das verschiedene Forschungsvertreter*innen für den Rap veranschlagen. Fabian Wolbring beispielsweise beruft sich auf den Aggressivitätstopos des Battlerap, wenn er argumentiert, dass die Rap-typischen Vergleiche aufgrund ihrer angestrebten Wirkung auf ›realistische‹ und semantisch eindeutige Wortfeldverbünde abzielen und »kaum Bedeutungsspielräume« eröffnen.16 Raptexte seien ambivalenzfrei; angeführt wird eine Begründung ex negativo: Rap setze auf Überzeugung. Und weil Überzeugungskraft nur dort entstehe, wo Eindeutigkeit herrsche, würden Ambivalenzen vermieden.17 Das leuchtet ein, denaturalisiert allerdings gleichzeitig mehrdeutige Phänomene in der Alltagskommunikation. Ambiguität störe den kommunikativen Sprachgebrauch, der, so die Voraussetzung, idealerweise störungsarm und bedeutungssicher verlaufe. Das Argument verweist auf eine klassische Uneinigkeit in der Forschungstradition: Verkürzt gesprochen verläuft am Verständlichkeitsparadigma die Trennlinie zwischen der linguistischen und der literaturwissenschaftlichen Perspektive auf sprachliche Mehrdeutigkeit:18 So widmet sich die Linguistik ambigen Sprachphänomenen primär unter dem Schwerpunkt der Fehlkommunikation und des Missverstehens.19 Ambiguität wird hier häufig als Mangel wahrgenommen, wobei das Primat der kommunikativen Verständlichkeit zur Norm erhoben wird. Dieses pejorative Verständnis von Ambiguität geht zurück auf die antike Gerichtsrede, in der sprachliche Mehrdeutigkeiten als rhetorisches Hindernis aufgefasst wurden.20 Die Literaturwissenschaft hingegen sieht Mehrdeutigkeit tendenziell als Vorzug eines Textes und fasst solche Phänomene als Kreativität, Polyvalenz, Poetizität oder, noch prinzipieller, Literarizität; das Stichwort lautet hier: »poetische Funktion«, in der die Äquivalenz der Elemente ihre referenzielle Einbindung überwiegt und damit sprachlicher Bedeutungsoffenheit Vorschub leistet.21 So weist Wolbring im folgenden Argumentationsgang auch auf das Invertierungsprinzip der im Rap sehr häufig eingesetzten Wortspiele hin, die einen Überraschungseffekt zeitigten und dem Genre je nach Originalität des Einsatzes eine hohe Kunstfertigkeit verliehen.22 Mehrdeutigkeiten sind also kunstverdächtig.

Anstatt das Verständlichkeitsparadigma schlichtweg zu bedienen, loten Rapsongs nicht selten seine Grenzen aus und bauen auf eine Dynamik aus Sinngenerierung und -verschleierung, um zu überraschen, zu provozieren und zu überzeugen. Die Form der Rap-Poetik ist damit eine prozessierende, die aus immer neuen Bezugnahmen und mehrdeutigen Angeboten semantische Entscheidungsmöglichkeiten schließt und wieder öffnet. Wurde dieses Schillern von Bedeutung in der antiken Rhetorik mehrheitlich abgelehnt und mit Strategien zur Kompensation durch Eindeutigkeit beantwortet, gibt es auch einige wenige Ausnahmen des ambigen Sprachgebrauchs, die Quintilian in seiner Schrift Ausbildung des Redners durchaus schätzt: Darunter fällt neben der poetischen Rede, dem Witz und der Schlagfertigkeit auch das verdeckte Sprechen in der Tyrannenkritik. Wenn es also »zu unsicher ist, offen zu reden« oder »mächtige Persönlichkeiten im Wege sind«, kann man jemandem »durch doppeldeutige Gedanken ein Schnippchen schlagen«.23 Klar von der Normalkommunikation ausgegrenzt und auf besondere Situationen beschränkt, finde eine »solche List allgemeines Wohlwollen«.24 Ambiguitate sententiae ist also in bestimmten Fällen strategisch zu erwägen und wird von Quintilian mit dem Bereich des Politischen assoziiert. Um Kritik zu üben, sich der Tyrannei nicht sprachlos zu ergeben und trotzdem der Strafe zu entgehen, ist das semantische ›Schillern‹ in sprachlicher Bedeutungsoffenheit von großem Nutzen.

Dieser historischen Traditionslinie der rhetorischen Ambiguität, die in besonderen Situationen politisch wirksam werden kann, korrespondiert eine systematische Nähe ambiger und politischer Formen in Formtheorien nach dem linguistic turn: In einem prozessualen Formverständnis, wie es Konstruktivismus oder Systemtheorie der Logik George Spencer Browns entlehnen, ist Form kein statisches Gebilde, sondern ein durch Sprachhandlungen Unterschiedenes. Form entsteht demnach nicht etwa aus einer Modellierung von Materie, sondern durch einen Unterscheidungsprozess. Folgt man dem ersten Gesetz der Laws of Form: »Draw a distinction!« / »Triff eine Unterscheidung!«,25 so wird nach Spencer Brown eine Innenseite von einer Außenseite abgegrenzt und das Unterschiedene durch seine Bezeichnung markiert, während das von ihm abgegrenzte Umfeld semantisch unterbestimmt bleibt. Das Besondere an dieser Konzeption von Form ist, dass immer beide Seiten präsent sind, sobald eine Unterscheidung getroffen wird: Das Wort ›grün‹ beispielsweise trägt automatisch die Unterscheidung ›nicht grün‹ mit sich, da Grünes nur vor Nicht-Grünem erscheinen kann. Weil aber der*die formende Beobachter*in gleichzeitig nur eine der beiden Seiten fokussieren kann, wird mit der Bezeichnung – ›grün‹ – eine Seite markiert und gegenüber der unmarkierten asymmetrisch bevorzugt. Die Form ›grün‹ wird weiter bestimmbar, während ihrem Umfeld (zunächst) keine Beachtung geschenkt wird. Form wird also nicht vorgefunden, sondern in der Markierung erzeugt. Nach diesem Formbegriff fallen Unterscheiden und Bezeichnen in der Formkonstruktion zusammen. Erst durch die Unterscheidung zweier Seiten kann etwas bezeichnet werden. Und erst die Bezeichnung markiert eine Seite als unterschieden von der anderen. Dem konstruktivistischen respektive systemtheoretischen Formkonzept ist damit eine klare Differenzlogik inhärent, die auf die bedeutungsunterscheidende Eigenschaft von Zeichen abzielt. Nicht umsonst werden die Laws of Form gerade in denjenigen kulturellen Bereichen rezipiert, die sich mit Binarität beschäftigen, etwa mit der System-Umwelt- oder der Geschlechterdifferenz.

Einen ebenso prozessualen Formbegriff verwendet die politische Theorie des Postfundamentalismus, welcher der französische Philosoph Claude Lefort zugeordnet werden kann. Lefort hat es sich zur Aufgabe gemacht, die verschiedenen Gesellschaftsformen Monarchie, Demokratie und Totalitarismus in ihren Grundmustern zu beschreiben, und er schaut dazu auf ihre In-Form-Setzungsprozesse. Es geht ihm also um die politische Tiefenstruktur einer Gesellschaft, die sich, so seine Annahme, in wiederholten Formgebungsprozessen reproduziert. Monarchie, Demokratie und Totalitarismus lassen sich also nach den unterschiedlichen Formen differenzieren, die sie sich selbst geben. Mir geht es hier nicht um die staatstheoretischen Unterscheidungen Leforts, sondern ausschließlich um die Denkfigur der Form, die für diese Unterschiede verantwortlich ist:

Präzisieren wir also den von uns eingeführten Begriff des In-Form-Setzens, und machen wir darauf aufmerksam, daß dieser den Begriff des In-Sinn-Setzens […] und den Begriff eines In-Szene-Setzens der sozialen Beziehungen impliziert; wir können genausogut sagen, daß eine Gesellschaft in einer Anordnung der Beziehungen nur zu sich kommt, wenn sie die Bedingungen ihrer Intelligibilität instituiert, indem sie sich über zahllose Zeichen eine quasi-Repräsentation ihrer selbst gibt.26

Eine Gesellschaftsform muss also, um wirksam zu sein, aus dem Bereich des bloß Intelligiblen, gedanklich Zugänglichen, in eine sichtbare Manifestation überführt werden. In-Form-Setzen als ein solches In-Sinn-Setzen funktioniert dabei vor allem durch Unterscheidungen der Leitdifferenzen eines Gemeinwesens wie Recht und Unrecht, zugehörig und nicht-zugehörig etc. Das In-Form-Setzen als In-Szene-Setzen fokussiert die gesellschaftliche Bühne, auf der zur Orientierung aller die tiefenstrukturellen Muster in der Praxis aufgeführt werden. So sind etwa die demokratischen Wahlen für Lefort vor allem eine Repräsentation der grundlegenden Formen eben dieser Gesellschaftsstruktur, die sich um die Stimme der Mehrheit und den leeren Ort der Macht konzentriert, der nur temporär besetzt werden kann und durch Stimmabgaben neu besetzt werden muss. Die Idee der politischen Stimme braucht zu ihrer Überzeugungskraft die Manifestation ihrer Auswirkung: Von der theatralen Ritualisierung eines Wahlbüros bis hin zur konkreten Person oder Partei, die auf dem Podium steht oder physisch unterschieden links, recht, oder mittig im Parlament sitzt. 

