Theorien der Literaturwissenschaft
Elisabeth
Heyne
Dresden

»Nichts ging über die Radialsymmetrie«

Zu einer bioästhetischen Poetik der Symmetrie zwischen Text und Bild in Judith Schalanskys »Der Hals der Giraffe«

1. Einleitung oder Über »Echte Kunst«

»Vom Gewicht der Zeit zu einem Abdruck gepresst, nur noch ein Schatten ihrer selbst. Ausgebleichte Körper. Vertrocknete Leichen. Zu Bildern gequetscht. Echte Kunst.«1 – heißt es in Judith Schalanskys Der Hals der Giraffe über Fossilien. In dem 2011 erschienenen Roman wimmelt es nur so von Metakommentaren zu Bild- und Kunstkonzepten. Dabei verschränken sich evolutionsästhetische Reflexionen mit der Erzählung eines Schuljahrs aus der Perspektive der sarkastisch-mitleidslosen Sport- und Biologielehrerin Inge Lohmark. In einer aussterbenden Region in Vorpommern unterrichtet sie in einer sich ebenfalls im Überlebenskampf befindlichen Schule die letzten verbleibenden Schüler. Radikal von Darwin überzeugt doziert sie dabei in ihren Schulstunden über Fortschritt und Entwicklung, wohingegen sie und ihr Umfeld nur noch auf der Stelle treten. Seit dem Ende der DDR befindet sich ihre triste Kleinstadt im Niedergang, Lohmarks Mann, früher in einer LPG als Besamer für Rinder tätig, züchtet nun Strauße auf den weiten Brachflächen des ostdeutschen Hinterlands und ihre Tochter ist schon längst in die USA ausgewandert. Obwohl die Schule, an der sie lehrt, bereits in vier Jahren geschlossen werden soll, verweigert sich Lohmark nicht nur der Aktualisierung ihres Lehrplans, sondern auch einer eigenen sozialen wie persönlichen Entwicklung. Stattdessen führt sie täglich ihren stoisch-erbitterten Kampf gegen pubertierende Schüler, »schwitzige Kniekehlen, talgige Haut, matte Augen, das unaufhaltsame Wachsen und Wuchern«,2 und die laschen Erziehungsmethoden ihrer Kollegin Schwanneke – bis die trockene Sozialdarwinistin Lohmark unangemessene Gefühle für eine ihrer Schülerinnen entwickelt.

In gegenläufiger Bewegung zum Verfall jenes vergessenen Landstrichs erzählt der Roman durch die biologistische Perspektive Lohmarks zugleich von den naturgeschichtlichen Anfängen und Entwicklungen der Erde, beginnend beim Pantoffeltierchen bis zu den Mendelschen Gesetzen. Diese Naturgeschichte wird allerdings nicht nur erzählt, sondern auch gezeigt. In den Roman werden regelmäßig und zahlreich Abbildungen eingestreut, Zeichnungen von Quastenflossern und Schimpansenskeletten unterbrechen den Fließtext. In den ästhetischen und als poetologisch zu lesenden Kommentaren zum wahren Ort der Kunst und des Bilds im narrativ-zeichnerischen Geflecht von Individual- und Naturgeschichte liefert der Hals der Giraffe dabei kontinuierlich Reflexionen und Deutungsangebote des eigenen Bildverständnisses und Bildgebrauchs.

Der vorliegende Beitrag möchte anhand der Konzentration auf die bildliche Ebene des Romans – hier verstanden einerseits in Bezug auf die gezeichneten Abbildungen innerhalb des Textes, die als mediales Prinzip und Visualisierungsstrategie eingesetzt werden, und andererseits in Bezug auf die Thematisierung von Bildern innerhalb der Erzählerrede – erproben und nachvollziehen, wie Schalanskys Text mit der Unterscheidung von Sehen und Lesen spielt, wie wissenschaftliche Abbildungen vom literarischen Text manipuliert werden und diesen ihrerseits manipulieren. Denn in diesem Setzen und Zurücknehmen von Text und Bild entwickelt das Buch, so die These des Beitrags, letztlich selbst eine Ästhetik der Text-Bild-Beziehung und stellt dabei zugleich eine zweite, sich apodiktisch gebende Dichotomie dem medialen Gegensatz zur Seite – die Rede ist von der Gegenüberstellung von Kunst und Natur in Figuren der Symmetrie –, nicht ohne diese weniger radikal aufzulösen. Dabei ist der theoretische Bezug auf Phänomene, die sich zwischen Bildlichkeit und Schriftlichkeit bewegen, besonders zentral. Unter anderem anhand von Sybille Krämers Betrachtung der räumlichen Struktur diagrammatischer Phänomene gilt es im Folgenden zu untersuchen, wie jene räumliche Logik in der Text-Bild-Beziehung auch auf den Text zurückwirkt. Anhand der Frage nach der Symmetrie als Darstellungsverfahren, die im Medium des Bildlichen und Diagrammatischen ebenso als Strategie der Sichtbarmachung wie auch wissensmodellierend und -modifizierend auftritt, werden demnach die Wechselwirkungen von Text und Bild betrachtet und möglicherweise in eine ›Symmetriepoetik‹ überführt.

Es soll gezeigt werden, dass in Schalanskys Roman an den Rändern der Bildlichkeit, dort, wo sich diese in den Bereich des Epistemisch-Funktionalen vorwagt, die Trennung von logischer Schriftlichkeit und ästhetischer Bildlichkeit aufgerufen, unterwandert und zuletzt eliminiert wird und so das ästhetisch Wahrnehmbare über die Lesbarkeit gewinnt. Zugleich wird mit der räumlichen Logik der Abbildung ein Verweisspiel in und mit der Materialität des Buches begonnen, das sich auch in einer performativen Selbstreflexion des Textes ausdrückt.

2. Diagrammatologie und Roman

Abbildungen im Roman stören den linearen Textfluss. Denn der Wahrnehmungsprozess von Bildern verläuft zwar ebenfalls sequentiell, bricht allerdings mit der Linearität des schriftsprachlichen Lesens.3 Auch wenn sich allgemeine Strukturen der Bildwahrnehmung beschreiben lassen, sind diese immer freier und in ihrer Reihenfolge weniger stark fixiert als der Akt des Lesens von linearer Schrift.4 Abbildungen innerhalb schriftsprachlicher Texte brechen damit nicht nur das eingespielte lineare Lektüreverhalten auf, sondern erlauben dem Betrachter im zweidimensionalen Raum der Seite ein freies Nebeneinanderstellen, Vergleichen und Überblicken komplexer Gebilde. Wenn es sich nun außerdem um Abbildungen handelt, in denen Schrift und Zeichnung miteinander interagieren – etwa um Diagramme oder Karten –, betritt die Abbildung zugleich selbst den Raum der Sprachlichkeit.

