Literaturwissenschaft und Praxis
Jürgen
Gunia
Münster

Kompetenz

Versuch einer genealogischen Ideologiekritik

Für S.

Der Verdacht

Kompetent zu sein, ist gut und nützlich. Jeder, der in persönlichen Notlagen schon einmal auf kompetente (oder inkompetente) Personen angewiesen war, wird das bestätigen. Kompetenz meint offensichtlich eine Fähigkeit, ein abrufbares Können, das durch bestimmte Techniken oder Erfahrungen erworben wurde und das es ermöglicht, ohne langes Nachdenken Entscheidungen zu treffen oder überhaupt zu handeln. Kompetent ist folglich, so kann man die meisten gängigen Definitionen zusammenfassen, wer in einer bestimmten Situation eine Aufgabe erfüllen, d.h. eine Entscheidung treffen und ein Problem lösen kann – kurz: jemand, der weiß, was jetzt und hier zu tun ist.

Kompetenz ist etwas, das Erfolg verspricht oder bringt, und das kann nicht schlecht sein. Irritierend an der Kompetenzrhetorik ist allerdings ihre flächendeckende Verbreitung, ihre »Tendenz zur Ausuferung«.1 So ist mittlerweile nicht nur von fachlicher, sozialer oder personaler Kompetenz, sondern auch von moralischer und emotionaler sowie von spiritueller oder gar kreativer Kompetenz die Rede. Irritierend ist dies, weil der Begriff der Kompetenz, wie er oben umschrieben wurde, indirekt ein vorrangig technizistisch-instrumentelles Selbst-und Weltverhältnis propagiert. Damit einher geht zudem die Verdrängung des Wissens zugunsten des Könnens. Beides schließt sich nicht aus, und man könnte behaupten, dass sich der Kompetenzbegriff auch als Vermittlungsmodell von Wissen und Können eignet und in vielen Ansätzen auch so angelegt ist. Dass damit oft ein bestimmtes Ressentiment gegenüber historischem und theoretischem Wissen um sich greifen kann, ist neben dem rationalistischen Subjektverständnis insbesondere für die Kultur- und Geisteswissenschaften äußerst heikel – und zwar vor allem dann, wenn ästhetische Gegenstände im Fokus von Lehre und Forschung stehen.

Die Rede von der Kompetenz, die Erfolg durch unmittelbaren Praxisbezug verspricht, beansprucht ein beeindruckend hohes Maß an Selbstevidenz. Gerade solche auf Selbstevidenz basierenden »Verselbstverständlichungen bzw. Selbstverständlichmachungen« als historisch bedingte und gesellschaftlich gemachte offenzulegen und zu analysieren, ist aber die ureigenste Aufgabe der Ideologiekritik. Diese geht dabei bevorzugterweise von einem Ausgangsverdacht aus, also »von einem Vorbehalt gegen die Selbstauslegungen von sozialen Gebilden«.2 Der Verdacht wiederum als Movens einer Kritik und gleichsam einer historischen Rekonstruktion ist wiederum die genuine Keimzelle der genealogischen Sichtweise: »Wer die genealogische Perspektive einnimmt«, schreibt Peter Sloterdijk, »macht eo ipso ein Zugeständnis an den Verdacht, die fragliche Sache besitze ihres vornehmen Auftretens zum Trotz einen ererbten Makel«.3 Darum wird es also in den folgenden Bemerkungen gehen: die auch für die Geisteswissenschaften alltäglich gewordene Kompetenzrhetorik einem historisch fundierten Vorbehalt auszuliefern und es somit zu ermöglichen, eine kritische Haltung ihr gegenüber einnehmen zu können. Der Verdacht geht dabei aus von einer von erziehungswissenschaftlicher und soziologischer Seite erzielten wichtigen Erkenntnis, derzufolge dem kompetenten und sich gleichsam permanent selbst optimierenden Subjekt ein ökonomisches Modell zugrundeliegt. Als solches ist es unter der Bezeichnung »unternehmerisches Selbst« bekannt geworden.4 Der hier artikulierte Verdacht lautet, dass diese Erkenntnis möglicherweise weiter gedacht werden kann bzw. dass neben dem ›unternehmerischen Selbst‹ ein anderes Modell steht; eines, das unter Umständen sogar als ›ursprünglicher‹ angenommen werden kann: das des immanent militärischen, wehrhaften Selbsts.

Dabei wird im Folgenden keineswegs gegen Kompetenz argumentiert. Im Grunde wird sogar eher das Gegenteil der Fall sein. Worum es geht, ist eher, Impulse für eine Entdramatisierung derjenigen Diskurse zu geben, die emphatisch und meist im Hinblick auf die ›Herausforderung Globalisierung‹ auf Kompetenz setzen. (Impulse, die natürlich im Namen der Geistes- und Kulturwissenschaften gegeben werden.) Das Ziel ›Entdramatisierung‹ mutet freilich paradox an, ist doch gerade die Übertreibung wesentlicher Bestandteil genealogischer Kritik.5 Diese Zuspitzung hat allerdings eine Erkenntnis- und eine Handlungsfunktion. Einerseits versucht sie, die Konturen ihres Gegenstands trennscharf heraus zu meißeln. Andererseits will sie Rezipienten zum kritischen Innehalten bewegen.

