Digitales Journal für Philologie

Textpraxis # 6 (1.2013)
In der aktuellen Ausgabe befasst sich Barbara Mariacher mit Elfriede Jelineks poetologischem Konzept, Falk Bornmüller untersucht den erkenntnistheoretischen Gehalt von Literatur anhand von Shakespeares Hamlet und Goethes Wilhelm Meisters Lehrjahre, und Klaus-Michael Bogdal erarbeitet die Leistung ›weicher‹ Theorien für die Geisteswissenschaften. In der Rubrik ›Debatte‹ analysieren Klaus Oidtmann und Paul Stadelhofer, ausgehend von Jürgen Gunias Artikel in Textpraxis # 4, den betriebswirtschaftlichen und philosophischen Gebrauch der Kompetenz.
In ihrem Beitrag befasst sich die Autorin mit Elfriede Jelineks poetologischem Konzept, das sie am Beispiel des Theaterstücks »Stecken, Stab und Stangl« (1996) diskutiert. Dabei geht es nach einer kurzen inhaltlichen und zeitgeschichtlichen Einführung um die Auffassung von Sprache und Text sowie Autor und Werk, die unter theoretischem Rückbezug auf Roland Barthes in den Blick genommen wird. Im Zentrum der Betrachtung stehen das ideologiekritische Potential, durch das sich Jelineks Verfahren auszeichnet, und die Rolle des Rezipienten, von dem eine aktive Rezeptionshaltung eingefordert wird.
Literaturwissenschaft und Philosophie sehen sich gleichermaßen mit der Frage konfrontiert, wie mit dem Erkenntnismedium Literatur umgegangen und wie es in das eigene Erkenntnisinteresse integriert werden kann. Dabei ist das epistemologische Verhältnis von Literatur und Philosophie nicht etwa als ein streng dichotomisches zu verstehen, das sich auf die Formel propositional vs. nicht-propositional reduzieren lässt. Vielmehr ist ein erkenntnistheoretischer Gehalt von Literatur anzunehmen, dem eine binäre Betrachtungsweise nicht gerecht wird. Anhand zentraler Stellen in Shakespeares »Hamlet« und Goethes »Wilhelm Meisters Lehrjahre« wird die »symbolische Darstellungs- und Erkenntnisform« der Literatur als ein Akt der Erkenntnis, als ein nachvollziehendes Verstehen herausgearbeitet.
In seinem Vortrag vom 21.11.2012 an der WWU Münster profiliert Klaus-Michael Bogdal das Konzept sogenannter ›weicher‹ Theorien für die Geisteswissenschaften.
Während es in den 1960er Jahren so aussah, als würden sich ›harte‹ formalistische und linguistische Theoriemodelle in der Literaturwissenschaft etablieren, wird in der Gegenwart eine Ära »After Theory« (Terry Eagleton) postuliert.
Bogdals Ansatz vermittelt diese beiden Pole zu einer pragmatischen Theoriebildung, die die Modi des Beweisens, des Überredens, des Belehrens und des Dialogisierens zusammenbringen kann.