Die Theorien der Bildwissenschaften, die sich insbesondere im letzten Jahrzehnt vermehrt einer medienwissenschaftlichen Perspektive auf die Frage nach der Eigenleistung des Bildlichen5 und der performativen Seite der visuellen Darstellung6 widmeten, werden in den letzten Jahren stärker in die literaturwissenschaftliche Analyse einbezogen. Dabei wird auch die Frage nach Grenzphänomenen, die sich zwischen Bildlichkeit und Schriftlichkeit bewegen, drängender. Einen möglichen Zugang bietet Sybille Krämers Konzept der ›operativen Bildlichkeit‹, demzufolge Gebilde wie Tabellen, Graphen und Karten, allerdings auch Schriften, eine ›Sprache des Raumes‹ konstituieren.7 In ihrer Diskursivität und Schriftartigkeit sind sie von Gemälden und Fotografien abzugrenzen, ohne dass dabei ihr ikonisches Potential vernachlässigt werden darf. Dem zugrunde liegt die Überzeugung, in der ›operativen Bildlichkeit‹ ließe sich eine Fokussierung auf räumliche Darstellungsweisen erkennen: So werde auch nicht-räumliches Wissen etwa im Diagramm durch räumliche Formationen zur Anschauung gebracht, wobei diese Transferbewegung zugleich die Grundlage ebenso wie das Konstitutionsprinzip neuer Wissensgegenstände bilde. Auch die ikonographische Seite der Schrift, als Schriftbildlichkeit, als Architektur von Gedanken im zweidimensionalen Raum, wird ernst genommen. Operative Bilder schweben somit zwischen Bildlichem und Schriftlichem; sie sind sichtbar, betrachtbar, und zugleich müssen sie gelesen werden. Darüber hinaus bilden sie etwas ab, verweisen immer und zwangsläufig auf einen Referenten und bringen durch die bildliche Transferleistung der Abbildung den Gegenstand immer auch erst als etwas Sichtbares hervor. In dieser Hinsicht verweist Krämer etwa auf die fundamentale Rolle der Baumdiagramme für die Vorstellung einer sich zum immer Komplexeren hin entwickelnden Evolution in den Lehren Darwins: »Visualisierung, Operationalisierung und Generierung greifen ineinander.«8

Das Konzept der operativen Bildlichkeit erlaubt es, Sprache und Bild in bestimmten Phänomenen als miteinander verschränkt zu untersuchen. Was aber, wenn sich in den Abbildungen des vorliegenden Romans einerseits nicht mehr eindeutig trennen lässt, wo nun diskursives und ikonisches Potential zu verorten sind, der Text selbst aber andererseits genau mit dieser Unterscheidung spielt? Wenn wir es folglich mit einem Text zu tun haben, der sich seiner Schriftbildlichkeit bewusst ist und darüber hinaus Abbildungen verwendet, die sich ihrerseits zwischen diagrammatischen Phänomenen und Kunstwerken bewegen?

3. Bilder, Bildung, Abbildungen und die rationale Logik des intuitiven Bildes

Schalanskys Roman, der 2012 von der Stiftung Buchkunst ausgezeichnet wurde, trägt den auf dem grauen, an DDR-(Schul)bücher erinnernden Leineneinband eingeprägten Untertitel Bildungsroman. Dieser paratextuelle Wegweiser lässt sich zugleich auf dreifache Art und Weise auf den Text des Romans anwenden: Erstens ruft der Untertitel offenkundig das Gattungsmuster eines klassischen Bildungsromans im Sinne einer zu Vervollkommnung strebender, persönlicher wie auch gesellschaftlicher Entwicklung der zentralen Figur auf den Plan, nur um diese Erwartung sogleich zu enttäuschen. Der Roman fokussiert nicht etwa die Lehrjahre einer Figur, die sich als Verwandten von Wilhelm Meister oder Anton Reiser zu erkennen geben könnte, sondern verkehrt den Blick vom Jugendlich-Lernenden auf die in die Jahre gekommene Lehrerin Inge Lohmark. Diese wird weder mit wechselnden äußerlichen Bedingungen konfrontiert, an denen sie wachsen könnte, noch vollzieht sich eine tatsächliche innere Entwicklung. Inge Lohmark zeichnet sich gerade durch ihre völlige Starre, durch das absolute Unvermögen, sich anzupassen, aus. Damit treten nicht nur Untertitel und Genre des Romans miteinander in Konflikt, sondern auch die lamarckistische Anspielung des Titels lässt unschwer ein ironisches Verhältnis zur Protagonistin, bis hin zu ihrem eigenen klingenden Namen, erkennen.

Zweitens begleitet die Handlung drei Tage aus dem Jahr einer Schule kurz vor ihrer Schließung, irgendwo in Vorpommern, die sich nach der Wiedervereinigung zu allem Überfluss auch noch in Charles-Darwin-Gymnasium umbenannte. Ihrem Namen macht sie nun alle Ehre und stirbt aufgrund von Schülermangel aus, nicht anders als die umliegende Region. Als bissiges Abbild einer Schule, die noch 20 Jahre nach dem Ende der DDR mitunter dem sozialistischen Lehrplan nachtrauert, lässt sich der Text in dieser Hinsicht als ein ›Bildungssystem‹-Roman lesen.

Eine dritte, weitaus vielschichtigere Perspektive eröffnet sich, wenn der Der Hals der Giraffe als ein Bilderroman verstanden wird. Statt auf den gesellschaftlichen oder individuellen Bildungsprozess zielt der Text also auf die jenem Prozess vorgeschalteten Formen, Gestalten und Bilder ab, wobei dabei eine sich überlagernde Doppelstruktur erkennbar wird: Die ›Bilder der Bildung‹ spielen nicht nur implizit eine zentrale Rolle, sondern der Text selbst wird von zahlreichen Abbildungen durchbrochen. Satz und Gestaltung stammen von Schalansky selbst; die benannten Abbildungen sind größtenteils aus Biologiebüchern des 19. und 20. Jahrhunderts entnommene Illustrationen, ohne dass es allerdings in Text oder Paratext einen Hinweis auf ihre Herkunft oder ihren Ursprung gäbe. Insbesondere zwei dieser Bilder sollen im Folgenden, nach einigen einführenden Überlegungen zum Bild bei Schalansky, genauer betrachtet werden.

In ihren Büchern spielt Judith Schalansky auf vielfältige Weise mit dem Verhältnis von Text und Bild und ist selbst auch als Buchgestalterin tätig. Ihre erste, 2006 erschienene buchkünstlerische Veröffentlichung Fraktur, Mon amour widmet sich schrift-, bild- und wortspielerisch der Fraktur als fast vergessener Type. 2008 folgte ihr Debütroman Blau steht dir nicht, ein Matrosenroman. Darin beruft sie sich nicht nur explizit zitierend auf Sebalds Ringe des Saturn, sondern erzeugt durch das Experiment des Medienwechsels zwischen Text und Fotografie eine ikonotextuelle Hommage an Sebalds Werke, die von Text und Bild gleichberechtigt bestimmt werden, wobei beide Medien aufeinander verweisen und sich wechselseitig beleuchten.9 Für den 2009 erschienenen Atlas der abgelegenen Inseln übernahm Schalansky erstmals selbst die Buchgestaltung und ersetzte die Fotografie durch eigene zeichnerische und narrative Auseinandersetzungen mit Kartografie. In ihrem Atlas werden die Karten real existenter Inseln zum Ort ästhetischer Weltaneignung. Insel, Fiktion und Zeichnung überlagern sich: »Die Kartografie sollte endlich zu den poetischen Gattungen und der Atlas selbst zur schönen Literatur gezählt werden«, fordert sie im Vorwort ihres Atlas.10

Die poetische Wirksamkeit scheinbar wissenschaftlicher Abbildungen wird im Hals der Giraffe allerdings noch um eine Ebene erweitert, indem die Narration selbst in die Abbildungen eingreift, diese manipuliert und so in ihrem ursprünglich wissenschaftlichen Charakter destabilisiert.11 Die Abbildungen im vorliegenden Roman, circa 20 Stück, nehmen jeweils ganze Seiten ein, Text und Bild sind feinsäuberlich voneinander getrennt. Es handelt sich ausschließlich um Schwarz-Weiß-Zeichnungen, die alle jeweils ohne Rahmen und Beschriftungen im leeren Raum der Seite schweben. Die Zeichnung, im Unterschied zur Malerei, basiert auf Schraffuren, auf Linien. So wird nicht nur die traditionelle Zwietracht von disegno und colore aufgerufen, sondern in der Betonung der Abstraktionskraft und Klarheit der Linie diese immer wieder in die Nähe zur Schrift gerückt.12 Wenn demnach hier die Rede von »Bildern« oder »Bildlichkeit« ist, dann sind damit ein mediales Prinzip, wie es in Grafiken, Schemata und Karten angewandt wird, und eine Form der Visualisierung als Mischung von Text und Bild angesprochen. Dieter Mersch und Martina Hessler betonen, dass gerade in diesen Formen wissenschaftlicher Bildlichkeit eine Trennung von Schriftlichkeit, die noch immer mit Rationalität verschränkt wird, vom irrational-ästhetischen Bild mitgedacht wird. In medialen Praktiken wie zum Beispiel wissenschaftlichen Visualisierungen, die ebenso an der Erzeugung epistemischer Gegenstände wie wissenschaftlicher Erkenntnis und Theorie beteiligt sind, sei allerdings das Ästhetische unverzichtbar, immer schon werde an Stile, Blicktraditionen und Sehkonventionen angeschlossen.13 Kompensatorisch wird in bestimmten Zeiten versucht, wissenschaftliche Objektivität zum Beispiel durch fehlende Farbigkeit in Schwarz-Weiß-Abbildungen zu erreichen. Wie eingangs erwähnt, schlägt hier die räumliche Logik durch, die maßgeblich den Eigensinn des Bildes und so die von ihm darstellend erzeugten Wissensbestände beeinflusst.