Können vs. Wissen

Eine der einflussreichsten Definitionen von Kompetenz stammt vom Psychologen Franz E. Weinert, dem Gründungsdirektor des Max-Planck-Instituts für psychologische Forschung und langjährigen Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Psychologie. Sein anlässlich der Third International Mathematics and Science Study (TIMSS) formulierter Kompetenzbegriff war maßgeblich für die Konturierung ›nationaler Bildungsstandards‹ durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und nicht zuletzt aus diesem Grund von einer nicht zu unterschätzenden Wirkmächtigkeit.6 Weinert zufolge sind Kompetenzen

die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.7

Es fällt auf, dass der Begriff des Wissens in dieser Definition nicht gebraucht wird. Statt um Wissen geht es um vorhandene Problemlösungen, und diese sind immer schon verbunden mit einem ›Nutzen-Können‹. Kompetenz erscheint gerade nicht im Zentrum eines Vermittlungsinteresses von Theorie und Praxis, von Wissen und Können, sondern als »Verfügbarkeit allgemeiner Problemlösungsstrategien«.8 Obwohl man sich gut vorstellen kann, dass hier natürlich der Faktor ›Wissen‹ von Belang ist, wird durch die Formulierung selbst unübersehbar einem Primat des Könnens Vorschub geleistet. Dieses Primat zeigt sich auch in Vokabeln wie ›Fähigkeiten‹, ›Fertigkeiten‹ und ›Bereitschaften‹. Es ist denn auch nur allzu konsequent, wenn auch in Überblicksdarstellungen zum Thema ›Kompetenz‹ oder ›Schlüsselkompetenz‹ (ganz unabhängig von Weinert) oftmals ein besonderes »Könnensbewusstsein« eingefordert wird, eine so genannte »self efficacy«, die das Kompetenzdenken begleiten und geradezu vervollkommnen soll.9

Wie gesagt: Es scheint klar zu sein, dass auch für Kompetenz die Kategorie des Wissens relevant ist, nur wird dies eben nicht expliziert. Die auf diese Art und Weise faktisch vollzogene Verlagerung vom Wissen auf das Können innerhalb des expliziten Bildungsdiskurses ist jedoch von großer Bedeutung. Folgt man den Ausführungen des Philosophen Otto Friedrich Bollnow, so betritt man mit der Betonung des Könnens ein vom Wissen deutlich zu unterscheidendes Paradigma – nämlich das des Übens: »Ein Wissen kann man lehren und eine Einsicht zu vermitteln versuchen. […] Das Üben ist vielmehr dort erforderlich, wo es sich um ein spezifisches Können handelt, das der Mensch erwerben soll«.10 Obwohl Bollnow zu Recht betont, dass beides, Wissen und Üben, ineinandergreift oder zumindest ineinandergreifen kann, ändert das nichts an den völlig unterschiedlichen Denkweisen, in denen man sich jeweils bewegt. Auf der Seite des Wissens haben wir Komplementärbegriffe wie Neugier, Erkenntnis, Interesse oder Reflexion. Auf der des Könnens aber steht die gezielte Etablierung von Wiederholungsroutinen und Kontrollmechanismen. Gewährleistet werden soll die spontane und situationsgerechte Abrufbereitschaft erworbener Kenntnisse für Entscheidungsprozesse und Handlungen.

Unter anderem die Rede von den ›Bereitschaften‹ legt die Vermutung nahe, dass Kompetenz als Können zudem mit einem Zeitindex versehen ist. Zumindest scheint es nur schwer vorstellbar, dass zwischen Problem und Lösung allzu viel Zeit verstreichen bzw. für den Vorgang des Abrufs entsprechender Strategien viel Zeit gebraucht werden darf. Natürlich gilt auch hier, dass das Zögern oder gar das Eingestehen von Inkompetenz in einer bestimmten Situation ohne weiteres als Kompetenz interpretiert werden kann – solange es nicht allzu oft geschieht! Zögern und Eingeständnis gelten, so die Vermutung, eher als Ausnahmen, die insgesamt die Kompetenz als Regel bestätigen, ja authentifizieren können. Gemeinhin aber ist davon auszugehen, dass das kompetente Subjekt imstande ist, sofort, also schnell, ohne empfindlichen Zeitverlust zu entscheiden und/oder zu handeln. Andernfalls droht eine Infragestellung der Kompetenz. Können heißt, so die Folgerung, meistens ›Sofort‹- oder doch zumindest ›Schnell-Können‹.

