Digitales Journal für Philologie
Die Geste als Denkfigur
1. Gesten der Rezeption
Gesten spielen in diesem Beitrag1 in doppelter Hinsicht eine Rolle. Zuvörderst geht es um die Parallellektüre zweier Modelle, die beide das Werk nicht als statische, in sich geschlossene Entität konzipieren, sondern seine Dynamik akzentuieren. Beide – die Ästhetik des Prager Strukturalismus und die von Dieter Mersch formulierte Posthermeneutik – operieren an mehr bzw. minder prominenter Stelle mit dem Begriff der Geste, um die Besonderheit des an einem Kunstwerk sich entzündenden Rezeptionsprozesses zu fassen.
In der Ästhetik Jan Mukařovskýs, des Hauptvertreters des Prager literaturwissenschaftlichen Strukturalismus, stellt die ›semantische Geste‹ einen Kernbegriff dar. In mehreren Anläufen definiert er sie als »konkrete, keinesfalls aber qualitativ prädeterminierte, semantische Intention«2 (»konkrétní, nikoli však kvalitativně prederterminovaná sémantická intence«)3 und betont schließlich, dass sowohl der Autor, als auch die Gestaltung des Werks, als auch der Rezipient für diese semantische Geste verantwortlich sind,4 dass sie also erst aus dem Wechselverhältnis dieser drei Instanzen heraus entsteht. Hieran hat sein Schüler Milan Jankovič5 mit einem Konzept vom Werk als Sinngeschehen (Dílo jako dění smyslu)6 angeschlossen, wobei der Reflexion der ›semantischen Geste‹ eine wichtige Rolle zukam.
Weitere Betrachtungen gelten hier Dieter Merschs Überlegungen zu einer Posther-meneutik,7 die er aus einem Ungenügen sowohl an traditionellen, auf die Erlangung eines einheitlichen Sinns gerichteten Bemühungen der Hermeneutik, als auch an Positionen des klassischen – ganz offensichtlich allerdings des französischen – Strukturalismus formuliert hat. Anlässlich eines bildwissenschaftlichen Sammelbandes mit dem Titel Bild und Geste. Figurationen des Denkens in Philosophie und Kunst hat auch er sein Konzept anhand der Geste expliziert.8 Dabei erschöpft sich die Geste für Mersch keinesfalls in der dargestellten Geste – eine Einschränkung, die im Bereich der bildenden Künste viel naheliegender wäre als in der Literatur, die bei Mukařovský und Jankovič im Mittelpunkt steht. Die Geste gerät vielmehr geradezu zum Angelpunkt des Verstehensprozesses, den Mersch als ein beständiges Sich-Entziehen, Nicht-zu-einem-Ende-Kommen von Sinn denkt. Auch bei ihm initiiert die Geste einen zwischen Betrachter und Werk oszillierenden Prozess, in dem das Werk sich dem Blick des Betrachters gleichermaßen zeigt, wie es seinen Blick weist. Der Rezeptionsprozess liegt damit weder allein beim Werk noch beim Rezipienten, sondern entfaltet sich als paradoxes Spiel zwischen Zeigen und Sich-Zeigen. In dieser Betonung der Unabschließbarkeit des Rezeptionsprozesses lässt sich eine Parallele zu jener Auffassung vom Werk als Sinngeschehen sehen, die Milan Jankovič von Mukařovskýs Ansatz her entwickelt hat.
Allerdings geht Mersch, der sich mit seinen Überlegungen von der Hermeneutik, dem (Post-)Strukturalismus und der Dekonstruktion absetzt, auf derartige Parallelen nicht ein. Es ist ihm offenbar sogar unbekannt, dass es einst einen Vertreter des Prager Strukturalismus gab, dessen Überlegungen zur Geste in ähnliche Frageperspektiven eingebettet waren. Hier macht sich ein Defizit in der Wahrnehmung literaturtheoretischer Positionen und Diskussionen (mittel-)osteuropäischer Provenienz bemerkbar, das insgesamt typisch ist für die Literaturtheorie der westlichen Academia. Sicherlich noch verstärkt durch die Rezeptionshemmnisse, die der Eiserne Vorhang bewirkte, haben die slavischen Theorien wenn überhaupt, dann oft erst verspätet oder häufig auch verzerrt Eingang in die neueren westlichen Diskussionen gefunden.9 Die klassischen Theorien aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der russische Formalismus und der tschechische Strukturalismus, wurden in den vehementen Theoriediskussionen der 80er und 90er Jahre zusammen mit dem zu überwindenden französischen Strukturalismus – wie hier gezeigt werden soll, wohl allzu vorschnell – ad acta gelegt.
Und damit ist die zweite Bedeutungsschicht von Geste, nun im Sinne von Gestus, angesprochen, die im Hintergrund dieses Beitrags steht: Zu betrachten ist hier exemplarisch am Begriff der Geste, wie die Rezeption zwischen Prager Strukturalismus auf der einen Seite und westlicher Theoriebildung auf der anderen Seite in beiden Richtungen teils in offener, teils in verborgener Form stattgefunden hat oder eben auch gänzlich ausgeblieben ist. So findet sich in dem genannten Sammelband zu »Bild und Geste« »in Kunst und Philosophie« nicht nur bei Mersch, sondern durchgehend keinerlei Erwähnung des für den Prager Strukturalismus so zentralen Konzepts der semantischen Geste.10 Es handelt sich also um ein recht drastisches Beispiel für Nicht-Rezeption, dem in der Gegenrichtung nach 1989 eine sehr intensive, teils nachholende Rezeption der Theoriediskussionen des Poststrukturalismus gegenüber stand. Aber auch hier unterscheidet sich der Gestus. Während westliche Theoriebildung häufig mit dem Anspruch absoluter Innovativität auftritt und in geradezu avantgardistischer Manier vorangegangene Ansätze verwirft, um den eigenen als einzig adäquaten herauszustellen, zeichnen sich gerade die Arbeiten Milan Jankovičs, die hier auch in dieser Hinsicht exemplarisch betrachtet werden sollen, durch einen integrierenden Gestus aus. Dieser Gestus streicht eher die Gemeinsamkeiten anderer Modelle mit dem eigenen heraus, ohne sie dabei für das eigene Modell zu usurpieren, sondern vielmehr, um in der vergleichenden Auseinandersetzung mit ihnen das eigene Modell an Tiefenschärfe gewinnen zu lassen.11 Dies mag auch daran liegen, dass es bis zu den politischen Umbrüchen in Mittelosteuropa intellektuell gewissermaßen überlebenswichtig war, sich mit den Impulsen aus der westlichen, ohne staatliche Gängelung verlaufenden Theoriediskussionen auseinanderzusetzen und die Nachwendezeit dann die Möglichkeit bot, die Früchte dieser Auseinandersetzungen zu publizieren.
