Digitales Journal für Philologie
Textpraxis # 13 (1.2017)
Jennifer Clare erprobt anhand von Bernward Vespers Die Reise die Zusammenführung der Text-Kontext-Ansätze von Stephen Greenblatt und Rüdiger Campe, Vanessa Hannesschläger untersucht das globale Autoren-Netzwerk der Konkreten Poesie als ein ›europäisches Projekt‹ und Hannes Höfer beschäftigt sich mit Intermedialität in literarischen Darstellungen von Jazzmusik.
Der Beitrag untersucht die Darstellung von Jazzmusik in den Romanen Jazz (1927) von Hans Janowitz, Tauben im Gras (1951) von Wolfgang Koeppen und Thomas Meineckes Musik (2004) und hinterfragt eine Grundannahme der Theorie musikliterarischer Intermedialität. Diese geht im Kern davon aus, dass Literatur Musik thematisieren oder imitieren kann, letzteres z. B. durch klangliche Nachahmung oder Strukturanalogien. In den vorliegenden Fällen wird auf Jazz jedoch über einen intertextuellen Zwischenschritt Bezug genommen: Die Autoren suchen nicht nach Analogien zwischen Literatur und Jazz, sondern nach bereits existierenden Schreibweisen, um Jazz darzustellen und ihm gleichzeitig intertextuell eine spezifische Bedeutung zuzuschreiben.
Dieser Beitrag untersucht das Netzwerk der Schreibenden, die der Konkreten Poesie-Bewegung der 1950er und 1960er Jahre zuzuzählen sind. Dabei wird unter Bezugnahme auf die theoretischen Ansätze Sassatellis, Schmales und Metzeltins die These aufgestellt, dass dieses weltumspannende Netzwerk als ein ›europäisches Projekt‹ verstanden werden kann. Die Geschichte der Konkreten Poesie und Verbindungen der Konkreten Schreibenden aus den verschiedenen Teilen der Welt zueinander werden dargestellt, bevor Ernst Jandl als Fallbeispiel herangezogen wird, um die poetologischen und politischen Dimensionen des Konkreten näher zu beleuchten. Abschließend werden die Erkenntnisse in aktuellen Europa-Diskursen kontextualisiert.
Die neuere Schreibprozessforschung hat seit den 1970er Jahren ihren Fokus stark erweitert, u.a. um materielle, kulturelle und intertextuelle Elemente. Fast gleichzeitig ist in der Literatursoziologie mit Stephen Greenblatts Modell der Kulturpoetik eine einflussreiche Neukonzeption des Text-Kontext-Verhältnisses vorgelegt worden. Auf dieser Basis führt Clare zwei Modelle – Greenblatts Kulturpoetik und die Schreibszene im Anschluss an Rüdiger Campe – zusammen und macht sie für eine sowohl individuell als auch kollektiv orientierte Schreibprozessforschung fruchtbar. Anhand eines Praxisbeispiels (Bernward Vespers Die Reise [1977]) wird die Zusammenführung in ihrem gemeinsamen Potential erprobt.