Vid
Stevanović
München

Spekulation als Verfahren

»It-Narratives« im Spannungsfeld phantastischer Literatur

1. Dogma und Erfahrung

Das späte 18. Jahrhundert ist in Großbritannien in vielerlei Hinsicht eine Epoche des Umbruchs. Doch während sich auf dem europäischen Kontinent die Französische Revolution ankündigt und in den nordamerikanischen Kolonien um die politische Souveränität gerungen wird, bleibt ein ähnlicher politischer Umsturz auf den Britischen Inseln aus. Stattdessen zeugt die Gesellschaft im Zentrum von anderen Revolutionsbewegungen: Die radikalsten Umstürze sind hier ökonomischer und wissenschaftlicher Art. Diese Periode markiert eine Transitionsphase zwischen der Konsolidierung der wissenschaftlichen Revolution des späten 17. und den ersten Industrialisierungsdynamiken der letzten Jahre des 18. Jahrhunderts. Gleichzeitig institutionalisiert sich sowohl im Allgemeinen die induktive Methodologie des Empirismus, die scheinbar den endgültigen Bruch mit dem spekulativen Weltbild des Mittelalters besiegelt,1 als auch im Spezifischen die experimentelle Verfahrenstechnik als praktische Realisation dieser neuen Methode. Dieser Paradigmenwechsel markiert den Umschlagspunkt, an dem der Empirismus und die Realisierung seiner methodologischen Postulate in der Experimentalphilosophie, lange nachdem diese in Wissensdiskursen hegemonial wurden, schließlich eine tragende Funktion für die ökonomisch-materielle Basis dieser Gesellschaft annehmen. In der Lebensrealität des späten 18. Jahrhunderts bedeutet dieser Umschlag eine ungeheure Proliferation technischer Neuerungen: Objekte und Gerätschaften, die mitunter in ihrer Fortschrittlichkeit phantastisch erscheinen mussten.

Vor diesem Hintergrund wird 1785 der kurze Roman The Aerostatic Spy anonym veröffentlicht. Im Zentrum des Romans2 steht eine der großen technischen Innovationen, die den Wissenschaftsdiskurs der späten 1700er Jahre bestimmen: der Passagierballon, dessen erster bemannte Flug 1783 in Paris stattfand. Auf britischem Boden erhob sich solch ein Ballon 1784 in die Lüfte, als Vincenzo Lunardi vor einer Londoner Menschenmenge in einem mit heißer Luft gefüllten Ballon aufstieg.3 The Aerostatic Spy spielt nun textimmanent die epistemologischen Implikationen dieser Erfindung durch. So handelt es sich bei der homodiegetischen Erzählinstanz dieses überschaubaren Texts zunächst um einen Ballonfahrer. Bald findet sich dieser in einer Diskussion wieder, wie sie kaum paradigmatischer für die Debatten um technologische Neuerung sein könnte. Während sein Gefährt in sicherer Distanz versteckt wartet, wird er in einer Gaststätte Zeuge eines Streitgesprächs, in dessen Zentrum die technische Möglichkeit eben solcher Ballonfahrt steht:

They were both [die Diskutanten, V. S.] reckoned by the company to be persons of learning and understanding. But to the first of these in particular, it appeared that the Schoolmaster only had a claim; – the other was but a pretender. The Schoolmaster asserted that, from the experiments made in France, where these Machines had already taken up Animals into the atmosphere, it was probable that men might ascent with them thereafter. The Exciseman not only declared that to be impossible, but treated all that had been related to the subject in the French papers a mere fiction. I joined in this discourse, taking part with the schoolmaster. However, I did this with caution, as I had received an injunction not to say any thing of the kind as from experience. [...] I argued therefore from reason and probability; the Exciseman from mere dogma and invincible obstinancy. He said could any be silly enough to make such an attempt, it would be more ridiculous than that of the Builders of the Tower of Babel.4

Es sind die »experiments made in France«, die den Anlass zum Streit geben. Die Berichte darüber werden als gegeben eingeführt, die Debatte hat ihre Referenzialität zum Gegenstand: Sind sie »probable« oder »mere fiction«? In einer Zeit, in der Augenzeugenschaft als Validierungstechnik an ihre Grenzen stößt, bilden sich Strategien der Multiplikation vermittelter Zeugenschaft aus: Zentral wird daher die Auseinandersetzung um eine bestimmte Poetik der Glaubwürdigkeit,5 die in der virtuellen Dimension des Berichtes den Wahrheitsgehalt seines Inhalts garantieren könnte. Dieser muss allerdings notwendigerweise prekär bleiben, schafft jene es doch niemals, einen Rest an Vermittlung zu tilgen.6

Die Berichte über den französischen Ballonflug können daher von Seiten des Steuereinziehers (des »Exciseman«) als Fiktion abgetan werden. Er mag nicht die Existenz dieser Dokumente in Frage stellen, doch sehr wohl ihre Verortung zwischen faktualem und spekulativem Sprechen. In dieser Szene wird so in sehr kondensierter Form, gleichsam en passant, die lange Kulturgeschichte einer Debatte um die präferenzielle Methode der Wissensproduktion nachgeholt. Dass es gerade die Figur des Steuervollziehers ist, welche die Position des Skeptikers einnimmt, ist nur folgerichtig: In seiner beruflichen Funktion ist er mit der Extraktion (engl. excision)7 von Steuern auf neu produzierte Güter beauftragt. In der Debatte markiert er die Strukturstelle der Regulierung der Gültigkeit neu fabrizierten Wissens. Seine institutionelle Position als Repräsentant des Souveräns, der als Horizont aller Sinnbezüge den Anspruch vertritt, die Grenze aller – ideellen wie materiellen – Zirkulation zu setzen, korrespondiert mit seiner ›konservativen‹ Epistemologie: Sein »recourse to dogma« evoziert ein prä-empiristisches Paradigma, dem das doxologische Postulat als Garant des Wahrheitsgehalts aller zukünftigen Deduktionen dient.

Auf der anderen Seite der Debatte trifft der*die Leser*in den Lehrer an, der ein neues methodologisches Gerüst für die Wissensproduktion vorlegt. Der erzählende Protagonist stellt sich auf diese Seite der Debatte, wenn er qua »reason and probability« Partei ergreift. Schon die Paarung von Vernunft mit Wahrscheinlichkeit zeigt, dass es dieser Vernunft nicht um Deduktion einer gesicherten Erkenntnis durch Syllogismus ­gehen kann, sondern dass hier eine neue Vernunft aufgerufen wird. Es ist eine induktive Vernunft, die einen neuen diskursiven Raum öffnet, jenseits der Opposition von Orthodoxie und Heterodoxie in Bezug auf ein etabliertes Dogma. Nur: In der Absenz empirischer Beweise – er steht unter der »injunction not to speak from experience« – setzt sich die These von der Möglichkeit des bemannten Ballonflugs nicht gegen die dogmatischen Ausführungen seines Gegenübers durch. Sie wird mit dem Status der Fiktionalität belegt und im zentralen Register dogmatischen Schlussfolgerns – der ultimativen Doxa der Heiligen Schrift – der Hybris eines »Babel-Builder«8 für schuldig befunden.

Die Debatte um die korrekte epistemologische Verfahrensweise bleibt hier notwendigerweise abstrakt: Die »injunction not to speak from experience« bedeutet, dass die zentrale Instanz der empirischen Zeugenschaft nicht aufgerufen werden darf. Wird die Szene dieser Wirtshausdebatte aus dem Kontext der Erzählung genommen, mag sie trivial scheinen. Bemerkenswert wird sie erst, wenn man in Betracht zieht, wer dieses Verbot – «not to speak from experience» – ausspricht: Der menschliche Reisende erhält diese Anweisung von seinem Ballon. Einem Ballon der kurz vorher selbst das Wirtshaus als Übernachtungsort für seinen Passagier vorgeschlagen hatte.