Milan Jankovič hatte in den 60er Jahren mit seinem Konzept vom Werk als Sinngeschehen12 gerade an jene Phase von Mukařovskýs Arbeiten angeschlossen, in der dieser nicht zuletzt den Begriff der semantischen Geste in mehreren Anläufen zu definieren versuchte, ohne dabei zu einem gänzlich schlüssigen oder gar eindeutigen Ergebnis zu kommen. Es ist dennoch oder gerade deshalb die wohl inspirierendste Phase in Mukařovskýs Denken. Jankovič nennt sie mit Oleg Sus die offenste Phase, und er schließt an sie auf die, wie ich meine, offenste und öffnendste Weise an, die sich unter den Fortführungen des Prager Strukturalismus finden lässt. Die Studie zum Werk als Sinngeschehen lag 1968 druckfertig vor, konnte aber nach der Niederschlagung des Prager Frühlings nicht mehr offiziell publiziert werden. Sie erschien so erst 1992, wobei Jankovič sich entschlossen hatte, das Buch in unveränderter Form zu veröffentlichen. So sollte es den damaligen Stand der Diskussion dokumentieren und zugleich mit dieser Rückkehr zu erneuter Suche nach Antworten auf nach wie vor drängende Fragen der Ästhetik anregen. Darüber hinaus arbeitete Jankovič an seinem Konzept weiter, verfeinerte es im Laufe der Jahre weiter und reflektierte es immer wieder im Lichte neuerer Theorieanstöße (v.a. der Phänomenologie, der Hermeneutik und des Poststrukturalismus). Diese Arbeiten aus den nuller Jahren des neuen Jahrtausends13 zeichnen sich durch den erwähnten Gestus eines behutsamen und an der Sache interessierten Vergleichens mit anderen Theorieangeboten aus.
2. Die semantische Geste
Bevor ich auf Parallelen zwischen dem Kunstwerkverständnis des Prager Strukturalismus und der von Dieter Mersch vertretenen Posthermeneutik zurückkomme, werde ich mich zunächst dem so schillernden Konzept der semantischen Geste bei Mukařovský zuwenden. Dabei lehne ich mich an die offene Lesart Jankovičs an, verstehe die semantische Geste also keineswegs, wie etwa Herta Schmid14 dies vorgeschlagen hat, in einer Rückbindung an frühe formalistische Positionen als »Signaldirektive«15, sondern als eine zum Rezeptionsprozess einladende, ihn eröffnende Geste.
Mukařovskýs Begriff der semantischen Geste verbindet (und hierin liegt eine Parallele zu Merschs posthermeneutischen Überlegungen) Körperlichkeit und Zeichenhaftigkeit auf eine paradoxe Weise miteinander. Dass der Begriff der Geste, der in der Forschungsdiskussion immer wieder zu Irritationen geführt hat,16 sehr bewusst und durchaus mit Bezug auf Körperlichkeit gewählt ist, wird mit Blick auf den Vorbegriff ›motorische Geste‹ deutlich, mit dem Mukařovský in stilanalytischen Arbeiten bereits der 20er Jahre operiert. Jankovič hat diesen Zusammenhang in resümierenden Darlegungen zum Konzept der semantischen Geste betont:17 Bereits in diesen frühen Studien zeichne sich Mukařovskýs »originelle Auffassung des Individualstils« ab.18 Es gehe ihm »um eine bestimmte Gestaltungsweise, die die Organisation der phonetischen Komponenten oder auch den Satzaufbau betreffen kann, die direkt, also nicht erst dank ihrer Vermittlung über Thema und Idee, etwas über den komplexen Aspekt der Weltbetrachtung aussagt, der überall in der Gestaltungsweise in Erscheinung tritt.«19 In seiner erst aus dem Nachlass publizierten frühen Studie »Über das motorische Geschehen in der Dichtung« (»O motorickém dění v poezii«)20 stütze »Mukařovský seine Auffassung vom dichterischen Werk auf solche ihm zeitgenössischen französischen und deutschen Theorien, die den dynamischen Charakter der psychischen oder der mit ihnen verbundenen körperlichen Phänomene betonen (Janet, Paulhan, Ribot, Groos, Sievers)« und lasse sich von Bremonds Begriff ›le courant‹ (›der Strom‹), inspirieren.21 Jankovič resümiert:
Hier prägt sich schon die eigentliche Richtung von Mukařovskýs Interesse aus: Es ist nicht die Einzigartigkeit der Dichterpersönlichkeit, sondern der dynamische Charakter der Einheitlichkeit des Werkes, der Mukařovský anzieht. Mit der Vorstellung der energetischen Einheitsbildung des Werkes hängt auch die Bezeichnung »Geste« zusammen: eine Bewegung, die direkt körperlich, durch die Beredsamkeit ihrer Gestaltung – hier vor allem der phonetischen, die die Notwendigkeit eines komplexen Zuganges aber schon andeutet – Bewußtseinsgehalte suggeriert, die sonst als unmitteilbar gelten.22
Während Mukařovský die Überlegungen zur ›motorischen Geste‹ bzw. zum ›motorischen Geschehen‹ nicht veröffentlicht hat, verwendete und spezifizierte er den Begriff der ›semantischen Geste‹ in seinen publizierten Studien der 40er Jahre mehrfach und mit durchaus unterschiedlichen Akzentuierungen.
In der Studie zur dichterischen Sprache23 bezeichnet er die »Ermittlung der ›formalen‹ aber dennoch konkreten ›semantischen Geste‹, durch die das Werk […] als dynamische Einheit organisiert wird« als Ziel literaturwissenschaftlicher Kompositionsanalyse; sie sei »ein semantisches Faktum, Bedeutungsintention, wenn auch qualitativ unbestimmte«.24 Diese Kombination aus Konkretheit einerseits und Dynamik und Unbestimmtheit andererseits hat in den Forschungsdiskussionen selbstverständlich für einige Irritationen gesorgt. Ich schließe mich in meiner Lesart dieser zunächst widersprüchlich erscheinenden Definition derjenigen Milan Jankovičs an, der in den Verschiebungen, die Mukařovský bei der Bestimmung der semantischen Geste vornahm, einen Trend erkennt, die ›Werkeinheit‹ immer weniger statisch und stattdessen immer dynamischer aufzufassen.25 In den Studien zur Ästhetik aus den frühen vierziger Jahren, in denen Mukařovský sein strukturalistisches System mehr und mehr öffnet,26 dynamisiert er auch zunehmend das Verhältnis von Bestimmtheit und Unbestimmtheit, von Bedeutungsvereinheitlichung und ihr entgegenstehender Momente bzw., wie er es selbst nannte, von »Absichtlichkeit und Unabsichtlichkeit in der Kunst« (»Záměrnost a nezáměrnost v umění«, so der Titel einer gewichtigen und auch wiederum sehr schillernden Studie von 1943).27
Mitzudenken ist hier auch Mukařovskýs Idee einer humanisierenden Wirkmächtigkeit des Kunstwerks. Fundiert ist sie für ihn in dem dialektischen Spannungsverhältnis zwischen der im Kunstwerk per se immer dominanten ästhetischen Funktion und den übrigen, ebenfalls anwesenden (praktischen) Funktionen: Funktion, so formuliert er es, ist dabei nicht vom Gegenstand her zu denken, sondern vom Menschen.28 Mukařovskýs Funktionensystem ist deshalb auch nicht allein auf die Sprache bezogen, sondern hat eine anthropologische Dimension, wobei er von einer dem Menschen wesenhaften Polyfunktionalität ausgeht, also einer vielfältigen Selbstverwirklichung des Menschen. Die Definition von Funktion lautet deshalb: »Funkce je způsob sebeuplatnění subjektu vůči vnějšímu světu.«29 (»Die Funktion ist die Art und Weise des Sich-geltend-Machens des Subjekts gegenüber der Außenwelt.«).30 Diese Definition ist phänomenologisch, insofern sie sich auf eine Weise der Bewusstseinseinstellung des Menschen bezieht, sie enthält darüber hinaus die These, dass Formen der Einwirkung des Menschen auf seine Umwelt immer auch Formen der Selbstverwirklichung des menschlichen Seins sind. Hieraus leitet sich ein idealer Maßstab ab: Der Mensch ist seinem Wesen nach polyfunktional, er verfügt über verschiedene Weisen, sich der äußeren Umwelt gegenüber geltend zu machen. Kennzeichen der ästhetischen Funktion ist es nun für Mukařovský, dass sie sich nicht direkt auf einen Ausschnitt der Wirklichkeit bezieht, sondern auf die Einstellung des Menschen zur Wirklichkeit als Ganzer; wenn dabei aber die dem Menschen wesentliche Polyfunktionalität zum Maßstab gerät, ist gerade in der Autonomie des ästhetischen Zeichens, in seiner »spürbaren« Selbstzweckhaftigkeit, sein Potential einer humanisierenden Wirksamkeit verbürgt.
