Digitales Journal für Philologie
Textpraxis # 5 (2.2012)
Es geht voran! So könnte das Motto der fünften Ausgabe lauten, in der drei neue Beiträge vornehmlich aus der Gegenwartsliteratur ganz neue Themen- und Theoriefelder in Textpraxis betreten: Dirk Schulz (Köln) widmet sich Fragen der Gender- und Queer-Theorie, womit Textpraxis den ersten Artikel aus der Anglistik verzeichnen kann. Minu Hedayati-Aliabadi (Dortmund) untersucht die bislang weniger bekannten lyrisch-künstlerischen Collagenarbeiten der Nobelpreisträgerin Herta Müller. Schließlich wird mit dem Interview, das Maria Aparecida Barbosa (Santa Catarina) mit der Schriftstellerin und Theatermacherin Theresia Walser führt, erstmals die Möglichkeit ausgeschöpft, innerhalb der Praxissäule andere Textformate zu erproben.
Sowohl im akademischen als auch im populären Gebrauch wird ›queer‹ infolge des fortwährenden Überschreibens und Überlesens bewusst ambivalenter Textgestaltungen schon seit einiger Zeit nicht mehr abgrenzend zu den häufig analog gebrauchten Termini gay/lesbian oder homosexual verstanden. Beispielhaft für diese Heteronormativierung ist der Umgang mit Oscar Wildes The Picture of Dorian Gray und Mrs. Dalloway von Virginia Woolf. Ihre genuin queere Verweigerung einer definierenden und kategorisierenden Denk- und Schreibweise findet bislang weder in der kritischen Rezeption noch in ihren Adaptionen der Milleniumswende ihre angemessene Korrespondenz. Im Gegenteil, das Beharren beider Erzählungen auf Uneindeutigkeit als Überlebensprinzip wird als ›Pose‹ bzw. ›Verschleierungstaktik‹ verstanden, wobei autobiographische Bezüge der Autor_innen vorherrschen. Auf diese Weise werden die subversiven Erzählstrategien beider Texte in eine heteronormative Ordnung überführbar.
Der Artikel beschäftigt sich mit den in der Forschungsliteratur und der breiten Öffentlichkeit bisher kaum beachteten Bild-Text-Collagen Herta Müllers. Konkret erfolgt nach einer kurzen Einführung in Herta Müllers Werkcharakter und einer medialen und strukturellen Verortung der Bild-Text-Collagen eine Analyse der lyrischen und formalen Gestaltung des Textes, der medialen Inszenierung der Schriftelemente und der Bild-Text-Korrelationen am Beispiel der Bild-Text-Collagen des aktuellsten Collage-Bandes »Die blassen Herren mit den Mokkatassen« (2005). Die Strategie der Fremdheit, die Herta Müllers prosaische Werke durchziehen, erfährt in den Bild-Text-Collagen eine Zuspitzung und mediale Komponente.
In ihrem Interview spricht die Literaturwissenschaftlerin Maria Aparecida Barbosa mit der Dramatikerin Theresia Walser. Am Beispiel des Theaterstücks King Kongs Töchter (1998), das sich auf groteske Art und Weise mit dem Alltag in einem Altenheim befasst, werden dabei verschiedene Themen angesprochen: Es geht um die Selbstreflexivität des Theaters, um Walsers Verständnis von poetischer Sprache und Realismus sowie um den kreativen Schreibprozess im Allgemeinen. Ergänzt wird das Interview durch eine Einführung von Karina Schuller.