Repräsentation wird dabei in performativem Sinne verstanden als quasi-Repräsentation, die das, was sie repräsentieren soll, überhaupt erst hervorbringt. Jede soziale Gemeinschaft braucht demnach eine Art struktureller Codierung, die sie »über zahllose Zeichen« artikuliert, um sich selbst zum Ausdruck zu bringen. Entsprechend verfolgt dieser Ansatz keine Wertung der unterschiedenen politischen Sozialwesen, ja mehr noch: Demokratie und Totalitarismus sind nach Lefort zwei verschiedene Entwicklungen derselben politischen Ausgangslage. Beide sind auf eine immanente Legitimation angewiesen und kompensieren die Abwesenheit einer Souveränität in Gottes Gnaden durch sequentielle Ablösung beziehungsweise Totalisierung von Souveränität. Keines der Regime ist der Argumentation nach moralisch besser als das andere, sie alle bedürfen der Signifikation, um sich eine Form zu geben.

Die logische Formtheorie Spencer Browns und die politische Formtheorie Claude Leforts teilen sich einige Grundannahmen, die für das Politische der Ambiguität wichtig sind. Beide Theorien begreifen Form als Konstruktion, die durch menschliches Handeln entsteht und ein Aushandlungsobjekt unterschiedlicher Akteur*innen bildet. Form meint bei beiden eine Wahrnehmungsdeterminante, die durch Beobachtung und Zeichenproduktion entsteht und weitere Beobachtungen und Zeichenprozesse beeinflusst. Für Lefort wie für Spencer Brown ist Formsetzung klar an eine Differenzlogik gebunden, die aus dem voneinander Abgegrenzten und sichtbar Unterschiedenen Sinn generiert. Und, was für die politische Theorie konstitutiv, für die logisch-mathematische indifferent ist: Formgebungen werden nicht normativ hierarchisiert, sondern bilden eine Grundoperation menschlicher Wahrnehmung, die damit auch moralisch oder realpolitisch neutral ist. Mehrdeutige Phänomene sind für ein solches Formverständnis nun deshalb eine Herausforderung, weil sie gerade auf die Grenzbereiche der Bedeutungsunterscheidung von Zeichen aufmerksam machen. Sowohl ein logisches als auch ein politisches Beziehungsgefüge kann schwerlich erzeugt werden, wenn Relationen nicht klar umrissen und Seiten nicht eindeutig identifiziert werden können. Was leisten ambige Zeichenprozesse also für die Generierung von Form, wenn sie eben nicht Bedeutung unterscheiden, sondern diffundieren beziehungsweise eine Kontextlektüre erforderlich machen, um die Decodierung von Sinn zu leisten?  

Historisches und systematisches Argument zusammengenommen, basiert die Nähe zwischen der Ambiguität und dem Politischen auf der Destabilisierung fester Formrelationen. Durch mehrdeutiges Sprechen werden kontraintuitive Sinnzusammenhänge miteinander verbunden – erinnert sei an die Referenzierung von Digitalisierung und biblischer Katastrophe in Spam – und dadurch intuitive Bezugsgeflechte aufgelöst und neu kombiniert. Sei es die Tyrannenkritik der antiken Rhetorik oder die Infragestellung der »über zahllose Zeichen« instituierten Staatsform (Demokratie, zum Beispiel): Das ambige Sprechen macht auf die Setzungen von Sinn in politischen Repräsentationsverhältnissen hin; durch Mehrdeutigkeiten wird die Form des Politischen nicht naturalisiert, sondern ausgelotet und damit neu verhandelbar. Diese abstrakte Bestimmung des politischen Potenzials der Ambiguität wird nun an einzelnen Produktionen des Gangsta-Rappers Kollegahs überprüft und ausdifferenziert.

2. Genealogie der Ambiguität bei Kollegah

Kollegah nutzt ambige Figurationen in »Hoodtales IV«, einem Track auf seinem Album Zuhältertape Vol. 4 von 2015, für die Beschreibung einer Auseinandersetzung mit dem Exekutivorgan Polizei und inszeniert sich damit – autofiktional und szenetypisch – als Gangsta-Rapper mit Autoritätsproblem. Er knüpft an die rhetorische Tradition der sonderkommunikativen Legitimität von bedeutungsoffenem Sprechen an, wenn er Witz und ›Tyrannenkritik‹ miteinander kombiniert und sich mithilfe von Vergleichen und Wortspielen über sein weisungsbefugtes Gegenüber erhebt. Die sozialfunktional übergeordnete Hierarchieposition der Gesetzesvollstrecker wird dadurch angezweifelt und durch sprachlich originelle Markierungen des eigentlich höheren Einflusses der Rap-Persona ›demaskiert‹:

Sie geben Handzeichen, wollen mich anweisen
Ich soll langsam rechts ranfahren an den Standstreifen
Ich denk »Spart euch die Mühe!«
Doch zeig’ bereitwillig, scheinbar einsichtig meine Fahrzeugpapiere
Dann kommt der Drogenhund und macht `nen großen Fund
Die Cops ziehen ihre Handschellen aus dem Hosenbund
Ich sag’, das Zeug sei nur zur Schmerztherapie
Nur finden’s die Grünen nicht ganz sauber, wie Kernenergie
[…]
[Ich] sag’ »Bulle, mich interessiert das recht wenig
Das’ wie das Gesetz mich interessiert das Recht wenig, weil ich
Kein’ Respekt hab’ vor Gesetzen
Außerdem spiel’ ich Golf mit euren Vorgesetzten
Und die boxen mich raus am Gerichtstermin
Sie sind wie meine Hunde, wenn ich aussage, sitzen sie!«27

Die Szenerie bedient mit der Polizeikontrolle einen Topos des Gangster-Films. Rap-typisch setzt Kollegah darüber hinaus mit seinen Punchlines auf einen Überraschungseffekt, der sich mit dem Wirkmechanismus der humoristischen Pointe deckt. Inkongruenztheorien der Komik28 beschreiben die Wirkweise der Pointe im Witz unter Rückgriff auf Erkenntnisse der Framesemantik: Die Framesemantik geht davon aus, dass erinnerte Vorstellungsmuster (Schemata) an der Wahrnehmung eines Gegenstandes mitwirken und das Wahrgenommene unmittelbar in bekannte Bedeutungsrahmen (frames) einfügen. Diese frames steuern unsere Orientierung in der Welt, indem sie »eine mentale Repräsentation stereotyper Situationen, Handlungen und Zustände« bereitstellen.29 Nehmen wir ein Objekt in der Welt wahr, werden automatisch die mit ihm typischerweise verbundenen semantischen Kontexte mitaufgerufen und wird das Objekt mit den erwarteten Rahmeninformationen verknüpft. Ein komischer Effekt tritt dann ein, wenn ein frame-Wechsel provoziert wird, wenn also ein Bezugsrahmen zunächst aufgerufen und durch »die Pointe dann unter Umwertung einzelner Texteinheiten durch einen anderen, weniger naheliegenden Kontext oder Bezugsrahmen ersetzt wird«.30 Es entsteht eine semantische Inkongruenz, die der frame-Kombination originelle gedankliche Sprünge entlockt und Bedeutung unerwartet diffundieren lässt.