Neben die Auffassung vom Werk als Zeichen, wenn auch besonderen, nämlich ästhetischen Charakters, tritt insofern folgerichtig in der wegweisenden Studie zu »Absichtlichkeit und Unabsichtlichkeit«31 die Perspektivierung der Dinghaftigkeit des Werks. Zeichen- bzw. Dinghaftigkeit verbindet Mukařovský mit dem Begriffspaar Beabsichtigtes – Unbeabsichtigtes: Was am Werk zeichenhaft erscheint, wird als beabsichtigt wahrgenommen; zugleich gibt es am Werk immer etwas, was sich einer solchen bedeutungsvereinheitlichenden Wahrnehmung entzieht, was es uns als »Ding«32 entgegentreten lässt, das nicht von Intentionalität gezeichnet ist und insofern als unbeabsichtigt wahrgenommen wird. Dabei ist der Unterschied zwischen Beabsichtigtem und Unbeabsichtigtem nicht von der Werkgenese her zu erklären (es geht also nicht darum, eine dem Werk zugrundeliegende Intention zu erschließen oder zwischen Werkkomponenten, die vom Autor beabsichtigt sind, und solchen, die von ihm unbeabsichtigt in das Werk gelangt sind, zu unterscheiden). Vielmehr sieht Mukařovský den Gegensatz von Absichtlichkeit und Unabsichtlichkeit als grundlegende Antinomie der Kunst an, die nicht etwa auf der Produzentenseite verankert ist, sondern im Rezeptionsprozess immer von neuem realisiert wird. Die beiden Pole der Absichtlichkeit und der Unabsichtlichkeit unterliegen im Laufe der Rezeptionsgeschichte eines Werks Wandlungen, wobei aber das Fortwirken ihres Spannungsverhältnisses die andauernde Lebendigkeit eines Werks garantiert. Denn gerade das Empfinden der Unabsichtlichkeit verleiht einem Werk immer wieder Dringlichkeit, macht es zu einer »Angelegenheit von Tragweite für das Leben«33 (»záležitost životního dosahu«).34 Und: »Právě jakožto věc je dílo schopno působit na to, co je v člověku obecně lidského, kdežto v svém aspektu znakovém apeluje dílo vždy konec konců na to, co je v člověku sociálně a dobově podmíněného.«35 (»Gerade als Ding ist das Werk fähig, auf das zu wirken, was im Menschen allgemein menschlich ist, während das Werk in seinem Zeichenaspekt stets letzten Endes an das appelliert, was im Menschen sozial – und zeitbedingt ist.«)36
Verbindet man Mukařovskýs Aussagen über die in der Autonomie des ästhetischen Zeichens verankerte umfassende Wirksamkeit der ästhetischen Funktion mit seinen Überlegungen zu beabsichtigten, zeichenhaften und unbeabsichtigten, dinghaften Momenten am Kunstwerk, so ergibt sich folgendes Modell: Durch die Dinglichkeit des Kunstwerks, die dessen Bedeutungsvereinheitlichung und damit auch dessen Wahrnehmung als gewöhnlichem mitteilendem Zeichen entgegensteht, ist der Mensch – nicht nur als rational bewusstes Wesen, sondern auch in seiner physischen Körperlichkeit wie in seinen unbewussten Schichten stets von neuem angesprochen.37 Mukařovskýs Vorstellung vom Werk als Zeichen und Ding bündelt sich insofern im Konzept der semantischen Geste.
Hieran nun schloss Milan Jankovič an mit seinem Modell eines offenen, nicht selbst-verständlichen,38 immer nur im Geschehen39 begriffenen und zu begreifenden Sinns. In seiner Lesart der semantischen Geste fundiert diese ein komplexes Wechselverhältnis zwischen Werk und Rezipienten, in dessen Verlauf beständig neue Sinnpotentiale entstehen. Indem Jankovič dabei jene Momente betont, mit denen der Prager Strukturalismus an die Theorielinie der Gestaltästhetik anknüpft, spitzt er das Problem des Verhältnisses von Form und Inhalt, das für die Diskussionen um die semantische Geste immer eine Rolle gespielt hat, folgendermaßen zu:
Ve vystavbě díla je zabudována důležitá a snad vůbec nejdůležitější informace: výtvor aktualizuje tvárné momenty, v jejichž dosahu budou exponovány všechny námi konkretizované významy, aktualizuje napětí mezi svou jsoucností a naším »smyslem«. A toto napětí, dění smyslu exponované pokaždé znova a jinak z bytí díla, z významotvorných předpokladů jeho struktury, dění neukončené jediným aktem uchopení, ale navracené každou další konkretizací k dílu jako ke zdroji – to je vlastní, nutně unikající obsah uměleckého díla.40
Im Aufbau des Werks ist eine wichtige und vielleicht die überhaupt wichtigste Information eingebaut: Das [Werk als] Gebilde aktualisiert gestaltbildende Momente, in deren Reichweite alle von uns konkretisierten Bedeutungen exponiert werden, es aktualisiert eine Spannung zwischen seinem Sein und unserem »Sinn«. Und diese Spannung, das Sinngeschehen, das jedes Mal von neuem und anders aus dem Sein des Werks, aus den bedeutungsschaffenden Voraussetzungen seiner Struktur exponiert wird, ein Geschehen, das nicht mit einem einzigen Akt des Begreifens beendet wird, sondern mit jeder weiteren Konkretisation zum Werk als Quelle zurückgegeben wird – dies ist der eigentliche, notwendig sich entziehende Inhalt des Kunstwerks.41
Die immer wieder neue Begegnung mit dem Werk als Quelle ist dabei für Jankovič durchaus ›berührend‹. Sie ist es, weil die im Begriff der semantischen Geste implizierte Körperlichkeit als dynamisches Geschehen gedacht wird, als Übertragung von Energie, und zwar letztlich der das Leben fundierenden Energie.