Ordnet man diese Erkenntnis in den Kontext der Erzählung ein, nimmt dieses scheinbar beiläufige Aufrufen einer epistemologischen Debatte eine weitaus komplexere Dimension an. Beim Protagonisten dieser Episode handelt es sich selbst um einen Ballonfahrer; doch sein Gefährt ist ein noch phantastischeres Objekt, als es ohnehin auf seine Zeitgenossen gewirkt haben mochte: The Aerostatic Spy erzählt zunächst die Geschichte eines Reisenden aus den seit Kurzem unabhängigen nordamerikanischen Kolonien. Um von einer verlassenen Insel zu entfliehen, gelingt es diesem, sich einen primitiven Heißluftballon zu bauen und mit diesem in die Lüfte zu steigen. Was bis dahin als eine auf den neuesten Stand der Technik aktualisierte Robinsonade hätte gelten können, erhält hier eine signifikante Zäsur: Während der menschliche Reisende seinen Heißluftballon landet und anderweitig beschäftigt ist, bemerkt er, wie der vormals entleerte Ballon sich kurze Zeit später – ›wie durch ein Wunder‹ gefüllt – wieder in die Luft erhebt. Hier bricht nun eine zusätzliche ontologische Ebene in die vermeintliche Robinsonade: Hastig den aufsteigenden Ballon besteigend, wird der Reisende Zeuge einer phantastischen Episode, an deren Ende ihm ein »spirit of the Atmosphere«9 erscheint.

Der vermeintliche Geist, der sich mit Namen »Amiel« vorstellt, beseelt fortan den Ballon, und wird nicht nur sowohl mit diesem identisch als auch zu dessen quasi-übernatürlicher Treibkraft, sondern zu der eigentlich dominanten Erzählinstanz des Texts. Für die restliche Erzählung tritt nun hauptsächlich der Ballon/Amiel als Erzählinstanz auf. Selbst wenn die Stimme des menschlichen Passagiers sich zurückmeldet, wird seine Erfahrung durch Hinweise und Lenkungen des erzählenden Ballons gerahmt.

Was zunächst als eine höchst idiosynkratrische narrative Konfiguration erscheint, ordnet sich auf den zweiten Blick in eine so wenig beachtete wie reiche Genretradition ein. Denn die literarische Landschaft Großbritanniens kennt im späten 18. Jahrhunderts eine Vielzahl solcher nichtmenschlicher Erzählinstanzen: Innerhalb weniger Jahre werden Texte veröffentlich, in denen unter anderem eine Münze,10 eine Perücke,11 eine Kutsche,12 ein Stift,13 gar ein ganzer Stapel Papier14 zu Erzählinstanzen werden. Dieses Subgenre an Texten, heute größtenteils unter dem Begriff It-Narratives zusammengefasst, wirkt aus heutiger Sicht so eigentümlich,15 wie es zu jener Zeit populär war.16 Im Gegensatz zu Fabeln und Märchen gehen diese Texte jedoch nicht auf mündlich überlieferte Stoffe zurück und haben keinen allegorischen Charakter: Ihre nichtmenschlichen Erzählinstanzen sind keine Allegorien, die auf abstraktere Prinzipien verweisen, sondern werden in ihrer – mitunter höchst realistischen – materiellen Immanenz dargestellt.17

Die anti-mimetische Hypothese dieses Genres – Dinge können von ihren Beobachtungen berichten – eröffnet privilegierte nichtmenschliche Perspektiven auf Szenerien, die dem Blick eines konventionellen Beobachters respektive einer konventionellen Beobachterin ansonsten unzugänglich blieben. Die der Erzählung neu erschlossenen Inhalte sind oft private Szenen, in denen gerade der nichtmenschliche Status der Erzählinstanz, ihre Position als «unobserved observer«18 Zugang zu Wissen ermöglicht, welches die beobachteten Personen ansonsten vor menschlichen Augen zu verbergen suchen würden. Damit geht der Anspruch dieser Erzählinstanzen auf eine – im Gegensatz zu ihren menschlichen Gegenparts – erhöhte Zuverlässigkeit einher. Immer wieder wird dieser epistemologische Vorteil ausgestellt: Die sprechende Münze in Charles Gildons The­ ­Golden Spy, behauptet «Gold wou’d not lye«19 die Erzählinstanz des anonym publizierten The Adventures of a Watch! verweist darauf, dass «an honest watch»20 stets die Wahrheit ­sagen müsse. Und das in Helenus Scotts The Adventures of a Rupee zum Sprechen gebrachte Ding rühmt sich damit, dass seine nichtmenschlichen Sinne »[…] the shade of antiquity, and the prejudice that surrounds the modern day« 21 durchdringen könnten.

Solche Fragen zuverlässiger Erkenntnis werden in It-Narratives stets aufs Neue aufgeworfen. Vor diesem Hintergrund ist schließlich auch die Debatte in The Aerostatic Spy zu lesen. Sie schließt an eine Genretradition der Diskussion erkenntnistheoretischer Fragen an, die einen bemerkenswerten roten Faden in einem ansonsten sehr diversen Textfeld sichtbar macht.

2. Experiment und Instrument

In diesen Auseinandersetzungen über die korrekte Epistemologie, wie in der eingangs zitierten Szene dargestellt, markieren die Erzählinstanzen nun eine genuin neue Position. Die hier hypostasierte Phantasie buchstabiert die Idee aus, der zufolge in letzter Konsequenz nur ein Objekt – als Instanz die von der potenziellen Verzerrung durch den prismatischen Bruch menschlicher Subjektivität befreit wäre – im wahrsten Sinne des Wortes ›objektiv‹ berichten könne.

Auf der einen Seite verkörpern sie die phantastische Perspektive eines Objektselbstbewusstseins, welches in der Lage ist eine Geschichte selbstständig zu erzählen, während sie auf der anderen Seite durch dieselbe radikalspekulative Perspektive einen Überschuss an Faktizität in Anspruch nehmen und sich als die autoritativeren Alternativen im Vergleich zu menschlichen Erzählinstanzen setzen. Sie hypostasieren so das Phantasma eines Zugangs zur Welt, der nicht immer schon durch das Prisma einer – ob moralisch oder intellektuell – unzuverlässigen menschlichen Subjektivität gebrochen wäre.

Dieser Anspruch ist eng verwoben mit dem, was in dem Exzerpt aus The Aerostatic Spy als empiristische Erkenntnistechnik präsentiert wird. Denn obwohl die methodologischen Paradigmen sowohl von induktivem Schluss als auch von «reason and probability» mobilisiert werden, so fehlt doch die gesicherte Erfahrung, die durch den Gegenstand selbst, den unweit des Wirtshauses wartenden Ballon, bestätigt werden könnte.

Diese Idee der Zeugenschaft des Gegenstandes ist allerdings auch die Schnittstelle, an der der empiristische Diskurs mit dem der frühen Experimentalphilosophie verwoben ist. Beide Diskurse nehmen Anleihen am Werk Francis Bacons und entwickeln sich im späten 17. Jahrhundert in enger Bezugnahme auf die Experimentalforschungen britischer Naturphilosophen, vornehmlich den Mitgliedern der 1660 gegründeten Royal Society.22 Deren meist23 von einer empiristischen Epistemologie geleitete experimentelle Praxis ­begründet das Paradigma der Zeugenschaft eines Gegenstandes: Nicht mehr den menschlichen Gelehrten und deren Zugriff auf ein autoritatives Textwissen wird ein epistemologisch privilegierter Status zuerkannt, sondern der ›objektiven‹ Autorität des Instruments, die der Gelehrte nur noch zu übersetzen hat. Damit einher geht auch eine (zumindest scheinbare) Verschiebung der Sprecherposition im Wissenschaftsdiskurs. In Nous n’avons jamais été modernes fasst Bruno Latour diese Bewegung prägnant zusammen:

[...] [L]es scientifiques affirment qu’ils ne parlent pas, mais que les faits parlent par eux-mêmes. Ces muets sont donc capables de parler, d’écrire, de signifier dans l’enceinte artificielle du laboratoire [...]. De petits groupes de gentilshommes font témoigner des forces naturelles et témoignent l’un pour l’autre qu’ils ne trahissent pas mais traduisent le comportement silencieux des objets.24

Diese experimentelle Praxis, die sich selbst als das Andere zum rhetorisch überladenen Diskurs der Vormoderne stilisiert,25 fußt die Autorität ihres Diskurses auf der rhetorischen Operation schlechthin, der Prosopopoeia: Der Gegenstand spricht.