4. Intermediale Verweisspiele: Ästhetik der Biologie und Materialität des Romans

Die bereits mehrfach erwähnte räumliche Logik der Abbildungen wirkt nun im Kontext des Romans auf den umliegenden Text zurück und die Materialität des Buches gerät in den Vordergrund, indem sie sich performativ selbstreflektiert. Dies beweist bereits der erste Satz des Romans:

»Setzen«, sagte Inge Lohmark, und die Klasse setzte sich. Sie sagte »Schlagen Sie das Buch auf Seite sieben auf«, und sie schlugen das Buch auf Seite sieben auf, und dann begannen sie mit den Ökosystemen, den Naturhaushalten, den Abhängigkeiten und Wechselbeziehungen unter den Arten, zwischen den Lebewesen und ihrer Umwelt, dem Wirkungsgefüge von Gemeinschaft und Raum. (S. 7)

Da der Roman selbst auf der siebenten Buchseite beginnt, gerät der Leser prompt in die Belehrungen Lohmarks hinein und beginnt unter ihrer strengen Aufsicht, von den Naturhaushalten, den Vererbungsvorgängen und der Entwicklungslehre – so die drei Kapitelüberschriften des Romans – zu lesen. »Was sie sagte, wurde gemacht« (S. 8), heißt es im Text – und so ist es auch: Sogar wir setzen uns und führen aus, was die Lehrerin Inge Lohmark uns befiehlt.

Einer symmetrischen Logik folgend, die sich im Laufe des Romans als inhärent poetisches und gestalterisches Prinzip entpuppt und um die es an anderer Stelle noch gehen wird, heißt es gegen Ende des Buches, auf Seite 182, erneut: »›Schlagen Sie das Buch auf, Seite hundertzweiundachtzig.‹ Auf einer einzigen Seite lag all das vor ihnen, was hinter ihnen lag: Der Marsch des Lebens durch die Zeitalter der Erde [...].« Zwischen beiden Zitaten liegt also, so wird hier doppelt beteuert, nicht etwa nur die Geschichte des letzten Schuljahrs von Inge Lohmark, sondern zugleich nicht weniger als die Geschichte der Erde, der Entwicklung der Arten und ihrer Beziehung zum Raum. Das Buch behauptet dabei auf diesem Wege nicht nur von sich selbst, ein Biologielehrbuch zu sein, es imitiert auch dessen Materialität: Neben den Abbildungen und dem bereits angesprochenen grauen Leineneinband finden sich sogenannte lebende Kolumnentitel mit biologischen Fachtermini auf jeder Seite, die lose und assoziativ der Handlung zuzuordnen sind und die den Text in die Nähe eines enzyklopädischen Werks rücken: Ein biologisches Lexikon, von der dunklen Theorie des Anfangs bis zum Untergang des Städtchens in Vorpommern, vielleicht sogar des Menschen im Allgemeinen, dieser sei ohnehin nur ein »flüchtiges Vorkommnis auf Proteinbasis« (S. 70), so Lohmark.

Bevor sich der Leser allerdings gänzlich in eine Schülerposition gedrängt fühlen muss, wird die Mimikry an ein Biologiebuch von ebenjenen Abbildungen selbst wieder aufgebrochen: Sobald eine Abbildung den Text unterbricht, setzen auch die Kolumnentitel aus. Ihrer didaktischen Aufgaben sind die Zeichnungen weitestgehend bereinigt, keine Quelle erläutert ihre Herkunft, keine Bildunterschrift ihre Funktion. Nicht einmal der Text bleibt ihnen als Rahmen, da sie die weiße Seite ganz ausfüllen. So sind die Abbildungen quasi entgrenzt und zugleich weisen sie auf die materielle Grenze der Buchseite hin. Im Unterschied zu Abbildungen in tatsächlichen Biologiebüchern beweisen, veranschaulichen oder erläutern sie allerdings nichts mehr. Denn die präsentierten Zeichnungen innerhalb des Buches entpuppen sich bei genauerem Betrachten sämtlich als von Inge Lohmark imaginiert. Sie sind allein mit den Gedanken der Protagonistin lose verknüpft und tauchen als ihre Assoziationen oder Erinnerungen im Text auf, ohne dass sie sonst eine funktionale Stelle im Handlungsverlauf besetzen würden. Die Simulation des Biologiebuches zerbricht dadurch zugunsten einer Fokussierung auf die gedankliche Welt der Protagonistin. Dennoch tauchen innerhalb des Buches insgesamt zwei Doppelseiten auf, deren Abbildungen eine Beziehung zur Handlung aufweisen.

Die erste besteht aus dem Sitzplan ihrer Schulklasse, der kurz zuvor tatsächlich als Teil der Erzählerrede auftritt: »Ein Blick auf den Sitzplan genügte. Die Benennung war alles. Jeder Organismus hatte einen Ruf- und Familiennamen: Art. Gattung. Ordnung. Klasse.«14 Eine doppelseitige schematische Tabelle, die Tische andeutend, nennt die Namen der Schüler, verbunden mit einem Gedankenprotokoll des unbarmherzig wertenden Blicks der Inge Lohmark: »Laura Verwachsener farbloser Pony über den Schlupflidern. Traniger Blick. Pustelige Haut. Ambitions- und interessenslos. Unauffällig wie Unkraut.«15 Auch Lohmarks eigener Tisch ist angedeutet und definiert so klar die Blickperspektive. Der zellenförmig-panoptische Disziplinarraum des Klassenzimmers, der es erlaubt, Leistungen in Tabellen und (biologischen) Klassifikationsrastern anzuordnen, wird vermengt mit der innenperspektivierten Narration von Lohmarks Gedanken. Hier wirkt die Abbildung als narrationsgenerierendes und -strukturierendes Element, das Diagrammatische wird Struktur des Texts. Der Plan am Anfang des Buches bleibt aber eine Ausnahme, die Abbildungen ziehen sich gänzlich in Lohmarks Imagination zurück und reihen sich dort ohne klaren Bezug aneinander, – bis auf den erwähnten zweiten Ausnahmefall:

Ebenfalls im ersten Kapitel erscheinen zwei Reproduktionen von Bildtafeln aus Ernst Haeckels Kunstformen der Natur. Genaugenommen sind es die Reproduktionen von Reproduktionen, die explizit im Text erwähnt werden:

Sie hatte diese prachtvollen Blätter aus der Monographie der Medusen gelöst, einem steifen Band, den sie im Schularchiv gefunden hatte. Archiv war gut. Ein Loch im Keller. [...] Die Wände waren auf einmal sehr nackt gewesen [d.h. nach der Entfernung des sozialistischen Dekors nach 1989, Anmerkung E.H.]. Bis Kalkowski ihr die Medusen in silberne Kästen gerahmt hatte. Ihr Anblick eine Wohltat an jedem Tag. Am Anfang war die Qualle. (S. 35)

Abb. 1: Schalansky: Der Hals der Giraffe, S. 32f.