Jde přitom stále o proces formování, jehož úkolem neni zformovat, ale předávat energii formující, obracet člověka k světu jako k dějícímu se dílu. Životnost díla je dána mimo jiné tím, nakolik je schopno ve své výstavbě řečenou energii uchovávat a předávat i při proměnách vnějších kontextů.42
Es geht dabei beständig um einen Formungsprozess, dessen Aufgabe nicht ist, zu formen, sondern die formende Energie weiterzugeben, den Menschen der Welt wie dem sich ereignenden Werk zuzukehren. Die Lebendigkeit des Werks ist unter anderem dadurch gegeben, inwieweit es fähig ist, in seinem Aufbau die genannte Energie zu bewahren und auch in veränderten äußeren Kontexten zu übergeben.43
Milan Jankovič, so lässt sich resümieren, hat zentrale Konzepte und Tendenzen des Prager Strukturalismus, insbesondere der Ästhetik Jan Mukařovskýs, aufgegriffen und weiterentwickelt. Er ist dabei – ganz im Geiste des Prager Strukturalismus – Vertreter einer durchaus emphatischen Werkästhetik. Er hat aber auch – und zwar als Konsequenz aus diesem werkästhetischen Zugang – jene Ansätze aus Mukařovskýs später strukturalistischer Phase weiterverfolgt und zugespitzt, in denen der am Kunstwerk sich entzündende wie sich ereignende Sinnbildungsprozess als ein dynamischer begriffen wird, an dem Produzent wie Rezipient beteiligt sind, dessen Ergebnis nicht vorgegeben ist, sondern sich in immer neuen Begegnungen mit dem Werk immer neu realisiert und dabei eine Energie freisetzt, die eben nicht nur semantischer Art ist, sondern spürbar ist.44 Jankovičs Fortentwicklung von Ansätzen des Prager Strukturalismus hin zu einer dynamischen Auffassung vom Kunstwerk weist in mancher Hinsicht Parallelen zum Poststrukturalismus auf. Und so sind Mukařovskýs Begriffe und Konzepte seiner »offenen« Phase zu Beginn der vierziger Jahre auch bereits verschiedentlich mit Entwicklungen im französischen Poststrukturalismus und der Dekonstruktion in Beziehung gesetzt worden.45 Während der französische Poststrukturalismus sich allerdings gegen eine statisch binaristische Auffassung von Struktur des klassischen Strukturalismus absetzen musste, war in der Prager Variante relativ früh schon an deren Stelle eine dynamische Auffassung von Struktur als System vielfältiger Wechselbeziehungen getreten. Insofern konnte Milan Jankovič in etwa zeitgleich – anders als der westeuropäische Poststrukturalismus jedoch in Kontinuität zu seinem Vorgänger Mukařovský – ein ähnlich offenes Konzept vom künstlerischen Text entwickeln. Bei ihm geschah dies – anders als bei den französischen Poststrukturalisten – nicht im Gestus einer Überwindung, eines Sich-Absetzens, sondern im Gestus des produktiven Anschließens. Allerdings – und darin liegt dann doch eine Geste des Überwindens – im Anschluss nicht an die zuletzt von Mukařovský vertretenen marxistisch gefärbten Positionen, sondern eben im Anschluss an seine vor dieser offiziösen Wende vertretenen Gedanken eines »geöffneten« Strukturalismus.
3. Die Geste als Sichzeigen(-Lassen)
Dieter Mersch hingegen, auf dessen Überlegungen zur Geste ich abschließend noch eingehen will, entwickelt seine Vorstellung einer Posthermeneutik46 in deutlicher Absetzung sowohl vom »hermeneutischen Zugang«, in dem »der Status des Materials problematisch« bleibe, als auch vom »dekonstruktiven Denken«, in dem wiederum »der Status des Performativen ungeklärt« erscheine.47 Demgegenüber beharrt Mersch auf einer »Wiederkehr von Präsenz«:48 Im Wissen darum, dass sie »sowenig durch Begriffe gebannt oder überformt werden kann wie sie durchzustreichen oder zu bestreiten ist«, gelte es allerdings, von ihr einen ›postderridaschen‹ Begriff zu entwickeln.49 Entsprechend versteht Mersch Präsenz nun nicht als Unmittelbarkeit, sondern unternimmt den Versuch, das Moment der Medialität zu berücksichtigen, was allerdings nur in einer Bewegung des Paradoxen gelingen kann: Denn insofern Präsenz eines Mediums bedarf, um sich zu zeigen, das Medium aber im Moment der Mediation verschwindet,50 ist sie wie dieses im Modus der Negativität zu denken. Damit wird der Akzent auf ein passivisches Moment, auf ein »Sichzeigen« von Präsenz gelegt,51 und die Kunst bzw. genauer die Aisthesis erscheint als bevorzugter Austragungsort einer derartigen Paradoxalität.
Die Ästhetik des Ereignens beinhaltet in diesem Sinne – gegen Hermeneutik und Dekonstruktion – die Wiederkehr des Präsentischen; Präsenz nicht verstanden als bezeugbaren Ursprung, als die greifbare Gegenwärtigkeit einer Wahrheit, sondern als Augenblick, als Kairos […]. Er findet vorzugsweise auf der Ebene der Wahrnehmung statt, der Gewahrung eines Anderen, Erschütternden oder Überraschenden, das ebenso ›zieht‹ wie sich ›entzieht‹, ebenso ankommt wie entflieht. Präsenz meint folglich die Duplizität von ›Gabe‹ und Verweigerung, wie sie exemplarisch im Haptischen ergeht, der Simultaneität von Berührung und Berührtwerden.52
Gegen Derrida schließt Mersch an die Betonung des Sich-Ereignens in der Kunst bei Lyotard an, der in seiner Lesart des Erhabenen bei Kant das Dass es geschieht hervorgehoben hatte.53 Präsenz erscheint dann als ein immer schon Zuvorkommendes, Sich-Ereignendes, das uns weniger als Erfahrung, denn als »Passio: Widerfahrung«54 entgegentritt und das zugleich, insofern es eine Antwort aufgibt, eine ethische Dimension enthält. Lyotards »entschiedene Bezugnahme auf Aisthesis und die ›Kunst‹« eröffne »das Feld einer Aufmerksamkeit […], die wesentlich passivisch verfährt und entgegenkommen lässt«.55 Präsenz in dem von Mersch apostrophierten Sinne wäre dann in all ihrer Paradoxalität erfahrbar vorzugsweise in jenem Wahrnehmungs-Modus, den er im Rückgriff auf Lyotard als aisthetischen beschreibt, der sich durch ein Widerfahren-, Zuvorkommen-Lassen auszeichnet und darin, in Respekt vor dem Sich-Ereignen,56 Ästhetik und Ethik zusammenbindet.