It-Narratives wie The Aerostatic Spy nehmen diese Trope beim Wort. Sie stellen diese konstitutive Phantasie der empirischen Experimentalphilosophie, die implizite Vorstellung des sprechenden und zuverlässig berichtenden Gegenstandes, manifest dar. Im Falle von The Aerostatic Spy ist der durch die Zeugenschaft des Gegenstandes versprochene Erkenntnisgewinn durch die zentrale Metapher der Sicht vermittelt. Der »spirit of the Atmosphere«26, jetzt identisch geworden mit dem Ballon, lenkt den Blick des menschlichen Passagiers auf verschiedene Szenen, die, nach Genretradition, aus einer Aneinanderreihung satirischer Episoden bestehen. Während der Ballon hoch über dem irdischen Geschehen schwebt, wird die Aufmerksamkeit des Reisenden explizit vom sprechenden Objekt fokussiert und mittels Imperativen der Perzeption gelenkt: «observe«, »see«, »behold«27 Ihm werden verschiedenste Szenerien gezeigt, indem schließlich auch durch einen narrativen Wechsel in die Erzählung der zweiten Person vermittelt wird, was genau es nun »down below»28 zu sehen gibt. So lässt die narrative Konfiguration, obwohl sie nicht auf die Rede des Objekts beschränkt bleibt, doch alle Beobachtungen, welche die menschliche Erzählinstanz aus dieser privilegierten Position heraus machen kann, nur qua der erzählerischen Vermittlung dieses Objekts zugänglich werden.

So etwa beispielhaft als der menschliche Passagier aufgefordert wird, zwei sich unter ihm befindliche Reisende zu beobachten: »[o]bserve those impatient travellers [...]. One of them is a Projector. Such men are generally esteemed poor; being made so by their projects; but with this man the case is different.29 Im Anschluss folgt eine satirische Episode, in welcher der Gegenstand die Geschichte des Beobachteten für seinen menschlichen Passagier zugänglich macht und sich dabei de facto als Erzählinstanz setzt. Der empiristische Fokus auf der einzelnen Beobachtung statt auf eine generelle Aussage geht Hand in Hand mit dem satirischen Anspruch, einen moralischen Fehler zu demaskieren und den Spalt zwischen sozialer Erscheinung in privatem Wesen zu dramatisieren. Das Schema ist dabei beispielhaft für die narrative Struktur des Texts. Der Perzeptionsimperativ führt einen Betrachtungsgegenstand ein, der gleichzeitig Gegenstand eines satirischen Exkurses wird. Diese Art des demaskierenden Zugriffs auf den Gegenstand ist allerdings nur vermittels der privilegierten Betrachterposition des Objekts möglich.

Diese epistemologische Vermittlerfunktion für ein menschliches Subjekt, das nur durch dieses Objekt Zugang zu bestimmten Sinneseindrücken erhält, legt nahe, den Titel des Texts genauer ins Auge zu fassen. Der titelgebende «Spy« stellt zunächst eine Verbindung zu dem Genre von Spionageerzählungen her, das am Ende des 18. Jahrhunderts bereits auf eine lange Tradition zurückblicken kann. Deren Anfang markiert Givanno Paolo Maranas Spionageroman, der in der englischen Übersetzung von Robert Midgley zwischen 1691 und 1694 unter dem Titel Letters Writ by a Turkish Spy erscheint. In dem Briefroman schildert ein Spion im Auftrag des Osmanischen Hofs – Mahmut der Türke – seine Eindrücke vom Leben in Paris und dem Hof in Versailles. Ebenso wie in The Aerostatic Spy ermöglicht solch eine Erzählposition einen verfremdenden Blick auf das eigentlich Bekannte, der satirisch-demaskierend verfährt. Ros Ballaster hat diesen narrativen Effekt treffend als »reverse gaze«30 konzeptualisiert.

Genau wie in The Aerostatic Spy ist die Position Mahmuts also die eines »unobserved observer«.31 Doch im ersten Fall ist diese zu ihrer logischen Konsequenz radikalisiert. Denn während die Prosa des türkischen Spions sorgfältig auf die Rezipienten der jeweiligen Briefe zugeschnitten ist und seine Beobachtungen voll von persönlichen Befindlichkeiten und steten Sorgen ob der eigenen Entdeckung sind, kann der Aerostatic Spy aus einer uninteressierten Position sprechen. Die Distanz des Gegenstandes zur menschlichen Erfahrungswelt findet in der Distanz des hoch über dem Geschehen schwebenden Ballons eine literarisierte Metapher.

Als Gegenstand beansprucht der Aerostatic Spy also eine größere Objektivität menschlichen Angelegenheiten gegenüber als jeder Spion. Diese buchstäbliche Objektivität kann zum Tragen kommen, wenn die Subjektivität des menschlichen Reisenden zurücktritt und tatsächlich ist dieser: »[...] perfectly happy in submitting [himself] to the will of [his] friendly conductor«.32 Die nichtmenschliche Erzählinstanz ist hier nicht nur ein »conductor« im Sinne von jemandem, der eine Reise beaufsichtigt, sondern auch in der zweiten Bedeutung des Wortes, als Medium. Er stellt für den menschlichen Reisenden das Medium bereit, durch das sich objektives Wissen über die Welt angeeignet werden kann.

»Spy« ist hier also keinesfalls, nur im heutzutage gebräuchlichen Sinne zu lesen. Stattdessen will ich an dieser Stelle eine alternative Etymologie aus Samuel Johnsons Dictionary of the English Language in Erinnerung rufen. In der Ausgabe von 1785, dem Jahr der Publikation von The Aerostatic Spy, heißt es unter dem Eintrag zu ›spy‹:

It is observed by a German, that spy has been in all ages a word by which the eye, or office of the eye, has been expressed; thus the Arimaspians of old, fabled to have but one eye, were so called from ari, which, among the nations of Caucasus, still signifies one, and spi, which has been received from the old Asiatick languages for an eye, sight or one that sees.33

Im Sinne Johnsons lässt sich der ›spy‹ als totum pro parte des Auges (oder der optischen Linse) lesen – Allerdings als ein vom menschlichen Körper und seinen epistemologischen Unzulänglichkeiten getrenntes Medium, als ein instrumentelles, gleichsam prothetisches und künstliches Auge, welches den sensorischen Zugriff auf Gegenstände ermöglicht, von denen ein*e menschliche*r Betrachter*in ausgeschlossen bliebe.