Die Polizeikräfte werden in »Hoodtales IV« synekdochisch über die Farbe ihrer Uniform als »die Grünen« bezeichnet, die Kollegahs Ausrede, der vom Polizeihund aufgedeckte Drogenfund würde zu medizinischen Zwecken eingesetzt, unplausibel = »nicht ganz sauber« finden. Durch den Reim-Vergleich am Ende der Zeile, »wie Kernenergie«, wird der Zweizeiler mehrdeutig und die rhythmische Kurznarration humoristisch aufgeladen. Der humorvolle Effekt entsteht aus der kontraintuitiven Kombination der semantischen frames ›Fahrzeugkontrolle‹ und ›Energiegewinn‹ durch den adverbialen connector »nicht ganz sauber«, der, wie so häufig in Raptexten, ambig ist:31 Im zunächst assoziierten Bedeutungszusammenhang fasst die Rezipientin »nicht ganz sauber« sicherlich im übertragenen Sinn auf, der sich problemlos in den Kontext einer Polizeiermittlung einfügt. Das Adverbial meint dann so viel wie ›da ist etwas faul‹, ›das stinkt‹ = da ist etwas nicht wahr/legal/rechtschaffen. Durch den Vergleich am Ende der Zeile wird der connector jedoch auf seine wortwörtliche Bedeutung zurückgeführt; »nicht ganz sauber« meint dann die Umweltverschmutzung durch Atomkraftwerke. Die Pointe macht »die Grünen« von der zuvor vermeintlich eindeutigen Bezeichnung für die anwesenden Polizist*innen zur Benennung der einflussreichen bundespolitischen Partei, die in der Punchline humoristisch in die Nähe des Drogengeschäfts gerückt wird. Die markierte Form ›Grüne‹, die am Beginn der Zeile in der Bedeutung einer farblichen Unterscheidung auf die funktionale Kleidung der Staatsbeamt*innen referiert, wird indifferent und auf einmal in eine gänzlich andere Unterscheidungshandlung eingebunden, deren Ergebnis die tradierte und institutionalisierte Verknüpfung ›grün‹ = ›umweltengagiert‹ ist. Um die Pointe zu verstehen, muss die Rezipientin gedanklich schnell zwischen den verschiedenen frames wechseln und neue Unterscheidungen in Form von Binärcodes aufbauen, die wiederum neue Rollen implizieren: Der rappende Drogenbesitzer als Antagonist der Polizei wird zum semantisch unterbestimmten Gegenstück der legislativen Instanz im Bundestag, die der Herausforderer ebenso wenig ernst nimmt wie das Exekutivorgan auf der Straße.  

Im humoristischen Dissing der Polizei zeigt sich »Hoodtales IV« beispielhaft für die im Battlerap typische Umkehrung (scheinbar) untergeordneter sozialer Positionen im Konflikt. Die Tyrannenkritik der rhetorischen Tradition wird invertiert, wenn Kollegah die Tradition des kriminellen und staatlich eingehegten Außenseiters aufruft, um sie dann in der sprachästhetischen Machtdemonstration zu unterlaufen und den Kriminellen als die tatsächliche Machtinstanz der ›Hood‹ vorzustellen. Er bedient dabei zum einen die Entstehungstradition des Hip-Hop, der sich als Sprachorgan einer ghettoisierten Jugendkultur in den 1970er-Jahren in den USA entwickelte und mittels Resignifizierung kultureller Vorurteile vielgestaltige Narrative der Selbstermächtigung marginalisierter Minderheiten hervorbrachte.32 Zum anderen referiert Kollegah auf die Neubewertung des Kriminalitätstopos, die sich – mit dem zunehmenden kommerziellen Erfolg und der Transformation des Rap zur musikökonomischen Größe33 – vermehrt auf popkulturelle Vorlagen der organisierten Kriminalität stützt und den Gangsta-Rapper als Mafiaboss im Nadelstreifenanzug inszeniert.34 Kollegahs vierteilige Hoodtales-Serie (2009 bis 2015) erzählt von der gewaltverherrlichenden, hypermaskulinen und -materialistischen Umkehrung sozialer Ungleichheit, in der die nunmehr unterlegenen Staatskräfte vom Wohlwollen des dominanten Gangsters abhängen.

Ambiguierendes Sprechen wird hier also auch nicht zum Selbstschutz eingesetzt und als Schleier der Kritik am allmächtigen Tyrannen funktionalisiert, sondern zur Demonstration der sprachlichen und kognitiven Überlegenheit des Drogendealers, der trotz offensichtlichem Verstoß gegen geltendes Gesetz keine gerichtlichen Konsequenzen zu befürchten hat. ›Offizielle‹ Einrichtungen von ›Recht und Ordnung‹ werden somit als Scheinwirklichkeiten desillusioniert und die wahre Form der Machtverteilung wird sichtbar. Dass Kollegah »Kein’ Respekt ha[t] vor Gesetzen« begründet sich im Liedtext mit dem wortspielerischen Endreim der nächsten Zeile: »Außerdem spiel’ ich Golf mit euren Vorgesetzten«, in dem Polizeikorruption auf hoher Ebene als verdeckte und den Straßenpolizist*innen unzugängliche Realität entlarvt wird. Der Gangster ist Teil der Macht, weil er mit den Mächtigen paktiert; in der äquivoken Dopplung »vor Gesetzen« / »Vorgesetzten« findet sich das verschobene Sozialgefüge verdichtet. Beinahe übertrieben komisch wirkt der durch den mehrdeutigen connector »aussage« verknüpfte semantische frame-Wechsel, der die Bedeutungen ›Aussage vor Gericht‹ und ›Tier-Dressur‹ homophon übereinanderlegt und hochrangige Polizeibeamte mit Hunden vergleichbar macht. Durch die ebenfalls mehrdeutige Prädikation »sitzen sie« lässt die Textsequenz Deutungen zu, die von der bloßen Unterwerfung der Vorgesetzten unter das Gesetz des Gangsta-Rappers im Stil sich fügender Hunde bis hin zur Inhaftierung derselben aufgrund seiner belastenden Aussage über ihre korrupten Machenschaften reichen. 

Die Hoodtales variieren mittels ambiger Sinnsetzungen und -verschiebungen die In-Form-Setzung sozialer Strukturen. Das Situationsnarrativ fordert tradierte Machtverhältnisse heraus, indem Wortspiele und Vergleiche die Anzahl möglicher Deutungen potenzieren. Mehrdeutigkeit hat hier neben der naheliegenden Wirkung humoristischer Erheiterung außerdem die Funktion, gewohnte Kontexte aufzubrechen und sie mit scheinbar bedeutungsfernen Semantiken neu zu kombinieren, um Coolness und Überlegenheit zu signalisieren. Der Rapper steht dann als Strippenzieher da, der ›Recht und Ordnung‹ unterläuft und neu ordnet. Im Feld dieser Rap-typischen ästhetischen Strategien gilt Kollegah als eine Art Virtuose; seine schnellen und originellen Punchlines und die einfallsreichen und zum Teil hochkomischen Vergleiche machten seine Tracks trotz ihrer frauenverachtenden und homophoben Inhalte lange Zeit überaus beliebt bei Fans und sogar im Feuilleton sowie zum bevorzugten Untersuchungsgegenstand der Rap-Forschung.35 Wenn er zum Beispiel die korrupte Verschwörung in »Hoodtales IV«, von der er selbst Teil zu sein behauptet, mit dem pointierten Vergleich »Die stecken doch eh alle unter einer Decke, wie Brandmelder« fasst,36 wird die Semantik des Amtsmissbrauchs parodistisch mit lästiger Innenausstattung analogisiert und damit unernst. 

Kollegahs Sprachgestus lässt sich dann auch verschieden interpretieren; seine Inszenierung als Gangsta-Rapper ist ihrerseits mehrdeutig: »Das offensichtlich Unernste kann sowohl als ironische und damit gegenteilig intendierte Äußerung gedeutet werden, als auch als scherzhafte Übertreibung der tatsächlich vertretenen Position oder gar als völlig bedeutungsloser Spaß.«37 Die Absurdität der Vergleiche und Sprachbilder sowie die fast karikatureske Überzeichnung des männlichen Stahlkörpers und nicht zuletzt die offensichtlich inkonsistente Argumentation seines Fitness-Ratgebers Das ist Alpha markieren Brüche,38 die der menschenverachtende Haltung der Rap-Persona eine legitime Faszination des Als-Ob verleihen. Ob Kollegah selbst seinen Habitus als Gangsta-Rapper ernst nimmt oder seine Rap-Persona primär als strategische Inszenierung von Genrekonventionen auffasst, ist also unklar. Die für den Rap sowie seine Rezeption eigentlich so wichtige Kategorie der Authentizität von Hypermaskulinität und krimineller Energie bietet im Falle Kollegahs einen gewissen Spielraum für Deutungen, was seinem Erfolg keinen Abbruch tut, sondern seinen Bekanntheitsgrad im Gegenteil weit über Jugend- und Subkultur hinaus steigert. Doch auch der unernste Gestus wird vermehrt gebrochen und mit Informationen konfrontiert, die Anspruch auf Faktizität erheben: Wenn Kollegah 2008 dafür sorgt, dass seine Verurteilung wegen Rauschgiftbesitz und -handel öffentlich bekannt wird, werden solche Informationen bewusst eingesetzt, um das Authentizitätsprimat im Rap zu bedienen und die Grenzen zwischen Felix Blume und Kollegah zu verwischen.39