Dies ist nicht nur die einzige Darstellung, die auch in der schriftsprachlichen Erzählung existiert, sie kehrt außerdem in jedem Kapitel in einer kurzen Erwähnung wieder. Wie bei allen Abbildungen bleiben auch diese beiden Seiten ohne Rahmen, ohne Beschriftungen oder sonstige Abbildungsnachweise. Hier allerdings gibt uns die Handlung selbst einen Nachweis und beschreibt, wie Lohmark die Quallen vor ihrem Klassenraum im Flur anbringt. Ihre Antagonistin, eine in Lohmarks Augen nach Aufmerksamkeit der Schulkinder heischende Kunstlehrerin mit lasch-progressiven Unterrichtsmethoden, wagt es nun, ihren schulischen Lebensraum zu bedrohen, indem sie neben Haeckels Quallen einen Monet anbringt. Hinter der Rivalitätssituation entspinnt sich eine Diskussion um die Frage der Ästhetik der Natur, des Ortes der Kunst: Für Lohmark ist Kreativität ein Hirngespinst, das angesichts der Schönheit der Natur ohnehin überflüssig werde, denn »[d]ie Natur bedurfte keiner Verfremdung. Ihr war nur mit äußerster Präzision nahzukommen.« (S. 34)

Ihre darauffolgende Beschreibung der beiden Quallendarstellungen allerdings geht alles andere als »unverfremdend« vor – es ist von Blütenkelchen, wallendem Tentakelhaar, blau gerüschten Unterröcken, umschwärmenden Schwestern die Rede, mit symmetrischen Fangfäden, wie von Perlen besetzt, »Symmetrien wie Kaukasierhirne« (S. 34). Ganz unabhängig von der Haeckelschen Darstellung wird die Qualle mit eben jener großen Erzählung verknüpft, die uns zu Anfang angekündigt worden war und auf die der Text am Ende wieder zurück kommt: der Geschichte der Erdzeitalter. »Am Anfang war die Qualle. Alles andere kam später. Ihre Vollkommenheit blieb unerreicht, kein Zwei-Seiten-Tier konnte so schön sein. Nichts ging über die Radialsymmetrie.« (S. 35)

5. Exkurs zum Ort der Kunst: Ernst Haeckels Formen

Wie die Abbildungen im Hals der Giraffe schweben auch die Darstellungen der Medusen bei Haeckel im leeren Raum, der Schwerkraft enthoben.16 Als intermediales, entwurzeltes Zitat17 fügen sie durch Unterbrechung des Textflusses dem Text ein Element hinzu, das ihn im Folgenden entscheidend bestimmen wird.

Ernst Haeckels biomorphe Ästhetik begründet sich auf einer Suche nach verborgenen universalen Prinzipien der Natur, die in symmetrischen Ordnungen Sichtbarkeit erlangen. Haeckel, einer der wichtigsten Verfechter und Verbreiter des Darwinismus, führte um 1900 durch seine Naturgeschichte eine neue Anschaulichkeit in die Wissenschaft ein. Das Bild war für ihn statt bloßer Illustration zentraler Ort der Erkenntnis, denn die Natur bringe die Anschaulichkeit selbst hervor und beweise dies etwa in den Bildreihen zur Evolution.18 Die dadurch entstehenden ästhetischen Naturformen sind für Haeckel nur der Beweis, den zentralen Kern des Natürlichen erfasst zu haben.19 In jener Reihung erfülle jedes Glied seine Funktion in der Struktur der Evolution. Als Einzelnes jedoch ist es zugleich auch individuelle Ausformung, »Dekorum einer Naturentfaltung«.20 Das Ästhetische wird also direkt mit dem Wissenschaftlichen, dem Anschaulichen verbunden, beide gemeinsam ermöglichen erst die Erkenntnis des wissenschaftlichen Gegenstands. An die Naturästhetik Goethes schließt Haeckel hier ganz bewusst an und versucht, sie mit Darwins Lehren zu verbinden.

Abb. 2 (links): Haeckel: Kunstformen der Natur, Tafel 38: Taschenquallen, S. 206. Abb. 3 (rechts): Haeckel: Kunstformen der Natur, Tafel 46: Blumenquallen, S. 222.

Die Kunstformen der Natur erschienen zwischen 1899 und 1904 und hatten bekanntermaßen nicht nur einen großen Einfluss auf die Wissenschaft, sondern auch und vor allem auf die Kunst und Designkultur der Zeit. Gemäß Haeckels Überzeugung, dass sich in der Betrachtung der Natur ihre Ordnung offenbare, Wissenschaft also ganz naiv als Ent-Deckung verstanden werden solle, sind in den Kunstformen die kurzen Texte das Beiwerk der Abbildungen und nicht andersherum. Statt auf die Fotografie zurückzugreifen, malte und zeichnete Haeckel seine Naturformen als Aquarelle und Bleistiftzeichnungen selbst vom Mikroskop ab. Die Skizzen gab er an einen Lithographen weiter, der ausschließlich auf der Grundlage der Kompositions- und Farbarbeiten Haeckels die Tafeln erschuf. Die veröffentlichten Abbildungen sind somit bereits immer Reproduktionen von Artefakten. Olaf Breidbach argumentiert, Haeckel sei in diesen transformierten und geglätteten Bildern auf Schemata aus, die sich einerseits ganz bewusst der Ästhetik der Symmetrien bedienen, wobei sie sich in einer von Jugendstil und Art déco geprägten Zeit verorten, und sich aber andererseits nicht gegen die Interpretation sperren: Die eigentlichen Zusammenhänge der Formen der Natur gelte es in dieser Transformation herauszuarbeiten.

Durch das Analogisieren von Formreihen zunehmender Komplexität wird eine Ordnung sichtbar, die sich insbesondere in der Symmetrie ausdrückt. Die Idee von Urformen, die sich dann typologisch ausdifferenzieren, in mannigfaltigen Ausprägungen realisieren und zugleich im Zusammenhang einer fortschreitenden Entwicklung stehen, ist nicht nur wissenschaftlich relevant geworden, sondern hat auch das Designkonzept der Zeit, am wirkmächtigsten sicherlich im Bauhaus, bis heute mitgeprägt. Haeckels Ästhetik der Urformen ist damit selbstverständlich von zeitgenössischen Stilkonventionen beeinflusst, wirkt allerdings genauso auf die menschlichen Artefakte und die Kunst zurück. Seine »Ästhetik des Biomorphen«21 schlägt sich insbesondere in Symmetrien, in Formen des Wachstums zum Komplexen und in der Variationsfreude nieder und stammt nicht nur aus der Beobachtung von Oberflächenstrukturen, sondern, wie zum Beispiel die Betrachtung der Qualle zeigt, die sogar ohne Röntgenstrahlen innere Formen beobachtbar werden lässt, auch aus der Ästhetik der inneren Form des Organismus.22 Bereits zu Lebzeiten wurde Haeckel allerdings gerade aufgrund dieser Vermischung von Kunst, Design und Wissenschaft der Vorwurf gemacht, Fakt und Fiktion, Naturwissenschaftliches und Künstlerisches allzu sehr miteinander zu vermengen.