3. Das instrumentelle Auge

Das optische Instrument erweist sich daher als die passende narrative Metapher für die spezifische Idiosynkrasie der Erzählsituation in The Aerostatic Spy. Die Metaphorik des künstlichen Auges als Instrument, das die Fehlbarkeit seines menschlichen Gegenstücks überwinden und eine privilegierte Epistemologie garantieren kann, ist eines der zentralen Ideologeme der frühen Experimentalphilosophie.34 Wenige andere Instrumente konnten bei den Fellows der Royal Society einen ähnlichen Enthusiasmus über die Öffnung neuer epistemologischer Horizonte hervorrufen wie Mikroskop und Teleskop. In seiner History of the Royal Society stimmt Thomas Sprat eine Laudatio des ersteren an:

[B]y means of this excellent instrument [the microscope, V.S.], we have a far greater number of different kinds of things revealed to us, than were contained in the visible universe before. [...] To the eies therefore may still be given a vast addition of Objects: And proportionally to all the other senses.35

Instrumente wie das Mikroskop und das Teleskop versprachen daher nicht nur ein besseres Verständnis bereits sinnlich erfahrbarer Phänomene, sondern auch die aktive Produktion neuer Erkenntnisgegenstände. Die damit einhergehende ungeheure ontologische Proliferation hat dabei gleichzeitig den paradoxen Effekt, einen neuen spekulativen Raum zu eröffnen: Statt, wie vielleicht zunächst angenommen, Instrumente einer ontologischen Subtraktion zu sein, also die Welt in einem Sinne zu entzaubern, dass sie dubiosen Entitäten Seinsattribute absprechen können, ist nun potentiell das Gegenteil möglich. Wenn Galileo mit einem Teleskop die Existenz von Jupitermonden nachweisen kann, die vorher in einem sehr praktischen Sinne inexistent waren, so könnte es nun auch sein, dass Phänomene, gegen deren Existenz bisher Sinneserfahrungen vorgebracht werden konnte, sich unerwartet zurückmelden.

Henry Power, eines der Mitglieder der Royal Society, das sich hauptsächlich der Mikroskopie widmete, verhandelt ebendiese Dynamik in seinem Panegyrikus In Commendation­ of the Microscope:

[…]
Of all th’ Inuentions, none there is Surpasses
the Noble Florentine’s Dioptrick-glasses.
For what a better, fitter, guift Could bee
in this world’s Aged Lucirosity.
To Helpe our Blindnesse so as to deuize
a paire of new & Artificall eyes.
By whose augmenting power wee now see more
than all the world Has euer donn Before.
Thy Atomes (Braue Democritus [)] are now
made to appeare in bulk & figure too.
[...]
Nay then yow pretty spirit’s & fairy Elues
that houer in the aire, Looke to your selues
For with such prying Spectacles as these
wee shall see yow in yr owne essences
Then shall I see a soule just when tis gone
as cleere as now I doe our Will & John.36

Das Gedicht rührt nun an ein gewisses Problem im Kern der Idee einer aufklärerischen Entzauberung der Welt durch die wissenschaftliche Praxis der Experimentalphilosophie. Die «pretty spirit’s & fairy Elues» werden durch die geschliffenen Linsen des «Noble Florentine», Galileos, nicht ihrer vermeintlichen Existenz beraubt, sondern potenziell erst sichtbar. Drei ontologische Bereiche, die in der Moderne getrennt werden, sind hier noch alle gleichermaßen Untersuchungsgegenstand des neuen Instruments: Es gibt keine diskrete Trennung zwischen Konzepten der Physik («Thy Atomes37 [Brave Democritus], des Paranormalen («pritty spirit’s & fairy Elues») und der Theologie («a soule just when tis gone»). Alle drei werden potenziell zu Gegenständen der wissenschaftlichen Untersuchung. Der Gegenstand, der diese Untersuchung ermöglicht, tut dies eben qua seiner Gegenständlichkeit als etwas, das außerhalb der menschlichen Diskurse steht.

4. »Nicest Speculations«

Dieser Anspruch, Instrument einer privilegierten Epistemologie zu sein, blieb nicht unbestritten. Die Stimme der Faktizität, die dem Mikroskop zugeschrieben wurde, hat nicht erreicht, was Thomas Sprat zunächst hoffte: «[to] silence all opposers».38 Künstliche Augen mochten die Distanz zwischen Betrachter*in und Betrachtetem zusammenschmelzen lassen und Bilder liefern, die kein menschliches Auge zuvor gesehen hatte, doch mussten gerade deswegen diese Bilder stets verdächtig bleiben, selbst phantastischen Ursprungs zu sein.

Die radikale Neuheit dessen, was nun gesehen werden konnte, arbeitete so an der Delegitimation ihres eigenen Wahrheitsanspruchs. Scheinbar paradoxerweise bringt die empiristisch geschulte Experimentalphilosophie so die Erfahrung von Bildern hervor, die selbst spekulativ scheinen. Denn wenn es also beweisbar wurde, dass auf der makroskopischen Ebene Planeten und auf der mikroskopischen Ebene kleinste Lebewesen existieren, die bis dahin unsichtbar, aber nicht undenkbar waren, dann mögen sich bei genauerer Untersuchung auch die «pretty spirit’s & fairy Elues» finden lassen.

Diese Konsequenz bleibt im Folgenden der zentrale Fokussierungspunkt für die Problematik des experimentalphilosophischen Wahrheitsanspruches. Samuel Butler adressiert ebendiesen spekulativen Kern in der um 1670 ebenfalls in Versform verfassten Satire The Elephant in the Moon, die sich durchaus als Replik auf Powers neun Jahre vorher erschienene Laudatio lesen lässt:

[...]
That learned men, who greedily pursue
Things that are rather wonderful than true,
And, in their nicest speculations, choose
To make their own discoveries strange news,
And natural history rather a Gazette
Of rarities stupendous and far-fet,
Believe no truths are worthy to be known,
That are not strongly vast and overgrown
[…]39

Das letzte Couplet nimmt hier Bezug auf die spezifische Argumentationsstrategie des ›strange therefore true‹: eine der populäreren Argumentationsfiguren der Legitimitätsdiskurse und ontologischen Debatten des 17. und 18. Jahrhunderts,40 die gerade in der Außergewöhnlichkeit einer Behauptung den Legitimationsgrund ihrer Faktizität verorten wollte.41 Es bedarf an dieser Stelle keiner großen Vorstellungsleistung, um zu ahnen, dass eine solche Legitimationsstrategie – die «[w]onderful» und «true» zusammenfallen lässt – in einem Wissenschaftsdiskurs, der zunehmend am Alltäglichen und Wiederholbaren interessiert war, Ziel von Spott werden konnte.

Hinzu kommt die Tatsache, dass frühe optische Instrumente wie Mikroskop und Teleskop hochgradig fehleranfällig waren. Butlers Gedicht hat einen ebensolchen Fall zum Thema: Es handelt von einem missglückten Experiment, bei dem eine Gruppe von Forschern bei der Beobachtung des Monds durch ein Teleskop, allerlei phantastische Szenen zu sehen bekommt. Schnell stellt sich allerdings heraus, dass der unvorstellbare Anblick durch eine Kontamination mit Fremdkörpern – unter anderem einer Maus, die zwischen die Linsen gequetscht wurde – verursacht wird. Die Produktion solcher Artefakte war keineswegs unüblich: Frühe Teleskope und Mikroskope waren anfällig für allerlei Arten prismatischer Verzerrungen und Verfärbungen, die auf den durch die geschliffenen Linsen veränderten Lichteinfall zurückzuführen waren.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass ein Instrument, das bekannt dafür war, nicht nur bisher neue, sondern phantastische Verzerrungen schon bekannter Gegenstände zu zeigen, stets unter Verdacht stehen musste, statt Fakten zu zeigen, schlicht Artefakte zu produzieren und von einer epistemischen auf eine ästhetisch-spekulative Funktion reduziert zu werden: von Teleskop zu Kaleidoskop.

Gegen die Vorwürfe, sich dieser «nicest speculations» zu bedienen, mobilisiert der Diskurs der Experimentalphilosophie verschiedene Strategien der Normalisierung. So achtet bereits Galileo in der schriftlichen Aufarbeitung seiner teleskopischen Entdeckungen im Siderius Nuncius darauf, die Metapher der neu entdeckten Welten unvollzogen zu lassen und besteht immer wieder auf einer potenziell prekären Trennung von Epistemologie und Ontologie: Die neu entdeckten Welten seien nur für die Sinne neu entdeckt.42

Im britischen Kontext ist es Henry Powers Kollege, Robert Hook, der zum prominentesten Vertreter der Experimente mit Vergrößerungslinsen und damit auch zum impliziten Ziel dieser Kritik wird. In seinen Micrographia sucht er bewusst die Distanz zu Henry Powers ̓ ästhetischen Mustern, die im Nichts schwebende abstrakte Formen und Schematismen zeigen.