Das reine Können: Das Subjekt als Feldherr

Im Großen und Ganzen kann man aus der Reduktion des Kompetenzbegriffes zugunsten des Könnens den Schluss ziehen, dass das Subjekt, das sich primär durch ein Können begreift, ein Subjekt ist, das sich durch fortwährende Übungen sowie durch fortwährende Erfolgskontrolle und Selbstevaluation als immun gegenüber situativ gegebener Kontingenz erweisen soll. Ebenso wie das ›unternehmerische Selbst‹ ist auch das kompetente Selbst »keine empirisch beobachtbare Entität, sondern die Weise, in der Individuen als Personen adressiert werden, und zugleich die Richtung, in der sie verändert werden und sich verändern sollen«.11 Kompetent-Werden ist in diesem Falle das Projekt, sich gegenüber Unwägbarkeiten zu wappnen, sie zu neutralisieren, und das möglichst zeitnah. ›Kontingenztoleranz‹ oder auch ›Stressresistenz‹ sind von daher nicht als Einzelkompetenzen zu verstehen, sondern als fundamentaler Bestandteil von Kompetenz überhaupt. Mit der Vorstellung eines gepanzerten Subjekts, das sich in unterschiedlichsten Situationen bewährt, wird ein merkwürdiger Heroismus aufgerufen. Das Ziel ›Immunisierung gegen Kontingenz‹ und der damit einhergehende immanent-heroische Gestus lassen den bereits angekündigten Verdacht aufkommen. Der Nimbus des Heroischen nämlich, der das Subjekt als seine eigene ›Führungskraft‹ umgibt, verweist auf die kämpferische, ja kriegerische Sphäre. Ein solches Subjekt hat denn auch sein Vorbild in jenem Feldherrn, den Carl von Clausewitz’ Vom Kriege favorisiert – jenes in den Jahren 1832–1834 posthum herausgegebene Grundlagenwerk moderner Kriegsführung. In dieser bis in die heutigen Tage einflussreichen Schrift kommt Clausewitz am Ende des ersten Kapitels eben nicht zufällig zu einer Empfehlung für erfolgreiche Feldherrn, die er unter dem folgenden Ausruf zusammenfasst, der beinahe schon als Schlachtruf gewertet werden kann: »Aus Wissen muss Können werden!«12

Clausewitz hat mit dieser Forderung eine derart »vollkommene Assimilation« des Wissens im Blick, dass »der Handelnde« – gemeint ist der »Feldherr« – befähigt ist, »überall und mit jedem Pulsschlag die erforderliche Entscheidung aus sich selbst zu geben«. Im jederzeit abrufbaren Können des Feldherrns – dem Clausewitz übrigens immer wieder das Attribut »unternehmend« beifügt – kann zwischen Wissen und Subjekt sogar nicht mehr unterschieden werden, sodass Clausewitz das ›natürliche Talent‹ bevorzugt, das freilich immer noch eines gewissen Maßes an Übung bedarf. Dieses Talent, gleichsam eine Art Genie des Krieges, benötigt weder »Betrachtung« (vulgo: Theorie) noch »Studium« für seine Entscheidungen. Genau diese Entwertung der Kategorie des Wissens durch seine Transformation in Können, diese Bevorzugung sofortigen Handeln-Könnens – sie zeigt sich auch im vereinseitigten, ideologischen Kompetenzbegriff, dem die Forderung »Aus Wissen muss Können werden!« gut als Motto dienen könnte.

Überraschend ist die Feststellung eines Konnexes von Krieg und Subjektivierung allerdings nicht, gibt es doch analoge Erkenntnisse aus dem Bereich der Mediengeschichte. Dort gilt seit langem der lakonische Satz: »Medientechnologie ist mit frappanter Regelmäßigkeit ein Abfallprodukt von Militärtechnologie«.13 Und wenn die bislang ausführlichste Kritik der Kompetenz von Andreas Gelhard die von William Stern erfundene und von Hugo Münsterberg popularisierte Psychotechnik als Ausgangspunkt der Kompetenzideologie erachtet, so muss dem hinzugefügt werden, dass diese Form der angewandten Psychologie von der Zeit ihres Entstehens um 1900 an dankbar für militärische Zwecke genutzt wurde.14 In dieser Rekonstruktion des vereinseitigten Kompetenzgedankens wird der Zusammenhang von Subjektformung und militärischem Diskurs nicht nur als relevant, sondern als symptomatisch angesehen.15 Er bestätigt sich zudem im eingangs erwähnten Konzept des unternehmerischen Subjekts, konstituiert dieses sich doch in selbstoptimierenden Feedbackschleifen, die auf die Kybernetik als Schlüsselkonzept verweisen. Die Kybernetik wiederum ist diejenige Wissenschaft, die sich im ›Kalten Krieg‹ aus der Entwicklung effizienter Flugabwehrgeschütze entwickelt hat.16

Bestätigt fühlen dürfen sich diese Überlegungen aber vor allem von den Vorlesungen des späten Michel Foucault (von dessen Konzept der »Gouvernementalität« dieser Essay ohnehin entscheidend inspiriert wurde). Foucault hat im Rahmen seines genealogisch ausgerichteten Gesellschaftsprojekts den Krieg als analytisches Modell herangezogen, um aufzuzeigen dass Macht nicht nur im Modus von Repression, sondern auch im Horizont von Produktivität zu denken ist.17 Was u.a. von bestimmten Machtkonstellationen produziert wird, sind eben Subjektformen. Dass Foucault dabei ebenfalls auf Clausewitz zurückgreift, ist bemerkenswert.