Es kam wohl auch vor, dass ein skeptischer, dem Mikroskop misstrauender Besucher die Existenz dieser erstaunlichen ›Kunstwerke der Zelle‹ direkt leugnete oder die Bilder für optische Täuschungen erklärte. Ein anderes Mal behauptete ein naiver Laie, dass solche Tiere oder Pflanzen gar nicht existieren könnten, und dass meine Abbildungen davon ›erfunden‹ seien.23

Seine Entdeckungen stehen damit immer schon unter Fiktionsverdacht und werden davon historisch einmal mehr und einmal weniger bestimmt. Im Schreiben über die eigenen Beobachtungen schwankt Haeckel diesbezüglich allerdings selbst, wenn er etwa von seinen »märchenhaften Radiolarienschätzen«24 spricht. Von den Märchen ist hier sicherlich nicht ihrer Phantastik wegen die Rede. Sie werden vielmehr als ein menschlich Gemachtes angeführt, das grundsätzlich nicht von natürlicher Ästhetik zu unterscheiden ist. In einem kurzen Text von 1913, Die Natur als Künstlerin, schreibt er, dass man von einer »Gleichheit des schöpferischen Kunsttriebs« ausgehen könne, da sich sowohl in der Natur als auch im menschlichen Schaffen insbesondere anhand von Formen wie Kreuzen und Sternen Verbindungen vom Radiolarienskelett bis zu Orden, Ringen und Ketten der Menschen ziehen lasse. Er betont nicht nur im Hinblick auf die Überlegungen zur Form die »objektive Wahrheit der naturgetreuen Abbildungen«25, sondern auch in Bezug auf die Anordnung und Komposition der Tafeln, bei der ebenfalls die zugrundeliegende Symmetrie zum Punkt des Anstoßes wird:

Ebenso ungerecht ist der Vorwurf, ich hätte auf den Tafeln meiner Kunstformen der Natur die zahlreichen Figuren symmetrisch angeordnet, anstatt unregelmäßig durcheinanderzuwürfeln. Gegenüber diesem Vorwurf einer ›lästigen Symmetrie‹, die ›das reine Gegenteil von künstlerischer Wirkung ausübe‹, weise ich auf die strenge Symmetrie z.B. der griechischen Tempel und gotischen Dome hin [...].26

Eine Abgrenzung geschieht hier demnach in zwei Richtungen; er unterstreicht die Wissenschaftlichkeit, nicht weniger aber auch den künstlerischen Wert seiner Arbeiten. Beides schließe sich keinesfalls aus, betont er unter Anrufung seines großen Vorbilds: ›Was würde der Größte unter den Großen, was würde Goethe gesagt haben, wenn er hätte lesen müssen: »Die Natur schafft keine Kunstwerke; denn sie ist in Hinsicht auf die Schönheit der Gegensatz zur Kunst!‹«27

6. Urformen und Kunstformen bei Bloßfeldt, Caillois und Bataille: Eine Symmetriepoetik

Mit vergleichbarer Emphase gibt sich demnach Inge Lohmark in der zitierten Passage als eine Verfechterin einer Kunstauffassung zu erkennen, in der die Natur zur größten Künstlerin erhoben wird. Darüber hinaus aber wird die Symmetrie für den ganzen Text zum Formprinzip erklärt. Haeckels Konzept der symmetrischen Evolution hin zum Komplexen spiegelt sich in Lohmarks Lehrplan, ihren Gedanken und digressiven Ansprachen an ihre Schüler, genauso wie in der Gestaltung des Buches: So sind etwa auch die folgenden Abbildungen nahezu symmetrisch, gespiegelt an der Mittelfalz des Buches, wodurch nun sogar dessen Materialität in Beziehung zum Symmetrieprinzip gesetzt wird.

Abb.4 (links): Schalansky: Der Hals der Giraffe, S. 38f. Abb. 5 (rechts): Ebd., S. 56f.

Zweifelsohne sind Haeckels Linien und Symmetrien von Art déco und Jugendstil beeinflusst und wirken auf diesen wieder zurück.28 Genau dort setzt auch die Poetik des Hals der Giraffe an, wenn der Roman die bioästhetischen Symmetrien zu seinem Kompositionsprinzip erhebt und durch das Bildzitat der Medusen explizit auf Haeckel verweist. So knüpft er an Sehkonventionen und Wahrnehmungstraditionen an, die unauflösbar mit dem darwinistischen Programm Lohmarks verbunden sind. Es lohnt sich allerdings dabei, den Roman auch im weiteren Kontext jener Ästhetik zu betrachten, die die Nachfolge Haeckels antritt. Denn Lohmarks ästhetisches Ideal erzeugt im Zusammenhang mit den Strukturen des Romans vor diesem Hintergrund ein produktives Wechselspiel: Außerhalb des Wirkungsgefüges von Design und Architektur bewegen sich Haeckels Linien nämlich darüber hinaus in der Tradition der Suche nach einer antihistorischen und alternativen Ästhetik, die auch nach der Abkehr von den bioästhetischen Idealen des Jugendstils und nach dem Abgesang auf das Ornament Wissenschaft, Architektur und Kunst, insbesondere die Fotografie, miteinander verbindet. Die Fotografien Karl Bloßfeldts beispielsweise, die gerade in Abgrenzung zum seinerzeit bereits verpönten Jugendstil als Grundsteine einer Ästhetik der Neuen Sachlichkeit rezipiert wurden,29 entstanden zunächst aus rein didaktischem Interesse und gelangten erst durch die begeisterte Rezeption von Seiten der Kunstkritik zu künstlerischem Ruhm. In überschneidender Umkehrung zu Haeckels Kunstformen der Natur wurden seine botanischen Fotografien 1928 unter dem Titel Urformen der Kunst30 veröffentlicht – nun ist nicht mehr die Natur als Künstlerin im Fokus, sondern »Natur wird wie Kunst angeschaut, die wie Natur gesehen wird.«31 In diesem wechselhaften Hin und Her erstehen »archaische ornamentale Urkräfte«32 vor dem Auge der Kamera, die Natur mit Kunst ebenso verbinden wie mit Technik.

In der zeitgenössischen Rezeption aber tritt ein Bestandteil dieses Prozesses nun ganz besonders in den Vordergrund, der bei Haeckel oft Anlass zur Kritik bot, zumindest aber nie jene Begeisterung ausgelöst hat, wie dies anlässlich der Fotografien Bloßfeldts geschah: Der Akt der Sichtbarmachung sowie die Instrumentarien und Apparaturen werden plötzlich selbst zum Objekt des allgemeinen Interesses; Mikroskop und Lithografien werden gegen die fotografische Reproduktion eingetauscht und der Akt des Beobachtens, Vergrößerns, Wahrnehmens und Festhaltens tritt in dieser als rein und objektiv, eben als ›sachlich‹ verstandenen Technik deutlich hervor. Walter Benjamin sieht Bloßfeldts Leistung in einer »großen Überprüfung des Wahrnehmungsinventars«, »ein Geysir neuer Bilderwelten« springe mit »innere[n] Bildnotwendigkeiten« aus den Fotografien entgegen.33 In jener, 1929 erschienenen, kurzen Kritik Neues von Blumen feiert Benjamin, von Bloßfeldts Arbeit begeistert, gerade die neuen Sichtbarkeitsmöglichkeiten, die jene Techniken und Apparaturen bereitstellen. Dadurch wird in einem ersten Schritt die Frage aufgeworfen, ob die optische Apparatur bestimmte Formen erst erzeugt und wie diese dann in einem zweiten Schritt abgebildet werden können. Aus der Frage, wie diese Sichtbarmachung und Abbildung dann selbst wieder in den literarischen Text eintritt und den poetologischen Diskurs beeinflusst, ergibt sich in unserer Perspektive noch eine dritte Stufe. So lenken auch die schraffierten Abbildungen, um auf den Hals der Giraffe zurück zu kommen, in ihrer Zwischenstellung zwischen Text und Bild die Aufmerksamkeit auf die Techniken der Wiedergabe, auf die Unterscheidung von Lesen und Sehen.

Ein weiteres hinweisendes Element sei dieser Kette von biologistisch-ästhetischen Verschränkungen, die sich sowohl historisch als auch global unüberschaubar breit verlängern und ausweiten ließe, noch hinzugefügt: Im 20. Jahrhundert beschäftigt sich der französische Soziologe und Schriftsteller Roger Caillois mit einer »Art allgemeinen Poetik des Universums«, wie er sie nennt, die explizit die Grenzen von Natur und Kunst überwindet. Bezeichnenderweise liegen seinen Überlegungen ebenfalls die Strahlentierchen, die Radiolarien, als Beispiel und Anschauungsobjekt zugrunde.