Hook stattet stattdessen seine Zeichnung mit einer Überfülle an Details aus, die nicht dem besseren Verständnis des untersuchten Gegenstandes dienen, sondern die Faktizität des Untersuchten kommunizieren und eine Form von Realitätseffekt evozieren sollen.43 Bei den Beschreibungen seiner Entdeckungen vermeidet er sorgsam die Verwendung von Neologismen, die eine radikale ›Neuheit‹ des Entdeckten suggerieren könnten. Stattdessen ist seine Sprache von Analogien geprägt, die das scheinbar Phantastische in eine Terminologie des Bekannten einrahmen.44

Solche Strategien der Normalisierung dieser neuen und scheinbar phantastischen Bilder sollen die Gefahr bannen, einer spekulativen inventio überführt zu werden; sie setzen auf Immanenz als Immunisierungsstrategie. Epistemologie und Ontologie werden getrennt: Statt der ontologischen Expansion durch ein radikal Neues, wird alles Neue stets nur als Variation des schon Bekannten eingerahmt. Doch gerade solche Strategien der Immanenzerzeugung stoßen notwendigerweise immer wieder zurück auf ein spekulatives (also anti-empirisches) Verfahren. Denn Ausgangspunkt all dieser Strategien ist die spekulative Idee der instrumentellen Zeugenschaft: Der Diskurs der Experimentalphilosophie findet sich so heimgesucht von einem spekulativen Überschuss, der sich nicht wegkürzen lässt. Er bildet einen verleugneten Kern, der nicht das Andere des experimentalphilosophischen Diskurses ist, sondern eine konstitutive Leerstelle markiert einen spekulativen Kern, der erst den Raum öffnet, in dem sich diese Wissenschaft als emphatisch anti-spekulativ setzen kann.

Erst vor diesem wissenschaftsgeschichtlichen Hintergrund lassen sich die narrativen Konfigurationen von It-Narratives im Spannungsfeld verschiedener Poetologien des Phantastischen situieren. Denn während die bisher aufgeführten Kontroversen auf Debatten des ausgehenden 17. Jahrhunderts verweisen, die zu ihrer Zeit noch durchaus offen waren, entstehen Texte wie The Aerostatic Spy zu einer Zeit, zu der das epistemologische Paradigma von Empirismus und Experimentalphilosophie weitestgehend konsolidiert ist. Das bedeutet nun, dass sie an einer Epochenschwelle situiert sind, in der ein vormodern-spekulatives Weltbild von den Imperativen der Aufklärung abgelöst wird, die scheinbar hegemonial werden.45

Während wir vor diesem historischen Zeitpunkt durchaus von spekulativer – verstanden als im weitesten Sinne nicht-mimetischer – Literatur sprechen können, öffnet der epistemische Bruch des 18. Jahrhunderts eine dritte Position. Denn erst die Annahme einer natürlichen Faktizität erlaubt es, ein Phantastisches als grundlegend transgressiv zu imaginieren.46

Es ist ebendieser historische Bruch in der Episteme, auf den Tzvetan Todorovs einflussreiche Phantastiktheorie rekurriert. Phantastik im Todorov’schen – das heißt engen – Sinne, gründet bekanntermaßen auf einem spezifischen ästhetischen Effekt der epistemisch-ontologischen Verunsicherung.47 Diese Verunsicherung und der resultierende Zustand der hésitation legen Zeugnis ab von einem Kategorisierungsproblem, das sich so erst stellen kann, wenn die Trennung zwischen Realem und Wunderbaren, das heißt auch die zwischen Erfahrung und Spekulation, sich verfestigt hat.

Erst vor einem solchen Hintergrund, in dem zwei ontologisch distinkte Sphären als diskret voneinander geschiedene existieren, kann der Einbruch erfolgen, der den Effekt des Phantastischen im engeren Sinne hervorbringt.

5. The Aerostatic Spy

Hier lohnt sich eine Rückkehr zu den anfangs eingeführten Textausschnitten aus The Aerostatic Spy. Die phantastische Perspektive, die durch den erzählenden Gegenstand eröffnet wird, ist hier nicht impliziter status quo, sondern wird als drastischer Einbruch in die ontologische Ordnung der erzählten Welt geschildert. Als der menschliche Passagier den scheinbar ›von selbst‹ aufsteigenden Ballon betritt und von ihm in die Höhe gezogen wird,

[...] the very clouds, which had rolled like an ocean beneath me, began to disappear, or rather to form part of the Globe around which they revolved, and which lessend as I arose, piercing the yielding aether. The reader may now perhaps conceive me verging fast towards the fields of light and heat and ready to be dazzeled with their elementary splendour. But the case was quite different. I sustained a very great degree of cold; I found my breath heave short and quick, and saw the sun only as an orb of fire [...].48

Annette Simonis hat Szenen wie diese, im Rückbezug auf Ritualtheorien, als Passagenriten konzeptualisiert. Diese Passagenriten sind die konventionalisierten Grenzzeichen eines Übergangs zwischen den Ebenen, die man mit Uwe Durst als zwei konkurrierende Realitätssysteme verstehen kann.49 Die Passage steht dabei vor der Aufgabe, das vorhergehende Realitätssystem aufzulösen, um das nachfolgende einsetzen zu können. Das Subjekt dieses Übergangs befindet sich also in einem höchst prekären, liminalen Raum.50 Die aufgeführte Szene in The Aerostatic Spy scheint ein überzeugender Anwärter auf solch eine Position, ist sie doch übervoll mit der Semantik eines wunderbaren Übertritts. Denn diese zunächst überraschend realistische Darstellung eines Aufstiegs in die höheren atmosphärischen Schichten nimmt rasch wunderbare Züge an, als der menschliche Passagier eine Veränderung der Naturgesetze in diesem neu aufgeschlossenen Raum registriert. Gleich einem Naturphilosophen der Royal Society unternimmt er nun eine Reihe von Experimenten, beispielsweise als er einige Gegenstände aus dem Ballon wirft und überrascht feststellt: «[...] [R]epeating the experiment, they remained quiescent, neither moving nor moved, neither attracting nor attracted.»51

Zunächst wird suggeriert, dass hier eine wunderbare Welt betreten wurde, in der bekannte Naturgesetze keine Geltung haben oder zumindest die epistemologischen Grundannahmen des menschlichen Reisenden suspendiert sind. Gleichzeitig wird durch das metaphorische Feld der aerostasis die Phantasie eines neutralen Raumes evoziert, in dem eine Position, »neither attracting nor attracted«,52 die ideale Achse bildet, an der eine epistemologisch privilegierte Position eines objektiven Betrachters abgetragen werden kann. Die Absenz potenziell störender und verzerrender Bewegungen knüpft an ein Register der Stabilität und Vorhersehbarkeit an und stellt so den imaginären Gehalt für die Autorität einer nichtmenschlichen Perspektive bereit. Die Szene scheint also tatsächlich einen solchen liminalen Raum darzustellen, den Judith Dangel als für die Phantastik charakteristische tabula rasa zwischen den Welten bezeichnet:53 einen Nullpunkt der Erkenntnis, von dem ausgehend sich eine neue epistemologisch-ontologische Ordnung konsolidieren kann.