Im gegenwärtigen Management ist die Rezeption von Clausewitz alles andere als ein Geheimnis. Das Strategieinsitut der Boston Consulting Group hat ein in mehreren Auflagen (und in renommierten Verlagen) erschienenes Vademecum veröffentlicht, das Clausewitz eingehend vorstellt.18 Zwar geht es vorderhand vor allem um den Begriff der Strategie, aber letztlich ist dies ein vom Können abhängiger Begriff (nicht zufällig sprach ja auch schon Weinert von der Kompetenz als »Verfügbarkeit allgemeiner Problemlösungsstrategien«). Den Herausgebern des kleinen Buches ist freilich absolut zuzustimmen, wenn sie darauf hinweisen, dass »Wirtschaft kein Krieg sei«, sondern dass man von beidem, von Wirtschaft ebenso wie vom Krieg, abstrahieren müsse (Resultat dieser Abstraktion ist eben die »Strategie«). Die Tatsache jedoch, dass »die Vorstellungen eines preußischen Militärphilosophen über den Landkrieg im 19. Jahrhundert […] in der Wirklichkeit der globalen Wirtschaft Gültigkeit haben«,19 sind nicht nur, wie die Herausgeber, ›verblüffend‹, sondern schlicht und ergreifend beunruhigend. Diese Beunruhigung lässt sich an dem hier skizzierten Paradigmenwechsel vom Wissen zum Können ablesen, mit dem nicht nur Führungskräfte hervorgebracht werden sollen, sondern mit dem über den Begriff der Kompetenz ein Regime der Subjektivierungen generiert wird, das andere Optionen kategorisch ausschließt – das also aufs Subjekt als Ganzes zielt und insofern totalitär genannt werden kann.

Das Subjekt als Feldherr seiner selbst transformiert fortwährend Wissen in Können und Lernen in Üben. Dadurch versetzt es sich in die Lage, zeitnah Entscheidungen treffen und Handlungen folgen zu lassen. Seine Immunisierung gegen Kontingenz ist nicht nur defensiv, sondern offensiv, nicht nur Panzer, sondern auch Waffe. In seinen Entscheidungen und Handlungen geht Verteidigung über in Angriff. Der Gegner ist dabei nicht nur das Unabwägbare selbst. Gegner sind auch die anderen Immunisierten, gegen die man sich durch eine optimalere Panzerung einen Vorteil im Wettbewerb sichern möchte. Kompetenz ist damit notwendig ein Komparativ einbeschrieben: Kompetent zu sein heißt, kompetenter zu sein als andere – heißt, andere durch höhere Kompetenz auszuschalten. Fragwürdig im Sinne einer Ideologie wird dieses Schema darüber hinaus, weil es nicht nur an »Führungskräfte«/»Manager« adressiert ist. Vielmehr soll es auf alle Lebensbereiche und auf das Verständnis von Subjektivität insgesamt ausgedehnt werden. Hervorgebracht werden sollen Subjekte, die sich durch ein »Könnensbewusstsein« definieren und letztendlich auch konstituieren.

Dass im ökonomischen Diskurs auf Clausewitz’ Theorie der Kriegsführung zurückgegriffen wird, scheint nur allzu sehr plausibel, ist der Krieg doch als gefährliche Extremsituation Kontingenz schlechthin. Im Krieg geht es um Leben oder Tod, es geht ums schiere Überleben, und im Überleben kann das Subjekt als Führungskraft eine Menge für das Leben lernen. Das ist die innere Logik der Argumentation. Der immer wieder bemühte Name für die nichtkriegerische, dennoch aber kriegsähnliche Ausnahmesituation lautet gegenwärtig »Globalisierung«. Die Frage jedoch ist, ob mit diesem Wort nicht dramatisiert wird, was nicht zwingend als dramatisch angesehen werden muss. Es geht also auch um ein sprachphilosophisches Problem und, wie bereits erwähnt, um eine Entdramatisierung…

Information und ›Zaudern‹

Unter der Voraussetzung, dass die durch die Kompetenzideologie induzierte Formierung eines Feldherren-Subjektes eine Übertreibung und totalisierende Vereinseitigung der menschlichen conditio humana darstellt, kann man zu Recht fragen: Gibt es etwas, das dieser sich als selbstverständlich und gesellschaftspolitisch als notwendig gebenden Denkweise entgegengehalten werden kann? Nun, entgegensetzen kann man auf jeden Fall einen funktional verorteten, d.h. einen systematisch relativierten Kompetenzbegriff. In Bezug gesetzt werden muss er ohne Zweifel (wieder) stärker mit dem Wissen – also demjenigen Begriff, der von seinem ideologischen Substrat gerade verdrängt wird und der doch eigentlich sein komplementäres Element darstellt.