Kultur, menschliche Einbildungskraft, die Produktion künstlerischer Artefakte, all das sieht er nur als Verlängerung der Materie. Er verfolgt allerdings auch, bedingt durch seine wissenschaftlich-historische Situation, ein anderes Ziel als Haeckel, den er nur beiläufig erwähnt, oder Bloßfeldt und widmet sich der Ausrufung einer sogenannten diagonalen Wissenschaft, in der die verschiedensten Wissenschaften miteinander verschmolzen werden sollten. Insbesondere ging es dabei auch um eine Überwindung der Gegensätze von organischer und anorganischer Natur. In dem kurzen Text Natura pictrix. Anmerkungen zur figurativen und nicht-figurativen »Malerei« in Natur und Kunst von 1959 verfolgt er die Interferenzen von Kunst und Natur bis zur modernen, abstrakten Malerei. Nicht-figurative Kunst vergleicht er mit den natürlichen Zeichnungen sogenannter Bildsteine, bei denen es manchmal so scheint, als würde der moderne Künstler den Stein nur kopieren – so vollendet wirkt die mineralogische Abstraktion.

Auf der Suche nach den Bildern der Natur stellt er die Behauptung auf, dass es auch für den erfahrenen Kunstkritiker nicht ohne weiteres möglich sein dürfte, die Bilder des Mikroskops, die offengelegte innere Architektur der Materie, von einer guten Farbreproduktion zeitgenössischer Bilder zu unterscheiden. Allein die Art der Entstehung unterscheide beide Formen des Kunstwerks, die aber letztlich für die »reine Ästhetik«, wie er es nennt, nicht entscheidend sei.34 Auch oder besser gerade im Bereich der formlos gewordenen Kunst, des Nicht-Figürlichen, brechen die Formen der Natur hervor. Sie gehen der menschlichen Kunstproduktion voraus und beweisen so, dass der Mensch das Schöne nicht frei erzeugen könne. Ihm bleibe nur noch, es zu entdecken.

Der Ausblick in eine vom Surrealismus geprägte Kunsttheorie des 20. Jahrhunderts sowie die grundlegenden Impulse der Ästhetik der Neuen Sachlichkeit unterstreichen, dass sich Schalanskys Text zwar einerseits auf den Spuren Haeckelscher Formprinzipien der Jahrhundertwende bewegt, dass er allerdings zugleich die Frage nach einer ahistorischen, universalen Ästhetik weiterverfolgt. Die Bedeutung, die dabei auf beiden Seiten der Entdeckung der Beobachtung zukommt, wird nicht zuletzt auch dann immer wieder betont, wenn Lohmark auch ihre Schüler zunächst wie Tiere oder Pflanzen beobachtet, beschreibt und bestimmt und in ihr Klassifikationsraster des Sitzplans einordnet. Wenn wir den Bogen zum Ende des Textes spannen und die letzte Abbildung des Romans genauer betrachten, wird dies umso deutlicher. Dennoch– um zuvor erneut auf das Jahr 1929 und auf die Beschäftigung mit Blumen zurückzukommen – wurde bereits mit der Entstehung der Bloßfeldtschen Fotografien und der Feier der Sachlichkeit neuer Techniken der Sichtbarkeit ein Zweifel daran wach. Im gleichen Jahr veröffentlichte Georges Bataille, zu dessen späterem Weggefährten Caillois wurde, in der von ihm herausgegebenen, surrealistischen Zeitschrift Documents einen Essay mit dem Titel Le Langage des Fleurs und illustrierte diesen mit Bloßfeldts Fotografien.35 Statt diese aber als Einblicke in die Kunst der Natur für sich stehen zu lassen, lenkt er den Blick auf die Konstruiertheit ihrer Symmetrien, die Inszeniertheit der freischwebenden Reinheit im leeren Raum und entblößt so Bloßfeldts Arbeiten als Zaubertricks, »in which you suspect sleight of hand but are nevertheless filled with wonder as the rabbit is extracted from the top hat. You are left suspended, unable to decide what is art and what is nature, temporarily stripped of your common sense [...].«36

7. Die topologische Ordnung der Bilder: Asymmetrien
zwischen Lesen und Sehen

Zurück zur zentralen Frage der Symmetrie: Das Interesse an dieser löst Bataille bekanntlich vollständig zugunsten einer Faszination an der Asymmetrie, die gerade nicht in einer gleichmäßigen Opposition aufzugehen vermag, auf.37 Auch bei Schalansky erfährt die Symmetrie als Ordnung der Anschauung, die mit der Betrachtung der Medusentafeln zum allgemeinen Ordnungsprinzip des Textes erhoben wird, im Laufe des Romans eine empfindliche Störung. Inge Lohmark entwickelt Gefühle für eine ihrer Schülerinnen, Erika, das Heidekraut. Ihr Gesicht ist bezeichnenderweise »unsymmetrisch wie ein Ulmenblatt« (S. 71), die gravierendste Asymmetrie ergibt sich aber sicherlich aus Lohmarks Begehren nach einem minderjährigen Mädchen. Der Leser wird darauf nur indirekt, im Spiegel von Lohmarks Beobachtungen aufmerksam. Ganz im Sinne der Biologie als ehemals primär beobachtender Wissenschaft, zeigt sich ihr Verlangen nur im Betrachten. Eine knappe Sequenz von Phantasien über ihre Schülerin, nur kurz auch fast trotzig gewalttätig, bildet den Kulminationspunkt. Bevor sie ihr Verlangen jedoch als solches reflektiert oder es sich gar in tatsächlichem Handeln manifestiert, muss sie – deren Name nicht umsonst an Lamarck erinnert und die den Darwinismus eifrig lehrt – diese Form des Begehrens im Keim ersticken. So fragt sie sich selbst schließlich naiv: »Gab es eigentlich weibliche Pädophilie?« (S. 179) Der Mensch, wie die Qualle ein Zwei-Seiten-Tier, hat aber auch ein Herz – »Wenn sich das rumsprach, war es mit der Disziplin vorbei.« (S. 202), sagt sie sich. Auch in der Textgestalt schlägt sich die einfallende Asymmetrie nieder. Statt nach Absätzen, feinsäuberlich das Ende des Satzes abwartend, überfallen die späteren Abbildungen quasi den Text, unterbrechen mitten im Satz, manchmal reißen sie sogar einzelne Worte entzwei und brechen so die Spiegelung von Text und Bild auf.

In der letzten Abbildung des Romans scheint sich das Gleichgewicht dafür umso deutlicher wiederherstellen zu wollen. »Jedes Ende war ein offenes Ende. Entwicklung kam von Entwickelung. Ein verborgener Gegenstand, der ausgewickelt wurde. Vom Einfachen zum Komplexen. [...] Alle Organismen schienen auf ein Ziel zuzustreben:« (S. 213) Doppelpunkt am Ende der Seite. Mit dem Umblättern erscheint folgende, doppelseitige Abbildung:

Abb.6: Schalansky: Der Hals der Giraffe, S. 214f.

In der Entwicklung als Auswickeln eines verborgenen Inneren klingen erotische Konnotationen an, zumal diese Gedankenwiedergabe in die Zeit des Sportunterrichts fällt, während Lohmark die drahtig-muskulösen Körper der Schülerinnen betrachtet. Diese Konnotationen werden allerdings überlagert von evolutionsbiologischen Schlagwörtern, die auf jene Abbildung folgen: Fortschritt, Konkurrenz, höher, schneller, weiter: der Hals der Giraffe. Was die Abbildung nun eigentlich zeigt, wird aus dem Text nicht ersichtlich: Eine Koralle? Einen Baum? Nicht irgendeinen Baum: Es ist Haeckels Stammbaum der Wirbeltiere aus der Generellen Morphologie der Organismen:

Abb.7: Haeckel: Generelle Morphologie der Organismen, Tafel VII: Stammbaum der Wirbelthiere, [Anhang].