Diese Spannung scheint aufgelöst und die neue Welt betreten zu sein, als die phantastische Gestalt Amiels eingeführt wird:

Whilst I was thus employed, a lucid body appeared over my head. [...] A moment brought the aerial vehicle in sight, which proved not to be a cloud, but an emanation of fire lighter than air. It was composed of elemental aether.54

Es hat den Anschein, als wäre der Übergang mit dem Eintritt dieser phantastischen Gestalt vollendet. Doch als dieser wundersame »spirit of the Atmosphere«55 zu sprechen beginnt, gewinnt die Szene an Komplexität: Bald stellt sich heraus, dass hier nicht die Einsetzung einer neuen ontologischen Ordnung, sondern der Übergang von einer epistemologischen Ordnung zur nächsten dramatisiert wird. Denn der menschliche Rahmenerzähler wird für den versuchten Übertritt ins Wunderbar-Transzendente zur Rede gestellt als der »spirit of the Atmosphere«56 das Wort an ihn richtet:

[A]rt thou now satisfied with roaming into the Fields of Air? Thus experienced, wouldst thou rather chuse to return to earth, or sleekest thou any thing farther in these superior regions?« I need not answer that the latter was my choice [...].57

Die Idee eines tatsächlichen Übergangs in eine wunderbare Welt, in der die Naturgesetze suspendiert wären, wird hier rasch wieder zurückgenommen. Die Möglichkeit einer solchen Transzendenz wird widerrufen, als der menschliche Reisende sich für den Abstieg entscheidet und wieder Teil des normalen Realitätssystems wird: Mit dem Abstieg verbindet sich die Wiedereinsetzung der als bekannt markierten ontologische Parameter.

Doch zurück bleibt der Geist, der als «fire lighter than air» beschrieben wird. Es ist gleichsam ein phantastischer Rest, der als Treibkraft den Ballon beseelt und den menschlichen Passagier als zentrale Instanz narrativer Vermittlung ablöst. Die Phantastik dieses ›Geistes‹ ist aber selbst nicht ungebrochen, denn die mit Aufklärungsdiskursen vertrauten Leser*innen des späten 18. Jahrhunderts werden in dem «fire lighter than air» schon kein phantastisches Naturwunder mehr, sondern die ›inflammable air‹ erkannt haben, die als chemisches Element zuerst von Henry Cavendish 1766 systematisch erfasst wurde. Zwei Jahre vor der Publikation von The Aerostatic Spy gibt Antoine Lavosier dem in einem Experiment synthetisierten Element den heute gebräuchlicheren Namen: hydrogen, Wasserstoff. Der transzendente Geist ist also gleichzeitig chemische Materie. Der scheinbar wundersame Aufstieg des Ballons – wundersam, weil ohne thermodynamische Zustandsveränderung – wird so immanent erklärt und auf das neu entdeckte Gas zurückgeführt, das in den Jahren nach der Publikation des Texts die zunächst noch heißluftbetriebene Ballonfahrt revolutioniert.58

Diese Kontextualisierung hilft nun, die narrativen Idiosynkrasien des Texts zu erklären, in dem dieses erzählende Objekt teils als identisch mit dem von ihm betriebenen Ballon, teils als unabhängige Entität erscheint. Sobald dieser »Aerostatic spirit«59 auf seine materielle Basis zurückverfolgt wird, also zu einem Gas, das zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Texts als bekannt vorausgesetzt werden kann, wird deutlich, dass es sich hier tatsächlich um eine Perspektive handelt, die sowohl radikal immanent als auch materiell vergegenständlicht ist.

Und doch: So endgültig ist diese Entzauberung nicht. Es bleibt das wunderbare Faktum einer nichtmenschlichen Erzählinstanz. Die Spannung zwischen der physischen Einbettung des Gegenstandes, seiner phantastischen Fähigkeit zu sprechen sowie zwischen diesem anti-mimetischen Faktum und den ostentativen Faktizitätsansprüchen dieser Rede wird aufrechterhalten.

Dies ist der Ort des Phantastischen im engeren Sinne im Genre der It-Narratives: Es ist eine Spannung, welche die Dialektik ausbuchstabiert, zwischen einer wunderbar-mystischen vormodernen Struktur – der ›Führung‹ durch einen Geist namens »Amiel« – und den technologischen Verfahren der Aufklärung, die diese scheinbar wundersame Erscheinung entzaubern und in einem wissenschaftlichen System katalogisieren, das es als eines von zahlreichen chemischen Elementen kennt.

6. Spekulation als Verfahrenstechnik

In dieser narrativen Konfiguration adressiert der Text daher nicht den Bruch zwischen einem etablierten empiristischen Paradigma und dem ihm vorgängigen spekulativen Weltbild, sondern vielmehr das Fortexistieren genuin vormoderner Erkenntnisstrukturen im Diskurs des experimentalphilosophischen Empirismus. Der Text weist Spekulation nicht als das Andere der gesicherten Erfahrung aus, sondern als dessen konstitutiven Kern. Um die Auslöschung dieses spekulativen Kerns bemüht, mobilisiert der experimentalphilosophische Diskurs die Normalisierungsstrategien, die einen Überschuss an Immanenz in Stellung bringen, doch fallen diese Strategien selbst notwendigerweise wieder zurück in die Spekulation. Um mit Theodor Adornos und Max Horkheimers Ausführungen zur Dialektik der Aufklärung zu sprechen:

Das Prinzip der Immanenz, der Erklärung jeden Geschehens als Wiederholung, das die Aufklärung wider die mythische Einbildungskraft vertritt, ist das des Mythos selber. Die trockene Weisheit, die nichts Neues unter der Sonne gelten läßt, weil die Steine des sinnlosen Spiels ausgespielt, die großen Gedanken alle schon gedacht, die möglichen Entdeckungen vorweg konstruierbar, die Menschen auf Selbsterhaltung durch Anpassung festgelegt seien – diese trockene Weisheit reproduziert bloß die phantastische, die sie verwirft; die Sanktion des Schicksals, das durch Vergeltung unablässig wiederherstellt, was je schon war. Was anders wäre, wird gleichgemacht.60

So lassen sich diese Normalisierungsstrategien als prägende Iterationspunkte im Prozess einer der Aufklärung eigenen Dialektik lesen. Dieser kulminiert schließlich in einer neuen, instrumentellen Vernunft, deren Mittel unter die Zwecke ihrer Rationalität subsumiert werden.

Dagegen mobilisiert die Phantastik einen »Aufstand der Mittel gegen die Zwecke«61 Doch im Fall der It-Narratives des späten 18. Jahrhunderts erschöpft sich diese Rebellion weder im Einbruch des ausgeschlossenen Wunderbaren, das zu seinem Recht zu kommen sucht, noch in der Ästhetisierung des Effekts epistemisch-ontologischer Verunsicherung: Ihr narratives Verfahren gipfelt weder in einer konsequenten Modulation ins Wunderbare oder in einer erfolgreichen Rückführung in das ›normale‹ Realitätssystem, noch in einem Zustand der hésitation im Todorov’schen Sinne. Stattdessen wird die phantastische Perspektive des erzählenden Gegenstandes mit einer radikalen Immanenz in eine Welt des Alltags eingebettet. Die narrative Konfiguration von It-Narratives stellt sich so als homolog heraus zu den diskursiven Verfahrenstechniken der Experimentalphilosophie: In beiden Fällen hält ein minimaler phantastischer Antezedent den Raum eines gesicherten und explizit als nicht-spekulativ ausgewiesenen Wissens offen. Im Gegensatz zu den Normalisierungsstrategien, derer sich der Diskurs der Experimentalphilosophie bedient, um dieses Element auszuschließen, wird in It-Narratives dieser Ausschluss selbst motivisch. Statt aufgelöst zu werden, wird diese Dialektik in ihrer Spannung dramatisiert.

Das Prekäre dieser Position wird im Genre der It-Narratives als Manifestation einer spekulativen Perspektive ausgestellt, die einen nichtmenschlichen, technizistischen Zugriff auf ›Realität‹ ermöglichen würde. Durch diese Konfiguration nehmen diese Texte eine scheinbar paradoxe Position im Spannungsfeld ›realistischer‹ und ›phantastischer‹ Literatur ein. Einerseits handelt es sich um eine nicht-mimetische Erzählung in dem Sinne, als dass die Erzählsituation in der phantastischen Hypothese eines berichtenden Gegenstandes gründet. Andererseits bleibt diese Erzählposition der vorgeblich objektiven und un-parteiischen Sicht des Objekts stets ausgerichtet auf die tendenzielle Auslöschung des Effekts epistemisch-ontologischer Unsicherheit, auf welchem der Rezeptionsmodus des Phantastischen im engen Sinne gründen würde.