Das könnte zumindest zum Beispiel in Ansätzen geleistet werden mit einem Begriff, der sich in den letzten Jahrzehnten mindestens ebenso inflationär verbreitet hat wie der der Kompetenz. Es handelt sich um den Begriff der Information. Und genau wie es bei der Kompetenz eine Fülle unterschiedlicher Definitionen gibt, so ist auch ›Information‹ ein in seiner Vieldeutigkeit schillernder Signifikant. Der Konstanzer Informationswissenschaftler Rainer Kuhlen hat dabei eine für den hier zur Debatte stehenden Zusammenhang besonders instruktive Variante des Informationsbegriffs entwickelt, weil er ›Information‹ ein Stück weit von seiner technizistischen Aura befreit. Information ist laut Kuhlen schlicht derjenige »Teilbereich« aus »vorhandenen Wissensbeständen«, »der in kritischen Handlungs-/Entscheidungssituationen benötigt wird«. Daraus folgert Kuhlen: »Information ist handlungsrelevantes Wissen«.20 Unschwer lässt sich feststellen, was ein solcher Informationsbegriff bietet: Er stellt nicht nur die Relation von Wissen und Handeln sicher, er wertet das Wissen zudem auf: Ohne Wissen keine Information, ohne Information kein (sinnvolles) Handeln. Oder auch: Wer nichts weiß, hat auch keine Chance, an Informationen zu gelangen. Kompetenz ließe sich hier neu fassen, und zwar als Fähigkeit, in konkreten Situationen aus gegebenen Wissensbeständen diejenigen Informationen herauszufiltern, die Entscheidungen und Handlungen ermöglichen können. Daraus ergibt sich auch eine eklatante Abhängigkeit der Kompetenz vom Wissen.

Dieser komplexere, aber gewiss immer noch sehr schlichte Kompetenzbegriff kommt in seinem Vermittlungscharakter zwischen Wissen und Können oder auch von Theorie und Praxis dem nahe, was mit und seit Aristoteles ›phronesis‹ genannt wurde. Gemeint ist eine abwägende Klugheit, die mit einem ethischen Anspruch einhergeht.21 Indem Information die Wissensabhängigkeit von Kompetenz verdeutlicht, ist sie dazu angetan, das Möglichkeitsfeld von Handeln in diesem Sinne entscheidend zu erweitern. Abwägen kann nur, wer um Alternativen weiß! Gerade neuere erziehungswissenschaftliche Alternativkonzepte verweisen nicht zuletzt aus diesem Grund auf ›phronesis‹, ohne freilich die Kompetenz völlig außen vor zu lassen.22

Wissen bedeutet eine Erweiterung des Entscheidungs- und Handlungsspielraums. Hat man dieses Faktum – eigentlich auch eine ›Selbstverständlichkeit‹ – verinnerlicht, kann weiter gefragt werden: Was, wenn man aus bestehenden Wissensbeständen Informationen destilliert, welche die eine Situation begleitende Handlungsobligatorik nicht bestätigen, sondern unterbrechen? Dann wird aus Information Sand im Getriebe, dann wird Wissen potenziell kritisch. Der Kulturwissenschaftler Joseph Vogl hat dieses verzögernd-verlangsamende Verfahren als ›Zaudern‹ benannt, und er beschreibt es eben als Unterbrechungsfigur, die spezifisch für die »so genannten Geistes- und Kulturwissenschaften« sei. Zwar versteht Vogl das Zauderverfahren primär als Kritik an überliefertem Wissen und nicht als Kritik mittels aus Wissen gewonnener Information. Aber letztlich geht es um unterschiedliche Sichtweisen auf ein und denselben Vorgang, und zwar um »die permanente Kritik unseres historischen Gewordenseins«. Vogl sieht das Zaudern denn auch »von der Unterstellung geleitet, dass eine konsequente Analyse« bei dem anzusetzen hat, »was sich als notwendig und verpflichtend oktroyiert«.23 Dies ist wiederum nichts anderes als das Projekt einer genealogischen Ideologiekritik. Auch hier sorgen Informationen dazu, Entscheidungen nahe zu legen – allerdings keine Entscheidungen, die in ein Tun, in Handlung münden. Sondern die diese Option gerade aussetzen.

(Hinzuzufügen wäre, dass durch ein solches Aussetzen letztlich neues Wissen hervorgebracht wird. Dass Kritik und Innovation also Hand in Hand gehen. Schließlich ist die Unterbrechung immer auch denkbar als Voraussetzung von Kreativität.)

Können vs. Existieren: die Situation

Oben wurde angedeutet, wie man ›Kompetenz‹ durch Komplementärbegriffe wie Information und Wissen gewissermaßen mästen könnte, um das martialische Potenzial der ideologischen Vereinnahmung zu relativieren. Das von Vogl profilierte ›Zauderverfahren‹ kann dabei ebenso gut als genuin ›kritische Kompetenz‹ angesehen werden, die dann jedoch im Rahmen einer auf sie gerichteten genealogischen Sichtweise umschlägt in Kompetenzkritik. Fanden somit die Überlegungen weiter im Grenzbereich des Kompetenzdenkens statt, so wird im Folgenden versucht, diesen gänzlich zu verlassen. Dies ist möglich durch die Fokussierung auf ein weiteres unscheinbares Alltagswörtchen: ›Situation‹. Dieses Wort ist derart gebräuchlich und derart selbstverständlich, dass es bei der Lektüre der einschlägigen Texte gar nicht mehr auffällt. (Weinert spricht von ›variablen Situationen‹, Kuhlen von ›kritischen Handlungs-/Entscheidungssituationen‹.) Das kann freilich auch gar nicht anders sein, ist Handlung und Praxis doch meist gar nicht anders denkbar denn als konkret auf Situationen bezogen.