In dieser Betonung einer »Ästhetik des Ereignens«57 nun sehe ich eine Parallele zu Jankovičs Auffassung des Werks als Sinngeschehen. Mersch trachtet einerseits, die klassische Hermeneutik mit Verweis auf die dort zu geringe Berücksichtigung des Materials zu überwinden, und sucht andererseits die Dekonstruktion zu überbieten – konkret Derrida, an den er zwar in Vielem anschließt, bei dessen Kritik der abendländischen Metaphysik der Präsenz er aber das performative Moment des Sich-Ereignens verdrängt sieht. Damit ist Mersch auf noch einmal anderem Wege als der von Jankovič vergleichend hinzugezogene Ricœur bei einer ähnlich grundsätzlichen Frage angelangt, die durch Kunst provoziert wird. Denn Kunst »avanciert« für Mersch »zum Paradigma des Nicht-Hermeneutischen«, weil sie »sich […] ihres abschließenden Verstehens [entzieht]«.58 Genau dieses Moment am Kunstwerk, das einer vereinheitlichenden, eindeutigen Bedeutung(szuweisung) entgegensteht, beschäftigt Jankovič unter dem Vorzeichen jener ›Unabsichtlichkeit‹, die Mukařovský als konstitutiv für Kunstwerke befunden hatte. Für Jankovič ist man hier bei der Kernfrage angelangt, was eigentlich geschieht in diesem am Kunstwerk sich entzündenden ›Sinngeschehen‹. Und er sieht auch andere Ästhetiker auf anderen Wegen zu dieser Kernfrage vorstoßen:59
Indem sie hinsichtlich der Bedeutung nicht nur deren kodifizierte Gültigkeit hervorheben, sondern auch ihren kreativen Charakter, stehen sich zwei Zugänge nahe, die von ganz unterschiedlichen Standpunkten ausgingen: Ricœurs Hermeneutik und der tschechische kunstwissenschaftliche Strukturalismus. Im Verständnis Ricœurs wird die Bedeutung schaffende Energie, die in der Gestaltung des Werks angelegt ist, in eine »indirekte Referenz« projiziert, die die geläufigen Bedeutungen übereinander schichtet und sie einer neuen menschlichen Erfahrung eröffnet. Im Verständnis des tschechischen kunstwissenschaftlichen Strukturalismus verwandelt die Bedeutung schaffende Aktivität den Dingbezug des künstlerischen Zeichens so weit, dass dieses »viel eher der Erzeugung einer gewissen Grundeinstellung zur Wirklichkeit als der Beleuchtung irgendeiner speziellen Wirklichkeit« dient. Die Berücksichtigung dieser besonderen Beziehung des Kunstwerks zur Wirklichkeit öffnete in der Ästhetik Jan Mukařovskýs den Weg zu einem Problem, das sich aus der geschlossenen Sphäre der Linguistik emanzipiert. Mukařovskýs Denken ist seiner Zeit auf seine Weise voraus, in mehrerer Hinsicht durchbricht es den in das immanente System der Sprache eingeschlossenen Blick auf das literarische Werk, mit der dann später und in einem anderen kulturellen Kontext auch Paul Ricœur in Konflikt geriet.60
Auch bei Dieter Mersch steht am Anfang der Reflexionen ein konflikthaftes Ungenügen an vorhandenen (oder zuhandenen) Positionen und Zugängen. Ihm geht es um eine Theorie, »die weder von der Repräsentation noch von der Rezeption oder der souveränen Position des Autors oder Produzenten ausgeht, sondern buchstäblich das ›Dazwischen‹ adressiert, wie es der ›Geste‹ des Gebens entspricht, die hier im selben Moment einen Blick wie eine Sichtbarkeit ›gibt‹.«61 Die Bildgeste, um die es in dem zitierten Aufsatz zunächst geht, bzw. dann ganz grundsätzlich die Geste, mit der Kunst uns entgegentritt, »sichtbar macht«62 (so im Anschluss an Paul Klee), »Aufmerksamkeit eröffnet«63, ist demnach von einer »irreduzibel duplizitäre[n] Struktur des Zeigens/Sichzeigens«64 geprägt:65
Die ›Gabe‹ oder Blickgeste besteht also nicht in erster Linie darin, etwas Bestimmtes, ein ›Abbild‹ vorzuführen – die Bildlichkeit des Bildes spielt nicht primär auf der Ebene der Repräsentation, die dem Auge eine Szene oder eine Figur vorzugaukeln trachtet. Es ist auch nicht der Blick, der, im Sinne der primären ›Augenlust‹ irgendeine ›Sache‹ zu Gesicht bekommen möchte –, sondern es ist das stets changierende Spiel zwischen Zeigen und Sichzeigen, ihr Chiasmus, der die Passion des Blicks gefangen nimmt.66
Gerade der Begriff – bzw. eher: die Denkfigur – der Geste bot insofern sowohl für Mukařovský zu seiner Zeit, als auch für Mersch zu unserer Zeit Gelegenheit, dem in dem von Jankovič wie Mersch gleichermaßen beschworenen Konflikt mit herkömmlichen Beschreibungskategorien aufblitzenden Kernproblem wie -faszinosum der Ästhetik zumindest andeutungsweise Ausdruck zu verschaffen: Was eigentlich geschieht in der Begegnung mit dem Kunstwerk?
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MUKAŘOVSKÝ, Jan: »O jazyce básnickém« [1941]. In: Ders.: Studie II. Hg. v. Miroslav Červenka u. Milan Jankovič. Brno 2007, S. 16–70. [dt.: »Über die Dichtersprache«. In: Ders.: Studien zur strukturalistischen Ästhetik und Poetik. Übers. v. Herbert Grönebaum u. Gisela Riff. München 1974, S. 142–199.]
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MUKAŘOVSKÝ, Jan: »Záměrnost a nezáměrnost v umění« [1943]. In: Ders.: Studie I. Hg. v. Miroslav Červenka u. Milan Jankovič. Brno 2000, S. 353–388. [dt.: »Beabsichtigtes und Unbeabsichtigtes in der Kunst«. In: Ders.: Studien zur strukturalistischen Ästhetik und Poetik. Übers. v. Herbert Grönebaum u. Gisela Riff. München 1974, S. 31–65.]
MUKAŘOVSKÝ, Jan: »Člověk ve světě funkcí« [1946]. In: Ders.: Studie I. Hg. v. Miroslav Červenka u. Milan Jankovič. Brno 2000, S. 50–59. [dt.: »Der Mensch in der Welt der Funktionen«. In: Ders: Schriften zur Ästhetik, Kunsttheorie und Poetik. Hg. v. Holger Siegel. Tübingen 1986, S. 82–92.]
PETŘÍČEK, Miroslav: »Die Kunstauffassung des Prager Strukturalismus und die Dekonstruktion«. In: Mesotes. Jahrbuch für philosophischen Ost-West-Dialog 3 (1991), S. 23–27.
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RICŒUR, Paul: »Erzählung, Metapher und Interpretationstheorie«. In: Zeitschrift für Theologie und Kirche 84 (1987), S. 232–253.
SCHMID, Herta: »Die ›semantische Geste‹ als Schlüsselbegriff des Prager literaturwissenschaftlichen Strukturalismus«. In: Elrud Ibsch (Hg.): Schwerpunkte der Literaturwissenschaft außerhalb des deutschen Sprachraums. Amsterdam 1982, S. 209–259.
SCHMID, Herta: »Übereinstimmungen und Abweichungen zwischen tschechischem Strukturalismus und postmodernem Denken«. In: Ján Bakoš u. Peter Michalovič (Hg.): Československý štrukturalizmus a viedenský scientizmus. Bratislava 1992, S. 205–233.
SCHMID, Herta: »Das Problem des Individuums im tschechischen Strukturalismus«. In: Wolfgang F. Schwarz (Hg.): Prager Schule: Kontinuität und Wandel. Arbeiten zur Literaturästhetik und Poetik der Narration. Frankfurt / M. 1997, S. 265–303.
SCHWARZ, Wolfgang F: »Die ›semantische Geste‹ – ein brauchbares analytisches Instrument? Zur Entwicklung und Kritik eines Kernbegriffs in Mukařovskýs Literaturästhetik«. In: Ders. (Hg.): Prager Schule: Kontinuität und Wandel. Arbeiten zur Literaturästhetik und Poetik der Narration. Frankfurt / M. 1997, S. 197–222.
SUS, Oleg: »Otevírání struktur«. In: Slovenská literatúra 6 (1971), S. 625–632. [dt. (1997): »Das Öffnen der Strukturen«. In: Wolfgang F. Schwarz (Hg.): Prager Schule: Kontinuität und Wandel. Arbeiten zur Literaturästhetik und Poetik der Narration. Frankfurt / M. 1997, S. 113–127.]