Kann man angesichts der Mischung aus ökonomischem Erfolg und Popularität davon ausgehen, dass Kollegahs herablassendes Sprechen etwa der Hoodtales-Serie von den Genrekonventionen gedeckt wurde und lange Zeit als weitgehend unumstritten galt, so zeichnet sich in den letzten Jahren eine Tendenzwende ab: Mit seiner Dokumentation Kollegah in Palästina (2016), die wenige beeindruckte und von vielen als »undifferenziert« und »tendenziös« besprochen wurde,40 den konspirationistischen Äußerungen in Interviews, in denen er u.a. die Evolutionstheorie anzweifelte, und dem Echo-Skandal 2018 wird der Freiraum der Kunstfreiheit um die Rap-Persona immer enger. Bot Kollegah zuvor vielfach Anlass, seine fragwürdigen Haltungen als Übertreibung und darin vielleicht sogar kritische Reflexion des Genres zu erkennen, so werden sie der Rezeption in Feuilleton und Forschung zunehmend suspekt und unangenehm.41 Diese Tendenz spiegelt sich auch in den beiden umstrittenen Musik(video)produktionen Armageddon (2013) und Apokalypse (2016) wider, die ich im Folgenden mit der Perspektive auf bedeutungsoffene Formen etwas näher betrachten möchte. Da Apokalypse im Zuge des Echo-Skandals und der Debatte um Antisemitismus im deutschen Rap von der Forschung ausführlicher besprochen wurde,42 konzentriere ich mich vor allem auf Armageddon, das im Übrigen für die Frage nach politischer Ambiguität weitaus ergiebiger ist. Zu fragen ist einerseits nach der Entwicklung der Ambiguierungsstrategien auf formaler, rhetorischer Ebene, und andererseits, auf inhaltlicher Ebene, nach Abweichungen vom Genrecode in der Topik der Songs und Videos. 

Das Musikvideo zu Armageddon postete Kollegah im Jahr 2013 als Dank an seine Facebook-Fans, deren Zahl gerade die Schwelle von einer Million überschritten hatte. Er stellte damit einen neunminütigen Storyteller in Comicdesign vor, der vom drohenden Untergang der Welt und von Kollegahs Kampf gegen die dunklen Mächte einer übergreifenden Weltverschwörung handelt. Trotz der für Rapsong und Musikvideo ungewöhnlichen Länge ist die Narration in Armageddon handlungsarm; sie lässt sich in drei ungefähr gleich lange Abschnitte gliedern, die den Spannungsaufbau strukturieren: In den ersten dreieinhalb Minuten werden die Auswüchse der Weltverschwörung vorgestellt. Visuell dominant sind hier Regalreihen voller Bücher in einem Studierzimmer, an dessen Schreibtisch eine Comic-Version des Rappers vor einem Stapel zugeschlagener Bücher mit seinen Erkenntnissen ringt, sowie in eine mehrgängige Bibliothek. Auch findet sich in diesem ersten Sinnabschnitt eine Fülle von Symbolen, welche die globale Infiltrierung durch Illuminaten, Freimaurer und Co. anzeigen, und von religiösen Stätten weltweit, die Austragungsort der entscheidenden Kämpfe sein werden. Im zweiten Teil erzählen Song und Video von Kollegahs Angriff auf eine gut bewachte Schaltstelle der Verschwörer*innen mitten im schneeverdeckten Nirgendwo, in der Versuche durchgeführt und Programmatiken ausgearbeitet werden. Kollegah inszeniert sich hier als heroischer Kämpfer, der zunächst Wachen und feindliche Kämpfer*innen besiegt und sich dann dem anführenden Zyklopenwesen stellt, das allerdings fliehen kann. Der dritte Teil von Armageddon imaginiert den drohenden Weltuntergang und lässt weltweit monströse Mächte auftreten, die die Menschheit auslöschen sollen. Auch hier zeigt sich Kollegah wieder kampfbereit, greift die weltvernichtenden Kollektive zunächst aus der Luft, dann vom Boden aus und später aus dem organisierten Untergrund an. 

Armageddon basiert auf einem durchgehend deskriptiven Rap, der in gewohnt monotonem Flow ungewohnt wenige humoristische Pointen bereithält. Mehrdeutigkeiten in Form semantischer frame-Wechsel sind überaus sparsam eingesetzt: Hin und wieder zeigt sich die typische leicht absurde Originalität, die ironische Brüche einspinnt und einen unernsten Modus mittels ambiger connectoren aktiviert, etwa wenn Kollegah der Menschheit vorwirft, angesichts der Übel der Welt die »Schotten dicht« zu machen »wie Grog und Whisky«.43 Überwiegend aber beschränkt sich seine Vergleichsstrategie auf Kombinationen von frames mit tradierter semantischer Überschneidung; Analogien mit klarer Aussage dominieren die sonst so dicht getakteten mehrdeutigen Pointen. In der Zeile »das Ende kommt rasend näher, wie Geisterfahrer« besteht die Mehrdeutigkeit in der Übertragung des nahenden Weltendes in die ohnehin für dieses Szenario konventionelle Bewegungsmetaphorik, die durch den frame ›gefährlicher Gegenverkehr‹ lediglich als übertragen markiert wird. Hier wird zwar ein actiongeladenes Bildarchiv aufgerufen, aber kein unerwarteter Bedeutungskontext eingebracht, der Sinnverschiebungen oder gar ambige syntaktische Instabilitäten verursachen könnte.44 Ganz ähnlich verfährt der Vergleich ubiquitärer Verbreitung geheimer Zeichen mit der ebenfalls allgegenwärtigen Präsenz fester und flüssiger Partikel in der Luft in »Sie sind einfach überall, so wie Feinstaubatome«. Analog zu ›rasend zukommen‹ ist ›überall sein‹ unzweifelhaft ein connector, der allerdings – anders als bei ›dicht machen‹ = zu/betrunken machen – nicht ambig ist und damit auch nicht unerwartet pointiert. Und auch die kunstvoll eingesetzte Äquivokation des Zeilenpaares »Doch ich hoff, dass es meine Spezies versteht/Nur frage ich mich täglich, wie spät sie es versteht«, in der »Spezies« und »spät sie es« phonetisch kaum zu unterscheiden sind, bringt keine ambigen Brüche in die songkonstante Klage über die blinde Menschheit, die die Realität unter der illusionären Oberfläche nicht sehen will. Die rhetorische Form der Mehrdeutigkeit, die die Hoodtales-Serie durchzieht, schwindet; Wortspiele und anspruchsvolle Reime konzentrieren sich nunmehr darauf, die eindeutigen Aussagen (laut-)bildgewaltig zu verstärken.

Die produktive Überforderung durch sprachliche Ambiguität, das wiedererkennbare Merkmal Kollegahs, weicht in Armageddon einer fast komisch wirkenden Comicästhetik. Der Stahlkörper des Rappers, der in seiner medialen Inszenierung Spielräume für ironische Überzeichnungen seiner Rap-Persona bietet, wird in der Performance des Superhelden aufgenommen und nochmals überboten. Die Comicaufmachung bringt damit einen Modus des Unernsten in die Narration. Darüber hinaus dominiert das Musikvideo eine Bildästhetik der ›Vielschichtigkeit‹. Uneindeutige Aussagen produziert das Video damit verstärkt auf der visuellen Ebene, die die Textaussage der doppelbödigen Realität durch die bewegtbildlich inszenierte ›Analyse‹ verborgener Zeichen verstärkt. Die Abbildungen 1 bis 445 zeigen verschiedene Aufnahmen der im Video wiederholt gezeigten Dollarnoten, die die Weltherrschaft als Geldherrschaft und die untergründige Geheimdimension in der US-amerikanischen Machtriege symbolisieren sollen. Durch Drehen, Heran- und Hineinzoomen wird eine emsige ›Lektüre‹ der verborgenen Sinngehalte auf den Geldscheinen simuliert, die etwa durch das Auge George Washingtons das Symbol des ›Auges der Vorsehung‹ erscheinen lässt, das sich auf der Rückseite des Scheins befindet und seinerseits durch die Indienstnahme in vielen verschiedenen kultischen und politischen Traditionszusammenhänge mehrdeutig ist. Die Rezipient*innen des Videos werden so zu »Augenzeugen für den Akt des Aufdeckens« – ein rezeptionsästhetischer Kniff, der traditionell zur Plausibilisierung von Verschwörungsnarrativen eingesetzt wird.46 Die Aussage des Videos bezieht sich somit auf ambige Zeichen, die typischerweise den Garanten für verschwörungstheoretische Thesen bilden, und produziert wiederum ambige Zeichen, weil offenbleibt, ob ein Verschwörungsnarrativ exemplarisch paraphrasiert wird, um das Armageddon dramatisch zu motivieren, oder ob es ernst gemeint ist. Das Video reproduziert diese Bildlogik der Verwinklung und Doppelbödigkeit auch in der Raumarchitektur, in der sich die Lektüre abspielt: Eine Überfülle an Buchreihen und undurchsichtig viele Bibliotheksgänge mit Abzweigungen signalisieren, dass die Oberfläche nicht mit der Realität identisch, sondern unterwandert ist von verborgenen Operationen und geheimen Sinnschichten. Abbildung 4 zeigt beide Bildtopoi vereint mit Kollegah im Zentrum: Im Gang stehend und mit zahlreichen Gängen in seinem Rücken wirft der ›sehende‹ Rapper die lesbaren Zeichen der Kamera entgegen, den Blick frontal und auffordernd den Rezipierenden zugewandt.