Die ideologische Rede von der Kompetenz sieht in Situationen primär etwas, das von einem Subjekt zu bewältigen und zu kontrollieren ist. Situation verweist aber außerdem auf ein Verwickeltsein, ein Mitten-Drin, dem man zunächst nichts als ausgesetzt ist. Nicht zufällig ist ›Situation‹ ein Grundbegriff des Existenzialismus und der ontologischen Phänomenologie. Die Situation, schreibt etwa Jean-Paul Sartre in Das Sein und das Nichts, ist »die totale Faktizität, die absolute Kontingenz der Welt«.24 Die Situation ist aber auch ein Begriff, der Kontingenz mit einem anderen Begriff kurzschließt, der systemtheoretischen Überlegungen zufolge, ohnehin komplementär zu diesem verläuft: Komplexität.25 Aus diesem Grunde kann Peter Sloterdijk in einem systemtheoretisch angereicherten Heidegger-Deutsch behaupten, Situation heiße so viel wie »In-der-Welt-Sein« als »In-der-Komplexität-Sein oder Im-Chaos-Sein«.26

Freilich klingt das nicht verlockend. Eine solche Rede scheint ziemlich genau das Gegenteil darzustellen von dem, was der Kompetenzbegriff anvisiert. Kein souverän handelndes, wehrhaft gepanzertes Subjekt erscheint hier auf der Bildfläche, sondern ein passiv, nackt und verletzlich den jeweiligen Umständen ausgeliefertes. Und dennoch kann von einer solchen mehr oder weniger fundamentalontologischen Vergegenwärtigung angemessen erwogen werden, welche konkreten Alternativen es für die Konzeption des Feldherren-Subjektes gibt. Zwei aktuelle Beispiele, die immer wieder von einer ›Situation‹ ausgehen, seien hier abschließend genannt: eines aus der Medienphilosophie, ein anderes aus der Soziologie.

Zunächst geht es um den ›posthermeneutischen‹ Ansatz des Philosophen Dieter Mersch. Im Zentrum dieses medienkritischen Ansatzes steht der Begriff der Responsivität, der wiederum auf Emmanuel Levinas und Bernhard Waldenfels zurückgeht.27 Responsivität meint, dass das menschliche Subjekt immer schon in einer Situation des Antwortenmüssens gestellt ist. Mit den Worten von Mersch ist damit »die Unmöglichkeit« gemeint, »sich entziehen zu können«: »Denn weil der oder das andere unter Zugzwang stellt, sind wir unausweichlich in die Situation einer Responsivität gestellt«. Kunst ist für Mersch ein Medium, das Responsivität als Situation vergegenwärtigt und insofern Ästhetik und Ethik miteinander verbindet, als sich daraus auch eine »›Kunst‹ der Aufmerksamkeit und Achtung, des Antwortens und der Verantwortung in der Bedeutung einer Achtung für das Singuläre und seine Verletztlichkeit konkretisieren lässt«.28

Wenn sich nach Mersch auf eine Antwort »Resonanz« ereignen kann, bewegt man sich bereits in der Nähe des Jenaer Soziologen Hartmut Rosa, der, eben auch ausgehend von der Tatsache, dass das Weltverhältnis des Menschen primär ein existenzielles, leiblich in Situationen sich aufhaltendes ist, nichts weniger als eine »Soziologie der Weltbeziehungen« anstrebt und im Zusammenhang beschleunigungsinduzierter Weltentfremdung das »Konzept der Resonanz« für Modelle gelingenden Weltbezugs stark macht, für die er Natur, Ästhetik und Religion als Beispiele nennt.29

Auffallend ist die Funktion, die Kunst – oder überhaupt ästhetischen Artefakten, also auch Literatur – von Mersch ebenso wie Rosa zugestanden wird. Das Ästhetische dient gewissermaßen der Vergegenwärtigung von Situativität, und zwar, indem es die Stiftung neuer, nicht instrumentell gedachter Antworten und Beziehungen im Hinblick auf sich selbst, aber auch im Hinblick auf ›Welt‹ ermöglicht und erfahrbar macht. Nicht um Entscheidungen oder Handlungen geht es hier, sondern eher um die Genese von Haltungen. Interessant ist freilich, dass auch die Religion dieser Funktion in beiden Ansätzen zugerechnet wird. Auf der anderen Seite geht es beiden eben nicht um so etwas wie ›Ursprünglichkeit‹ oder ›Authentizität‹, sondern um spezifisch kulturell tradierte und vermittelte Erfahrungen. Ja, an Mersch und Rosa anknüpfend, könnte überlegt werden, inwiefern ›Kultur‹ nicht eine denkbar gute Bezeichnung ist für den gigantischen Beziehungs- bzw. Resonanzraum, den sich der Mensch als ›Situation‹ geschaffen hat. Geisteswissenschaft als Kulturwissenschaft hätte es dann mit einer Vermessung dieses Raums zu tun – in analytischer, theoretischer, historischer Hinsicht. Und immer im Selbstversuch.