TEIGE, Karel: »Poezie pro pět smyslů«. In: Štepán Vlašín u.a. (Hg.): Avantgarda známá a neznámá. Bd. 2: Vrchol a krize poetismu 1925–1928. Praha 1972, S. 191–196.
- 1. Für die Gegenlektüre und die hilfreichen Kommentare möchte ich Jørgen Sneis herzlich danken.
- 2. Jan Mukařovský: »Beabsichtigtes und Unbeabsichtigtes in der Kunst«. In: Ders.: Studien zur strukturalistischen Ästhetik und Poetik. Übers. v. Herbert Grönebaum u. Gisela Riff. München 1974, S. 31–65, hier S. 49.
- 3. Jan Mukařovský: »Záměrnost a nezáměrnost v umění« [1943]. In: Ders.: Studie I. Hg. v. Miroslav Červenka u. Milan Jankovič. Brno 2000, S. 353–388, hier S. 373.
- 4. Ebd.: »Za sémantické gesto, jež v díle pocítí vnímatel, není však odpověden tolik básník a ustrojení, jaké básník do díla vložil: značný podíl připadá i vnímateli a nebylo by nesnadno ukázat podrobnějším rozborem […], že často vnímatel sémantické gesto díla proti původnímu básníkovu záměru citelně pozměňuje.« (»Für die semantische Geste, die der Aufnehmende im Werk empfindet, ist jedoch nicht nur der Dichter und die Qualitäten, die der Dichter ins Werk hineinlegte, verantwortlich: ein bedeutender Anteil fällt auch dem Aufnehmenden zu, und es wäre nicht schwierig, in einer detaillierten Analyse […] zu zeigen, daß der Aufnehmende häufig die semantische Geste eines Werkes gegen die ursprüngliche Absicht des Dichters spürbar ändert.« Mukařovský: »Beabsichtigtes und Unbeabsichtigtes in der Kunst« (Anm. 2), S. 49.)
- 5. Die Arbeiten von Milan Jankovič (* 1929) sind nur zu einem geringen Teil ins Deutsche übersetzt und entsprechend außerhalb des tschechischen Kontextes wenig bekannt. Im Winter 2018/19 erscheint beim Fink Verlag eine von mir herausgegebene Auswahl, darunter die grundlegende Studie Das Werk als Sinngeschehen, ergänzt um neuere Arbeiten, in der Übersetzung von Kathrin Janka.
- 6. Milan Jankovič: Dílo jako dění smyslu. Praha 1992.
- 7. Dieter Mersch: Posthermeneutik. Berlin 2010.
- 8. Dieter Mersch: »Die Zerzeigung. Über die ›Geste‹ des Bildes und die ›Gabe‹ des Blicks«. In: Ulrich Richtmeyer u.a. (Hg.): Bild und Geste. Figurationen des Denkens in Philosophie und Kunst. Bielefeld 2014, S. 15–44.
- 9. Was zunächst als Gegenbeispiel erscheinen mag, die breite Resonanz, die Michail Bachtins Arbeiten im Westen gefunden haben, bestätigt bei genauerer Betrachtung doch den Befund: Bachtins Dialogizitätstheorie wurde zunächst von Tzvetan Todorov und dann insbesondere von Julia Kristeva als Intertextualitätstheorie in die französischen poststrukturalistischen Debatten eingeführt und dabei zugleich in recht wesentlichen Punkten transformiert. Vgl. zu dieser äußerst wirkmächtigen Akzentverschiebung Rainer Grübel: »Dialogizität versus Intertextualität. Transformation eines Konzepts durch (Re-)Migration«. In: Dietlind Hüchtker u. Alfrun Kliems (Hg.): Überbringen – Überformen – Überblenden. Theorietransfer im 20. Jahrhundert. Köln u.a. 2011, S. 187–205.
- 10. Dies gilt auch für den Aufsatz des Mitherausgebers Fabian Goppelsröder: »Zwischen Konzept und Phänomen. Die Geste als Denkfigur«. In: Ulrich Richtmeyer u.a. (Hg.): Bild und Geste. Figurationen des Denkens in Philosophie und Kunst. Bielefeld 2014, S. 203–213.
- 11. Die dreiteilige Typologie, die Renate Lachmann und Schamma Schahadat für intertextuelle Bezugnahmen vorgeschlagen haben, ließe sich insofern auch auf literaturtheoretische Bezugnahmen anwenden: Partizipation im Sinne von Teilhabe an und Dialog mit anderen Positionen, Transformation im Sinne einer Usurpation des fremden Programms für das eigene; Tropik im Sinne einer Abwehr von Vorläufermodellen. Vgl. Renate Lachmann u. Schamma Schahadat: »Intertextualität«. In: Helmut Brackert u. Jörn Stückrath (Hg.): Literaturwissenschaft. Ein Grundkurs. Reinbek 1995, S. 677–685.
- 12. Jankovič konzipierte damit ungefähr zeitgleich und offenbar parallel zu Umberto Ecos Opera aperta (1962) ein Modell des offenen Kunstwerks. In deutscher Übersetzung erschien Ecos Buch erst 1973 und wurde vermutlich auch damit erst für die Prager sprachlich zugänglich. Vgl. Umberto Eco: Das offene Kunstwerk. Übers. v. Günter Memmert. 1. Aufl. Frankfurt / M. 1973; im Original erschienen als ders.: Opera aperta. Forma e indeterminazione nelle poetiche contemporanee. Milano 1962.
- 13. Gesammelt finden sich diese Schriften in folgenden Bänden: Milan Jankovič: Cesty za smyslem literárního díla I. Praha 2005. Ders.: Cesty za smyslem literárního díla II. Praha 2015.
- 14. Herta Schmid: »Die ›semantische Geste‹ als Schlüsselbegriff des Prager literaturwissenschaftlichen Strukturalismus«. In: Elrud Ibsch (Hg.): Schwerpunkte der Literaturwissenschaft außerhalb des deutschen Sprachraums. Amsterdam 1982, S. 209–259. Dies.: »Das Problem des Individuums im tschechischen Strukturalismus«. In: Wolfgang F. Schwarz (Hg.): Prager Schule: Kontinuität und Wandel. Arbeiten zur Literaturästhetik und Poetik der Narration. Frankfurt / M. 1997, S. 265–303.
- 15. In ihrem Aufsatz »Das Problem des Individuums im tschechischen Strukturalismus« (Anm. 14), in dem Herta Schmid vorschlägt, aus Mukařovskýs Fassung des Verhältnisses von Beabsichtigtem und Unbeabsichtigtem eine »Dialogizitätslehre ab[zu]leiten, worin die Asymmetrie der starren Ich-Du-Rollen in eine dynamische Symmetrie des Rollenwechsels überginge« (ebd., S. 286f.), liest sie die ›semantische Geste‹ als »Signaldirektive«, die der reale Rezipient, sie jeweils aus seiner eigenen Position heraus füllend, befolgt (vgl. ebd., S. 284).