Die Abbildung ist allerdings bereinigt von allen textuellen Elementen; dort, wo Textfelder eingefügt waren, bleiben freie Stellen. Völlig ohne Referenz und ohne Informationsgehalt wird der Stammbaum seines operativen Elements beraubt. Zurück bleibt das notwendige ästhetische Element, quasi die bloße und sichtbar gemachte Blickgewohnheit und Sehtradition des Stammbaums, die so erst in ihrer Willkürlichkeit hervortritt. Das Wissenschaftliche der Abbildung wird getilgt, das Bild wird manipuliert und so ganz in seiner Künstlichkeit ausgestellt. Zugleich wird auf diese Weise mit der Unterscheidung von Sehen und Lesen gespielt: Was sonst nur sichtbarmachende, räumliche Visualisierungsstrategie war, die für den Leser hinter den Beschriftungen verschwand, ist nun ganz sichtbares Bild. Zugleich aber kann auch dieses Bild wieder gelesen, wiedererkannt und zurückgeführt werden zu Haeckels Stammbäumen. Sobald nun aber die Frage nach der Herkunft des Baummodells einmal auf den Plan tritt, schiebt sich ein zweites Spiel mit Dichotomien in die Unterscheidung von Sehen und Lesen hinein und löst innerhalb der Text-Bild-Beziehung des Romans ein weiteres Oszillieren aus.

Denn Darwin verwendete für den Evolutionsprozess, den Haeckel in den Abbildungen seiner Generellen Morphologie in die naturalistische Form eines Baumes brachte, selbst zunächst das Modell einer Koralle in dezidierter Abkehr von baumartigen Darstellungsformen. Die Koralle, im Gegensatz zum stets in eine Richtung strebenden, hierarchisierenden Bild des Baumes, ermöglicht den Verweis auf abgestorbene, fossilierte Zweige und wieder neu zusammenwachsende Einzeltriebe.38 Darüber hinaus wird sie zu einem Modell, das in Darwins Aufzeichnungen stets schematisch und abstrahiert auftaucht und sich so seines Konstruktcharakters und der Eigenlogik seiner zugrundeliegenden Bildlichkeit bewusst bleibt – so argumentiert der Kunsthistoriker Horst Bredekamp.39 Haeckels Zeichnungen führen den abstrakten Diagrammcharakter jedoch in ein naturmimetisches Bild zurück, überblenden den sich seiner Konstruktivität bewussten wissenschaftlichen Bildgebungsprozess durch ein ebenso zwingendes wie mächtiges Naturbild, das im »Baum des Lebens« so wirkmächtig für die Vorstellung und Verbreitung der Darwinschen Lehre geworden ist und diese selbst zu naturalisieren in der Lage war.

Schalanskys Roman seinerseits verschärft den Prozess vom Diagramm zum Bild, indem er Haeckels Baum gänzlich vom diskursiven Element befreit. Als Platzhalter für eine enttarnte, quasi entblätterte Wissenschaftlichkeit steht der nackte Baum als wörtlich genommene Metapher im Raum der Seite. Die auf der Grundlage der zweidimensionalen Bildlichkeit erschaffenen Wissensgegenstände sind nur noch Bild, das für sich selbst stehend seine zwingende Teleologie wieder verliert. Zugleich wirkt diese Entblößung auf die Handlung zurück: Statt eines Fortschritts gibt es für Lohmark nur Verfall, ihr Körper sowie ihre Umwelt befinden sich im stetigen Niedergang. Dadurch wird der Anti-Bildungsroman schon fast zu einem ›Rückbildungs‹-Roman.

Auch der Versuch, mit dem Blick der Biologielehrerin in der aussterbenden Kleinstadt eine Rückeroberung des Raums durch die pflanzliche Natur zu feiern, die sich in leerstehenden Häusern, in den Fugen der Gehwegplatten ungebeten ausbreitet, muss scheitern: Lohmarks Ehemann, der allerdings nie selbst die Diegese betritt, überstand die auf den Fall der Mauer folgende Arbeitslosigkeitswelle, indem er begann, in den vorpommerschen Weiten Strauße zu züchten. So wie die künstlich erschaffene, neue Natur nun den leeren geographischen Raum erobert, wird auch die leere Seite von einem Baum in Beschlag genommen, der eine Natur darstellt, die nur dadurch entstehen konnte, dass sie sich ihrer wissenschaftlichen Textualität entledigt hat, wobei sie selbst nur als die naturnachahmende Überblendung eines wissenschaftlichen Diagramms entstand. Die Formen des Diagrammatischen verzichten auf besondere Ausgestaltung, auf Einzigartigkeit, um lesbar und verstehbar zu bleiben – ganz im Gegenteil zum Kunstwerk, welches sich gerade durch seine »Aura einer unvertretbaren Singularität«40 auszeichnet. In dieser letzten Abbildung fällt das Ästhetische in die lesbare Form des Diagrammatischen ein und der Doppelcharakter des Diagrammatischen zwischen Denken und Anschauung wird zugunsten letzterer aufgehoben, das heißt zugunsten der Beobachtung, die im letzten Satz des Romans auch ganz explizit vollzogen wird. Die weiße Seite des Buches, gerade noch »Denkzeug und Gedankenlabor«,41 wird so zum Rahmen des Kunstwerks.

Denn Inge Lohmark verehrt die Biologie gerade deshalb so, weil sie eine »Beobachtungswissenschaft [ist], die alle Sinne ansprach« (S. 47). Gerade darin, in der Rolle der Beobachtung treffen sich auch Haeckel, Bloßfeldt und Caillois. Lohmark aber verliert sich schließlich ganz in der Beobachtung eines unendlichen Verweisspiels von Kunst und Natur, das schließlich nicht mehr den Blick freigibt auf universale Symmetrien und Ordnungen. Die Ästhetik überlagert die Aisthesis; statt der Entdeckung einer Wahrheit durch Beobachtung blickt sie immer schon auf ein zwischen Kunst und Natur schwankendes Mischwesen. »Ein Licht wie in einem Film, aufgeblendet, alles wie angestrahlt. Die Wolken, fest umrissen. [...] Inge Lohmark stand am Zaun und schaute.« (S. 222), so die letzten Sätze des Romans. Sie beobachtet, wie aus dem Himmel über den künstlich in die Landschaft eingepflanzten Straußen, die sich auf der letzten Seite des Buches anschicken, einen Pirouettentanz in Kreisformation zu veranstalten, die heimischen Krähen auf das Feld niederstürzen. Getaucht wird alles in ein Filmlicht. So vermischt sich künstliche und heimische Natur mit der Fiktion des Kinofilms, eine universale Ordnung ist nicht mehr erkennbar, und so wird auch die Hoffnung auf eine natürliche Ästhetik enttäuscht. Zurück bleiben allein »[d]ie Quallen, schillernd und überirdisch schön wie eh und je« (S. 186).