Schluss

Dieter Mersch erwähnt einmal an anderer Stelle, dass es in der Kunst um die »Einübung (askesis) in die Resonanz«30 gehe. Offensichtlich ist damit eine Sensibilisierung und grundsätzliche Offenheit für Irritationen gemeint. Vor der Folie der obigen Überlegungen jedoch erscheint diese Erwähnung plötzlich ambivalent. Das Resultat einer solchen Übung oder Einübung könnte ja ebenfalls als Können beschrieben werden, mithin also als Kompetenz, in diesem Falle als Resonanzkompetenz. In der Tat gilt längst als Binsenweisheit, dass es äußerst schwierig ist, einen Sektor menschlichen Lebens und Erlebens ausfindig zu machen, der nicht qua Übung in eine Kompetenz verwandelt werden kann. Eine Resonanzkompetenz, eine Weltbeziehungskompetenz gar, ist folglich denkbar. Ist sie auch wünschenswert? Will man sich als Mensch verstehen, der durch und durch kompetent ist?

Ja, es stimmt: Alles kann in Kompetenz verwandelt werden. Entscheidend aber ist: kann, muss nicht.

Literaturverzeichnis

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  • 1. Harro Honolka (Hg.): Schlüsselqualifikationen. Das Plus eines universitären Studiums. Informationen für Lehrende, Studierende und Arbeitgeber. München 2003, S. 7. Zitiert bei Vera Nünning: »Einleitung: Qualifikationen für Studium und Beruf«. In: Dies. (Hg.): Schlüsselkompetenzen: Qualifikationen für Studium und Beruf. Stuttgart, Weimar 2008, S. 1–19, hier S. 5.
  • 2. Rahel Jaeggi: »Was ist Ideologiekritik?« In: Dies. u. Tilo Wesche (Hg.): Was ist Kritik? Frankfurt/M. 2009, S. 266–295, hier S. 269f.
  • 3. Peter Sloterdijk: Scheintod im Denken. Von Philosophie und Wissenschaft als Übung. Frankfurt/M. 2010, S. 61.
  • 4. Vgl. Jan Masschelein u. Maarten Simons: Globale Immunität oder Eine kleine Kartographie des europäischen Bildungsraums. Berlin, Zürich 2005. Daran anschließend: Ulrich Bröckling: Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform. Frankfurt/M. 2007.
  • 5. Martin Saar: »Genealogische Kritik«. In: Rahel Jaeggi u. Tilo Wesche (Hg.): Was ist Kritik? Frankfurt/M. 2009, S. 247–265, hier S. 254.
  • 6. Vgl. Bundisministerium für Bildung und Forschung. Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards. Expertise. Bonn, Berlin 2007. http://www.bmbf.de/pub/zur_entwicklung_nationaler_bildungsstandards.pdf (zuletzt eingesehen 10.04.2012).
  • 7. Franz E. Weinert: »Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – eine umstrittene Selbstverständlichkeit«. In: Ders. (Hg.): Leistungsmessungen in Schulen. Basel, Weinheim 2001, S. 17–31, hier S. 27f.
  • 8. Ebd., S. 27.
  • 9. Nünning: »Einleitung: Qualifikationen für Studium und Beruf« (Anm. 1), S. 17f.
  • 10. Otto Friedrich Bollnow: Vom Geist des Übens. Eine Rückbesinnung auf elementare didaktische Erfahrung. Freiburg/Br. 1978, S. 27.
  • 11. Bröckling: Das unternehmerische Selbst (Anm. 4), S. 46.
  • 12. Carl von Clausewitz: Vom Kriege. Bonn ¹⁸1973.
  • 13. Jochen Hörisch: Theorie-Apotheke. Eine Handreichung zu den humanwissenschaftlichen Theorien der letzten fünfzig Jahre, einschließlich der Risiken und Nebenwirkungen. Frankfurt/M. 2010, S. 219.
  • 14. Andreas Gelhard: Kritik der Kompetenz. Zürich 2011, S. 11ff.
  • 15. Ins nähere Umfeld zum hier vorgeführten Befund gehört zudem die von Reinhard Brandt entdeckte Nähe jüngster Studienreformen zu vergleichbaren Konzepten totalitärer Staaten. Brandt geht es um die Einführung des obligatorischen Berufspraktikums, das Studierende seit einigen Semestern in Betrieben der freien Wirtschaft absolvieren müssen. In einer Materialsammlung, die er seinem Buch beigefügt hat, stellt er diese Praktika in die Tradition des Reichsarbeitsdienstes der NS-Zeit und analoger Einrichtungen der DDR. Brandts Ziel ist es dabei nicht, die BRD als totalitären Staat zu demaskieren. Nichtsdestoweniger sind die Implikationen, die sich aus der Nähe so genannter Bildungsreformen zu Strategien totalitärer Herrschaft ergeben, alarmierend.Vgl. Reinhard Brandt: Wozu noch Universitäten? Ein Essay. Hamburg 2011, S. 211–219.
  • 16. Vgl. hierzu Peter Galison: »Die Ontologie des Feindes. Norbert Wiener und die Vision der Kybernetik«. In: Hans-Jörg Rheinberger u.a. (Hg.): Räume des Wissens. Repräsentation, Codierung, Spur. Berlin 1997, S. 281–324.
  • 17. Michel Foucault: In Verteidigung der Gesellschaft. Vorlesungen am Collège de France (1975–76). Frankfurt/M. 2001, S. 32f. Zum Krieg als Modell der Machtanalyse vgl. Thomas Lemke: Eine Kritik der politischen Vernunft. Foucaults Analyse der modernen Gouvernementalität. Hamburg 1997, S. 131ff.
  • 18. Boston Consulting Group (Hg.): Clausewitz. Strategie denken. München ⁶2008. In betriebswirtschaftlichen Überblicksdarstellungen zum Thema Strategie gehört Clausewitz ganz fraglos zum Klassiker. Und während dieser Essay geschrieben wird, wird auf dem Buchmarkt ein Titel angekündigt, der »Folgerungen für das erfolgreiche Wissen und Können von Führungspersönlichkeiten, die sich mühelos auf politische, wirtschaftliche und alle anderen Bereiche menschlichen Handelns erweitern lassen«, verspricht. Vgl. Lennart Souchon: Carl von Clausewitz. Strategie im 21. Jahrhundert. Hamburg 2012.
  • 19. Boston Consulting (Hg.): Clausewitz (Anm. 18), S. 13f.
  • 20. Rainer Kuhlen: Informationsmarkt. Chancen und Risiken der Kommerzialisierung von Wissen. Konstanz 1995, S. 82.
  • 21. Vgl. hierzu Hans-Georg Gadamer: »Praktisches Wissen«. In: Ders.: Gesammelte Werke. Bd. 5. Tübingen 1985, S. 230–248.
  • 22. Vgl. Fred Korthagen: »Der realistische Ansatz. Seine Prinzipien, sein philosophischer Hintergrund, seine Zukunft«. In: Ders. u.a. (Hg.): Schulwirklichkeit und Lehrerbildung. Reflexion der Lehrertätigkeit. Hamburg 2001, S. 265–287, hier S. 266.
  • 23. Joseph Vogl: Über das Zaudern. Berlin, Zürich ²2008, S. 112–115.
  • 24. Jean-Paul Sartre: Das Sein und das Nichts. Versuch einer phänomenologischen Ontologie. Reinbek bei Hamburg ¹²2006, S. 943.
  • 25. Vgl. Dirk Baecker: Postheroisches Management. Ein Vademecum. Berlin 1994, S. 114.
  • 26. Peter Sloterdijk u. Hans-Jürgen Heinrichs: Die Sonne und der Tod. Dialogische Untersuchungen. Frankfurt/M. 2006, S. 353.
  • 27. Es ist sicher keine Zufall, dass ›Responsivität‹ im Augenblick in Instrumentalität und Kontrolle kritisch gegenüber eingestellten Theorien eine gewisse Konjunktur hat. So diskutiert auch Gelhard, inwiefern Responsivität als Gegenbegriff für das Denken in Kompetenzen taugt. Vgl. Gelhard: Kritik der Kompetenz (Anm. 14), S. 76ff.
  • 28. Dieter Mersch: Posthermeneutik. Berlin 2010, S. 307.
  • 29. Hartmut Rosa: Weltbeziehungen im Zeitalter der Beschleunigung. Umrisse einer neuen Gesellschaftskritik. Frankfurt/M. 2012, S. 9ff. Im Übrigen könnte man auch den Begriff des Rhythmus als Bestandteil eines solchen Weltbezugs diskutieren. Vgl. Jürgen Gunia: »Das Gedicht, die Zeit und der Rhythmus der Lektüre«. In: Kritische Ausgabe 21 (2011), S. 47–49.
  • 30. Dieter Mersch: Ereignis und Aura. Untersuchungen zu einer Ästhetik des Performativen. Frankfurt/M. 2002, S. 296.