- 16. Vgl. die unterschiedlichen Auslegungen bei Miroslav Červenka: »Die Grundkategorien des Prager literaturwissenschaftlichen Strukturalismus.« In: Viktor Žmegač u. Zdenko Škreb (Hg.): Zur Kritik literaturwissenschaftlicher Methodologie. Frankfurt / M. 1973, S. 137–168; Herta Schmid: »Die ›semantische Geste‹ als Schlüsselbegriff« (Anm. 14); Wolfgang F. Schwarz: »Die ›semantische Geste‹ – ein brauchbares analytisches Instrument? Zur Entwicklung und Kritik eines Kernbegriffs in Mukařovskýs Literaturästhetik«. In: Ders. (Hg.): Prager Schule: Kontinuität und Wandel. Arbeiten zur Literaturästhetik und Poetik der Narration. Frankfurt / M. 1997, S. 197–222; Milan Jankovič: »K pojetí sémantického gesta«. In: Česká literatura 13.4 (1965), S. 319–326; ders.: »Perspektivy sémantického gesta« [1970]. In: Nesamozřejmost smyslu. Praha 1991, S. 11–40; ders.: »Ještě k pojmu ›semantické gesto‹«. In: Česká literatura 40.2–3 (1992), S. 158–165; ders.: »Sus’ Öffnen der Strukturen«. In: Wolfgang F. Schwarz (Hg.): Prager Schule: Kontinuität und Wandel. Arbeiten zur Literaturästhetik und Poetik der Narration. Frankfurt / M. 1997, S. 129–138; ders.: »Noch einmal zum Begriff der semantischen Geste«. In: Vladimír Macura u.a. (Hg.): Jan Mukařovský and the Prague School / und die Prager Schule. Potsdam 1999, S. 148–155.
- 17. Jankovič: »Noch einmal zum Begriff der semantischen Geste« (Anm. 15).
- 18. Vgl. zur Konzipierung des Individualstils im Prager Strukturalismus auch die früh in Übersetzung erschienene Studie: Milan Jankovič: »Der Individualstil und die Problematik des ›Sinnes‹ im Wortkunstwerk«. In: Miroslav Červenka / ders.: »Zwei Beiträge zum Gegenstand der Individualstylistik in der Literatur«. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 6.22 (1976), S. 101–115; außerdem Schmid: »Das Problem des Individuums« (Anm. 14).
- 19. Jankovič: »Noch einmal zum Begriff der semantischen Geste« (Anm. 16), S. 149f.
- 20. Jan Mukařovský: O motorickém dění v poezii [1927]. Hg. v. Milan Jankovič. Praha 1985.
- 21. Jankovič: »Noch einmal zum Begriff der semantischen Geste« (Anm. 16), S. 150. Jankovič betont auch, dass diese Gedanken bei Mukařovský bereits vor seiner Auseinandersetzung mit dem russischen Formalismus zu finden sind. Folgt man dieser (sehr tschechischen) Argumentation (die stets bemüht ist, das Genuine an der tschechischen strukturalistischen Denktradition herauszustreichen), dann wäre die implizite Orientierung auf die Körperlichkeit, die sich im russischen Formalismus anfänglich in einer Fokussierung auf Fragen der Phonetik äußerte, ein weiterer Grund für die Affinität, nicht aber ein Beeinflussungsverhältnis zwischen Russischem Formalismus und Prager Strukturalismus.
- 22. Jankovič: »Noch einmal zum Begriff der semantischen Geste« (Anm. 16), S. 150; Übers. modifiziert, I.W.
- 23. Jan Mukařovský: »O jazyce básnickém« [1941]. In: Ders.: Studie II. Hg. v. Miroslav Červenka u. Milan Jankovič. Brno 2007, S. 16–70.
- 24. Jan Mukařovský: »Über die Dichtersprache«. In: Ders.: Studien zur strukturalistischen Ästhetik und Poetik. Übers. v. Herbert Grönebaum u. Gisela Riff. München 1974, S. 142–199, hier S. 190. Im Original heißt es: »›Kompoziční rozbor‹ […] nabývá tak možnosti vyústit ve zjištění ›formálního‹ a přece konkretního ›sémantického gesta‹, jimž je dílo organizováno jako jednota dynamická od nejednodušších prvků k nejobecnějšímu obrysu. […] sémantické gesto […] je faktem sémantickým, významovou intencí, třebaže kvalitativně neurčenou.« Mukařovský: »O jazyce básnickém« (Anm. 23), S. 61f.
- 25. Vgl. Jankovič: »Ještě k pojmu ›semantické gesto‹« (Anm. 16), S. 162; ders.: »Noch einmal zum Begriff der semantischen Geste« (Anm. 16), S. 152.
- 26. Vgl. Oleg Sus: »Otevírání struktur«. In: Slovenská literatúra 6 (1971), S. 625–632; in der deutschen Übersetzung ders.: »Das Öffnen der Strukturen«. In: Wolfgang F. Schwarz (Hg.): Prager Schule: Kontinuität und Wandel. Arbeiten zur Literaturästhetik und Poetik der Narration. Frankfurt / M. 1997, S. 113–127.
- 27. Mukařovský: »Záměrnost a nezáměrnost v umění« (Anm. 3); in der deutschen Übersertzung ders.: »Beabsichtigtes und Unbeabsichtigtes in der Kunst« (Anm. 2).
- 28. Vgl. Jan Mukařovský: »Člověk ve světě funkcí« [1946]. In: Ders.: Studie I. Hg. v. Miroslav Červenka u. Milan Jankovič. Brno 2000, S. 50–59; in der deutschen Übersetzung: ders: »Der Mensch in der Welt der Funktionen«. In: Ders: Schriften zur Ästhetik, Kunsttheorie und Poetik. Hg. v. Holger Siegel. Tübingen 1986, S. 82–92.
- 29. Jan Mukařovský: »Místo estetické funkce mezi ostatními« [1942]. In: Studie I. Hg. v. Miroslav Červenka u. Milan Jankovič. Brno 2000, S. 169–184, hier S. 177.
- 30. Jan Mukařovský: »Der Standort der ästhetischen Funktion unter den übrigen Funktionen«. In: Ders.: Kapitel aus der Ästhetik. Übers. v. Walter Schamschula. 4. Aufl. Frankfurt / M. 1982, S. 113–137, hier S. 125.
- 31. Mukařovský: »Záměrnost a nezáměrnost v umění« (Anm. 3).
- 32. Dieser Dingbegriff ist nicht deckungsgleich mit dem formalistischen ›vešč‹ (›Ding‹).
- 33. Übers. I.W. Vgl. Mukařovský: »Beabsichtigtes und Unbeabsichtigtes in der Kunst« (Anm. 2), S. 59.
- 34. Mukařovský »Záměrnost a nezáměrnost« (Anm. 3), S. 383.
- 35. Ebd., S. 388.
- 36. Mukařovský: »Beabsichtigtes und Unbeabsichtigtes in der Kunst« (Anm. 2), S. 53.
- 37. Es ist in diesem Zusammenhang nicht unerheblich, dass Mukařovský seine Ästhetik in engem Austausch mit Künstlern und Programmatikern der tschechischen Avantgarde entwickelte. Deren Haupttheoretiker Karel Teige vertrat dabei für den Poetismus der zwanziger Jahre das Konzept einer Kunst bzw. Poesie für alle Sinne, bei dem er mehr und mehr deren physiologische Wirkweise in den Vordergrund rückte, bevor er sich in den dreißiger Jahren dem Surrealismus zuwandte und damit den un(ter)bewussten Schichten, die von und mit Kunst angesprochen werden. »Poetismus chce mluvit ke všem smyslům […], ježto chce mluvit k celému člověku, člověku moderní kultury a rovnováhy těla i ducha.« (»Der Poetismus will zu allen Sinnen sprechen […], weil er zum ganzen Menschen sprechen will, zum Menschen der modernen Kultur und des Gleichgewichts von Körper und Geist.«) Karel Teige: »Poezie pro pět smyslů«. In: Štepán Vlašín u.a. (Hg.): Avantgarda známá a neznámá. Bd. 2: Vrchol a krize poetismu 1925–1928. Praha 1972, S. 191–196, hier S. 193f; Übers. I.W.