    

  
 Das eingeblendete Textfeld bedient die Bildmetaphorik mit Wortfeldern tiefgreifender Verschwörungen, die »geheime Labore unter U-Bahn-Schächten« bauen und ›Regierungskreise schleichend infiltrieren‹. Dieser tiefentopographischen Bewegung korrespondiert die – für Verschwörungsnarrative typische – Analysebewegung »von der Oberfläche zur Tiefenstruktur«.47 Die für alle Menschen sichtbare Oberfläche muss erst performativ durchstoßen werden, um die authentische Realität als eingeweihtes Wissen hervorzubringen. Figuriert am Comic-Helden Kollegah vollzieht Armageddon eben diese Bewegung in die Tiefe vor, um die allmählich ›sehenden‹ Rezipient*innen in die Mehrdeutigkeit der scheinbar eindimensionalen offiziellen Wirklichkeit mitzunehmen. Insofern hat die Offenheit der zu lesenden Zeichen für das Verschwörungsnarrativ eine Schließungsfunktion: Erst einmal zum arkanen Wissen vorgedrungen, ist das Entdeckte keine Interpretation unter vielen, sondern die einzig wahre.

Offenheit findet sich dann nurmehr dort, wo das Ausmaß des Komplotts und die Anzahl der beteiligten Akteur*innen unbestimmt bleibt.48 Offen bleibt nämlich, gegen wen Kollegah eigentlich ankämpft. Außer dem einäugigen Zyklopenwesen, dem Endgegner des Videos, wird die feindliche Seite wenig konkret besprochen; sie geht in eine gigantische Konspiration ein, in der »Hintermänner eines Ordens von Mingh-Anhängern«, die »Regierung«, die »Nachrichtenmacher« oder die »Freimaurerloge« zu einem bedrohlichen antagonistischen »Sie« verschmelzen. Dieses »Sie« bildet die Form eines Paradigmas, das aus einer Liste besteht, aus der Beteiligte gelöscht oder beliebige weitere Beteiligte aufgenommen werden können. Egal, wer zu ihr gehört, die Verschwörung ist real und besteht unabhängig von den konkret Umsetzenden. Deren Funktion innerhalb der Verschwörung ist absolut austauschbar, ebenso die ihrer vielzähligen Vollstrecker, und wenn Kollegah »Kroatische Drogenkartelle« auf »Dromedarfelle tragende botswanische Nomadenstämme« reimt, wird deutlich, dass schlichtweg der hinzugehört, dessen Silbenanzahl und -klang in den Flow passt. 

Definitiv kein Teil der Verschwörung, vielmehr ihr gefährlichster Gegner ist Kollegah selbst, der sich in Armageddon – anders als in der Hoodtales-Serie – nicht innerhalb der Machtverstrickungen, sondern als widerständiger Zeichenleser ihrer üblen Machenschaften inszeniert. Nach wie vor ist die Rollenzuordnung binär strukturiert und stellt den Mächtigen aufstrebende Marginalisierte entgegen. Die Topik des Gangsta-Raps basiert hier nach wie vor auf einer Oben/Unten-Codierung, allerdings mit entscheidenden Unterschieden in der narrativen Ausgestaltung: Das Territorium des ›Battles‹ ist nicht mehr die Straße, auch nicht die ›Hood‹, sondern die ganze Welt. Auch der Zeitraum von Verschwörung und Widerstand ist nicht auf einzelne Situationen oder die Dauer einer lokalen Fehde begrenzt, sondern reicht bis in die frühe Historie von Illuminaten und Freimaurern zurück. Der Straßenkampf zwischen Gangstern oder Gangster und Polizei hat sich in einen Endkampf verwandelt, in dem das gute Individuum gegen die böse Weltverschwörung antritt und es um alles geht. ›Organisierte Kriminalität‹ ist kein Mafia-Faszinosum mehr, in das die Figur des Rappers involviert ist; die Organisation von Kriminalität hat mit dem Zyklopenwesen, der Chronosphäre und den Alienzüchtungen der Regierung stattdessen unüberblickbare Ausmaße angenommen und sogar den terrestrischen Raum mit dem Weltraum zusammengesponnen. Das Verschwörungsnarrativ Armageddon macht seinem Titel alle Ehre und erzählt die Katastrophe genrekonform in einer »zeitliche[n], räumliche[n] und personelle[n] Ausdehnung« des Kampfes.49 Die Gründe für die Marginalisierung des Rappers liegen dann auch nicht mehr in einer sozialen oder kulturellen Andersartigkeit, sondern in der radikalen politischen Ausgrenzung der ›kleinen Leute‹ durch ›die da oben‹. Ohne komische Invertierung tritt die ›Tyrannenkritik‹ offen zutage; mit dem auserwählten Einzelkämpfer kommen außerdem manichäische Motive der Auserwählung und des märtyrerhaften Heroismus ins Spiel, durch die der vorherige kriminelle Selfmademan zum Weltenretter stilisiert wird.  

Diese Verschiebung beziehungsweise Ausweitung der Rap-Topik, gepaart mit der konspirationistischen Mixtur aus desambiguierender Schließung auf eine einheitliche Welterklärung und ambiguierender Öffnung auf die Beteiligten und Anzeichen des Komplotts, findet sich auch im zweiten Teil von Kollegahs Endzeitnarrativ, Apokalypse (2016). Rhetoriken der Ambiguität, die mithilfe von frame-Wechseln Komik erzeugen, sind hier vollständig getilgt. Wie im ersten Teil Armageddon bereits deutlich, verschiebt sich die bedeutungsöffnende Formstrategie im zweiten Teil nun gänzlich auf die Bildebene. Hier ist es vor allem ein Ring mit Davidstern, der am Finger des zentralen Strippenziehers der Weltvernichtung prangt, um den die Debatte über antisemitische Inhalte im Rap kreist. In der WDR-Dokumentation Die dunkle Seite des deutschen Rap (2018) wird der Konflikt der verschiedenen Lesarten gezeigt: Während der geladene wissenschaftliche Experte Jakob Baier postuliert, der Davidstern sei heute unzweifelhaft mit dem Judentum verknüpft und seine Präsenz am Finger des allmächtigen Bösen im Video daher eine klar antisemitische Botschaft, zweifelt der befragte Kollegah die Kompetenz des Experten an, indem er betont, das Hexagramm sei älter als das Judentum und in seiner mehrdeutigen Aussage dem allgemein Okkulten zuzuweisen.50 Hier wird deutlich, dass die mit der rhetorischen Deutungskomplexität schwindende Ambiguität in Kollegahs Musikvideos mit einer semiotischen Komplexitätssteigerung einhergeht, die mittels der Deutungsoffenheit und Kontextvielfalt magischer und religiöser Symbole Mehrdeutigkeiten wieder einbaut.51 Ein weiterer Aspekt, den Baier anführt, um den Antisemitismus in Apokalypse zu plausibilisieren, ist die fehlende Nennung der Juden in der postapokalyptisch befriedeten Welt, in der »Buddhisten, Muslime und Christen« laut Songtext harmonisch zusammenleben.52 Bezeichnenderweise ist die für Baier offensichtliche Textstelle eine Leerstelle, in der, so der Autor, »eine Reinigung der Welt vom Jüdischen als eschatologische Interpretation explizit zugelassen wird«.53 Wohlgemerkt: explizit zugelassen, nicht explizit erzählt

Die umrissene Genealogie der Ambiguität bei Kollegah umfasst nur wenige Jahre. Hinzu kommt, dass die Hoodtales-Serie zwar bereits 2009 begann, der letzte und hier fokussierte Teil »Hoodtales IV« allerdings 2015 erschien – zwei Jahre nach Armageddon und dem hier proklamierten Schwund rhetorisch ambiger Formen und nur ein Jahr vor der gänzlichen Verabschiedung mehrdeutiger Komik mit Apokalypse. Wie ist diese Diskontinuität in der mikrohistorischen Transformation zu erklären? Zum einen schließt »Hoodtales IV« sowohl formal als auch inhaltlich sehr eng an die drei Vorläuferteile an und ist trotz der zeitlichen Differenz von sechs Jahren stilistisch exakt gleich gehalten, was durch völlig analoge Szenen wie die Polizeikontrolle in Vol. III und IV nur noch verstärkt wird. Zum anderen liegt in der zeitlichen Parallelität der so verschiedenen rhetorischen und inhaltlichen Ästhetik der Rap-Narrative eine eigene perfide Pointe: Ebenso wie die Rap-Persona ist die Poetik Kollegahs nicht eindeutig und in einer linearen Entwicklung zu denken; sie kann unterschiedliche Strategien bedienen, um Machtformationen als Form-Arrangements sichtbar zu machen und sich durch deren Neuarrangement auf unterschiedliche Weise politisch zu äußern. Es überrascht daher auch nicht, dass die verschiedenen Strategien mit unterschiedlichen Bewertungen ihres politischen Gehalts einhergehen. Ein kurzer abschließender Blick auf die Wertungsgewohnheiten der Rapforschung ermöglicht, das Politische des Rap zu differenzieren und die Denormalisierung von Kollegahs neueren Produktionen zu verstehen.

