Digitales Journal für Philologie
Textpraxis # 1 (1.2010)
In unserer ersten Ausgabe geht Natalie Moser (Basel) der Verflechtung von Bild und Erzählung in Wilhelm Raabes Pfisters Mühle nach, Dominik Schreiber (Mannheim) entwirft ein systemtheoretisches Modell literarischer Kommunikation und Steffen Dürre (Rostock) hinterfragt den Sinn und Zweck von unabhängigen Literaturzeitschriften.
Das Verhältnis von Literatur und Gesellschaft lässt sich an Wilhelm Raabes spätem Text Pfisters Mühle als textexterner Antrieb und als textinternes Strukturmoment aufzeigen. Die Frage nach der poetologischen Relevanz des Textes wird textintern aufgegriffen, indem die Kopplung von Frage und potentiellen Antworten durch einen narrativ inszenierten Bilddiskurs dargestellt wird. Dieser Bilddiskurs bildet die Folie für eine narrative Selbstreflexion, anhand derer sich die Zeitlosigkeit und Aktualisierbarkeit des Textes zeigt. Pfisters Mühle kann als eine Form von poetologischer Reflexion verstanden werden, da der Text erzählend dem Erzählen auf den Grund geht und zugleich Narration und Metanarration ist. Gleichzeitig wird auf die Unmöglichkeit eines abschließenden Metadiskurses verwiesen.
Die Systemtheorie Niklas Luhmanns gehört zu den festen Bestandteilen des literaturwissenschaftlichen Theoriebestandes. Trotzdem blieb für die Literaturwissenschaft bislang die Frage offen, wie das literarische System im Unterschied zu anderen Systemen die Anschlussfähigkeit seiner Kommunikationen sicherstellt. Ausgehend von Luhmanns Kommunikationsbegriff untersucht der Beitrag die komplexe Operationsweise des literarischen Systems und seinen Umgang mit Information, Mitteilung und Verstehen. Die Erörterung des Problems, dass literarische Kommunikation auf der Basis von Texten abläuft, führt zu einer neuen Perspektive auf die Autopoiesis und die Selbstorganisation des Literatursystems. Anhand dieses systemtheoretischen Modells erklärt sich erstens, wie das System trotz fortwährender Existenzbedrohung seine Operativität aufrecht erhält, und zweitens, wie es zur Einteilung in Gattungen und Epochen kommt.
Steffen Dürre ist Gründer und Herausgeber der Literaturzeitschrift Weisz auf Schwarz in Rostock. In seinem Beitrag zum ›Biotop literarischer Zeitschriften‹ berichtet er über die Motive, Aufgaben und Möglichkeiten einer unabhängigen Literaturzeitschrift und positioniert sein Projekt gegenüber anderen Literaturvermittlungsinstanzen und innerhalb einer unübersichtlichen literarischen Szene.