Literaturverzeichnis

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  • 1. Judith Schalansky: Der Hals der Giraffe. Bildungsroman. Berlin 2011 (im nachfolgenden Fließtext zitiert in Klammern), S. 190.
  • 2. Ebd., S. 15.
  • 3. Vgl. Sabine Gross: Lese-Zeichen. Kognition, Medium und Materialität im Leseprozess. Darmstadt 1994, S. 102.
  • 4. Vgl. ebd., S. 103ff.
  • 5. Vgl. u.a. Martina Hessler u. Dieter Mersch (Hg.): Logik des Bildlichen. Zur Kritik der ikonischen Vernunft. Bielefeld 2009 sowie Dieter Mersch: Ikonizität. Medialität und Bildlichkeit. Paderborn 2014.
  • 6. Vgl. Horst Bredekamp: Theorie des Bildakts. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2007. Berlin 2010.
  • 7. Sybille Krämer: »Operative Bildlichkeit. Von der ›Grammatologie‹ zu einer ›Diagrammatologie‹? Reflexionen über erkennendes ›Sehen‹«. In: Martina Hessler u. Dieter Mersch (Hg.): Logik des Bildlichen. Zur Kritik der ikonischen Vernunft. Bielefeld 2009, S. 94–123, Terminologie wird eingeführt auf S. 95.
  • 8. Ebd., S. 105 [Herv. i. O.]. Vgl. dazu auch dies.: »Punkt, Strich, Fläche. Von der Schriftbildlichkeit zur Diagrammatik«. In: Sybille Krämer, Eva Cancik-Kirschbaum u. Rainer Totzke (Hg.): Schriftbildlichkeit. Über Wahrnehmbarkeit, Materialität und Operativität von Notationen. Berlin 2012, S. 79–101.
  • 9. Vgl. dazu auch die Schärfung des Begriffs des Ikonotexts in Silke Horstkotte u. Karin Leonhard (Hg.): Lesen ist wie Sehen. Intermediale Zitate in Bild und Text. Köln u.a. 2006. Die Referenz auf Sebald liegt auch im Hals der Giraffe, das sich ebenfalls als ein Ikonotext bezeichnen lässt, auf der Hand, ein ausführlicher Vergleich muss aber an dieser Stelle ausgespart bleiben.
  • 10. Judith Schalansky: Atlas der abgelegenen Inseln: Fünfzig Inseln, auf denen ich nie war und niemals sein werde. Hamburg 2009, S. 23.
  • 11. Viele Abbildungen sind historischen Biologiebüchern entnommen, eine Zuordnung der einzelnen Zeichnungen fällt aber durch die schwebende Position im Text, jenseits von Quellen und Hinweisen, schwer.
  • 12. Martina Hessler u. Dieter Mersch: »Bildlogik oder Was heißt visuelles Denken?«. In: Dies. (Hg.): Logik des Bildlichen. Zur Kritik der ikonischen Vernunft. Bielefeld 2009, S. 8–62, hier S.12.
  • 13. Ebd., S. 13. Vgl. zur seit der platonischen Bilderkritik negativen Beurteilung von Bildern im Hinblick auf ihre mögliche epistemische Funktion Klaus Sachs-Hombach: »Bilder in der Wissenschaft«. In: Dimitri Liebsch u. Nicola Mößner (Hg.): Visualisierung und Erkenntnis. Bildverstehen und Bildverwenden in Natur- und Geisteswissenschaften. Köln 2012, S. 31–42.
  • 14. Ebd., S. 19.
  • 15. Ebd., S. 20 [Herv. i. O.].
  • 16. Vgl. Sabine Mainberger: Experiment Linie. Künste und ihre Wissenschaften um 1900. Berlin 2010, S. 285.
  • 17. An dieser Stelle kann von einem »intermedialen Zitat« die Rede sein, da die Herkunft des Bildes vom Text selbst gekennzeichnet und eine fremde Autorität als Ursprung genannt wird. In allen anderen Abbildungsfällen ist aufgrund der ungewissen Herkunft eine eindeutige Zuordnung nicht möglich, sodass nicht von Zitaten gesprochen werden kann und stattdessen der Terminus Abbildung beibehalten wurde.
  • 18. Vgl. dazu Ernst Haeckel: Anthropogenie oder Entwicklungsgeschichte des Menschen. Leipzig 1874, unter anderem Tafel IV-V, S. 256f.
  • 19. Vgl. Olaf Breidbach: »Vorwort«. In: Ders.: Ernst Haeckel: Kunstformen der Natur – Kunstformen aus dem Meer. 135 Farbtafeln. München, 2012, S. 7ff.
  • 20. Ebd., S. 10.
  • 21. Catharina Berents: »Kurven des Lebens – Formen der Moderne. Zur Ästhetik von Bugholzmöbeln«. In: Ulrich Löber (Hg.): Thonet – Biegen oder Brechen. Ausstellungskatalog des Landesmuseums Koblenz. Koblenz 1996, S. 51–62, hier S. 60.
  • 22. Vgl. ebd., S. 60.
  • 23. Ernst Haeckel: »Die Natur als Künstlerin«. Berlin 1913. In: Uwe Hoßfeld (Hg.): Absolute Ernst Haeckel. Freiburg i. Br. 2010, S. 184.
  • 24. Ebd., S. 185.
  • 25. Ebd., S. 188.
  • 26. Ebd., S. 189.
  • 27. Ebd., S. 190.
  • 28. Vgl. zur zeitgenössischen, durchaus spannungsgeladenen Beziehung und Wechselwirkung zwischen Evolutionstheorie und Ästhetischer Theorie Kurt Bayertz: »Biology and Beauty: Science and Aesthetics in Fin-de-siècle Germany«. In: Mikuláš Teich u. Roy Porter (Hg.): Fin de siècle and its Legacy. Cambridge u.a. 1990, S. 278–295.
  • 29. Vgl. Gert Mattenklott: »Einführung in Karl Bloßfeldts Urformen der Kunst«. In: Dirck Linck (Hg.): Ästhetische Opposition. Essays zu Literatur, Kunst und Kultur. Hamburg 2010, S. 257–281, hier S. 266.
  • 30. Vgl. Karl Bloßfeldt (Hg.): Urformen der Kunst [1929]. Dortmund 1992.
  • 31. Ebd., S. 261.
  • 32. Ebd., S. 263.
  • 33. Walter Benjamin: »Neues von Blumen« [1929]. In: Ders.: Gesammelte Schriften. Bd. III. Hg. v. Hella Tiedemann-Bartels. Frankfurt / M. 1981, S. 151–153, hier S. 151.
  • 34. Vgl. Roger Caillois: Meduse & Cie mit »Die Gottesanbeterin« und »Mimese und legendäre Psychasthenie«. Übersetzt von Peter Geble. Berlin 2007, S. 80.
  • 35. Vgl. Georges Bataille: »Die Sprache der Blumen« [»Le langage des fleurs«, zuerst erschienen 1929 in der Zeitschrift Documents]. Übersetzt von Gerd Bergfleth. In: Theodor Lessing: Blumen. Berlin 2004, S. 227–236.
  • 36. Michael Taussig: »The Language of Flowers«. In: Critical Inquiry 30 (2003), H. 1, S. 98–131, hier S. 109.
  • 37. Bataille bezieht sich hier insbesondere auf den Ethnologen Robert Hertz, der sich mit der Unterscheidung von links und rechts und der Symmetrie bzw. Asymmetrie des menschlichen Körpers als Grundlage für soziale Rituale und Mythen und die Unterscheidung von rein und unrein, recht und unrecht beschäftigte. Taussig weist darauf hin, dass sich die Trennung von links und rechts jedoch bei Bataille auf die Betrachtung der horizontalen Trennung des menschlichen Körpers, von oben und unten, von gut und böse, Himmel und Hölle verschiebt. Vgl. dazu ebd., S. 117ff.
  • 38. Vgl. Horst Bredekamp: Darwins Korallen. Frühe Evolutionsmodelle und die Tradition der Naturgeschichte. Berlin 2006, S. 18ff.
  • 39. Bredekamp reflektiert hier außerdem anhand von Darwins Notizbüchern den zeichnerischen Entstehungsprozess des Korallenmodells innerhalb des skizzenartigen Ausprobierens Darwins und stellt »das Medium der Zeichnung als Membran des Denkens« (ebd., S. 24) heraus, wobei er immer wieder auf die Verschachtelung von Schrift, Diagramm und Zeichnung im Raum der Notizbuchseite stößt (Vgl. ebd., S. 24ff.).
  • 40. Krämer: »Punkt, Strich, Fläche« (Anm. 7), S. 92.
  • 41. Ebd., S. 97.

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