3. Das Politische des Rap

Immer wieder findet man in der Sekundärliteratur zu Rap-Phänomenen ein Lob ihres politischen Gehalts. Dabei wird die Herkunft des Genres aus dem subkulturellen Milieu häufig mit einer subversiven Tendenz kurzgeschlossen. Mit dem Prekären durchzogen, begründe der gerappte Sprechakt schon aufgrund seiner gesellschaftlichen Bewegung ›von unten‹ oder ›vom Rand aus‹ den »explizit politischen Charakter[] von Gangsta-Rap«.54 Das öffentliche Sprechen über die »Lebenswirklichkeit gesellschaftlich Marginalisierter« wird als Angriff auf die etablierte Hierarchie verstanden und nicht selten emphatisch begrüßt.55 ›Politisch‹ ist dann gleichbedeutend mit einem kritisch-reflexiven Gestus, der als zugeschriebenes Merkmal künstlerischer Texte auch dezent heteronome Bewertungsmuster transportiert, wie sie die Autonomieästhetik proklamiert(e). Wird in diesem Kontext Kritik am Rap geübt, dann vor allem aufgrund seiner Kumpanei mit der neoliberalen Aufmerksamkeitsökonomie. Rap, so der Impetus kritischer Positionen, ist schon längst kein gesellschaftliches Randphänomen mehr, sondern Teil der Mainstream-Kultur und darin eine dominante ökonomische Größe.56 Wenn sich zum Beispiel Kollegah golfspielend mit den Polizeichefs vielmehr systemaffirmativ denn -kritisch verhält, dann fällt es schwer, darin die subversive Tendenz einer genretraditionell marginalisierten Sprechposition zu erkennen. Der Sprechgestus ›von unten‹ sei dann auch keine Legitimation (mehr) für die skandalösen Inhalte des Gangsta-Rap. In dieser Bewertungslogik der Forschungsliteratur findet sich die Traditionslinie der antiken Rhetorik wieder, für die Quintilian hier exemplarisch steht. Im Zuge der Tyrannenkritik, will heißen: in gesellschaftlich-subversiver Tendenz, ist die sprachliche Destabilisierung etablierter Sinnzusammenhänge zu begrüßen, affirmiert sie bestehende Verhältnisse wie die Dynamik des kapitalistischen Marktes, wird sie skeptisch beäugt.

Die Wertung des politischen Rap basiert auf der Unterscheidung subversiv/affirmativ, die, systemtheoretisch gedacht, die Grundkonstitution des politischen Systems bildet. Als Basisoperator des politischen Systems hilft die Binäropposition subversiv/affirmativ dabei, seine semantischen Grundmuster zuzuordnen und intrasystemische Sinnanschlüsse zu verstehen. In der forschungsliterarischen Wertung ästhetischer Verfahren wird die Unterscheidung mit einer weiteren Unterscheidung gekoppelt und mündet in eine ästhetische Wertung. Tritt die jeweilige Haltung zu politischen Verhältnissen im System der Kunst und damit in einem Umgebungsbereich des Politischen auf, wird sie mit einer anderen, in diesem System zentralen Binäropposition gekoppelt: gelungen/misslungen oder auch passend/unpassend. Diese Kopplung wird in den angeführten Argumentationen sichtbar. Systemkritische Kunst gilt als gelungen und passend, wird also ästhetisch aufgewertet, während systemstabilisierende Kunst misslungen beziehungsweise unpassend ist und eine Abwertung erfährt. In der Wertung solchermaßen gekoppelt, sind politische und ästhetische Programmatik nicht mehr zu trennen.57 

Mit ihrer Aufwertung subversiv-destabilisierender und der Abwertung affirmativ-stabilisierender Tendenzen baut die Forschungsdiskussion um das Politische des Gangsta-Rap auf ebendieser Code-Kopplung auf. Sie zeigt sich damit unreflektiert in einer Wertungstradition verhaftet, die ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – wohl nicht zuletzt angeregt durch die Erinnerungen an die fatalen Näheverhältnisse zwischen Kunst und Politik in den jüngsten totalitären Regimen – vor allem das emanzipatorische Potenzial von Kunst hochhielt.58 Künstlerische Praxis zu loben, die sich als Kritik an und Gegnerin von sozialer Ungleichheit stilisiert, ist in den letzten Jahrzehnten dann auch zu einer hartnäckigen Geste der selbst politisch engagierten Cultural Studies geworden.59 ›Politisch‹ wird in dieser Logik zum emphatischen Begriff. Systemtheoretisch argumentiert, passiert hier etwas Entscheidendes: Das Politische wird nur mit der einen Seite der Unterscheidung identifiziert und selbst zum positiven Wert erklärt. Oder anders gesagt: Das Politische wird zur Form, deren Anderes der Markt bildet.

Die Aufwertung der Hoodtales-Strategie und die Abwertung der konspirationistischen Musikvideos des Rappers Kollegah in Feuilleton und Forschung ist nun aber nicht vollständig durch die Kopplung der politischen Unterscheidung subversiv/affirmativ mit dem Wertungsschema gelungen/misslungen beziehungsweise passend/unpassend erklärbar. Denn: Kollegahs Affirmation der Marktlogik bleibt konstant, tritt hier wie dort offen zutage und führt hier wie dort zu keiner negativen Rezeption seiner künstlerischen Leistung. Die unterschiedliche Wertung in Lob und Kritik tritt vielmehr nur auf der einen Seite der Unterscheidung und damit dort auf, wo sich die eine wie die andere poetische Strategie selbst als subversiv ausweist. Wie gezeigt, beanspruchen sowohl »Hoodtales IV« als auch Armageddon einen marginalisierten Status für den Helden der Narration, um dann seine überlegene Stärke im Kampf gegen die Obrigkeit als spannungsgeladene Auflösung zu präsentieren. Sei es der Kleinkriminelle, der den unwissenden Polizeibeamt*innen demonstriert, wie er im Verborgenen Macht akkumuliert und sich aus ihrem Zuständigkeitsbereich emanzipiert hat; oder sei es der Auserwählte, der den schier ausweglosen Kampf gegen die Weltverschwörung antritt und letztlich gegen das ultimative Böse den Frieden auf Erden erringt. Beide Szenarien funktionieren nach der Logik der ›Emanzipation‹ von vorgegebenen und scheinbar alternativlosen Strukturen. Die Aufwertung der territorial umgrenzten Machtbehauptung des Gangsters, der mit »Hoodtales IV« Genre-Codes bedient, und die Abwertung des territorial und eschatologisch ausufernden Kampfes in Kollegahs Endzeitnarativen stellt somit ein - ebenfalls unreflektiertes - re-entry in der Kopplung der Binärcodes dar: Die Unterscheidung gelungen/misslungen zieht Markierungen in die Form des ›Subversiven‹ ein und initiiert auf diese Weise eine Ausdifferenzierung der Form und der Bewertung ›des Politischen‹. Denn während die ästhetische Wertung eine – wenn auch letztlich systemaffirmative, so doch auch hierarchieverändernde – Auflehnung gegen Polizeikräfte billigt, missbilligt sie Grenzverschiebungen im erinnerungspolitischen Diskurs. Das Spiel mit Ausschwitz-Vergleichen oder konspirationistischen Argumentationsmustern ist eine ›Subversion‹ des Sagbaren, das nicht als gelungen bewertet werden kann. 