Statt die Auslöschung der Spur des Phantastischen zu betreiben, stellen It-Narratives diese also ostentativ aus. Spekulation wird sichtbar als genuine Verfahrenstechnik des empirischen Diskurses. Sie zeigen keine phantastischen Welten als Antipoden zur dominanten Auffassung empirischer Realität, sondern das Phantastische als ausgeschlossenes Strukturprinzip dieser Realität.

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SPRAT, Thomas: The History of the Royal-Society of London for the Improving of Natural Knowledge. London 1667.

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  • 1. Vgl. Dieter Petzold: »England: Die Phantastik des 18. Jahrhundert zwischen Aufklärung und ­Romantik«. In: Hans Richard Brittnacher u. Markus May (Hg.): Phantastik. Ein Interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart 2013, S. 39.
  • 2. Während sich The Aerostatic Spy ab der zweiten Auflage als Roman auszeichnet, ist die ­Gattungsfrage bei anderen It-Narratives weniger eindeutig zu klären. Längeren, formal abgeschlossenen und eigenständig publizierten Werken steht eine Vielzahl kürzerer und teils fragmentarischer ­Publikationen in Zeitschriften gegenüber. Das zentrale Verbindungsglied des Genres ist die spezifische Erzählsituation, auf die noch eingegangen werden wird.
  • 3. Das Frontispiz der ersten Ausgabe von The Aerostatic Spy ziert eine eigens in Auftrag gegebene Illustration eben dieses Aufstiegs vom 15. September 1784.
  • 4. Anonym: »The Aerostatic Spy« [1785]. In: Mark Blackwell u. a. (Hg.): British It-Narratives, 1750–1830. Bd. III. London 2012, S. 225–267, hier S. 249–250.
  • 5. Steven Shapin und Simon Schaffer weisen in ihrer einflussreichen Studie Leviathan and the Air Pump eine Reihe sprachlicher Kompositionsstrategien der frühen Experimentalphilosophie nach, welche die Glaubwürdigkeit von Berichten aus zweiter Hand garantieren sollten. Vgl. Steven Shapin u. Simon Schaffer: Leviathan and the Air-Pump. Hobbes, Boyle, and the Experimental Life. Princeton 1985, S. 60–65.
  • 6. Vgl. ebd.
  • 7. Vgl. die etymologische Verbindung der Einträge Art. »Excise, n.«. In: Oxford English Dictionary. Oxford 2020. https://www-oed-com.emedien.ub.uni-muenchen.de/view/Entry/65780 (zuletzt eingesehen am 17.2.2020) und »Excise, v.«. In: Oxford English Dictionary. Oxford 2020. https://www-oed-com.emedien.ub.uni-muenchen.de/view/Entry/65781 (zuletzt eingesehen am 17.2.2020).
  • 8. Anonym: »The Aerostatic Spy« (Anm. 4), S. 250.
  • 9.  Anonym: »The Aerostatic Spy« (Anm. 4), S. 229.
  • 10. Charles Johnstone: Chrysal, or; The Adventures of a Guinea. London 1760.
  • 11. Richard Fenton: »Memoirs of an Old Wig« [1815]. In: Mark Blackwell u. a. (Hg.): British It-­Narratives, 1750–1830. Bd. II. London 2012, S. 319–331.
  • 12. Anonym: »The Travels of MS Le Post Chaise« [1753]. In: Mark Blackwell u. a. (Hg.): British It-Narratives, 1750–1830. Bd. III. London 2012, S. 27–63.
  • 13. Anonym: »The Adventures of a Pen« [1806]. In: Mark Blackwell u. a. (Hg.): British It-­Narratives, 1750–1830. Bd. IV. London 2012, S. 253–257.
  • 14. Anonym: »The Adventures of a Quire of Paper« [1779]. In: Mark Blackwell u. a. (Hg.): British It-Narratives, 1750–1830. Bd. IV. London 2012, S. 23–41.
  • 15. So wird das Genre heutzutage oft als paradigmatisches Beispiel für »unnatural narratives« gehandelt, also Narrative, die von den Parametern ›natürlicher‹ Erzählsituationen abweichen. Vgl. Jan Alber: »The Diachronic Development of Unnaturalness. A View on Genre«. In: Jan Alber u. ­Rüdiger Heinze (Hg.): Unnatural Narratives – Unnatural Narratology. Berlin/Boston 2011, S. 41–71, hier S. 49–52.
  • 16. Charles Johnstones Chrysal, das vermutlich bekannteste Werk dieser Art, erschien 1760 und ging bis zur Jahrhundertwende durch 20 Auflagen.
  • 17. Die Gegenstände in It-Narratives verweisen also nie auf ein außer ihnen Liegendes, stattdessen ist die narrative Konfiguration stets an die materiellen Spezifika des jeweiligen Gegenstandes gebunden, dessen soziale Einbettung im Vordergrund steht. Eine größere Nähe zu Märchenformaten ist zweifellos in denjenigen Texten zu finden, in denen Tiere autodiegetisch erzählen. Doch auch diese funktionieren nicht als allegorische Verweise auf mit diesen Tieren assoziierte Abstrakta, sondern als durch ihre Größe (vgl. z. B. Stephen Jones: The Life and Adventures of a Fly. London 1787) oder durch ihre Funktion in häuslichen Kontexten (vgl. z. B. Francis Coventry: The History of Pompey the Little; or, The Life and Adventures of a Lap-Dog. London 1751) epistemologisch privilegierte Erzählinstanzen. Blackwell u. a. führen diese Texte als Subgenre von It-Narratives, denn während sie im 18. Jahrhundert noch eine relativ kleine Nische einnehmen, werden sie ab Anfang des 19. Jahrhunderts prominenter, bilden aber gleichzeitig eine Auflösungserscheinung des Genres ab. In dem Maß, in dem ›eigentliche‹ It-Narratives verschwinden, werden Tiergeschichten populärer und ersetzen den satirisch-kritischen Impetus von It-Narratives durch einen Fokus auf Moraldidaktik. ­Diese Traditionslinie, die sich sozusagen am Rand von It-Narratives entlangzieht, mündet schließlich in der ­Kinderliteratur des viktorianischen England. Vgl. u. a. Liz Bellamy: »It-Narrators and Circulation: Defining a Subgenre«. In: Mark Blackwell (Hg.): The Secret Life of Things: Animals, Objects, and It-Narratives in Eighteenth-Century England. Lewisburg 2007, S. 117–146, hier S. 131.
  • 18. Barbara Benedict: Curiosity: A Cultural History of Modern Inquiry. Chicago 2001, S. 144.
  • 19. Charles Gildon: The Golden Spy. London 1709, S. 175.
  • 20. Anonym: »The Adventures of a Watch!« [1788]. In: Mark Blackwell u. a. (Hg.): British It-­Narratives, 1750–1830. Bd. IV. London 2012, S. 129–163, hier S. 148.
  • 21. Helenus Scott: »The Adventures of a Rupee« [1782]. In: Mark Blackwell u. a. (Hg.): British It-Narratives, 17501830. Bd. I. London 2012, S. 27–73, hier S. 70.
  • 22. Vgl. z. B. Peter Anstey »Locke, Bacon and Natural History«. In: Early Science and Medicine 7.1 (2002), S. 65–92.
  • 23. Obwohl es große Schnittmengen zwischen Empirismus als epistemologischer Doktrin und der Experimentalphilosophie als wissenschaftlicher Praxis gibt, sind beide nicht als deckungsleich zu sehen. Eine einschlägige Illustration lässt sich im Fall von Henry Power finden, der mit seinen mikroskopischen Experimenten vor allem cartesianische Doktrinen zu legitimieren suchte und von dem im weiteren Verlauf noch die Rede sein wird. Vgl. hierzu u. a.: Ian Lawson: Robert Hooke’s Microscope. The Epistemology of an Instrument. Dissertation. Sydney 2015. https://www.academia.edu/15359938/Robert_Hookes_Microscope_finished_thesis_ (zuletzt eingesehen am 6.8.2019, S. 93).