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Die Nähe zwischen unternehmerischem und Feldherren-Selbst ist evident. Aber die beiden sind gleichwohl nicht deckungsgleich: Ich denke, dass neben der souveränen Figur des Feldherrn auch das Motiv der Aufopferungsbereitschaft noch eine Rolle spielt, das ebenfalls eine Verwandtschaft von entrepreneurialem und militärischem Diskurs anzeigt. Vermutlich müsste man noch ein drittes Feld hinzunehmen, das des Sports und die Affinitäten, aber auch die Differenzen zwischen Wettbewerb, Wettkampf und Krieg herausarbeiten. Schließlich gibt es im unternehmerischen Diskurs noch eine weitere Version (expliziter wie impliziter) Bezugnahme auf militärische Figuren: Hier wimmelt es von »Guerilla«-Referenzen (Guerilla-Marketing ist nur die bekannteste davon). Bei Management-Gurus wie Tom Peters wird gerade das hyperflexible, gegen Bürokratie und Rationalisierung gerichtete neue Management (»Thriving for Chaos«) scharf gegen alles Feldherrenhafte konturiert, das von Peters eher mit den fordistischen Comand-and-Control-Strategien in Verbindung gebracht wird. Also: Parallelen zwischen Militärischem und Unternehmerischem auf jeden Fall, aber nicht nur in Form einer Wahlverwandtschaft von Unternehmer und Feldherr.