- 38. Jankovič: Nesamozřejmost smyslu. Praha 1991.
- 39. Jankovič: Dílo jako dění smyslu (Anm. 6).
- 40. Jankovič: Dílo jako dění smyslu (Anm. 6), S. 24.
- 41. Übers. I.W.
- 42. Jankovič: Dílo jako dění smyslu (Anm. 6), S. 70.
- 43. Übers. I.W.
- 44. Spürbar durchaus in jenem Sinne, in dem Roman Jakobson in seinem Funktionenaufsatz von der »Spürbarkeit der Zeichen« gesprochen hat: »Die poetische Funktion stellt nicht die einzige Funktion der Wortkunst dar, sondern nur eine vorherrschende und strukturbestimmende und spielt in allen anderen sprachlichen Tätigkeiten eine untergeordnete, zusätzliche, konstitutive Rolle. Indem sie das Augenmerk auf die Spürbarkeit der Zeichen richtet, vertieft diese Funktion die fundamentale Dichotomie der Zeichen und Objekte.« Roman Jakobson: »Linguistik und Poetik«. In: Ders.: Poetik. Ausgewählte Aufsätze 1921–1971. Hg. v. Elmar Holenstein u. Tarcisius Schelbert. Frankfurt / M. 1979, S. 83–121, hier S. 92f.
- 45. Vgl. Miroslav Petříček: »Die Kunstauffassung des Prager Strukturalismus und die Dekonstruktion«. In: Mesotes. Jahrbuch für philosophischen Ost-West-Dialog 3 (1991), S. 23–27; ders.: »Mukařovský and Deconstruction«. In: Vladímir Macura u.a. (Hg.): Jan Mukařovský and the Prague School / Jan Mu-kařovský und die Prager Schule. Potsdam 1999, S. 62–68; sowie Herta Schmid: »Übereinstimmungen und Abweichungen zwischen tschechischem Strukturalismus und postmodernem Denken«. In: Ján Bakoš u. Peter Michalovič (Hg.): Československý štrukturalizmus a viedenský scientizmus. Bratislava 1992, S. 205–233.
- 46. Mersch: Posthermeneutik (Anm. 7).
- 47. Ebd., S. 33.
- 48. Ebd., S. 48.
- 49. Vgl. ebd., S. 21f.
- 50. »Keine Vermittlung vermag ihre eigenen Bedingungen, sowenig wie ihre Materialität oder Strukturalität mit zu vermitteln. Der Mediation eignet darum der Charakter einer genuinen Negativität.« Ebd., S. 105.
- 51. »Sichzeigen, als Form einer Präsenz, eines Erscheinens, bedarf zu seinem Aufweis des Medialen, doch wird es weder durch es beherrscht noch konstituiert. Vielmehr handelt es sich um das Moment einer Passivität.« Ebd., S. 107.
- 52. Ebd., S. 48.
- 53. Mersch weist auch auf die Parallelen zu Schelling und Wittgenstein hin, die beide einen Akzent nicht auf das gelegt hatten, was gesagt wird, sondern darauf, wie es gesagt wird bzw. sich zeigt. »[U]nter einer ›Ästhetik des Ereignens‹ wie einer ›Ästhetik des Performativen‹ seien solche ästhetischen oder künstlerischen Praktiken gefasst, die die Momente der Gesetztheit, des Dass es geschieht, der Singularität, Materialität und Unumkehrbarkeit des Aktes eigens ausstellen und hervorheben. Ihnen eignet der Modus eines Sichzeigens.« Ebd., S. 47.
- 54. Ebd., S. 38.
- 55. Ebd., S. 89f.
- 56. »[…] Lyotard [rekonstruiert] das Ethische aus dem Respekt vor dem Ereignis, der rückhaltlosen Anerkenntnis eines Entgegenkommenden, das in eine Ästhetik der Ethik einmündet […]. Es wäre eine Ethik der ›Exsistenz‹, auf die zuletzt sämtliche Überlegungen Lyotards zulaufen und die die Unverfügbarkeit der ›Gebung‹ betrifft, nicht deren Aporien, die nicht aufhören, ihre Möglichkeit zu irritieren.« Ebd., S. 95.
- 57. Ebd., S. 33.
- 58. Ebd., S. 17.
- 59. In Bezugnahme auf Jan Mukařovský: »Ästhetische Funktion, Norm und ästhetischer Wert als soziale Fakten« [1936]. In: Ders.: Kapitel aus der Ästhetik. Frankfurt / M 1970, S. 71–12; sowie Paul Ricœur: »Erzählung, Metapher und Interpretationstheorie«. In: Zeitschrift für Theologie und Kirche 1987, 84. Jg., S. 232–253, führt Jankovič im Original aus: »Zaměření na kreativní povahu významu, ne pouze na jeho kodifikovanou platnost, sbližuje dva přístupy vycházející ze zcela různých stanovisek: Ricoeurovu hermeneutiku a český uměnovědný strukturalismus. V Ricoeurově pojetí /Ricoeur 1987/ se promítá významotvorná energie, vložená do utváření díla, do „nepřímé reference“, která zvrstvuje běžné významy a otevírá je nové lidské zkušenosti. V pojetí českého uměnovědného strukturalismu proměňuje významotvorná aktivita věcný vztah uměleckého znaku natolik, že „slouží mnohem více navození jistého celkového postoje ke skutečnosti než osvětlení kterékoli skutečnosti jednotlivé“ /Mukařovský 2000a [1936], 135/. Zřetel k tomuto zvláštnímu vztahu uměleckého díla ke skutečnosti otvíral v estetice Jana Mukařovského průchody k problematice, která se vymaňovala z uzavřené sféry lingvistiky. Mukařovského myšlení předbíhalo svým způsobem dobu svého působení, prolamovalo v nejednom ohledu uzavřenost pohledu na literární dílo do imanentního systému jazyka, s kterou se střetal později a v jiném kulturním kontextu Paul Ricoeur.« Milan Jankovič: »Dění smyslu jako teoretický a interpertační problem«. In: Miroslav Červenka u.a.: Na cestě ke smyslu. Poetika literárního díla 20. století. Praha 2005, S. 821–964, hier S. 838.
- 60. Jankovič: Das Sinngeschehen als theoretisches Problem, Übersetzungsmanuskript von Kathrin Janka (s. Anm. 5).
- 61. Dieter Mersch: »Die Zerzeigung. Über die ›Geste‹ des Bildes und die ›Gabe‹ des Blicks« (Anm. 8), S. 16.
- 62. Ebd., S. 17
- 63. Ebd.
- 64. Ebd., S. 21.
- 65. »Der zentrale Punkt unserer Überlegungen ist nun, dass diese Duplizität von Zeigen und Sichzeigen, von Präsenz und Präsentation oder Markierung und ›Mal‹ […] auf der einen sowie die Phänomenalität der Erscheinung, das Ereignis der Sicht auf der anderen Seite den Kern der Bildgeste ausmacht. Sie bietet den Schlüssel zu ihrer Theorie.« Ebd., S. 22.
- 66. Ebd., S. 22f.
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