  • 24. Bruno Latour: Nous n’avons jamais été modernes. Essai d’anthropologie symetrique. Paris 1991. E-Pub, Kapitel 2. Solche Beobachtungen sind oftmals Ausgangspunkte, an denen zeitgenössische ­Studien zur ›agency‹ materieller Objekte anknüpfen, die sich für die Idee der Widerständigkeit der Dinge interessieren. Vgl. z. B. Andrew Jones u. Nicole Boivin: »The Malice of Inanimate Objects: Material Agency«. In: Dan Hicks u. Mary Beaudry (Hg.): The Oxford Handbook of Material Culture Studies. Oxford 2010, S. 333–352. Die ›agency‹ der hier erzählenden Dinge ist jedoch meist enger umrissen: ihrer narrativen Aktivität steht eine physische Passivität gegenüber, die sie den Kontingenzen von Tausch, Verkauf und Verlust unterwirft.
  • 25. Vgl. Peter Dear: »Totius in Verba. Rhetoric and Authority in the Early Royal Society«. In: Isis 76.2 (1985), S. 145–161.
  • 26. Anonym: »The Aerostatic Spy« (Anm. 4), S. 229.
  • 27. Ebd., S. 233, S. 230 u. S. 248.
  • 28. Ebd., S. 233.
  • 29. Ebd., S. 236.
  • 30. Ros Ballaster: Fabulous Orients. Fictions of the East in England 1662–1785. Oxford 2005, S. 149.
  • 31. Benedict: Curiosity (Anm. 18), S. 144.
  • 32. Anonym: »The Aerostatic Spy« (Anm. 4), S. 240.
  • 33. Eintrag zu »spy« in Samuel Johnson: A Dictionary of the English Language [1755]. London 1785.
  • 34. Vgl. Brian J. Ford: »The Royal Society and the Microscope«. In: Notes and Records of the Royal Society of London. 55.1 (2001), S. 29–49.
  • 35. Vgl. Thomas Sprat: The History of the Royal-Society of London for the Improving of Natural Knowledge. London 1667, S. 384.
  • 36. Thomas Cowles: »Dr. Henry Power’s Poem on the Microscope«. In: Isis 21.1 (1934), S. 71–73.
  • 37. Interessanterweise wurde auch ein ebensolches Atom schon zur Erzählinstanz eines It-Narratives: In Tobias Smoletts 1769 veröffentlichtem The History and Adventures of an Atom erzählt ein einzelnes Atom von seinen Beobachtungen. Obwohl der Titel einen klareren Bezug zu zeitgenössischen Wissenschaftsdiskursen vermuten lässt, handelt es sich jedoch vor allem um einen satirischen Schlüsselroman, in dem der Fokus selten auf die physische Spezifik dieser Erzählinstanz fällt. Vgl. Tobias Smolett: The History and Adventures of an Atom [1769]. London 2014.
  • 38. Thomas Sprat: The History of the Royal-Society of London for the Improving of Natural Knowledge. London 1667, S. 384.
  • 39. Samuel Butler: »The Elephant in the Moon »[1675]. In: John Mitford (Hg.): The Poetical Works of Samuel Butler. Bd. II. London 1835, S. 138.
  • 40. Vgl. Sarah Tindal Kareem: Eighteenth Century Fiction and the Reinvention of Wonder. Oxford 2014, S. 65.
  • 41. Vgl. hier u. a. Michael McKeon: The Origins of the English Novel [1987]. Baltimore 2002, S. 64, sowie Riccardo Capoferro: Empirical Wonder: Historicizing the Fantastic, 1660–1760. Bern 2010, S. 90.
  • 42. Vgl. Howard Marchitello: »Telescopic Voyages: Galileo and the Invention of Lunar Cartography«. In: Judy A. Hayden (Hg.): Travel Narratives, the New Science, and Literary Discourse, 1569–1750. Farnham 2012, S. 161–179.
  • 43. Vgl. Janice Neri: »Between Observation and Image: Representations of Insects in Robert Hooke’s MicrographiaIn: Therese OMalley (Hg.): The Art of Natural History. Illustrated Treatises and Botanical Paintings, 1400–1850. New Haven 2010, S. 83–107.
  • 44. Vgl. John Henderson: »Door-Mats and Penumbras: Hooke’s Contributions to the English Language29. März 2014. https://hookeslondon.com/2014/03/29/hooke-and-english/ (zuletzt eingesehen am 18.9.2019).
  • 45. Vgl. Petzold: »Die Phantastik des 18. Jahrhundert« (Anm. 1), S. 30.
  • 46. Vgl. ebd.
  • 47. Vgl. Tzvetan Todorov: Einführung in die fantastische Literatur. München 1975.
  • 48. Anonym: »The Aerostatic Spy« (Anm. 4), S. 228.
  • 49. Vgl. Uwe Durst: Theorie der fantastischen Literatur. Tübingen 2001.
  • 50. Vgl. Annette Simonis: Grenzüberschreitungen in der phantastischen Literatur: Einführung in die Theorie und Geschichte eines narrativen Genres. Heidelberg 2005, S. 55–59.
  • 51. Anonym: »The Aerostatic Spy« (Anm. 4), S. 228.
  • 52. Ebd.
  • 53. Vgl. Judith Dangel: »Passagen, Schwellen, Übergänge«. In: Hans Richard Brittnacher u. Markus May (Hg.): Phantastik. Ein Interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart 2013, S. 441–447, hier S. 444.
  • 54. Anonym: »The Aerostatic Spy« (Anm. 4), S. 229. Indem hier zunächst der Ätherbegriff für die noch nicht identifizierte Substanz aufgerufen wird, verortet der Text sich in einer Wissenstradition, die diesen seit der Antike angenommenen Stoff als Platzhalter für ansonsten leeren Raum einsetzt. Damit knüpft die Passage an Aristoteles an, der den Begriff des Äthers beziehungsweise den der Quintessenz den vier Elementen beiordnet. Im Gegensatz zu diesen beschreibt der Äther aber einen unwandelbaren Stoff. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung müssen hier jedoch auch die neuzeitlichen Ätherdebatten, vor allem diejenigen zwischen Isaac Newton und Robert Hooke, Resonanz gefunden haben. Vgl. Gernot Böhme u. Hartmut Böhme: Feuer, Wasser, Erde, Luft: Eine Kulturgeschichte der Vier Elemente. München 2004, S. 143–164, und Léon Rosenfeld: »Newton’s Views on Ether and Gravitation«. In: Archive for History of Exact Science 6.1 (1969), S. 29–37.
  • 55.  Anonym: »The Aerostatic Spy (Anm. 4), S. 229.
  • 56.  Anonym: »The Aerostatic Spy« (Anm. 4), S. 229.
  • 57. Ebd.
  • 58. Der erste bemannte Flug eines mit Wasserstoff gefüllten Ballons fand nur wenige Tage nach dem Jungfernflug des ersten Heißluftballons, am 1. Dezember 1783, in Paris statt.
  • 59. Anonym: »The Aerostatic Spy« (Anm. 4), S. 230.
  • 60. Max Horkheimer u. Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung: Philosophische Fragmente [1944]. Frankfurt / M. 2009, S. 18.
  • 61. Hans Richard Brittnacher u. Markus May: »Phantastik-Theorien«. In: Hans Richard ­Brittnacher u. Markus May (Hg.): Phantastik. Ein Interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart 2013, S. 189–197, hier S. 190.

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