Vor dem Hintergrund der Genealogie ambiger Formen bei Kollegah ist die Bewertungslogik des Politischen als gelungen, misslungen, passend oder unpassend auch mit formal-rhetorischen Verschiebungen erklärbar. Mein Beitrag stellte die Transformation der humoristischen Mehrdeutigkeit der Hoodtales-Serie hin zur konspirationistisch instrumentalisierten Mehrdeutigkeit der Endzeitszenarien Armageddon und Apokalypse dar. Innerhalb dieser Veränderung erfährt das reflexive Potenzial der Mehrdeutigkeit mit dem Schwund ambiger connectoren eine Einschränkung: Wenn nicht mehr vielfältige frames über bedeutungspluralisierende Wortspiele und Vergleiche miteinander verknüpft werden, dann werden im Zeichenprozess installierte Formsetzungen auch nicht durch alternative Sinnangebote herausgefordert. Die Markierung der Kunst(fertigkeit) fällt weg und das Gesagte ist nicht als ›Sonderkommunikation‹ legitimiert. Gesetzte Sinnzusammenhänge bleiben eindeutig und Rollengrenzen statisch. Mit dem Transfer bedeutungsöffnender Verfahren von der Laut- auf die Bildebene wird Mehrdeutigkeit zudem verstärkt in die Lesehaltung der Rezipient*innen verlagert: Wie am Disput Baier vs. Kollegah deutlich wird, spielen Welt- und Vorwissen sowie ein Relevanz- oder Erwartungswissen, das Baier mit der Dominanz des jüdischen Kontexts für die Auslegung des Davidsterns anspricht, zentrale Rollen in der Bewertung der politischen Aussage eines Songs. Je nachdem, welche Symbolbedeutung intuitiv angeregt wird, erhält das gezeigte Symbol einen problematischen oder unproblematischen Charakter. 

Auch der Schwund komischer Elemente ist nicht zu unterschätzen: Ironische Brüche oder das genretypische Augenzwinkern, das selbst homophobe oder frauenverachtende Inhalte entschuldbar – weil erwartbar – macht, verleihen dem Rap eine karnevaleske Komik, die gesellschaftlich anerkannt werden kann, weil sie satireähnlich als politisches Sprachrohr der weniger Mächtigen fungiert. Fällt der komikkonstitutive frame-Wechsel weg, so fällt auch die Bereitschaft, nunmehr eindeutig heikle Aussagen zu affirmieren. Es ist also festzuhalten, dass ein ernst genommenes alltagskommunikatives Verständlichkeitspostulat, dessen Grenzen der ambige Rap vielmehr auslotet als bedient, die Grenzen des ›Rapbaren‹ merklich einschränkt.  Kunstmarker und Komik machen ambige Phänomene ästhetisch wertvoll und im emphatischen Sinne ›politisch‹; frame-Konstanz und Formidentität hingegen machen sie zu Alltagskommunikation und damit politisch-verdächtig.

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WEIXLER, Antonius: »Make Control Great Again. Die narrative Konstruktion ›eingeweihten Wissens‹ in Verschwörungserzählungen«. In: Ders. u.a. (Hg.): Postfaktisches Erzählen? Post-Truth – Fake News – Narration. Berlin, Boston 2021, S. 127–155.

WENZEL, Peter: Von der Struktur des Witzes zum Witz der Struktur: Untersuchungen zur Pointierung in Witz und Kurzgeschichte. Heidelberg 1989.

WOLBRING, Fabian: Die Poetik des deutschsprachigen Rap. Göttingen 2015.

WOLBRING, Fabian: »Ich bin mehr Gangster als mein Gangster-Image«. Zum Verhältnis von Gangsta-Rap und Kriminalität. »›Ich bin mehr Gangster als mein Gangster-Image‹. Zum Verhältnis von Gangsta-Rap und Kriminalität«. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 68.9 (2018), S. 34-39. https://www.bpb.de/apuz/265106/gangsta-rap-und-kriminalitaet (zuletzt eingesehen am 11. Juli 2021).

Abbildungsverzeichnis:

Abb. 1: Geldschein mit George Washington. In: Kollegah: Armageddon, 26. November 2013. Phil Fanatic, Hookbeats & Sadikbeatz 2013. https://
www.youtube.com/watch?v=JAE0KtU0tuc (zuletzt eingesehen am 13. Juli 2021), 00:00:58.

Abb. 2: Auge der Vorsehung. In: Kollegah: Armageddon, 26. November 2013. Phil Fanatic, Hookbeats & Sadikbeatz 2013. https://
www.youtube.com/watch?v=JAE0KtU0tuc (zuletzt eingesehen am 13. Juli 2021), 00:01:13.

Abb. 3: Unterwanderte Raumarchitektur: Drehung. In: Kollegah: Armageddon, 26. November 2013. Phil Fanatic, Hookbeats & Sadikbeatz 2013. https://
www.youtube.com/watch?v=JAE0KtU0tuc (zuletzt eingesehen am 13. Juli 2021), 00:01:36.

Abb. 4: Geheime Gänge. In: Kollegah: Armageddon, 26. November 2013. Phil Fanatic, Hookbeats & Sadikbeatz 2013. https://
www.youtube.com/watch?v=JAE0KtU0tuc (zuletzt eingesehen am 13. Juli 2021), 00:01:25.

  • 1. Kollegah u. Farid Bang: Jung Brutal Gutaussehend 3. Banger Musik / Alpha Music Empire 2018.
  • 2. Vgl. Jens-Christian Rabe: »Mein Körper definierter als von Ausschwitz-Insassen«. In: Süddeutsche Zeitung vom 7. April 2018. https://www.sueddeutsche.de/kultur/antisemitismus-im-rap-mein-koerper-de... (zuletzt eingesehen am 5. Juli 2021).
  • 3. Vgl. Marcus Staiger: »Rap – Ein Zerrbild der Gesellschaft?«. In: Deutschlandfunk, 14. Juli 2019. https://www.deutschlandfunk.de/neuer-antisemitismus-5-6-rap-ein-zerrbild... (zuletzt eingesehen am 6. Juli 2021).
  • 4. Vgl. Jan Kawelke: »Der Antisemitismus wird oft nicht erkannt. Ein Gespräch mit Julius Stucke«. In: Deutschlandfunk Kultur, 4. Mai 2021. https://www.deutschlandfunkkultur.de/gangsta-rap-der-antisemitismus-wird... (zuletzt eingesehen am 6. Juli 2021).
  • 5. Siehe dazu ausführlich: Malte Gossmann: »›Eine Welt, zwei Parallelen‹. Der Israel-Palästina-Konflikt im deutschsprachigen Gangsta-Rap aus intersektionaler Perspektive«. In: Marc Dietrich (Hg.): Rap im 21. Jahrhundert. Eine (Sub-)Kultur im Wandel. Bielefeld 2016, S. 111–133, hier bes. S. 127–129.
  • 6. Vgl. Jakob Baier: »Die Echo-Debatte: Antisemitismus im Rap«. In: Samuel Salzborn (Hg.): Antisemitismus seit 9/11. Ereignisse, Debatten, Kontroversen. Baden-Baden 2019, S. 109–131, hier S. 120.
  • 7. Vgl. einschlägig: Fabian Wolbring: Die Poetik des deutschsprachigen Rap. Göttingen 2015, etwa S. 342.
  • 8. Auf Anregung des Musikers Marius Müller-Westernhagen besuchten Felix Blume (Kollegah) und Farid Hamed El Abdellaoui (Farid Bang) am 3. Juni 2018 die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Ausschwitz-Birkenau und legten Blumen nieder.
  • 9. Daniel Dillmann: »Antisemitismus als ästhetischer Code«. In: Frankfurter Rundeschau vom 12. April 2018. https://www.fr.de/kultur/musik/antisemitismus-aesthetischer-code-1098301... (zuletzt eingesehen am 6. Juli 2021).
  • 10. Ebd.
  • 11. Vgl. Kawelke: »Der Antisemitismus wird oft nicht erkannt« (Anm. 4).
  • 12. Baier: »Die Echo-Debatte« (Anm. 6), S. 122.
  • 13. Beginner: »Spam«. Auf: Advanced Chemistry. Vertigo Berlin, Universal Records 2016.
  • 14. Ebd.
  • 15. Alligatoah: »Du bist schön«. Auf: Musik ist keine Lösung. Trailerpark 2015.
  • 16. Wolbring: Die Poetik des deutschsprachigen Rap (Anm. 7), S. 338.
  • 17. Ebd., S. 428.
  • 18. Vgl. Matthias Bauer u.a.: »Dimensionen der Ambiguität«. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 40.158 (2010), S. 7–75.
  • 19. Das trifft freilich nicht für alle Disziplinvertreter*innen zu. Ludwig Jäger zum Beispiel schreibt unter einer primär sprachwissenschaftlichen Ausrichtung eine Apologie des konstitutiven Missverstehens in sprachlicher Kommunikation. Vgl. dazu: Ludwig Jäger: »Verstehen und Störung. Skizze zu den Voraussetzungen einer linguistischen Hermeneutik«. In: Fritz Hermanns u. Werner Holly (Hg.): Linguistische Hermeneutik. Tübingen 2007, S. 25–42.
  • 20. Vgl. Roland Bernecker u. Thomas Steinfeld: »Amphibolie, Ambiguität«. In: Gert Ueding (Hg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 1. Tübingen 1992, Sp. 436–444.
  • 21. Vgl. Roman Jakobson: »Linguistik und Poetik«. In: Heinz Blumensath (Hg.): Strukturalismus in der Literaturwissenschaft. Köln 1972, S. 118–147, hier bes. S. 126.
  • 22. Vgl. Wolbring: Die Poetik des deutschsprachigen Rap (Anm. 7), S. 339–345.
  • 23. Marcus Fabius Quintilianus: Ausbildung des Redners, IX 2, 64–68. Zwölf Bücher, Zweiter Teil, Buch VII-XII. Hg. u. übers. v. Helmut Rahn. Darmstadt 1988, S. 299.
  • 24. Ebd.
  • 25. George Spencer Brown: Laws of Form/Gesetz der Form [1969]. Übersetzt v. Thomas Wolf. Lübeck 1997, S. 1. Brown führt dazu aus: »Wir nehmen die Idee der Unterscheidung und die Idee der Bezeichnung als gegeben an, und daß wir keine Bezeichnung vornehmen können, ohne eine Unterscheidung zu treffen. Wir nehmen daher die Form der Unterscheidung für die Form« (ebd.). Vgl. auch Niklas Luhmann: Die Kunst der Gesellschaft. 8. Aufl. Frankfurt/ M. 2015, S. 111: »Als Form bezeichnen wir also das Beobachtungsinstrument Unterscheidung […]. Wer Formen beobachtet, beobachtet mithin Beobachter, und dies […] streng und ausschließlich für ihren Unterscheidungsgebrauch.«
  • 26. Claude Lefort: »Die Frage der Demokratie«. In: Ulrich Rödel (Hg.): Autonome Gesellschaft und libertäre Demokratie. Frankfurt/ M. 1990, S. 281–297, hier S. 284f.
  • 27. Kollegah: »Hoodtales IV«. Auf: Zuhältertape Vol. 4. Selfmade Records 2015.
  • 28. Vgl. weiterführend: Helga Kotthoff: »Linguistik und Humor«. In: Uwe Wirth (Hg.): Komik. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart 2017, S. 112–122, bes. S. 113–115.
  • 29. Helmut Glück: »Frame-Semantik«. In: Ders. (Hg.): Metzler Lexikon Sprache. 4. Aufl. Stuttgart 2010, S. 207f., hier S. 207.
  • 30. Peter Wenzel: Von der Struktur des Witzes zum Witz der Struktur: Untersuchungen zur Pointierung in Witz und Kurzgeschichte. Heidelberg 1989, S. 33.
  • 31. Vgl. dazu auch: Sven Bloching u. Jöran Landschoff: »Diffamierungen, Humor und Männlichkeitskonstruktion. Eine linguistische Perspektive auf Farid Bangs und Kollegahs Album JBG3«. In: Sprachreport 34.4 (2018), S. 14–27, hier S. 17.
  • 32. Vgl. Martin Seeliger: Soziologie des Gangsta-Rap. Popkultur als Ausdruck sozialer Konflikte. Weinheim 2021, S. 15f.
  • 33. Vgl. Marc Dietrich: »Rap im 21. Jahrhundert. Bestandsaufnahme und Entwicklungslinien – Eine Einleitung«. In: Ders. (Hg.): Rap im 21. Jahrhundert. Eine (Sub-)Kultur im Wandel. Bielefeld 2016, S. 7–26.
  • 34. Siehe dazu: Martin Seeliger u. Marc Dietrich: »G-Rap auf Deutsch. Eine Einleitung«. In: Dies. (Hg.): Deutscher Gangsta-Rap. Sozial- und kulturwissenschaftliche Beiträge zu einem Pop-Phänomen. Bielefeld 2012, S. 21–40, hier bes. S. 29f.
  • 35. Vgl. Josefine Hintze: »Kollegah«. In: Munziger Online/Pop – Pop-Archiv International. 08/2017 [Ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW 45/2018].
  • 36. Kollegah: Hoodtales IV (Anm. 26).
  • 37. Fabian Wolbring: »›Ich bin mehr Gangster als mein Gangster-Image‹. Zum Verhältnis von Gangsta-Rap und Kriminalität«. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 68.9 (2018), S. 34-39, hier S. 38. https://www.bpb.de/apuz/265106/gangsta-rap-und-kriminalitaet (zuletzt eingesehen am 11. Juli 2021).
  • 38. Vgl. für eine amüsante Analyse der Inkonsistenzen Seeliger: Soziologie des Gangsta-Rap (Anm. 31), S. 142–154.
  • 39. Vgl. Wolbring: »Ich bin mehr Gangster als mein Gangster-Image« (Anm. 37).
  • 40. Vgl. Baier: »Die Echo-Debatte« (Anm. 6), S. 115.
  • 41. Vgl. Seeliger: Soziologie des Gangsta-Rap (Anm. 31), S. 176–180 sowie Hintze: Kollegah (Anm. 34).
  • 42. Siehe dazu: Jakob Baier: »›Die Welt ist noch nicht gerettet … Aber der Widerstand erstarkt!‹ Antisemitische Verschwörungsmythen in der Populärkultur am Beispiel des Musikvideos ›Apokalypse‹ (2016) des Rappers Kollegah«. In: Im Dialog 3 (2020), S. 171–187; Ders: »Judenfeindschaft in Kollegahs Apokalypse (2016)«. In: Dagobert Höllein, Nils Lehnert u. Felix Woitkowski (Hg.): Rap – Text – Analyse. Deutschsprachiger Rap seit 2000 – 20 Einzelanalysen. Bielefeld 2020, S. 187–201.
  • 43. Kollegah: »Armageddon« [2013]. Auf: Freetracks Compilation. Bosshafte Beats 2018.
  • 44. Vgl. zur Diagnose der Ironiefreiheit in Kollegahs Weltende-Narrationen auch Baier: »Die Echo-Debatte« (Anm. 6), S. 115.
  • 45. Kollegah: Armageddon, 26. November 2013. Phil Fanatic, Hookbeats & Sadikbeatz 2013. https://www.youtube.com/watch?v=JAE0KtU0tuc (zuletzt eingesehen am 13. Juli 2021).
  • 46. Ute Caumanns: »Zeigbares: visuelle Narrativität in verschwörungstheoretischen Diskursen«. In: Sören Stumpf u. David Römer (Hg.): Verschwörungstheorien im Diskurs. Zeitschrift für Diskursforschung, 4. Beiheft 2020, S. 261–302, hier S. 281.
  • 47. Antonius Weixler: »Make Control Great Again. Die narrative Konstruktion ›eingeweihten Wissens‹ in Verschwörungserzählungen«. In: Ders. u.a. (Hg.): Postfaktisches Erzählen? Post-Truth – Fake News – Narration. Berlin/ Boston 2021, S. 127–155, hier S. 145.
  • 48. Vgl. Michael Butter: »Nichts ist, wie es scheint«. Über Verschwörungstheorien. Berlin 2018, S. 71–74.
  • 49. Weixler: »Make Control Great Again«, S. 133.
  • 50. Vgl. WDR Doku: Die dunkle Seite des deutschen Rap, R.: Viola Funk. 28. März 2018, 22:10 Uhr. https://www.youtube.com/watch?v=HXZCmXK9wWc (zuletzt eingesehen am 15. Juli 2021), 00:10:00–00:12:15.
  • 51. Vgl. zur Dynamik aus Komplexitätsreduktion und semiotischer Komplexitätsproduktion Butter: »Nichts ist, wie es scheint«, S. 60.
  • 52. Kollegah: »Apokalypse«. Auf: Hoodtape Vol 2. Alpha Music Empire GmbH 2016.
  • 53. Baier: »›Die Welt ist noch nicht gerettet … Aber der Widerstand erstarkt!‹« (Anm. 41), S. 179.
  • 54. John Lütten u. Martin Seeliger: »›Rede nicht von Liebe, gib’ mir Knete für die Miete!‹: Prekäre Gesellschaftsbilder im deutschen Straßen- und Gangsta-Rap«. In Martin Seeliger u. Marc Dietrich (Hg.): Deutscher Gangsta-Rap II: Popkultur als Kampf um Anerkennung und Integration. Bielefeld 2017, S. 89–104, hier S. 90.
  • 55. Seeliger: Soziologie des Gangsta-Rap (Anm. 31), S. 38.
  • 56. Vgl. Martin Seeliger: »Deutschsprachiger Rap und Politik«. In: Marc Dietrich (Hg.): Rap im 21. Jahrhundert. Eine (Sub-)Kultur im Wandel. Bielefeld 2016, S. 93–109.
  • 57. Vgl. für dieses Verständnis von politischer Literatur und die Analyse solcher Kopplungen: Ingo Stöckmann: »Die Politik der Literatur«. In: Gerhard Plumpe u. Niels Werber (Hg.): Beobachtungen der Literatur. Aspekte einer polykontexturalen Literaturwissenschaft. Opladen 1995, S. 101–134, hier bes. S. 128–130.
  • 58. Vgl. ebd., S. 130.
  • 59. Vgl. Seeliger: »Deutschsprachiger Rap und Politik« (Anm. 55), S. 97f.

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